Kurs:Reise in das romantische Dresden/Personen

Elise Polko

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Elise Polko (geb. Vogel; * 13. Januar 1822 auf Wackerbarths Ruh’ (Naundorfer Flur), heute zu Radebeul; † 15. Mai 1899 in München) war eine deutsche Dichterin und Sängerin.

Elise Vogel war das erste Kind des Rektors Carl Vogel, der zusammen mit seinem Schwiegervater Carl Lang die 1816 in w:de:Wackerbarths Ruh’ eingerichtete Knabenerziehungsanstalt leitete. 1824 zog die Familie nach Krefeld.

Elise Vogel gehörte zum Freundeskreis von w:de:Felix Mendelssohn Bartholdy; im Hause von Mendelssohns Schwester w:de:Fanny Hensel fand sie Aufnahme. Dieser Runde gehörten auch w:de:Jenny Lind, w:de:Wilhelmine Schröder-Devrient und w:de:Rahel Varnhagen von Ense an. Polkos Stimme und ihre Begabung weckten das Interesse Mendelssohns, welcher sie ebenso wie w:de:Livia Frege förderte. Auf Mendelssohns Rat ließ sie sich zur Sängerin (Mezzosopran) ausbilden. Auch als Opernsängerin hat sie sich erfolgreich versucht; ihr Gesangsstudium vervollständigte sie in Paris bei Manuel Garcia. Ihr Plan, zur Bühne zu gehen, wurde durch veränderte Familienverhältnisse verhindert. Nach dem Ausbruch der w:de:Februarrevolution 1848 kehrte sie nach Leipzig zurück. 1849 verzichtete sie auf eine Bühnenlaufbahn als Sängerin und heiratete Eduard Polko[1], einen Eisenbahningenieur und späteren Eisenbahndirektor der w:de:Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft. Sie widmete sich von da an der Schriftstellerei.

Fanny Hensel

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Fanny Hensel (* 14. November 1805 in Hamburg als Fanny Zippora Mendelssohn, getauft Fanny Cäcilie Mendelssohn Bartholdy; † 14. Mai 1847 in Berlin) war eine deutsche Komponistin der Romantik sowie Pianistin, Dirigentin und Konzertorganisatorin.

Fanny Hensel wurde am 14. November 1805 als Tochter von Lea Mendelssohn, geb. Salomon (1777–1842), und Abraham Mendelssohn (1776–1835) in Hamburg geboren. Sie war die ältere Schwester des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847), der Sängerin Rebecka Dirichlet (1811–1858) und von Paul Mendelssohn-Bartholdy (1812–1874). Väterlicherseits war sie Enkelin des berühmten jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn. Mütterlicherseits entstammte sie einer Musikerfamilie. Ihre Mutter Lea Mendelssohn war die Enkelin des Unternehmers Daniel Itzig. Die Frauen der Familie Itzig konzertierten als Pianistinnen, waren Mitglieder der Sing-Akademie zu Berlin und mit Ludwig van Beethoven bekannt. So erhielt Fannys Großmutter Bella Salomon, geb. Itzig, Klavierunterricht durch den Bach-Schüler Johann Philipp Kirnberger und gab dieses Wissen an ihre Tochter Lea weiter. Die Großtante Sara Levy, geb. Itzig, war Lieblingsschülerin Wilhelm Friedemann Bachs und trat als Cembalistin in den Konzerten der Sing-Akademie auf. Sie besaß eine sehr umfangreiche Notensammlung und veranstaltete in Berlin um 1800 musikalische Salons.

Die ersten Jahre ihrer Kindheit verbrachte Fanny Hensel in ihrer Geburtsstadt Hamburg. Im Jahr 1811 zog die Familie nach Berlin zurück, um den Repressionen der französischen Besatzung unter Marschall Louis-Nicolas Davout zu entgehen. Die jüdische Familie Mendelssohn ließ ihre Kinder am 21. März 1816 von Johann Jakob Stegemann, dem Pfarrer der Reformierten Gemeinde der Berliner Jerusalem- und Neuen Kirche, in einer Haustaufe evangelisch taufen. Dabei wurde Fannys zweiter Vorname Zippora in Cäcilie geändert und ihrem Familiennamen wurde der Zusatz Bartholdy beigefügt, den die Eltern später ebenfalls annahmen. Am 23. Februar 1823 erhielt die Familie die offizielle behördliche Genehmigung, ihrem Nachnamen Mendelssohn den Namen Bartholdy anzufügen.

Fanny Hensel erhielt ihren ersten Klavierunterricht von ihrer Mutter Lea Mendelssohn, die in der Berliner Bach-Tradition ausgebildet worden war, und vermutlich auch von Franz Lauska (1813). Im Jahr 1818 konnte sie mit 13 Jahren dem Vater zum Geburtstag bereits alle 24 Präludien aus dem Wohltemperierten Klavier Johann Sebastian Bachs auswendig vortragen. Daneben erhielten Fanny und Felix ab 1819 Theorie- und Kompositionsunterricht bei Carl Friedrich Zelter, der ihnen insbesondere die Musik Beethovens sowie die kontrapunktische Kunst Johann Sebastian Bachs vermittelte. Lea Mendelssohn führte außerdem die Tradition ihrer eigenen Mutter Bella Salomon weiter und inszenierte mit ihren Kindern für Geburtstags- und Familienfeiern kleine Musik- und Theaterstücke, stellte „lebende Bilder“ oder ließ Gedichte vortragen. Angeleitet von Fanny führten die Geschwister auch in eigener Regie ihre eigenen Kompositionen bzw. einstudierte Werke für ihre Eltern auf. Die ersten bekannten Kompositionen der Geschwister waren zwei Liedvertonungen, die sie ihrem Vater zum Geburtstag am 10. Dezember 1819 schenkten. 1820 begannen beide Geschwister ihre Kompositionsalben.

Während eines Aufenthaltes der Familie in Paris studierten die Geschwister eine kurze Zeit bei der Pianistin und Beethoven-Schülerin Marie Bigot de Morogues und anschließend, wieder in Berlin, von 1816 bis 1821 bei Ludwig Berger. Am 1. Oktober 1820 traten beide zusammen mit ihrer Schwester Rebecka in die von Carl Friedrich Zelter geleitete Sing-Akademie zu Berlin ein. Ende des Jahres 1824 erhielten sie einige Wochen Klavierunterricht bei dem Virtuosen Ignaz Moscheles anlässlich dessen Berlinbesuchs.

Anders als ihrem Bruder Felix gestattete es der Vater der kompositorisch und pianistisch ebenfalls hochbegabten Tochter nicht, ihr Talent zu ihrem Beruf zu machen. In einem Brief vom 16. Juli 1820 schrieb Abraham Mendelssohn seiner 15-jährigen Tochter:

„Die Musik wird für ihn [Felix] vielleicht Beruf, während sie für dich stets nur Zierde, immer Bildungsmittel, Grundbaß Deines Seins und Tuns werden kann und soll. Ihm ist daher Ehrgeiz, Begierde, sich geltend zu machen in einer Angelegenheit, die ihm wichtig vorkommt, weil er sich dazu berufen fühlt, eher nachzusehen, während es dich vielleicht nicht weniger ehrt, dass du von jeher dich in diesen Fällen gutmütig und vernünftig bezeugt und durch deine Freude an dem Beifall, den er sich erworben, bewiesen hast, dass du ihn dir an seiner Stelle auch würdest verdienen können. Beharre in dieser Gesinnung und diesem Betragen. Sie sind weiblich, und nur das Weibliche ziert und belohnt die Frauen.“

Ihr Lehrer Zelter schrieb an Goethe am 18. Februar 1831 über ihre Fähigkeiten als Pianistin ganz dem damaligen Zeitgeist entsprechend, sie spiele „wie ein Mann“, was damals das höchste Lob für eine Frau war. Als Fanny Hensel sich später um die Veröffentlichung ihrer Kompositionen Gedanken machte, sprachen sich Vater und Bruder gegen eine Drucklegung aus. Diese Haltung beruhte auf der Einstellung der bürgerlich-akademischen Kreise, dass es für eine Frau von ihrem Stand nicht schicklich sei, Geld zu verdienen. Konzertiert werden durfte zwar, jedoch nicht in der Öffentlichkeit und nicht für Geld. Wie wichtig Fanny Hensel aber eine Öffentlichkeit für die eigene Kompositionstätigkeit war, legt folgendes Zitat nahe, das sie im März 1838 an ihren Bruder schrieb:

„Lieber Felix, komponiert habe ich in diesem Winter rein gar nichts, musiziert freilich desto mehr, aber wie einem zu Mut ist, der ein Lied machen will, weiß ich gar nicht mehr. […] Was ist übrigens daran gelegen? Kräht ja doch kein Hahn danach und tanzt niemand nach meiner Pfeife.“]

Zwar stand Felix Mendelssohn Bartholdy einer Drucklegung ihrer Werke skeptisch gegenüber und verwies seine Schwester auf die für diese Zeit im Bürgertum übliche Rolle der Hausfrau und Mutter. Auch betonte er, dass zu einer Autorschaft „eine Reihe von Werken“ gehöre und nicht vereinzelte veröffentlichte Kompositionen. Jedoch geht aus seinem Brief an die Mutter Lea Mendelssohn vom 24. Juni 1837 auch hervor, dass er seine Schwester im Falle einer Veröffentlichung unterstützen würde und dass Lea Mendelssohn ihre Tochter in diesem Schritt offenbar ermutigen wollte. Unter anderem heißt es in diesem Brief: „Wenn sich Fanny aus eignem Antriebe oder [Wilhelm] Hensel zu Gefallen dazu entschließt, bin ich, wie gesagt, bereit ihr behülflich zu sein, soviel ich nur vermag, aber ermuntern zu etwas daß ich für nicht recht halte, das kann ich nicht.“

Auch wenn Fanny Hensels Ausbildung durch ihre Familie und Lehrer nicht auf eine professionelle Karriere in der Öffentlichkeit abzielte, so entfaltete sie doch eine lebenslange, überaus produktive Kompositionstätigkeit. Die halböffentlichen Sonntagsmusiken ermöglichten ihr einen Wirkungskreis, in dem sie als Musikerin vielfältig tätig werden konnte. Hier dirigierte sie größere Werke und führte ihre eigenen Kompositionen auf.

Im Jahr 1821 rief Abraham Mendelssohn die sogenannten Sonntagsmusiken ins Leben, um die musikalische Begabung seiner Kinder durch Übung im Vorspiel vor Publikum und mit anderen Musikern zu fördern. Vor 1825 fanden die musikalischen Gesellschaften in der Wohnung der Familie in der Neuen Promenade 7 am Hackeschen Markt statt. Im Gartensaal ihres Anwesens in der Leipziger Straße 3 in Berlin, das die Familie 1825 erwarb, wurden in einem halböffentlichen Rahmen Werke von Bach, Gluck, Beethoven oder zeitgenössischen Komponisten sowie der Mendelssohn-Geschwister selbst aufgeführt. Die Anzahl der Gäste betrug hierbei gelegentlich bis zu 300 Personen. Das Haus bestand aus einem Vorderhaus (in dem auch gelegentlich musikalische Aufführungen stattfanden), zwei Seitenflügeln und dem einstöckigen Quer- bzw. Gartenhaus, in dem sich mittig gelegen der Saal befand, den man auch zum Garten hin öffnen konnte. Nach dem Weggang Felix Mendelssohn Bartholdys nach Hamburg 1829 wurden die Sonntagsmusiken eingestellt, was dafür spricht, dass sie vornehmlich Felix als Ausbildung und Übung dienen sollten. Zudem heiratete Fanny Hensel 1829.


 
The music room of Fanny Hensel, née Mendelssohn Bartholdy in her home at Leipziger Str. 3, Berlin, painting by Julius Helfft, 1849.

