"Interview"
Interviewauswertung
BearbeitenProband 2:
BearbeitenIn welcher Branche bist Du tätig?
- Also gelernt habe ich Hebamme als Ausbildung und habe auch ein paar Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Im Moment arbeite ich aber als Geschäftsleitung in einem Weltladen mit 40 Ehrenamtlichen - ein Geschäft für den fairen Handel.
Seit wann bist Du dort beschäftigt?
- Seit 2001
Weißt Du was die EU-Freizügigkeits-Regelung ist?
- Nein
[..Ich erkläre ihr alles..]
- hm, also ich hab‘s im Radio gehört, dass es des eben gibt und mehr weiß ich aber nicht wirklich drüber. Ja.
Und was denkst Du jetzt so, wenn du das hörst?
- Also meine Oma ist 89 Jahre alt und wird seit ca. 1,5 Jahren von Osteuropäischen Pflegekräften betreut, ähm, das, was ich bisher erlebt habe, war so, dass diese Pflegefachkräfte über deutsche Agenturen vermittelt wurden, aber ich denke, dass es da auch sehr große Unterschiede gibt. Also die waren oft nicht lange da, was ich total schade fand weil so eine richtige Kontinuität gab‘s nicht. Die arbeiten viel Zeit am Stück und dann gehen sie wieder nach Hause. Das habe ich jetzt sehr schade gefunden. Einerseits für meine Oma, anderseits konnte ich’s total gut verstehen weil die kaum freie Zeiten hatten. Also es war irgendwie nicht so richtig geregelt, die hatten keine geregelte Arbeitszeit hier. Sie waren mehr oder weniger rund um die Uhr beschäftigt. Das fand ich schon hart.
Sind die freiwillig dann wieder gegangen?
- Ja ich denke, die hatten dann eine längere Pause zu Hause. Also sie sind nie gegangen worden, also ich habe jetzt keine Erlebt, die ähm, rausgeschmissen wurde, aber ich denke die haben einen Rhythmus, die arbeiten eine Zeit lang, mehr oder weniger rund um die Uhr, Pausenregelung, hab ich jetzt nicht erlebt, dass des irgendwie vorgegeben ist. Und dann gehen die nach Hause und besuchen da ihre Angehörigen wieder. Die haben ja oft Familie und Kinder daheim, sind ja vorwiegend Frauen, und die müssen halt immer wieder nach dem rechten gucken.
Ok, also wie denkst Du darüber, dass es die Regelung gibt, dass die hierher kommen und zu arbeiten, die machen das ja teilweise, weil man hier mehr verdient…
- Also ich glaube, die Kräfte die da waren, waren Sozialversichert, die waren ja auch alle angemeldet. Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen viele Osteuropäische Kräfte hier waren und die nicht angemeldet waren, die haben hier also schwarz gearbeitet. Ja weiß nicht, auf der einen Seite denke ich gab es viele Angehörige, die froh waren, dass sie aus dem Ausland Leute bekommen haben, die sie unterstützt haben in der Pflege ihrer Angehörigen – das ist ja auch eine Kostenfrage ganz klar – auf der anderen Seite habe ich mir gedacht, dass wenn was passiert, dann sind diese Kräfte halt überhaupt nicht abgesichert, von daher finde ich die Öffnung eigentlich gut. Weil wir haben einen absoluten Fachkräftemangel auch hier in Deutschland, das ist glaube ich unser ganz großes Problem, wobei diejenigen, die ich erlebt habe, waren keine ausgebildeten Fachkräfte. Die konnten halt meine Oma versorgen, ich glaube bis zu einem bestimmten Grad.. Also wenns ins medizinische gegangen wäre, wäre es glaube ich schwieriger geworden. Aber ich glaube, der Pflegenotstand, der in Deutschland ist kann durch unsere Landsleute nicht abgedeckt werden, von daher finde ich diese Öffnung gut! Ja!
Hast Du Befürchtungen, dass mal jemand entlassen wird, weil es jemanden gibt, der für weniger Geld die gleiche Arbeit leistet?
