Kurs:Analysis II/Kapitel IV: Partielle Differentiation für Funktionen mehrerer Veränderlicher/Partielle Ableitungen höherer Ordnung (§2)

Definition 1 Bearbeiten

Sei eine offene Menge und eine Funktion, deren partielle Ableitung
existiere. Außerdem existieren sukzessiv
überall in . Dann heißt
die partielle Ableitung von der Ordnung nach den Variablen . Dabei sind und gewählt worden.

Satz 1 Bearbeiten

Auf der offenen Menge sei die Funktion erklärt. Weiter existieren die partiellen Ableitungen und in . Außerdem sei an der Stelle stetig. Dann gilt
mit der Hilfsfunktion
für mit und .

Beweis Bearbeiten

Wegen ihrer Offenheit gibt es ein , so dass die Kreisscheibe

in liegt. Sei nun ein beliebiger Punkt aus mit und . Dann können wir

mit Hilfe der Funktion im Intervall

wie folgt darstellen:

(1) .

Da in existiert, ist in stetig und im Innern von differenzierbar. Damit kann man den Mittelwertsatz der Differentialrechnung anwenden und erhält mit einem (d. h. ) aus (1) die Beziehung

(2) .

Eine nochmalige Anwendung des Mittelwertsatzes auf die im Intervall

stetige und in differenzierbare Funktion liefert

mit einem (d. h. ). Da der Punkt beliebig gewählt war, gibt es also zu jedem mit und einen Punkt mit und , so dass

(3)

erfüllt ist. Wegen der vorausgesetzten Stetigkeit von im Punkt folgt aus (3) die Relation

.

q.e.d.

Satz 2 Bearbeiten

Auf der offenen Menge sei die Funktion erklärt. Weiter existieren die partiellen Ableitungen und in , wobei an der Stelle stetig ist. Dann existiert auch im Punkt und es gilt
.

Beweis Bearbeiten

Da die Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllt sind, sehen wir ein:

.

q.e.d.

Beispiel 1 Bearbeiten

Für die Funktion

falls und

verwenden wir universelle Polarkoordinaten mit und . Dann ergibt sich

falls .

Wir betrachten nun

und berechnen in ihre ersten partiellen Ableitungen

sowie

.

Hieraus ersehen wir mit und wir spezialisieren

falls

sowie

falls .

Wir erhalten damit, dass die gemischten Ableitungen

nicht übereinstimmen. Folglich muss die gemischte Ableitung im Nullpunkt stetig sein!

Satz 3 (Vertauschbarkeitslemma von H. A. Schwarz) Bearbeiten

Seien und eine Funktion auf der offenen Menge , deren partielle Ableitungen und stetig in sind. Dann existiert auch in und es gilt
für alle .

Definition 2 Bearbeiten

Die Dimensionen und die offene Menge seien gewählt. Dann erklären wir die Menge aller Funktionen
,
deren partielle Ableitungen bis zur Ordnung einschließlich existieren und in stetige Funktionen darstellen, als den Vektorraum der -mal stetig differenzierbaren Funktionen . Wir schreiben
und .
Wir nennen eine -mal stetig partiell differenzierbare Funktion in . Mit
bezeichnen wir den Vektorraum der beliebig oft stetig partiell differenzierbaren Funktionen auf .

Bemerkung Bearbeiten

Seien zu zwei Funktionen und eine reelle Zahl. Mit den Verknüpfungen

und

wird zu einem Vektorraum.

Satz 4 Bearbeiten

Sei die Funktion mit gegeben. Weiter sei ein System natürlicher Zahlen mit für und eine Permutation von . Dann gilt
für alle .

Beweis Bearbeiten

Jede Permutation lässt sich durch endlich viele Vertauschungen benachbarter Paare darstellen. Damit wird der Beweis auf Satz 3 zurückgeführt.

q.e.d.

Definition 3 Bearbeiten

Für eine reellwertige Funktion versteht man unter ihrem Differential an der Stelle die Linearform
(4) .

Bemerkung Bearbeiten

Der Mittelwertsatz aus §1, Satz 2 erscheint nun in der Form

mit .

Definition 4 Bearbeiten

Auf der offenen Menge sei die Funktion gegeben. Dann erklären wir das Differential der Ordnung von als folgende -Form:
(5)

Beispiel 2 Bearbeiten

Seien und gewählt, so gilt für das Differential erster Ordnung

und für das Differential zweiter Ordnung

.

Definition 5 Bearbeiten

Seien sowie und die offene Menge gegeben. Dann gehört die Funktion zur Klasse , falls und alle partiellen Ableitungen bis zur Ordnung einschließlich zu stetigen Funktionen auf die Menge fortgesetzt werden können. So erhalten wir den Vektorraum der -mal stetig differenzierbaren Funktionen auf der abgeschlossenen Menge . Ferner setzen wir
für den Vektorraum der unendlich oft differenzierbaren Funktionen auf .