Mit ihrem Ehemann Wilhelm Hensel bezog sie die Gartenwohnung in dem Anwesen der Leipziger Straße 3 und initiierte 1831 einen Neubeginn der Sonntagsmusiken. Sie übernahm fortan die alleinige Programmgestaltung, Einstudierung sowie Chor- bzw. Orchesterleitung und führte als Solistin, Dirigentin oder Kammermusikerin ihre eigenen Kompositionen sowie die ihres Bruders auf. Auch größere Werke wie z. B. Christoph Willibald Glucks Oper Orfeo ed Euridice oder das Oratorium Paulus von Felix Mendelssohn kamen zur Aufführung, letzteres vor über 300 Gästen.[21] Ihre 1832 komponierte Ouvertüre in C-Dur führte sie 1834 in den Sonntagsmusiken mit Musikern des Königstädtischen Theaters auf. Wie sie ihrem Bruder Felix in einem Brief berichtete, griff sie bei dieser Aufführung zum ersten Mal zum Taktstock. Von 1831 bis 1847 setzte Fanny Hensel neben Werken Beethovens und ihres Bruders am häufigsten Kompositionen von Bach, Mozart, Haydn, Weber und später auch von Chopin, Gade oder Spohr auf ihre Programme. Im Gegensatz zur zu der Zeit verbreiteten Virtuosenmusik waren diese Werke nur selten öffentlich in Berlin zu hören. Mit ihren innovativen und ästhetisch anspruchsvollen Programmen schuf Fanny Hensel einen „nichtkommerziellen Gegenraum“ zum öffentlichen Konzertleben. Sie hatte bereits 1825 in ihrem skizzierten Vorschlag zur Errichtung eines Dilettantenvereins, der u. a. die Sing-Akademie formal als Vorbild hatte, die „Geschmacklosigkeit“ der in Berlin aufgeführten Instrumentalmusik und den Mangel an qualitätsvollen und öffentlich zugänglichen Instrumentalvereinigungen beklagt. Das Projekt des Dilettantenvereins verwirklichte sich zwar nicht in dieser Form, beeinflusste aber die von dem Geiger Eduard Rietz 1826 gegründete philharmonische Gesellschaft. Darüber hinaus gründete Fanny Hensel im Zusammenhang mit den Sonntagsmusiken auch einen eigenen kleinen Chor.

Mitwirkende waren über die Jahre verschiedenste Musiker, so zum Beispiel Mitglieder des Königstädtischen Orchesters und der Königlichen Kapelle, Sänger der Berliner Bühnen, durchreisende oder gastierende Künstler oder Dilettanten (also Musiker, die auf hohem Niveau spielten, jedoch nicht öffentlich bzw. professionell als Berufsmusiker auftraten). Unter den Gästen befanden sich in den 1830er und 1840er Jahren u. a. Robert und Clara Schumann, Franz Liszt, der Geiger Joseph Joachim, die Sängerin Henriette Sontag und die Komponistin Johanna Kinkel. Letztere nahm in den 1830er Jahren mehrmals sowohl als Zuhörerin als auch aktive Teilnehmerin an den Sonntagsmusiken teil. Sie beschrieb Fanny Hensels musikalische Persönlichkeit und die Bedeutung ihrer musikalischen Gesellschaften in Berlin folgendermaßen:


„Fast alle berühmten Künstler, die Berlin besuchten, erschienen Sonntags einmal mitwirkend oder zuhörend bei Frau Hensel. Auch die Elite der Berliner Gesellschaft suchte dort Zutritt, und die grossen Räume des Hauses waren meist überfüllt. Mehr als die grössten Virtuosen und die schönsten Stimmen, die ich dort hörte, galt mir der Vortrag Fanny Hensels, und ganz besonders die Art, wie sie dirigierte. Es war ein Aufnehmen des Geistes der Komposition bis zur innersten Faser und das gewaltigste Ausströmen desselben in die Seelen der Sänger und Zuhörer. Ein Sforzando ihres kleinen Fingers fuhr uns wie ein elektrischer Schlag durch die Seele und riss uns ganz anders fort, als das hölzerne Klopfen eines Taktstocks auf dem Notenpulte es tun kann. […]“

Nicht nur in dem Gartensaal, sondern auch in dem großen Garten des Anwesens wurde zusammen musiziert, wobei die Grenze zwischen Aufführenden und Zuhörenden überschritten wurde. Fanny Hensels vierstimmige Gartenlieder op. 3, aber auch Felix Mendelssohn Bartholdys vierstimmige Chorlieder Im Freien zu singen op. 59 sind in diesem Kontext zu sehen.


Wilhelm Friedrich Theodor von Burgsdorff

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Wilhelm Friedrich Theodor von Burgsdorff (* 23. September 1772 in Ziebingen; † 6. Oktober 1822 in Dresden) war ein deutscher Mäzen.

  • Cybinka (deutsch Ziebingen, niedersorbisch: Zebinki)[1] ist eine Stadt im Powiat Słubicki der polnischen Woiwodschaft Lebus.
    • Das Schloss Ziebingen war das Hauptwerk des Architekten Hans Christian Genelli. Im Jahr 1751 erwarb die Familie von Burgsdorff das Schloss. Durch seinen Bewohner Wilhelm Friedrich Theodor von Burgsdorff kam es in der Zeit der deutschen Romantik als Wohnsitz Ludwig Tiecks (1801 bis 1819) in den Ruf eines Musenhofs. Im Jahr 1802 kaufte der Regierungspräsident von Frankfurt (Oder), Graf Wilhelm Finck von Finckenstein, das Schloss dem Komtur der Johanniter in Lagow, Carl Friedrich Ehrentreich von Burgsdorff, ab. Er und sein Erbe Friedrich Ludwig Karl Finck von Finckenstein gewährten den Burgsdorffs Wohnrecht. Bis 1945 gehörte das Schloss der Familie Finck von Finckenstein. Cybinka
    • 1802 zog Tieck mit der Familie nach Ziebingen, östlich von Frankfurt (Oder), auf das Landgut seines alten Bekannten Burgsdorff; dieser hatte den Dichter eingeladen. Tieck wohnte dort bis 1819, wenn auch mit mehreren, teilweise längeren Unterbrechungen. Enger Kontakt bestand in dieser Zeit zu dem nahen Gut Madlitz westlich der Oder, das der mit Burgsdorff verwandten Familie Finck von Finckenstein gehörte. Tieck ging dabei eine Beziehung ein zu Henriette Finck von Finckenstein (1774–1847), die ihn 1819 nach Dresden begleitete und zwei Jahrzehnte später schließlich auch nach Berlin. Während seines ersten Ziebinger Jahrzehnts unternahm Tieck mehrere größere Reisen: 1803 mit Burgsdorff nach Süddeutschland, von 1804 bis 1806 mit seiner Familie über München nach Rom und 1808 bis 1810 nach München und Wien. Ludwig Tieck (Thomas Meißner: Wanderschaften und Freundeskreise (Wohnorte, Reisen, Ziebingen). In: Claudia Stockinger, Claus Scherer (Hrsg.) Ludwig Tieck. Leben – Werk – Wirkung. de Gruyter, Berlin 2011, S. 95 und 98.)

Wilhelm Friedrich Theodor wurde als zweitältester Sohn von Joachim Friedrich Ehrenreich von Burgsdorff († 29. Januar 1822) und Charlotte Albertine, geb. Gräfin Finck von Finckenstein (* 4. September 1749, † 12. März 1826) auf dem Familiensitz der Burgsdorffs in Ziebingen geboren. Seine Schulausbildung erhielt er erst auf dem Philanthropinum in Dessau und ab 1789 auf dem Friedrichswerdersches Gymnasium in Berlin. Schulkameraden waren damals Ludwig Tieck und Wilhelm Heinrich Wackenroder.

Ab 1791 studierte er Jura an der Universität Halle und später an der Universität Göttingen. 1795 wurde er als Kammerreferendar an der Kriegs- und Domainenkammer in Berlin angestellt.

In Berlin lernte er Rahel Levin kennen und besuchte häufig ihren Salon. Gleich als Caroline von Humboldt den Salon zum ersten Mal besuchte, verliebte sich Burgsdorff in sie.


Ab November 1796 lebte er zusammen mit den Humboldts in Jena. Im Sommer 1797 gingen sie dann gemeinsam auf Europa-Reise, die zunächst über Dresden nach Wien führte und dann auf getrenntem Weg bis nach Paris.

Anfang 1798 kam Burgsdorff zusammen mit Christian Friedrich Tieck in Paris an und schlug sein Quartier zunächst bei den Humboldts auf.[2] Im September 1798 begann er alleine eine mehrmonatige Reise nach Spanien und Portugal. Als er Anfang 1799 nach Paris zurückkam, beendete Caroline von Humboldt das Liebesverhältnis.

Erst Weihnachten 1800 kehrte er nach daheim zurück. Als er 1801 in Berlin in engeren Kontakt mit Ludwig Tieck kam, lud er ihn zum Winter 1802 mit Frau und Kind nach Ziebingen ein, wo diese die nächsten 17 Jahre wohnen blieben.

Zeit seines Lebens förderte und unterstützte er Tieck und ging sogar mit ihm gemeinsam 1817 auf England-Reise.

Im Jahr 1807 hatte Friedrich Ludwig Karl Finck von Finckenstein den Burgsdorffs das Anwesen in Ziebingen abgekauft, ihnen jedoch Zeit seines Lebens Wohnrecht eingeräumt. Nach Finckensteins Tod im Jahr 1818 siedelte deswegen die junge Burgsdorff-Familie nach Dresden über.

Wilhelm hatte im Jahr 1808 Ernestine, geb. von Burgsdorff (* 27. Januar 1791, Dresden, † 29. November 1820 in Dresden) geheiratet.

Gemeinsam hatten sie vier Töchter; die jüngste war Erdmuthe (* 28. November 1816 in Berlin, † 3. März 1849 in Reitwein).

Im Jahr seines Todes, 1822, vermählte er sich in zweiter Ehe mit Friederike Senfft von Pilsach.

Friedrich Schlegel

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Friedrich Schlegel

Friedrich Schlegel kam am 10. März 1772 als zehntes Kind des lutherischen Pastors und Dichters Johann Adolf Schlegel in Hannover zur Welt. Sein Vater war Pfarrer an der Marktkirche; in der Familie bestand ein künstlerisch und intellektuell aufgeschlossenes Umfeld. Einer seiner Ahnen, Christoph Schlegel (1613–1678), war wegen seiner Verdienste als Prediger in Leutschau 1651 von Kaiser Ferdinand III. mit dem Beinamen „von Gottleben“ geadelt worden. Die Erziehung Friedrichs bereitete der Familie Kummer: „[…] in sich zurückgezogen erschien das Kind schwer erziehbar und zudem von labiler Gesundheit“. Die Erziehung wurde zuerst seinem Onkel Johann August in Pattensen und danach seinem Bruder Moritz in Bothfeld[8] anvertraut. 1789 starb sein Bruder Karl August in Madras. „Auf sein flehentliches Bitten“ (nach Wilhelm Dilthey) brach er eine Kaufmannslehre bei dem Bankier Schlemm in Leipzig ab, und ihm wurde die Vorbereitung auf das Universitätsstudium gestattet. Er zog zu seinem älteren Bruder August Wilhelm nach Göttingen.

Er immatrikulierte sich 1790 an der Universität Göttingen, um Rechtswissenschaften zu studieren, wandte sich aber der Klassischen Philologie zu, die er bei Christian Gottlob Heyne hörte. Als sein Bruder Mai 1791 als Hauslehrer nach Amsterdam übersiedelte, setzte er das Jura-Studium nach einem Jahr an der Universität Leipzig fort. Aus Lesewut beschäftigte er sich in den nächsten Jahren mit Hellenismus (griechischen Dichtern wie Aristophanes, griechischem Drama, Komödien und Poesie), römischer Zivilisation, Geschichtsphilosophie, zeitgenössischer deutscher Literatur (Weimarer Klassik) und Jean-Jacques Rousseau.

Leipzig, Dresden

Januar 1792 lernte er Friedrich von Hardenberg (der sich später Novalis nennen sollte) kennen, mit dem ihn viele gemeinsame Interessen wie Philosophie, Geschichte und Literaturtheorie verbanden, aber auch Schiller. Sommer 1793 gab er das Studium wegen Schulden auf und wurde freier Schriftsteller. August 1793 freundete er sich mit der geistreichen, schwangeren Witwe Caroline Böhmer an, Tochter eines Göttinger Theologen und Orientalisten. Beide Freundschaften prägten seinen weiteren Lebensweg entscheidend, da sie ihn bei seiner literarischen Tätigkeit unterstützten.

Januar 1794 zog er nach Dresden zu seiner Schwester Charlotte. Dort lebte er zurückgezogen, lernte aber Christian Gottfried Körner kennen und veröffentlichte sein erstes Werk, Von den Schulen der griechischen Poesie. Dabei beschäftigte er sich vor allem mit „Betrachtungen der Metrik“ der klassischen Antike. Schlegel verfasste 1795 einen Aufsatz Über die Diotima, in dem er die literarische Figur als Priesterin und als Pythagoreerin darstellte und als „Bild vollendeter Menschheit“ beschrieb, als eine Frau, „in welcher sich die Anmut einer Aspasia, die Seele einer Sappho, mit hoher Selbständigkeit vermählt“.