- Nein, in der Hinsicht nicht, aber wir müssen uns Gedanken machen, dass wir gucken müssen wo noch Fachkräfte eingespart werden können und dann die Arbeit auf mehrere nicht-Fachkräfte aufzuteilen. Ich denke, das ist eine allgemeine Geschichte. Ob da jetzt jemand aus dem In- oder Ausland beschäftigt wird, spielt für mich persönlich keine Rolle. Es kommt auf die Persönlichkeit drauf an, ob die Person vllt Deutschkenntnisse hat, sich hier durchsetzen kann und zuverlässig ist, von daher spielt das für mich keine Rolle. Im Moment habe ich eine 50 Prozent Fachkraft aus Bulgarien.
Gut, das leitet mich jetzt dann gleich zur nächsten Frage über.
Wenn es jetzt zu so einem Zusammentreffen zwischen einem ausländischen Arbeiter und einem deutschen kommt, dann treffen ja zwei Kulturen aufeinander.
- richtig. (nickt mit dem Kopf)
Was für „Schwierigkeiten“ denkst Du können da entstehen?
- Also sie arbeitet jetzt ca. 1 Jahr hier. Sie hat ihre Ausbildung hier gemacht zur Sozialpädagogin, ist aber Bulgarin, spricht inzwischen sehr gut Deutsch, also da gibt es keine größeren Hürden. Sie hat zwar einen Akzent, wird aber von allen hier verstanden. Ich könnte mir vorstellen dass das vielleicht ein Problem sein könnte, aber bei uns ist es hier im Moment kein Problem. Wenn, gibt es vielleicht Schwierigkeiten, die vielleicht fachlich oder inhaltlich sind, die müssen wir aber auf einer anderen Ebene klären. Was ich jetzt bemerkt habe, ist ähm, es geht darum, dass diese Personen ihre Familie dann im Ausland haben, das ist natürlich was anderes, als wenn man Familie hier in Deutschland hat. Und sie nimmt jetzt natürlich auch ihren gesamten Urlaub am Stück. Das kann unter Umständen ein Nachteil sein. Ja, der Flug kostet viel Geld, sie kann nicht den Urlaub aufsplitten und zwei mal fliegen, die kann nur einmal fliegen um sich das Geld zu sparen. Das könnte vielleicht zu Schwierigkeiten führen, aber wir haben es dieses Jahr ganz gut hinbekommen, aber ich denke, ich würde da mit ihr sprechen wie mit jedem anderen Arbeitnehmer auch wenn es um Urlaub geht. Also bis jetzt gab es keine großen Probleme weil es kulturelle Unterschiede gibt.
OK (Ich zeige ihr die verschiedenen "Veränderungstypen kultureller Identität")
Könntest du versuchen deine Aushilfskraft einem Typ zuzuordnen?
- Hm, ich denke dass ich sie schon als ... Synthesetyp einordnen würde... ja.
Ok. Du hast mir eigentlich die letzte Frage auch schon mit beantwortet. Also Du findest die Regelung generell nicht schlecht, gerade wegen dem Pflegenotstand.
- Ja, genau. Ich denke schon auch. Die Arbeit ist ja wirklich hart. Diese Pflegeleistungen, die heute erbracht werden müssen, ob es jetzt häusliche Pflege oder Pflege in Wohnheimen ist, ist unheimlich belastend und wird im sozialen Bereich natürlich auch nicht der Qualität entsprechend bezahlt und deswegen kamen ja auch viele Leute aus dem Osten rüber, weil die für dieses Geld noch diese Arbeit gemacht haben. Das muss man ganz klar so sehen. Manche Deutsche sind sich einfach auch zu schade dafür, um für diesen Stundensatz zu arbeiten und diese schwere Arbeit zu machen. Von daher kann ich mir vorstellen, dass man vielleicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann. Auf der einen Seite, um dem Pflegenotstand entgegen zu wirken, auf der anderen Seite auch Kräfte zu finden, die für dieses Geld noch diese Arbeit machen… Wie lange wird das noch so sein, das ist halt auch die Frage. Und die Bevölkerungsstruktur geht eben dahin, dass wir immer älter werden, wir brauchen ganz dringend Kräfte ja. Mal gucken was passiert, also ich bin dem gegenüber sehr offen.