1795 machte er Bekanntschaft mit Johann Friedrich Reichardt, der – wie Caroline – ein begeisterter Anhänger der Französischen Revolution, des Republikanismus und des Demokratismus war. Die Mitarbeit an dessen Zeitschrift Deutschland sicherte seit 1796 seinen Lebensunterhalt. Neben dem politischen Artikel Versuch über den Begriff des Republikanismus erschien darin Schlegels scharfe Kritik an den Gedichten Friedrich Schillers (Rezension des Schillerschen Musenalmanachs auf das Jahr 1796).

Jena, Berlin

Juli 1796 war Schlegel seinem Bruder August Wilhelm und dessen Frau Caroline nach Jena gefolgt. Zunehmend beschäftigte er sich mit Philosophie (Kant, Spinoza). Hier prägte ihn stark die Philosophie von Johann Gottlieb Fichte (vgl. dessen Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre), mit dem ihn eine Freundschaft verband. Der junge Schlegel machte bei seinem ersten Jenaer Aufenthalt zudem fruchtbare Bekanntschaften mit Schriftstellern der „älteren Generation“: Johann Gottfried Herder, Christoph Martin Wieland und Johann Wolfgang von Goethe. In Auseinandersetzung mit deren Werken entwickelte er seine berühmte Literaturtheorie.

Ende 1797 hat der Begriff Romantik für Schlegel schon vielfältige Facetten gewonnen. In einem Brief an seinen Bruder August Wilhelm schreibt er: „Meine Erklärung des Worts Romantisch kann ich Dir nicht gut schicken, weil sie – 125 Bogen lang ist.“ In der Literatur sollten nun nicht mehr wie in der Klassik bestimmte Schemata für die Erschaffung eines literarischen Werkes vorgegeben sein, sondern man betrachtete den Künstler als freischaffendes Genie. Die Regelpoetik und die Forderungen der drei aristotelischen Einheiten von Raum, Zeit und Handlung verloren an Bedeutung, vielmehr wurde der Roman zum subjektiven Spielfeld des Autors. Ziel war es – nach Schlegel –, Philosophie, Prosa, Poesie, Genialität und Kritik miteinander verbindend darzustellen. Aus diesen neuen Konstellationen ergab sich ein fragmentarischer Charakter mit unfertigen Handlungssträngen. Schlegel wollte damit den Werdensprozess der Dichtung betonen und meinte, dass der unvollendete Zustand einer Dichtung der Willkür und Freiheit des Dichters folge.

„Die weiblichen Charaktere und die Liebe im Drama müßen nicht so äußerlich angehängt sein, sondern nothwendig verknüpft, selbst allegorisch für die Verklärung, d[en] Untergang – die Versöhnung; d[en] Kampf und Sieg wie diese im Ganzen herrschen. Sie müssen dasselbe gleichsam personificirt sein. Doch scheinen weibliche Charaktere des Untergangs (wie Lady Macbeth) bedenklich. Besser alle im guten Princip. […] (KFSA XVII: 160; xvii, 202, 1808)“

„Weiterhin betont Schlegel den ‚indirekten religiösen Charakter der dramatischen Poesie‘ (KFSA XVII: 204; xviii,138, 1823), schreibt aber an anderer Stelle, daß die Poesie sowohl heidnisch als auch christlich sein muß, und merkt kritisch an, daß Calderón diesem Ideal nicht entspricht (vgl.KFSA XVII: 258; xix,115, 1811). Ausgeglichen soll das Drama auch insofern sein, als ‚Gott und Teufel, gutes und böses Princip‘ (KFSA XVI: 264; ix,126, 1799–1801) gleichermaßen darzustellen sind.“

In Deutschland taucht der Begriff „Historismus“ erstmals 1797 bei Schlegel auf, der sich auf „Winckelmanns Historismus“ bezieht, um den „unermeßlichen Unterschied“ zwischen der Antike und der gegenwärtigen Kultur des 18. Jahrhunderts deutlich zu machen. Er plädiert dafür, die Antike nicht durch die philosophische Brille zu betrachten, sondern in ihrer Eigenständigkeit zu akzeptieren.

Schlegel schrieb in Bezug auf die Dichtung der Spätantike von „entarteter Kunst“.

1797 lernte er Friedrich Schleiermacher, den Prediger an der Charité Berlin, kennen. Schleiermacher und Schlegel lebten in einer kleinen Wohnung, lasen gemeinsam Fichtes Wissenschaftslehre und Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, übersetzten Platon und diskutierten hitzig über Lebenskunst. Überdies machte er im literarischen Salon der Henriette Herz Bekanntschaft mit Rahel Varnhagen von Ense, Ludwig Tieck und Dorothea Veit, der Tochter Moses Mendelssohns, mit der er nach ihrer Scheidung 1798 zusammenlebte. Diese Zeit findet eine programmatisch überhöhte Darstellung in seinem Roman Lucinde (1799).

1798 gründeten die Gebrüder Schlegel die ästhetisch-kritische Zeitschrift Athenäum. Sie gilt als das Sprachorgan der Jenaer Frühromantik. Zusammen mit Novalis entwickelte Friedrich Schlegel in dieser Zeitschrift das Fragment zu einer spezifisch romantischen literarischen Kunstform. Schlegel kritisierte Wilhelm Meisters Lehrjahre.

Die „Romantiker-Wohngemeinschaft“ in Jena

1799 lebten die beiden Brüder, August Wilhelms Ehefrau Caroline sowie Dorothea Veit für ein halbes Jahr zu viert zusammen – im Hinterhaus des Hauses An der Leutra 5 in Jena. Diese „Romantiker-Wohngemeinschaft“ bildete das Kernstück der Jenaer Romantik. Die Autoren brachen mit vielen Konventionen: Beispielsweise mischten sie in ihre Romane Gedichte und Balladen, kleine Märchen etc.; dabei bezogen sie sich oft auf Goethes Werke (Werther, Wilhelm Meisters Lehrjahre). Dem entspricht Friedrich Schlegels Konzept einer „progressiven Universalpoesie“, die nicht nur unterschiedlichste Gattungen und Wissensgebiete miteinander verbindet, sondern auch über sich selbst nachdenkt und ihre eigene Kritik enthält. In der Romantik wurde mit Friedrich Schlegel der Begriff der Ironie um eine literarische Haltung erweitert, die später als romantische Ironie bezeichnet wurde.

Die Gruppe, deren Ziel ein enges Verweben von Leben und Literatur war, erhielt in dieser Zeit häufig Besuch: Mit Friedrich von Hardenberg (Novalis) und Tieck – dieser erschien mit seinem Schwager August Ferdinand Bernhardi – verband Schlegel eine enge Freundschaft und die gemeinsame Arbeit am Athenaeum. Mit Novalis entwickelte Friedrich Schlegel den Begriff der progressiven Universalpoesie. Auch sein Mitbewohner aus Berliner Tagen, Friedrich Schleiermacher, die in Jena lebende Schriftstellerin Sophie Mereau (wenngleich diese eher dem „Schiller-Kreis“ zuzuordnen ist), deren Geliebter und späterer Ehemann Clemens Brentano sowie die Philosophen Schelling und Fichte frequentierten die Wohngemeinschaft. In den Nächten diskutierten sie über Literatur, Kunsttheorie und Philosophie, tagsüber arbeiteten sie an ihren Texten: Friedrich Schlegel unter anderem an der Lucinde, August Wilhelm und Caroline an den Shakespeare-Übersetzungen.


Philipp Otto Runge: Selbstbildnis um 1802

Doch dieses Leben dauerte nur einen „Wimpernschlag der Weltgeschichte“[20] an. Im August 1800 habilitierte sich Friedrich Schlegel an der Universität Jena und lehrte als Privatdozent. Ein Höhepunkt der Studentenzahlen in Jena zeigte sich im 18. Jahrhundert, als der Ruf der Universität unter Herzog Carl August Lehrende wie Fichte, Schelling, Schiller, Hegel und Friedrich von Schlegel nach Jena zog. Schlegel veröffentlichte seine Ideen (1800), in denen es heißt: „Nur durch Beziehung aufs Unendliche entsteht Gehalt und Nutzen; was sich nicht darauf bezieht, ist schlechthin leer und unnütz“. Schlegel übertrug in seinem Gespräch über die Poesie den Begriff Arabeske als erster auf die Literatur, in der sie eine durch scheinbar chaotische, naturähnliche Strukturen gekennzeichnete Form bezeichnet. An der Universität hielt er die Vorlesung über Transzendentalphilosophie (1801). Als sich die Wohngemeinschaft auflöste, verließ er im Dezember 1801 Jena. Schlegel nahm mit Tieck seinen Wohnsitz in Dresden und beide beschäftigten sich mit der Herausgabe von Novalis' Werken Die Lehrlinge zu Sais und Heinrich von Ofterdingen. Schlegel begab sich nach einem Aufenthalt zusammen mit Dorothea, die ihn während dieser Zeit durch schriftstellerische Tätigkeit finanziell unterhielt (vgl. Florentin (Roman)), nach Weimar.

Goethe hielt die Beziehungen auch nach dem Bruch der Schlegels mit Schiller (1797) aufrecht. Er führte Wilhelms Jon (Anfang 1802) und Friedrichs Alarcos (Mitte 1802) auf, wobei es zum Eklat kam, als die Kotzebue-Partei, die sowohl in Dissens zu Goethe als auch zu den Schlegel-Brüdern stand, mit einhellig schallendem Gelächter reagierte. Das „Man lache nicht!“ Goethes half wenig.[22] Aufgrund einer fehlenden psychologischen Motivierung war der Alarcos von vornherein zum Scheitern verurteilt.


Paris und Köln

Albrecht Altdorfer: Die Alexanderschlacht (1529; Alte Pinakothek, München). Schlegel bewunderte dieses Gemälde der Schlacht bei Issos; er beschrieb die untergehende Sonne als eine kosmische Vision von urweltlicher Großartigkeit.

Nach dem Frieden von Amiens befand Schlegel sich in Paris zum Studium der Kunstsammlungen, in der Hoffnung eine neue Stelle oder eine verlorengegangene Ur-Einheit zu finden, das Goldene Zeitalter. Dort lebte er in einer ehemaligen Wohnung des Baron d'Holbach, zusammen mit den Brüdern Boisserée und Alexander Hamilton, der als Gefangener der napoleonischen Kriege in Paris festsaß und einer der wenigen Sanskrit-Kenner seiner Zeit war. Er beschäftigte sich mit dem Studium der Indologie, der persischen Sprache als Schüler von Antoine-Léonard de Chézy und der vergleichenden Sprachwissenschaft, weil er wissen wollte, welche Sprachen miteinander verbunden sind; die Ergebnisse seines Nachdenkens betrafen die erste Lautverschiebung und die morphologische Sprachtypologie. Schlegel interessierte sich für die in Paris versammelten Gemälde der alten Meister und gründete die Zeitschrift Europa; Heinrich Christoph Kolbe wurde sein Mitarbeiter.

Schlegel wurde „eine bedeutende Mittler- und Vermittlerrolle zwischen deutscher und französischer Kultur zugeschrieben“. Er verfolgte damit vielleicht auch ein nur dialektisch zu erreichendes Ziel: „Durch die bessere Kenntnis der französischen Kultur und ihrer Voraussetzungen soll ihre europäische Vorherrschaft und Vorbildhaftigkeit gebrochen werden.“

Am 6. April 1804 heiratete er in der schwedischen Botschaft in Paris Dorothea, die, da sie aus jüdischem Elternhaus stammte, vorher zum Protestantismus konvertieren musste. Kurz darauf ging er nach Köln (wegen der mittelalterlichen Kunstschätze), wo er Vorlesungen an der École Centrale (Nachfolgerin der alten Universität Köln) hielt. Er traf Ferdinand Franz Wallraf, einen besessenen Sammler von allem, was mit der Geschichte Kölns verbunden war. Die Romantik zu Beginn des 19. Jahrhunderts führte in Deutschland zu einer Begeisterung für die mittelalterlichen Bauwerke, insbesondere für die großen Dome der Gotik und die Burgen. Schlegel lobte 1804/05 in Grundzüge der gotischen Baukunst die gotische Stilepoche und sprach dabei wie Goethe von der „deutschen Baukunst“: „Es fand eine Umorientierung statt vom philosophischen Pantheismus der Goethezeit zur christlichen Spätromantik, von Baruch Spinoza zu Jakob Böhme und dem Geist des Christentums […]“ 1804 besuchte Schlegel auf Schloss Coppet seinen Bruder und Madame de Staël. Von dort ging er nach Paris, wurde aber krank und ging zurück nach Köln. Ende 1806 war er ein halbes Jahr zu Gast auf Schloss Acosta in Aubergenville bei Benjamin Constant und Germaine de Staël. (Seine Frau Dorothea übersetzte ihren Roman Corinne ins Deutsche.)

1808 erschien Über die Sprache und Weisheit der Indier, eine Frucht seiner Pariser Studien, worin er seine romantischen Ideen über Sprache, Religion und Kultur darlegte. Es war Schlegel, der den Begriff Vergleichende Sprachwissenschaft einführte. Schlegel verglich Sanskrit mit Latein, Griechisch, Persisch und Deutsch und wies viele Gemeinsamkeiten in Vokabular und Grammatik nach. Die Behauptung der Gemeinsamkeiten dieser Sprachen ist nach einigen Bearbeitungen und Umformulierungen heute allgemein anerkannt. Weniger einig ist man sich darüber, in welcher geografischen Region diese Vorläufersprache anzusiedeln sei (siehe auch Out-of-India-Theorie). Schlegel war auch der Erste, der Sanskrit bei der Etymologie des Schamanismus-Begriffs mit einbezog.

Als Konvertierter in Wien

Friedrich Schlegel um 1810, Zeichnung von Philipp Veit (hier gespiegelt)

Friedrich von Schlegel um 1829, gezeichnet von Josef Axmann oder Auguste von Buttlar, seiner Nichte, die ihn nach Dresden begleitete.

Schlegel beschäftigte sich nicht länger mit Sanskrit, aber mit provençalischer Poesie und mit dem habsburgischen Kaiser Karl V. Sein Interesse für den Katholizismus stieg in der Kölner Zeit immer mehr, so dass er 1808 mit seiner Ehefrau im Kölner Dom konvertierte. Anschließend zog er im Juni nach Prag und Wien, traf zwischendurch Johanna Schopenhauer und suchte einen Verleger, der sein Gesamtwerk herausgeben sollte. Mit einer Anstellung bei Karl von Österreich-Teschen, in dessen Hauptquartier er 1809 die Oesterreichische Zeitung herausgab, und der Wiener Armeehofkommission trat er in den Staatsdienst ein. 1810 wurde er Journalist bei der Zeitschrift Österreichischer Beobachter; (die Wiener Zeitung war in Händen Napoleons). Er machte Bekanntschaft mit dem Historiker Joseph von Hormayr, mit Klemens Maria Hofbauer, der sich mit der religiösen Erneuerung in Wien befasste, mit dem Maler Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld, dem Politiker Friedrich von Gentz und dem Schriftsteller Theodor Körner. Während des 5. Koalitionskriegs lebte er kurze Zeit in Pest und lernte Ungarisch. Nach dem Frieden von Schönbrunn ging er zurück nach Wien.

Im Jahr 1810 hielt er Vorlesungen „Über die neuere Geschichte“ und 1812 Vorlesungen zur „Geschichte der alten und neuen Literatur“, die er im Tanzsaal eines Gasthofs dozierte. Joseph von Eichendorff war anwesend und schrieb « Die erste Vorlesung Schlegels (Geschichte der Literatur, 12 Gulden Einlösscheine das Billet) im Tanzsaale des römischen Kaisers. Schlegel, ganz schwarz in Schuhen auf einer Erhöhung hinter einem Tischchen lesend. Mit wohlriechendem Holz geheizt. Großes Publikum. Vorn Kreis von Damen, Fürstin Liechtenstein mit ihren Prinzessinnen, Lichnowsky, etc. 29 Fürsten. Unten großes Gedränge von Equipagen, wie auf einem Ball. Sehr brillant.» 1812 gründete er die Zeitschrift Deutsches Museum und berichtete über Burg Karlstein und rudolfinische Kunst. In 1813 machte er Bekanntschaft mit dem Staatsmann Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein.

1814 ernannte Pius VII. ihn zum „Ritter des päpstlichen Christusordens“. Ab dieser Zeit benutzte er seinen adligen Titel, den die Familie ein Jahrhundert nicht verwendet hatte. Schon vor dem Wiener Kongress beschäftigte er sich mit der Verfassung Deutschlands und Österreichs nach Napoleon. Schon nach Jakob Bleyer war seine Rolle dabei bedeutender und weitwirkender, als gemeinhin angenommen wurde. Ernst Behler meinte: „Vor allem war es ihm darum zu tun, zwei Lieblingsideen in die künftige deutsche Verfassung einzufügen, die er das Bürgerrecht der Israeliten und die Wiederherstellung der katholischen Kirche in Deutschland nannte.“ Er verwies darauf, dass Juden alle bürgerlichen Pflichten, besonders den Kriegsdienst, erfüllt hätten und man ihnen deshalb nicht länger die Bürgerrechte verwehren könne. 1815 bis 1818 war er als österreichischer Legationsrat am Bundestag in Frankfurt.

1818 machte er eine Rheinreise zusammen mit August Wilhelm, der Inhaber des ersten Lehrstuhls für Indologie in Deutschland an der Universität Bonn geworden war. Dieser hatte sich in Paris Buchstaben für den Satz des indischen Devanagari-Alphabets herstellen lassen, um damit die ersten Sanskrit-Texte in Europa zu drucken. Das erste Buch war 1823 die Bhagavad Gita mit einer lateinischen Übersetzung von August Wilhelm. 1819 begleitete er den Kaiser Franz II. (HRR) und Klemens Wenzel Lothar von Metternich nach Rom, wo seine Frau und ihre beiden Söhne, Philip und Johannes Veit lebten.


Grab des Dichters auf dem Alten Katholischen Friedhof Dresden

Mit der Concordia begründete Friedrich 1820 eine weitere Zeitschrift. Mitarbeiter wurden Adam Müller von Nitterdorf, Franz Baader, Joseph Görres und Zacharias Werner; der katholische Aspekt stand dabei deutlich im Vordergrund. Er verurteilte die Neuzeit insgesamt und plädierte für die Wiederherstellung der mittelalterlichen Ständeordnung. „Zu Lebzeiten wurde Schlegel von den Zeitgenossen mehr und mehr nur noch als Repräsentant der katholischen Partei und der päpstlichen Interessen in Deutschland gesehen.“ Die Concordia stieß auf Ablehnung, nicht nur bei Protestanten und Liberalen, sondern auch bei August Wilhelm und dessen Umgebung. 1823 kam das sechste und letzte Heft heraus. Schlegel machte mehrere Reisen nach Schloss Feistritz (Ilz). Der Zwiespalt, der sich zwischen den Brüdern auftat, wurde nicht mehr überbrückt und führte 1828 zur öffentlichen Distanzierung August Wilhelms von Friedrich. So beschränkte sich die Wirkung Schlegels mehr und mehr auf einen engen Kreis Gleichgesinnter.] Er wurde Mystiker und beschäftigte sich mit Telepathie.]

Nachdem er in Wien seine Vorlesungen zur Philosophie des Lebens (1827) und zur Philosophie der Geschichte (1828) gehalten hatte, reiste er 1828 nach Dresden, wo er Vorlesungen über die Philosophie der Sprache und des Wortes vorbereitete. Friedrich von Schlegel starb völlig unerwartet an einem schweren Schlaganfall in seinem Gasthof und wurde am 14. Januar 1829 auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden beerdigt.

Dorothea Schlegel

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Dorothea Schlegel

Dorothea Friederike Schlegel, geboren als Brendel Mendelssohn (* 24. Oktober 1764 in Berlin; † 3. August 1839 in Frankfurt am Main), seit 1814 auch von Schlegel, war eine Literaturkritikerin und Schriftstellerin der Romantik, Lebensgefährtin und spätere Ehefrau von Friedrich Schlegel. Die Tochter des jüdischen Aufklärers Moses Mendelssohn war eine der prominentesten jüdischen Frauen, die um 1800 zum Christentum übertraten.


Brendel Mendelssohn wurde am 24. Oktober 1764 als zweite Tochter von Moses und Fromet Mendelssohn geboren. Mit vierzehn Jahren wurde sie im Jahr 1778 mit dem zehn Jahre älteren Kaufmann Simon Veit verlobt, den sie am 30. April 1783 im Alter von achtzehn Jahren heiratete. Zwischen 1787 und 1793 bekam sie vier Söhne, von denen zwei überlebten: Johannes Veit und Philipp Veit, die später zu den Mitbegründern der nazarenischen Malerschule wurden. Im Salon ihrer Freundin Henriette Herz lernte sie im Juli 1797 den jungen Friedrich Schlegel kennen, der noch im selben Jahr ihr Geliebter wurde. Friedrich Schlegels für damalige Verhältnisse skandalöser Roman Lucinde (1799) ist eine ins Programmatische ausgeweitete Darstellung ihrer freizügigen Beziehung.

Am 11. Januar 1799 ließ sich das Ehepaar Veit durch ein Rabbinatsgericht scheiden. Brendel Veit erhielt das Sorgerecht für ihren jüngeren Sohn Philipp Veit unter der Bedingung, nicht wieder zu heiraten, sich nicht taufen zu lassen und ihre Kinder nicht zum Übertritt zum Christentum zu bewegen. Durch die Scheidung verlor sie außerdem die Berechtigung, in Berlin zu leben. Seit der Scheidung nannte sie sich Dorothea, indem sie ihren jüdischen Vornamen ablegte. Sie lebte nun frei und öffentlich mit Friedrich Schlegel zusammen. Sie zog mit ihm, seinem Bruder August Wilhelm Schlegel und dessen Frau Caroline nach Jena, um dort, wo sich mit Novalis, Ludwig Tieck und Schelling ein Zentrum der literarischen Romantik etablierte, eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft zu bilden. Dorothea wurde durch die Jenaer Gemeinschaft zum ersten Band des Romans Florentin (1801) angeregt, der anonym unter der Herausgeberschaft Friedrich Schlegels erschien und in dem sie Goethes Wilhelm Meister und Tiecks Franz Sternbalds Wanderungen nacheiferte.

1802 übersiedelte das Paar nach Paris, wo Dorothea 1804 zum Protestantismus übertrat und die Trauung mit Friedrich Schlegel vollzog. Im selben Jahr zog das Ehepaar nach Köln. In den folgenden Jahren übersetzte sie verschiedene Werke aus dem Französischen, darunter Erinnerungen wie jene der Margarete von Valois, Rittergeschichten sowie Germaine de Staëls Roman Corinna oder Italien (vier Bände, 1807), der wiederum unter dem Namen ihres Mannes als Herausgeber und Übersetzer erschien. Schlegel sollte viele Arbeiten seiner Frau sogar in seine Werkausgabe aufnehmen. Dorothea verstand sich auch selbst als Zuarbeiterin ihres Mannes und wünschte sich, „Friedrich sein Geselle zu werden“. In den von Schlegel herausgegebenen Zeitschriften erschienen zudem literaturkritische Arbeiten seiner Frau.

1808 wechselte Dorothea, noch in Köln, erneut die Religion, diesmal gemeinsam mit Friedrich Schlegel, indem beide zum Katholizismus übertraten – wofür Schlegels protestantische Familie, die diesen Religionswechsel missbilligte, sie verantwortlich machte. Die Tochter des prominenten jüdischen Vertreters der Aufklärung und Toleranz war nun gemeinsam mit ihrem zweiten Mann davon überzeugt, dass es außerhalb der katholischen Kirche kein Heil gebe, und bemühte sich, unter ihren Freunden und in ihrer Familie Proselyten zu werben, worauf sich auch ihre beiden Söhne katholisch taufen ließen. 1808 zog das Paar auch nach Wien, wo Dorothea Schlegel zeitweise Umgang mit Rahel Varnhagen von Ense – einer alten Freundin aus Berliner Tagen –, Wilhelm von Humboldt und Joseph von Eichendorff pflegte. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Frankfurt am Main (1816–1818), wo ihr Mann als österreichischer Diplomat beim Bundestag des Deutschen Bundes tätig war, zog das Paar 1818 nach Rom, wo Dorotheas nazarenisch gesinnte Söhne als Maler arbeiteten. Als ihr Mann 1829 starb, übersiedelte sie nach Frankfurt zu ihrem Sohn Philipp, der dort Direktor des Städelschen Kunstinstituts war.

Ihr Grab befindet sich auf dem Frankfurter Hauptfriedhof, im Gewann B, Grabnummer 180.


Bartolomeo Bosco

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https://saechsische-landesgeschichte.de/event/230207_vortrag_taut/


»ICH BEZAHLE KEINEN HIRNRISSIGEN ALTEN DUMMKOPF, DAMIT ER. IHM ZAUBERTRICKS BEIBRINGT!«, schrie Onkel Vernon.

 
1845

Bartolomeo Bosco, Lithographie von Gabriel Decker, (* 25. August 1821 in Pest; † 26. August 1855 in Wien) war ein österreichischer Porträtmaler und Lithograph.]]

 
nach 1834 bis1878 (gest. 1863
 
1851
 
Grab

Bartolomeo Bosco (* 3. Januar 1793 in Turin; † 7. März 1863 in Gruna (Dresden)) war ein italienischer Zauberkünstler,[1] der zuletzt in Dresden lebte. Er gilt als einer der ersten Vertreter einer „ehrlichen Magie“, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Zauberkunst eine Abkehr von Mystifizierung und Aberglaube hin zur Unterhaltungskunst vollzog.

Giovanni Bartolomeo war der Sohn von Matteo Bosco und Celilia Bosco, geb. Cerore. Über seine Kindheit ist nichts Näheres bekannt.[2] 1812 verdingte er sich nach eigenen Angaben beim napoleonischen Feldzug in Russland, wurde in Borodino verwundet und geriet in Gefangenschaft. In der Nähe von Tobolsk wurde er in ein sibirisches Lager verbannt,[3] bevor er 1814 durch Kriegsgefangenenaustausch wieder freikam.[4] Er kehrte nach Italien zurück, um dort Medizin zu studieren, aber die Liebe zur Zauberkunst war stärker.Bosco wurde in seiner Wahlheimat Dresden auf dem Alten Katholischen Friedhof beigesetzt. Sein in Vergessenheit geratenes Grab mit dem prächtigen Grabstein wurde 1903 durch den Zauberkünstler Harry Houdini besucht. Dabei stellte dieser fest, dass die Miete fast abgelaufen war und es aufgelassen werden sollte. Er kaufte das Grab nebst Grabstein und überließ es seiner Zauberkunstvereinigung, der Society of American Magicians.[6] Seit jener Zeit wird das Grab gepflegt, inzwischen von Generationen „Dresdner Magier“. Ihm zu Ehren trägt der Dresdner Ortszirkel des Magischen Zirkels von Deutschland (der Organisation der Zauberkünstler), den Namen Magischer Zirkel Dresden Bartolomeo Bosco e.V.[7]

Bosco hat heute einen Platz in der Hall of Fame der Society of American Magicians.

Innerhalb kürzester Zeit wurde Bosco ein in ganz Europa berühmter Zauberkünstler, und dies nicht nur wegen seiner Fingerfertigkeit, sondern weil er „ein genialer Meister der Reklame war“, wie Michael Seldow in Die Kunst, Frauen zu zersägen schreibt.[8] Boscos Name bleibt für immer verbunden mit dem berühmten Becherspiel, bei dem kleine Muskatnusskügelchen auf verblüffende Weise, weil unsichtbar, von einem Becher zum anderen hin und her wandern – eine Fingerfertigkeit, wie man sie in Form des Hütchenspiels heutzutage überall auf der Welt zu sehen bekommt, wenn auch mit dem feinen Unterschied, dass jene eindeutig auf Betrug aus sind, Bosco jedoch sein Publikum nur zu dessen Vergnügen täuschte und dadurch unterhalten wollte.[9] Er trat vor dem einfachen Volk in Buden, auf Plätzen und Straßen ebenso auf wie in Theatern und auf Bühnen vor gehobenem Publikum und bei Hofe vor Fürsten, Königen und Kaisern.[10][11][12]

So zeigte Bosco seine Künste an den Höfen folgender gekrönter Häupter:

1821 dem König von Hannover

1822 dem König von Preußen

1823 dem Zaren Alexander von Russland

1828 dem Kaiser von Österreich

1829 dem Erzherzog Joseph, Statthalter von Ungarn

1830 dem König von Dänemark

1833 der Königin von Sardinien

1836 der Kaiserin Marie Louise, der Witwe Napoleons

1837 dem König von Neapel

1838 dem Bei von Tunis

1839 dem Vizekönig von Ägypten

1852 dem Kaiser Napoleon III.

1855 der Königin Victoria von England[13]

1852 konnte man in ‚L’Illustration, Journal Universel’ lesen, dass es nur eines gegeben habe, „was er nicht zum Verschwinden bringen konnte: seinen ungeheuren Erfolg.“[14] Er inspirierte die französische Mode- und Kulturwelt, man trug Stiefel und Röcke à la Bosco und sogar ein Tanz wurde nach ihm benannt.


Ihm gelang bereits damals, was zu jener Zeit noch ungewöhnlich war: die Theater der großen Städte von Berlin bis Wien, von Petersburg bis Paris öffneten ihm ihre Bühnen.[15]“

– Alexander Adrion

„…Tricks allein machen noch keinen Zauberkünstler, dazu gehört mehr: Persönlichkeit, Gespür für Menschen, poetischer Wortwitz wie gestalterisches Genie, ein Sackvoll Stegreiftalent und ein Funken Selbstironie — kurz: Geistesgegenwart, nicht billige Schlagfertigkeit. Bosco hat all dies in seinem liebenswürdigen Wesen vereinigt — wie sonst hätte er zu einem der berühmtesten Künstler seiner Zeit und zum Wegbereiter der modernen Zauberkunst überhaupt werden können![16]“

– Natias Neutert


Als B. im Frühjahr 1863 in seiner Wahlheimat Gruna starb, betrauerten die Dresdner Nachrichten den Tod des „Königs der Zauberei“ (Dresdner Nachrichten 8.3.1863). Auf allen Kontinenten berichteten die Zeitungen vom stillen Ende des Manns, der die Zauberei vom vormodernen Mystizismus befreite, sie zu einem erlernbaren Handwerk und zur Unterhaltungskunst umgewandelt hatte, wie wir sie heute noch kennen. –

Als ältester Sohn einer italienischen Adelsfamilie wuchs B. in Turin auf, wo die Eltern das Café Internazionale in der Via della Cittadella betrieben. Bis zum 16. Lebensjahr besuchte B. ein Internat und begann hiernach eine Ausbildung zum Fechtmeister. Um die Jahrhundertwende jedoch erschütterten die Auswirkungen der Französischen Revolution die politische Situation auf der italienischen Halbinsel. Turin wurde Teil des französischen Kaiserreichs und B. selbst trat in die französische Armee ein. Mit dieser nahm er 1812 am Russlandfeldzug Napoleons I. teil, wo er in der Schlacht von Borodino (Russland) kämpfte.

Zu den zahlreichen Legenden, die sich um B. und sein Leben ranken, gehört auch, dass er bereits Napoleon I. persönlich mit seiner Kunst unterhalten haben soll. Als wahrscheinlicher gilt, dass er in Kriegsgefangenschaft russische Offiziere und ihre Familien mit originellen Zaubertricks beeindruckte. Diese erwiesen sich als freigiebig und beschenkten ihn mit einem kleinen Vermögen. –

Nach Kriegsende 1815 zog sich B. für zwei Jahre nach Paris zurück, wo er den Entschluss fasste, die Zauberei zu seinem Beruf werden zu lassen. In dieser Zeit kreierte B. einige der bekanntesten Elemente seiner späteren Darbietungen, darunter auch die sog. Bosco-Becher. Dieses heute als Hütchenspiel in Verruf geratene Kunststück, bei dem Kugeln unter Metallbechern zum Verschwinden und Erscheinen gebracht werden, diente als fester Teil von B.s Abendvorstellungen ausschließlich der Unterhaltung seines Publikums und nicht dem Betrug. –

Nach einem Besuch in seiner Heimatstadt kam B. 1821 nach Dresden, von wo aus eine 40 Jahre andauernde Tournee durch Europa begann. Im Mai ging er nach Leipzig, wo er auftrat und Kurse für Zauberei anbot; B. wurde zu einem der ersten Lehrer der Zauberkunst und gab damit öffentlich die Erlernbarkeit des scheinbar Unbegreiflichen zu. –

Besonders in den ersten Jahren suchte B. die Nähe der europäischen Höfe. In Hannover (1821), Berlin (1822) und St. Petersburg (russ. Sankt-Peterburg) (1823) debütierte er in rascher Abfolge und mit großem Erfolg. Er erhielt hierfür königliche Ehrenbezeugungen wie Patente und Geldgeschenke als Lohn. Weitere Stationen waren Warschau (1822), wo B. seine erste Frau kennenlernte, sowie Moskau (1823), Marseille (Frankreich) (1825) und Breslau (poln. Wrocław) (1827). –

Der Erfolg B.s lag u.a. in seiner effektiven Selbstvermarktung begründet. Er präsentierte sich seinem Publikum nicht etwa in langen Gewändern, wie dies noch im 18. Jahrhundert üblich gewesen war, sondern kurzärmlig, mit nackten Unterarmen, die sinnbildlich für eine öffentlichkeitswirksame „ehrliche Magie“ standen. –

Bereits Anfang 1828 war B. wieder in Sachsen: Im Januar trat er in Leipzig auf, anschließend vor zahlreichem Publikum in Berlin. Im Sommer folgte dann der zweite Aufenthalt in Dresden, bevor es über Teplitz (tschech. Teplice), Karlsbad (tschech. Karlovy Vary) und Prag nach Wien ging. Ein Auftritt vor Kaiser Franz I. krönte die beruflichen Erfolge dieses Jahrs. –

Bis zum nächsten Besuch B.s in Sachsen vergingen zehn Jahre, in denen er u.a. in Königsberg (russ. Kaliningrad) (1829), am dänischen Hof in Frederiksborg (1830) und in Hamburg (1830) debütierte. Nach einer Reihe von Auftritten in Belgien (1832) verbrachte er - nicht ganz freiwillig - die nächsten beiden Jahre in Frankreich und ging nach einer geplatzten Tournee durch Großbritannien zurück in seine italienische Heimat. 1835 bis 1838 gastierte er in einem guten Dutzend italienischer Städte, darunter auch in seiner Heimatstadt Turin (1835), wo er vor der sardischen Königin Maria Theresia von Österreich-Toskana auftrat. Nach dieser Reise galt er in einer Zeit der politischen Zersplitterung Italiens als verbindende Figur der italienischen Kultur. –

Auch außerhalb Europas machte sich B. einen Namen: So gab er z.B. Vorstellungen in Alexandria (Ägypten) vor dem ägyptischen Vizekönig Mehmet Emin Ali Pascha (1839) und sogar am Hof von Sultan Abdülmecid I. (1840) in Konstantinopel (heute Istanbul). B. soll hier im Stadtteil Pera ein eigenes Theater besessen haben, das er jedoch kurz darauf wieder verkaufte. –

In den 1840er-Jahren erreichte und überschritt B. den Zenit seiner Popularität. Seine Darbietungen waren noch immer beliebt und für gewöhnlich restlos ausverkauft, doch die Kritiken bemängelten nun immer öfter, dass sich sein Repertoire kaum erweitere. –

Wahrscheinlich lernte B. seine zweite Ehefrau bei Besuchen in Dresden 1838 oder 1844 kennen, was nach der Heirat wohl auch begünstigte, dass B. seinen Alterssitz in Gruna wählte. In den folgenden Jahren gastierte B. vor allem in den Städten des Habsburgerreichs. Einen Unfall mit Pyrotechnik in den Räumen seiner Wiener Unterkunft im Januar 1846 überlebte B. mit viel Glück und ohne schlimmere Verletzungen. –

Im Mai 1848 führte B.s Weg erneut nach Leipzig; den Sommer verbrachte er in Dresden, wo er am Inneren Pirnaischen Tor einen Salon für seine Darbietungen aufstellen ließ. Noch vor den Barrikadenkämpfen in der Residenzstadt im Zuge des Maiaufstands im darauffolgenden Jahr war B. bereits weiter nach Hannover gezogen.

Durch Auftritte in den Niederlanden (1849/50), in England (1851) und Spanien (1858) erschloss sich B. auch noch gegen Ende seiner Karriere ständig ein neues Publikum. In London konkurrierte der einstige Publikumsliebling mäßig erfolgreich mit der gleichzeitig stattfindenden Weltausstellung, die ihn schließlich zur Rückkehr auf den Kontinent zwang. Paris wurde erneut ein fester Anlaufpunkt, wo der Zauberkünstler noch immer auf eine gewisse Hausmacht bauen konnte. Bei einem Auftritt 1852 lernte er den jungen Marius Cazeneuve kennen, den er - beeindruckt von den Fähigkeiten des Nachwuchsmagiers - für einige Zeit als Assistent in seine Dienst nahm und förderte.

Anfang der 1860er-Jahre beendete B. seine Tourneen mit einigen letzten Aufritten in Potsdam, Berlin, Marseille und in seiner italienischen Heimat, dann erst zog er sich mit seiner zweiten Ehefrau nach Gruna zurück. Hier bewohnte er ein Haus in der Rosenbergstraße 27. Möglicherweise betrieb er noch eine Zeitlang ein Geschäft für Zauberartikel am Pirnaischen Platz, jedoch starb er bald darauf.

Sein Grab auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden ist bis heute ein Anziehungsort für Zauberkünstler. Dazu dürfte auch beigetragen haben, dass sich der bekannte amerikanische Illusionist und Entfesselungskünstler Harry Houdini persönlich für dessen Erhalt einsetzte. Zur Verbindung B.s mit Dresden gehört auch, dass der dortige Ortszirkel des Magischen Zirkels in Deutschland bis heute B.s Namen trägt.

Werke Gabinetto magico del Cavaliere Bartolomeo B., Mailand 1857;

Satanas. Recueil européen. … Aventures de B. B., Poitiers 1854;

Der rothe Teufel im Salon oder B. in allen Gesellschaften, Weimar 1858, 41874.

Literatur

Leipziger Zeitung 17.6.1848, S. 3920;

Dresdner Nachrichten 8.3.1863, S. 2;

A. Rusconi, Bartolomeo B., Florenz 2017;

R. Kusch, Erneurer der Zauberkunst, Deutschlandfunk, 2018. – F. Regli, Dizionario biografico dei più celebri poeti ed artisti melodrammatici, tragici e comici, maestri, concertisti, giornalisti, impresarii ecc. ecc. che fioriomo in Italia dal 1800 al 1860, Turin 1860, S. 91f.;

B. di Porto, B., Giovanni Bartolomeo, in: A. M. Ghisalberti (Hg.), Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 13, Rom 1971.

Porträt Bartolomeo B., G. Decker, 1845, Lithografie


https://saebi.isgv.de/biografie/Bartolomeo_Bosco_(1793-1863)


BOSCO, Giovanni Bartolomeo

Geboren am 7. Januar in Turin. 1793, aus einer Adelsfamilie stammend, zeigte er schon in jungen Jahren überraschende Fähigkeiten im Umgang mit Fingerfertigkeiten. 1812 nahm er am Russlandfeldzug teil, bei dem er bei Borodino verwundet wurde. Er wurde dann gefangen genommen und in ein Kriegsgefangenenlager in der Nähe von Tobolsk in Westsibirien gebracht, wo er zum Trost und zur Belustigung seiner Gefährten begann, seine Fähigkeiten als Beschwörer und Illusionist unter Beweis zu stellen. Von den russischen Offizieren bemerkt, konnte er Shows in den Palästen der Adligen und des Gouverneurs organisieren, bis er im April 1814 seine Freiheit wiedererlangte.

Zurück in Italien geriet er mit seiner Familie aneinander, die sich seiner Berufung als "Zauberer" als eines Gentlemans unwürdig widersetzte und wollte, dass er stattdessen einen Abschluss in Medizin machte. Aber er, nachdem er sein Universitätsstudium abgebrochen hatte, wanderte durch Europa und überraschte mit seinen Lieblingskünsten ein riesiges Publikum in jedem Land.

In der Szenografie seiner Shows, die mit gewohnter Eleganz durchgeführt wurden, spielte der riesige und überflüssige traditionelle Apparat der "Zauberer" keine Rolle; In der Schlichtheit der Dekoration sticht ein Grabcharakter hervor, der durch die schwarzen Vorhänge, die Kandelaber und die Darstellungen von Skeletten und Schädeln gegeben ist. Für die Spiele brauchte er nur wenige Werkzeuge: Münzen, Karten, Vögel, Taschentücher. Seine Spezialität war das Pokalspiel, bei dem ein Ball durch drei aufeinanderfolgende Metallbecher verkehrt herum auf der Tischplatte gespielt wurde, ohne sie zu berühren.

Von den Herrschern begehrt, erwarb er neben prächtigen Geschenken Urkunden und Patente: 1821 erhielt er die Urkunde des Königs von Hannover, 1822 des Königs von Preußen, 1823 des Zaren Alexander, 1828 des Kaisers von Österreich, 1830 des Königs von Dänemark, 1833 von Louis Philippe, 1836 der Herzogin von Parma, 1837 des Herrschers der beiden Sizilien, 1850 des Sultans. Zu diesen Anerkennungen kam das Ehrendiplom der Hochschule für bildende Künste Hamburg.

Die Leichtgläubigkeit des Publikums, die Übertreibung der Reporter und die Werbearbeit der Impresarios ließen um B. eine Blüte außergewöhnlicher Anekdoten entstehen, so dass sein Name in ganz Europa sprichwörtlich wurde. Aber es besteht kein Zweifel, dass B. wie andere große Illusionisten mit ungewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattet war: Er verstand es bewundernswert, das rationale Wissen der technischen Mittel, das er aus Physik und Chemie gelernt und durch Berechnung und Geschicklichkeit verwendet hatte, mit den Qualitäten der Psychologie zu verbinden Einfluss. Auch mit einfacher Kommunikation, schnellem Humor und weltlicher Anmut ausgestattet, übte er auch einen beträchtlichen Einfluss in Bezug auf die Mode aus, wie die Verbreitung der "marsine alla Bosco" und der "contraddanze alla Bosco" zeigt.

Er starb am 7. März 1863 in Dresden. Die Bücher Satan wurden unter seinem Namen veröffentlicht . Europäische Sammlung, Zeitvertreib des Intermezzos in den Sitzungen der ägyptischen Magie (übersetzt aus dem Französischen, Mailand 1853), Zauberkabinett oder der Komplex der angesehenen Kunst (italienische Übersetzung zur vierten deutschen Aufl., ebd. 1854) und Der Verzauberte Wald, das heißt, eine Art, Spiele zu spielen, die von Prof. cav. Bosco (Nizza 1867).

Bibl .: Kuriose Abenteuer und kurze Notizen zum Leben des BB aus Turin, Neapel 1837; Das neue B. oder der rosafarbene Teufel, Mailand 1894; M. Seldow, Les illusionnistes et leurs secrets, Paris 1959, S. 81-84; W. Minardi, Die Kunst, andere zu täuschen, um sie zu amüsieren, in Il Messaggero, 14. April 1960; Enc. Ital., VII, p. 546; Dikt. der Risorg. nat., II, p. 378; Enc. dello Spett., II, coll. 868 s.; Dikt. Enzykl., VI, sv illusionismo.


https://www.treccani.it/enciclopedia/giovanni-bartolomeo-bosco_(Dizionario-Biografico)


 
Döbler 1839

Die Aussichten auf mediale Aufmerksamkeit veranlassten ihn, 1857 seinen „Salon Hofzinser“ zu gründen. Salons waren damals ein beliebter Treffpunkt der Wiener Gesellschaft. Schon in den 1840er Jahren gab es in Wien Salons der Zauberkünstler Bosco und Döbler. Johann Nepomuk Hofzinser


Wohin er kam, suchte er Künstler und Gelehrte vor Allem auf; sein Salon in Petersburg, in Paris, in Wien, war ihnen vorzugsweise geöffnet. Wie viel heitere Abende hat er nicht gehabt und gemacht, in Petersburg mit Louis Schneider, Charlotte von Hagn, in Wien mit Bauernfeld, Castelli, Saphir, in Paris mit Heine, Gutzkow, Herwegh, Dingelstedt! Welch ein bewegtes, wander- und wunderreiches Leben ist mit ihm geschieden!“ w:wikisource:de:BLKÖ:Döbler, Ludwig


https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Radebeul_Villa_Frikell_Houdini_1903A.jpg

Kötzschenbroda, Houdini vor der Villa Frikell, 1903, unbekannt (Houdinis Fotograf), Datum 8. April 1903 - Erschienen in Mahatma, Vol. 6, # 11, Mai 1903. Dr. Wiljalba Frikell Still Alive. In: Mahatma. Ausg. 6, Nr. 11, New York, Mai 1903, S. 126. - Dr. Wiljalba Frikell lebt noch. In: Mahatma. Ausg. 6, Nr. 11, New York, Mai 1903, S. 126.

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Radebeul_Villa_Frikell_Houdini_1903.jpg

Ein Engagement in Dresden wurde ein so sensationeller Erfolg, dass allein wegen der Pressemeldungen sein nächstes Engagement im Berliner Wintergarten-Varieté ausverkauft war. Im Dresdner Vorort Kötzschenbroda versuchte Houdini im Jahr 1903, den Zauberkünstler Wiljalba Frikell zu treffen, jedoch war dieser bereits verstorben. Für Pressetermine hatte Houdini den Spannungsbogen seiner Entfesselungsnummer erweitert, indem er diese unter Lebensgefahr, etwa in Flüssen unter Wasser, ausführte. Seither tourte er mit den namhaftesten deutschen Zirkus-Unternehmen wie Circus Busch und Circus Corty & Althoff. Houdini wurde relativ schnell zu einem der bekanntesten Showstars Europas und feierte auch in Russland große Erfolge. Sein wichtigster Markt blieb jedoch auf Jahre hinweg Deutschland, das ihn begeistert in allerhand Publikationen feierte. Mit geschickten Werbemaßnahmen gelang es Houdini ab 1906, auch in Nordamerika ein Publikum zu begeistern. Wegen des Ersten Weltkriegs fiel der deutsche Markt für ihn vollständig aus. Inzwischen hatte er die Zwangsjacke entdeckt, die noch dramatischere Entfesselungen zuließ, etwa kopfüber an Wolkenkratzern aufgehängt. Neben seinen Entfesselungsnummern versuchte sich Houdini immer wieder als Zauberkünstler. Anders als die meisten seiner Kollegen setzte er nicht auf Humor und Charme, sondern präsentierte die Effekte marktschreierisch und uninspiriert. Houdinis rustikales Auftreten funktionierte zwar für die Rolle des Entfesselungsartisten, nicht aber für die eines Zauberkünstlers. Nach mehreren Rückschlägen realisierte er schließlich die aufwendige Show „Cheers up“ im New Yorker Hippodrom, das über ein Wasserbassin verfügte, in dem er sich unter Wasser entfesseln konnte. Die ursprünglich in Flüssen begonnenen Unterwasserentfesselungen zeigte Houdini auf der Bühne, ansonsten in einer gigantischen Milchkanne und später in der legendären „Chinesischen Wasserfolterzelle“. Berühmt wurde Houdini durch das Verschwindenlassen eines Elefanten auf dem Times Square, der in einer von Charles Morritt konstruierten Kiste „unsichtbar“ wurde.

Dr. Wiljalba Frikell Still Alive. In: Mahatma. Ausg. 6, Nr. 11, New York, Mai 1903, S. 126.

w:de:Harry Houdini

 
Berlin 1903
 
"Handcuff" Harry Houdini, c. 1905
 
Houdini jumps from Harvard Bridge, Boston, Massachusetts] / John H. Thurston, stereopticons, 1908
 
Houdini performing Water Torture Cell, um 1913
 
Harry and Beatrice Houdini in Nice, France
 
Cartoon

Der junge Harry Houdini sammelte alle Informationen, die er beschaffen konnte, um eine Geschichte der Zauberkunst zu erstellen. Dabei erfuhr er genügend Details zur Zauberkunst des 19. Jahrhunderts, um viele der Behauptungen des bedeutenden Zauberkünstlers Robert-Houdin als von dem Ghostwriter seiner Memoiren falsch dargestellt oder anderen Kollegen weggenommen zu bezeichnen.[6] So eruierte Houdini, dass es tatsächlich Frikell war und nicht Robert-Houdin, der als Erster auf Kostüme und Draperien verzichtete und die Kunst der Manipulation anwandte. Und Houdini erfuhr 1903, dass Frikell noch lebte und nicht bereits verstorben war, wie allgemein vermutet worden war.[7] - Harry Houdini: Dr. Wiljalba Frikell Still Alive. In: Mahatma. Ausg. 6, Nr. 11, New York, Mai 1903.

Houdini fuhr während seiner Europatournee 1903 nach Kötzschenbroda bei Dresden. Nach vielen Anstrengungen, zu einem Treffen mit dem Altmeister der Fingerfertigkeit zu kommen, traf Houdini nur noch in dessen Hause auf den gerade Verstorbenen.[2] - Frank Andert: Kondolenz statt Audienz; Ein Nachtrag zum »Wundermann von Kötzschenbroda«. In: Radebeuler Monatshefte e.V. (Hrsg.): Vorschau & Rückblick; Monatsheft für Radebeul und Umgebung. Januar 2014 Wiljalba Frikell


Doch zurück zur Frage: Dem Künstlernamen »Wiljalba Frikell« (in dieser Schreibung) blieb der Magier über seinen letzten öffentlichen Auftritt (1896 in Wiesbaden) hinaus auch im Privatleben mehr als fünfzig Jahre lang treu, und obwohl er im Kötzschenbrodaer Adressbuch von 1880 bis 1897 zwischenzeitlich als »Dr. Wiljalba Frickell« verzeichnet ist, sollten wir uns dieser bewussten Wahl beugen, schließlich gab er auch seinem Alterssitz die Bezeichnung »Villa Frikell«.

So mythenumwoben und nebelumwallt sich Frikells Lebensgeschichte darstellt, so eindeutig lässt sich das Foto datieren, das im Novemberheft der ›Vorschau‹ auf Seite 20 mit der Bildunterschrift »Familie Frikell, um 1885« abgedruckt ist. Tatsächlich entstand die Aufnahme am 5. oder 6. Oktober 1903, also nur Tage vor Frikells Tod, in einem Dresdner Atelier. Gewährsmann dafür ist der berühmte und vielen sicher auch heute noch dem Bühnennamen nach bekannte Entfesselungskünstler Erik Weisz alias »Harry Houdini« (1874-1926), auf dessen Wunsch hin das Foto angefertigt wurde. Dass der Name Houdini im Artikel eines Zauberhistorikers zu einem runden Todestag Frikells nicht erwähnt wird, kann eigentlich nur an einer redaktionellen Kürzung liegen. Denn Houdini verdanken wir neben einem ersten halbwegs verlässlichen Abriss von Frikells Vita auch die einzig authentische Schilderung der Umstände seines Hintritts, und zum anderen hatte der damals noch junge Star am Zauberhimmel unwillentlich einen gewissen Anteil daran, dass dem Altmeister am 10. 10. 1903 gegen 10 Uhr das Herz stehen blieb.

Nachdem Wiljalba Frikell die Öffentlichkeit jahrelang strikt gemieden hatte und allmählich in Vergessenheit geraten war – von vielen wurde er bereits für tot gehalten –, klingelte am 8. April 1903 kein geringerer als Houdini an der Pforte seiner Kötzschenbrodaer Villa. Der US-amerikanische Magier ungarischer Herkunft, der eben eine große Europatournee bestritt und nebenbei Material über die Geschichte der Zauberkunst sammelte, hatte erfahren, dass und wo Frikell (noch) lebte. Als wichtigen Zeitzeugen wollte er ihn unbedingt interviewen. Frikell ließ sich jedoch standhaft verleugnen, sodass Houdini von seinem ersten Abstecher in die Lößnitz nur einige Fotos von dessen Wohnhaus mitbrachte. Beharrliches briefliches Nachhaken führte schließlich dazu, dass sich Frikell doch noch zu einer Audienz bereitfand. Als Termin wurde der 10. Oktober vereinbart (Houdini schreibt zwar fälschlicherweise vom 8., gibt aber den korrekten Wochentag an). Wie sich später herausstellen sollte, versuchte das Ehepaar Frikell bereits am Tag des Besuchs beim Fotografen, den in Dresden gastierenden Houdini in seiner Garderobe aufzusuchen, wo man ihm aber keine Information über dessen Quartier geben wollte. Im beliebten »Café König« an der Johannesallee begegneten sich die beiden Magier an jenem Nachmittag dann sogar, ohne einander freilich zu erkennen. Als Houdini am folgenden Sonnabend überpünktlich zum zweiten Mal in der »Villa Frikell« vorsprach, konnte ihn die trauernde Witwe nur noch zu Frikells Leiche führen. Der alte Zauberer hatte am Vortag stundenlang die Erinnerungsstücke an seine glanzvolle Karriere hervorgekramt und ausgebreitet und am Morgen in froher Erwartung des Gastes den besten Anzug angelegt. Doch die Aufregung war zu groß – ein plötzlicher Herzanfall bereitete seinem langen Leben ein kurzes Ende. Aus der geplanten Audienz wurde ein Kondolenzbesuch.

Houdini schildert die Episode in der Einleitung zu seinem 1908 in New York erschienenen Buch »The Unmasking of Robert-Houdin« (erweiterte Fassung in »Houdini on Magic«, New York 1953). Aus einem am 20. Oktober 1903 aus Dresden an einen Freund in den USA adressierten Brief erfahren wir außerdem, dass Harry Houdini auch beim Begräbnis auf dem Kötzschenbrodaer Friedhof zugegen war und zwei große Kränze an Frikells Grab niederlegte, einen im eigenen und den anderen, der der prächtigste von allen gewesen sein soll, im Namen der Society of Amererican Magicians.

Auf Jens-Uwe Günzels Frage nach weiteren Informationen »über die Familie Frikell aus Kötzschenbroda« sei noch angemerkt, dass Harry Houdini für 1903 als einzige Verwandte in der Umgebung – ohne den Namen zu nennen – eine Adoptivtochter erwähnt, die aber nicht (mehr) im Haushalt wohnte. Die schon auf den Fotos von damals etwas sanierungsbedürftig wirkende Villa muss übrigens spätestens 1934 und nicht (wie es auch im Stadtlexikon steht) 1936 abgerissen worden sein, denn der ziemlich genau an gleicher Stelle errichtete Wohnhausneubau (neue Hausnummer: Ledenweg 8) war bereits im Juni 1935 bezugsfertig.

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Seit Urzeiten haben sich die Menschen mit Magie beschäftigt; Belege dafür gibt es bereits aus der älteren Steinzeit. In der Antike missbrauchten die Tempelpriester ihr technisches und physikalisches Wissen, um dem einfachen Volk Übersinnliches vorzugaukeln, und sich selbst den Nimbus göttlicher Macht zu verleihen: Tempeltüren gingen von alleine auf, wenn die Gläubigen sich näherten, Statuen artikulierten den Willen der Gottheit, Brunnen spendeten statt Wasser Wein … die Liste der unfrommen Täuschungen ist lang. Menschen zu erschrecken, um Macht auszuüben und Abhängigkeiten zu schaffen – ein uraltes Motiv.

Übrigens hiessen diese Priester-Magier im Akkadischen – der ältesten schriftlich überlieferten semitischen Sprache – „Imga“, woraus im Assyrischen „Maga“ wurde, und später im Lateinischen „Magus“. Der Magier.

Erzählerin:

Überhaupt brachten die Zauberer neue Begriffe in die Sprache. Etwa die Fähigkeit „alles aus dem Ärmel zu schütteln“; ursprünglich bezog sich das zwar auf die mittelalterlichen Mönche, die ihre erbettelten Gaben in den weiten Ärmeln ihrer Kutten verstauten – doch mit der Zeit übertrug es sich auf die Täuschungskünstler. Oder „jemandem blauen Dunst vormachen“ – diese Redensart leitet sich von den mittelalterlichen Passionsspielen ab, wo man mit Hilfe von Zaubertricks Paulus enthauptete und dabei blauen Rauch qualmen ließ … Und das Ganze mit gelehrt klingendem, lateinischen Unsinn garnierte: hax pax max deus adimas … aus dem

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später das „Abrakadabra“ der Zauberer wurde. Oder das „Hokuspokus“ … eine Verballhornung des lateinischen „hoc est corpus“.


Im Lauf der Jahrhunderte wurde die Magie auch als Unterhaltungskunst entdeckt. Doch anstatt etwas Leichtigkeit in den harten Alltag der Menschen zu zaubern, geschah im Reich des schönen Scheins viel Unschönes, vor allem im Mittelalter. Da verdächtigte man die Gaukler und Taschenspieler, mit bösen Mächten im Bund zu stehen. Die geistige und weltliche Obrigkeit verfolgte sie als „Teufelskerle“ – der Aberglaube hatte in jenen finsteren Zeiten irrwitzige Formen angenommen. Immer neue Erlasse gegen die „teufflische kurzweil und spiele“ wurden herausgebracht. Der Scheiterhaufen drohte einem Zauberer zum Beispiel für den Fall „er ein Äpfel in Hut gibt, und wenn er sie wieder ausschütt, daß dan roßdreck sey; item, wenn einer mit blossen Füssen auf eim scharfen Schwert geht oder es verschlingt.“

Die Taschenspieler – benannt nach ihrer Beuteltasche mit den Requisiten – waren rechtlose Gesellen am Rande der Gesellschaft, fahrendes Volk, im Wirtshaus, in der Herberge daheim. Mit ihren Kunststücken brachten sie dem Wirt Gäste, als Gegenleistung erhielten sie Speis und Trank. Oder auch Pfänder, die von zahlungsunfähigen Gästen hinterlegt worden waren. Diese Pfänder hiessen „Gages“, auf sie geht das Wort Gage zurück.

1773 wurde zum letzten Mal ein Taschenspieler der schwarzen Magie bezichtigt, und „auf dem polnischen Bock gefoltert und gehängt.“


Ich hab durch einen Zauberfreund erfahren, daß es in Münster, in einem Zauberladen, einen alten Zauberkasten gibt. Das war ein Zauberkasten, der hatte den Namen „Taschenspielerapparat“, und dieser Kasten stammte aus dem 19.Jahrhundert, 1850, 1860, es ist schwer auf das genaue Jahr festzulegen, und da hab ich gedacht whow, das ist ja toll. Damals waren diese Geräte ja auch noch aus Holz gefertigt, da ist sehr viel Handarbeit in solchen Zauberkästen zu finden, das ist ja nicht Massenfertigung

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gewesen, sondern richtig schöne Buchbinderarbeit … ML: Es gibt ja auch den berühmten Zauberkasten von Goethe … Es gibt den berühmten Zauberkasten von Goethe, dh Goethe hat sich den 1830 auf dem Christkindlmarkt in Nürnberg besorgen lassen, für seinen damals 12 jährigen Enkel Walther. Goethe war selbst ja ein großer Fan der Zauberkunst, er hatte auch mal den berühmten österreichischen Zauberkünstler Ludwig Döbler kennengelernt, dem schrieb er dann ganz fasziniert einen Spruch in sein Stammbuch, den wir Zauberer auch immer gern zitieren: „Was braucht es ein Diplom besiegelt? Unmögliches hast du uns vorgespiegelt“. Goethes Zauberkasten ist heute übrigens im Düsseldorfer Goethemuseum ausgestellt, es ist eigentlich ein sehr bescheidenes Holzkästchen, ohne Verzierungen, da drin liegen lose 16,17 Gegenstände mit einzelnen Beschreibungen. Die Zauberkästen waren früher halt wirklich nur ein Sammelsurium von einzelnen Kunststücken, die die Händler da reingepackt haben.

Auch wenn Zauberkästen und Zaubergeschäfte heute nicht mehr den Stellenwert wie früher haben - Goethes berühmter Erkenntnis tut das dennoch keinen Abbruch: Taschenspielereien, so befand er, seien „ein herrliches Mittel zur Übung in freier Rede und Erlangung einiger körperlichen und geistigen Gewandtheit, woran wir Deutschen ohnehin keinen Überfluss haben“


Zaubern zu können ist ein uralter Menschheitstraum. Genauso alt ist aber auch die Angst, verzaubert zu werden. Erst im 19. Jahrhundert verliert die Magie endgültig ihren anrüchigen Nimbus und wird salonfähig. Der verachtete Gaukler hat sich in einen eleganten Herrn im Frack verwandelt und präsentiert nun statt arglistiger Täuschung arg listige Zauberkunst. Erzähler: Als „Vater der modernen Magie“ ging der Franzose Robert-Houdin in die Geschichte seines Berufsstandes ein. Eigentlich Uhrmacher, kam er angeblich durch einen Zufall zur Zauberei: Während einer Kutschfahrt war ihm schlecht geworden, er öffnete die Türe und fiel dabei auf die Strasse, wo er bewusstlos liegen blieb. Bis eine andere Kutsche vorbeikam und anhielt. Als Robert-Houdin aufwachte, lag er im Wagen eines Zauberers, der sich um ihn kümmerte, sich mit ihm anfreundete und ihn schliesslich in die Geheimnisse der Magie einweihte. Egal, ob wahr oder nicht … es klingt zumindest zauberhaft … Erzählerin: 1845 eröffnete Robert-Houdin im Pariser Palais Royal jedenfalls das 1. Zaubertheater. In seinen „Soirees fantastiques“ begeisterte er das Publikum mit eleganten Kunststücken, optischen Illusionen und Mentalmagie.,also Gehirnzauberei. Dank seiner mechanischen Fähigkeiten und seiner Kenntnisse auf dem Gebiet der Zersägte Jungfrauen – verschwundene Kaninchen Eine Lange Nacht über den Zauber der Zauberei Seite 19 Elektrizität baute er raffinierte Apparaturen, erfand eine Flasche, aus der man nach Belieben die verschiedensten Getränke einschenken konnte, und schuf den „schwebenden Knaben“ - einen Vorläufer der „schwebenden Jungfrau“. Erzähler: Ein anderes Highlight war, daß er eine Dame aus dem Publikum um ein Taschentuch bat. Dieses Tuch zerriss er und streute die Papierfetzen über ein Orangenbäumchen auf dem Podium. Plötzlich fing das Bäumchen an zu blühen und hing bald voller Orangen. Robert Houdin verteilte sie an das staunende Publikum. Nur die letzte Orange behielt er, schnitt sie auf und siehe da: Es befand sich das Taschentuch der Dame darin. Wie aus dem Nichts flogen zwei Schmetterlinge herbei, nahmen das Tüchlein und brachten es zurück zu Madame. Erzählerin: Robert-Houdin verzauberte Bürger und Könige; Queen Victoria war hingerissen von ihm, und auch der französische Bürgerkönig Louis-Philippe, der sich selbst ebenso begeistert wie erfolglos der Magie verschrieben hatte – was ihn zu dem berühmt gewordenen Seufzer veranlasste: Ein Zauberer versteht eher einen König zu spielen, als daß ein König das Zaubern erlernt. Erzähler: 11 Jahre war Robert-Houdin als Magier tätig, dann zog er sich aus dem Showgeschäft zurück, später verkaufte er sein Zaubertheater an Georges Meliès. Auch der war Magier, berühmt wurde er freilich durch eine neue Kunst: Die Zauberei des Lichts. 1896 gab Meliès die erste kinemathographische Vorführung, es war die Geburtsstunde des künstlerischen Films. So wie er vorher auf der Bühne mit Zaubertricks gearbeitet hatte, entdeckte er auch in diesem neuen Medium viele tricktechnische Möglicheiten: Optische Täuschungen durch Überblendung, Schnitte, Bildgeschwindigkeit - Illusionstheater im erweiterten Sinn, das die Menschen faszinierte. Ein neues Zeitalter der Unterhaltungskunst hatte begonnen

Als der Bronzesarg mit dem Leichnam Houdinis von seinen Freunden zu Grabe getragen wurde, wisperte einer von ihnen: "Ich wette, dass er da nicht mehr drin ist." Wer weiß …. vielleicht hat sich der Meister der Selbstinszenierung am Ende tatsächlich auch aus dieser letzten Fessel befreit …


Auf unserem Streifzug durch das Reich der Magie machen wir jetzt einen Abstecher nach Wien, zu Johann Nepomuk Hofzinser, im bürgerlichen Beruf Finanzbeamter, in seinem „eigentlichen Leben“ aber Zauberer – der wohl grösste Kartenkünstler aller Zeiten. Bei den „Stunden der Täuschung“ im Salon Hofzinser traf sich alles, was im Wien des 19. Jahrhunderts Rang und Namen hatte. „Es ist wunderbar, es erinnert an E.T.A. Hoffmanns Märchenwelt, wenn Hofzinser seine geliebten Karten zur Hand nimmt. Sie kennen ihn, sie gehorchen ihm… Sie stehen, fallen, zittern, wie magnetisiert …“ schwärmte ein Zeitungskritiker. Selbst Zauberer unserer Tage lassen sich noch von den Kunststücken Hofzinsers inspirieren. Heute steht ja jedem, der sich mit Spielkarten befasst, umfangreiche Fachliteratur zur Verfügung … Hofzinser konnte nicht aus einem solchen Fundus schöpfen – abgesehen davon, daß die Kartentricks vergangener Jahrhunderte ohnehin reichlich primitiv waren. Hofzinsers Verdienst war es, Kunststücke zu verfeinern, neue Routinen zu erfinden, und die Kartenzauberei auf ein bis dato nie gekanntes Niveau zu heben.

Auch Ludwig Döbler verzauberte seine Heimatstadt Wien. Seine magischen Darbietungen waren Glanzlichter – im wahrsten Sinn des Wortes. Sobald sich auf der Bühne der Vorhang öffnete, entzündete er durch einen Pistolenschuß 250 Kerzen und erleuchtete das Theater strahlend hell … ein Effekt, der Mitte des 19.Jahrhunderts sicher noch zauberhafter wirkte als heute, im Zeitalter des elektrischen Lichts… Döbler hatte dazu übrigens einen Baumwollfaden verwendet, ihn von Kerze zu Kerze gezogen, und auf das Signal des Pistolenschusses von einem Gehilfen anzünden lassen.

In Wien war ein wahrer Döbler-Rausch ausgebrochen, es gab Döbler-Torten und Döbler-Bier, man trug Döbler-Hüte und Döbler-Krawatten … Und eine Döbler-Gasse erinnert noch heute an ihn. Er zauberte vor Kaisern und Königen, und1831 lud Goethe ihn nach Weimar ein. Nach der Vorstellung schrieb er ihm ins Stammbuch: „Bedarfs noch ein Diplom besiegelt – Unmögliches hast Du uns vorgespiegelt“


1912 wurde – ebenfalls in Hamburg - der Magische Zirkel von Deutschland gegründet. Eine Erfolgsgeschichte – wenn auch mit ein paar dunklen Stellen. Eines der jüngsten Mitglieder ist der 1903 in Stuttgart geborene Helmut Schreiber, bereits als 16-jähriger wird er in den MZvD aufgenommen. Schreiber studiert in München, etabliert hier 1921 den Ortsverband des Magischen Zirkels und leitet ab 1927 die Zeitschrift MAGIE. Hauptberuflich zieht es ihn dann erstmal in die Filmindustrie, wo er im Dritten Reich zum Produktionschef der Bavaria aufsteigt. 1936 wird der Magische Zirkel der Reichskulturkammer angegliedert, jüdische Mitglieder sind nun ausgeschlossen, und Dr. Helmut Schreiber - der neue Präsident des Zirkels – verzaubert Hitler, Goebbels & Co. Alte Fotos zeigen ihn in fröhlicher Runde auf dem Obersalzberg, noch ein paar Monate vor Kriegsende ist er bei der Hochzeit von Eva Brauns Schwester mit von der Partie.

Nach 1945 zu alledem kein Wort. Schreiber kann seine Karriere in der jungen Bundesrepublik nahtlos fortsetzen: Zwar nicht mehr als Filmproduzent, dafür aber als Zauberer. Als Meister-Magier Kalanag. „Kala Nag“, „schwarze Schlange“, so nannte Rudyard Kipling den alten, weisen Elefanten in seinem Dschungelbuch. Helmut Schreiber - alias Kalanag - wird der grösste Showstar der Fünfziger und Sechziger Jahre.

Der umjubelte Star ist ein janusköpfiger Künstler, der mit allerlei Kunstgriffen seine Entnazifizierung erreichte. Er hielt es im Nachhinein für eine Selbstverständlichkeit, vor Nazigrössen gezaubert zu haben, und rühmte dabei die „unpolitische Art“ seiner Auftritte. Es sei doch „das Gleiche, wie vor dem amerikanischen Präsidenten zu zaubern“ Zeit seines Lebens verschwieg Kalanag seine NSDAP Mitgliedschaft. Geschwiegen hat auch der Magische Zirkel von Deutschland – nach 1945 wurde Kalanag Ehrenpräsident des Vereins, bis heute tut man sich von offizieller Seite schwer damit, klare Worte zu finden, vieles bleibt in der Schwebe – oder auf doppeltem Boden.

1963 starb Kalanag. Zumindest posthum muß er sich inzwischen einige Fragen gefallen lassen. Zum Beispiel von Michael Sondermeyer, dessen Stiftung Zauberkunst auch Kalanags Nachlass verwaltet.

OT Sondermeyer:

Wir haben vor fast 20 Jahren angefangen zu recherchieren über Kalanag und seine Zeit im 3.Reich, waren ua auch im Bundesarchiv in Berlin, das waren damals die Akten ( des burlington document centers ), die von den Amerikanern wieder zurückgegeben wurden an die BRD und wir waren die zweiten Leute überhaupt, die nach dem Krieg in diese Akten reingeschaut hatten, und das war wie ein Krimi, daß man beim Lesen immer wieder von einem Extrem ins andere schwankte, weil Kalanag

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ja dann als Präsident des Magischen Zirkels, eingesetzt, nicht gewählt, sondern eingesetzt wurde, die Schreiben mit der Reichskulturkammer. Er hat dann mit seiner Popularität, oder dadurch, daß er ja die ganzen Prominenten durch seine Filmarbeit kannte, sehr viel versucht auch für den Magischen Zirkel zu erreichen, aber bei der einen Akte denkst Du, was war das für ein Schwein, und bei der nächsten denkst du, man kann das nicht bewerten, weil man nicht weiß wie man selber agiert hätte, er hat einfach versucht, für sich, aber auch für den Magischen Zirkel das Beste rauszuholen … er war ein Opportunist einfach.

Erzählerin:

Michael Sondermeyer und Uwe Schenk haben sich im Rahmen ihrer Stiftungsarbeit auch mit Zauberkunst in der DDR beschäftigt.

Die hat sich ja eigentlich völlig unabhängig von der westdeutschen Zauberei entwickelt, es gab nur ganz wenig Leute, die Zugang hatten zu der Westliteratur, und dadurch hat sich das völlig eigenständig entwickelt damals. Also sehr viel Zauberei mit Elektronik zB, weil da viel gearbeitet wurde in der DDR mit elektronischen Teilchen, mit Transistoren usw, das war bei uns hier im Westen garnicht so verbreitet. Und dadurch war das sone terra incognita für uns. Die Art der Zauberei war ne ganz andere, 20 Jahre zurück, sag ich mal, garnicht böse gemeint, aber Federblumen Zauberei und sowas. Ich hab ein Seminar gemacht, noch zu DDR Zeiten, 1988, über Kinderzauberei in Karl Marx Stadt, und da sind wir dann während des Seminars drauf gekommen: Im Westen wars so die Kunst zu reduzieren, mit möglichst wenig Requisiten etwas zu machen, und in der DDR wars genau andersrum: Dadurch, daß die nicht viel hatten, haben die versucht auf der Bühne einen riesigen Aufbau zu machen, um was darzustellen, was in Wirklichkeit eben nicht da war.

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Wilfried Neumann, der in der DDR zunächst als Kfz-Mechaniker arbeitete, dann jedoch als ausgebildeter Zauberer auf Feiern und Veranstaltungen auftrat, betrachtete schon damals die Zustände in der DDR kritisch, aber humorvoll, was zu einem kurzzeitigen Auftrittsverbot führte.

Das Lehrerehepaar Hermann und Rita Eichloff hingegen kann der Erinnerung an ihr Leben in der DDR keine komischen Seiten abgewinnen. Sichtlich bewegt erzählten die beiden ihrem gebannt lauschenden Publikum im Hansehaus von der Inhaftierung des Ehemanns, der am Tag des Mauerbaus mit dem Zug nach Berlin wollte und plötzlich wegen versuchter Republikflucht verhaftet wurde. Vom Abhören der Telefone und dem Abfangen von Briefen berichteten die beiden und schließlich von der Sorge um den Sohn, der im Oktober 1989 Soldat bei der Nationalen Volksarmee war und die angespannte Situation zwischen Demonstranten und Militär hautnah mitbekam.

20 Jahre Mauerfall: Zeitzeugen berichten von ihrem Weg aus der DDR - Mindener Tageblatt 16. 11. 2009

https://www.mt.de/lokales/minden/20-Jahre-Mauerfall-Zeitzeugen-berichten-von-ihrem-Weg-aus-der-DDR-3241298.html

  1. Gisela Brinker-Gabler, Karola Ludwig, Angela Wöffen: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1800–1945. dtv München, 1986. ISBN 3-423-03282-0. S. 241ff.