Benutzer:Almeida/Arbeitsseiten/Projekt "Pathologien der Religion"/WP-Artikel "Pathologien der Religion" (PdR)


Als Pathologien der Religion werden Glaubensinhalte und Formen der Religionsausübung bezeichnet, die auf pathologischen mentalen Zuständen beruhen, wie sie im Zusammenhang mit religiösen Vorstellungen und Handlungen auftreten können. Beispiele sind u.a. religiöser Wahn, religiöser Fanatismus oder religiöser Terrorismus. Religionspathologien können individuell (bei einzelnen Menschen) auftreten, werden aber häufig zu einem Massenphänomen.

Der Begriff wird - auch in der Variante "Erkrankungen der Religion" - häufig von Papst Benedikt XVI. verwendet, der die Gefährdung, die von religiös motivierten Überzeugungen ausgehen kann, erkannt hat und bemüht ist, Glaubensinhalte, die nach seiner Vorstellung im weitesten Sinn mit der Vernunft in Einklang stehen, von pathologischen Formen der Religionsausübung wie z.B. gewaltbereitem religiösen Fanatismus abzugrenzen (s.u. Zitat).

Pathologien von Religionsformen oder Erkrankungen von Menschen?

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Es stellt sich die Frage, inwiefern es sich bei "Religionspathologien" um Pathologien der Religion selbst oder der religionsausübenden Menschen handelt. Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs "Pathologie der Religion" bezeichnet eine "krankhafte" Pervertierung der Religion selbst, eine Abkehr von ihren eigentlichen Zielen. In diesem Sinn wird der Begriff von Papst Benedikt XVI. verwendet.

Diese Frage lenkt den Blick auf die Schnittstelle zwischen Kulturprodukten (symbolischen Formen i.S. von Ernst Cassirer) und dem diese kulturellen Formen erzeugenden menschlichen Geist. Religionsvarianten und deren Ausübungspraktiken werden, wie andere Glaubenssysteme auch (Mythen, Ideologien etc.), zur Befriedigung psychischer Bedürfnisse kollektiv oder individuell von Menschen ersonnen und verwendet. Wie alle menschliche Bedürfnisbefriedigung kann auch Religionsausübung Formen annehmen, die man mit dem Attribut "pathologisch" oder "pervers" versehen kann - so wie z.B. die Motivarten Sammelleidenschaft, Glücksspiel oder die Befriedigung sexueller Bedürfnisse derartige Formen annehmen können (Horten wertloser Gegenstände bis zur Vermüllung, pathologisches Spielen, Kannibalismus etc.).

Wenn eine Form der Religionsausübung als pathologisch anzusehen ist (wie z.B. religiös motivierter Terrorismus), so hat sich diese auf der Grundlage entsprechender mentaler Pathologien entwickelt. Den Hexenverfolgungen liegen z.B. bestimmte mentale Störungen zugrunde wie die Unfähigkeit, fremdartige Menschen zu akzeptieren, die Projektion unbewußter Aggression in "Fremde" (egal ob Hexen, Juden, Farbige oder Ausländer), die Befriedigung eigener Aggression in Strafaktionen, die als angeblich berechtigt rationalisiert werden, der Sündenbockmechanismus etc. D.h., kulturelle Formen wie Glaubenssysteme oder religiöse Praktiken können Zustände annehmen, die ihrerseits Folgen bestimmter mentaler Fehlentwicklungen bzw. Störungen sind. Die Pathologie betrifft dann sowohl die mentale Struktur als auch die kulturelle bzw. soziosymbolische Form, die sich - als Ausdruck der gestörten mentalen Struktur - entwickelt hat.

Einfach ausgedrückt: "Pathologische" Kulturformen spiegeln pathologische mentale Verfassungen. Letztere bringen sich in entsprechenden kulturellen Formen (Ideologien, religiösen Glaubenssystemen etc.) zum Ausdruck (s. u.a. Hitlers Psychopathologie, "Mein Kampf" und die Folgen).

Verschwörungstheorien

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In der Psychiatrie und der Psychoanalyse ist seit langem bekannt, dass Verschwörungstheorien in den meisten Fällen psychosenahe Überzeugungen von Personen mit einer ausgeprägten paranoiden Persönlichkeitskomponente sind (s. auch paranoide Persönlichkeitsstörung). Großgruppen sind besonders anfällig dafür, in psychosenahe mentale Zustände zu geraten (s. Massenpsychologie). Dies vor allem dann, wenn sie - z.B. aufgrund kollektiver Kränkungen - latent oder manifest Frustrationszustände in sich tragen, und demagogisch begabte Führungspersönlichkeiten es verstehen, in der Gruppe kompensatorisch Aggressionen wachzurufen bzw. diese zu artikulieren. Oft wird die Gruppe zu - angeblich aus religiösen Gründen gerechtfertigten - Vergeltungsaktionen aufgewiegelt, mit der häufigen Folge kollektiver aggressiver Aktionen. Dabei kann es relativ leicht zu Taten der Gruppe kommen, die Einzelindividuen nicht begehen würden, wenn sie nicht unter entsprechendem Gruppendruck stehen. Bei individuellen Handlungen sind in der Regel Einfühlungsvermögen (Empathie), individuelles Mitgefühl mit dem Gegner bzw. Feind und das eigene verinnerlichte Moralsystem intakter; bei enger Gruppenzugehörigkeit bzw. Konformitätsdruck der Gruppe werden diese gesunden psychischen Funktionen leichter außer Kraft gesetzt.

Insbesondere in der islamischen Welt florieren gegenwärtig konspirationistische Theorien. Hier ist eine Mischung zu beobachten, die sich aus den Verschwörungstheorien zum 11. September, aus teils klassischen, teils antiimperialistisch modernisierten antisemitischen Verschwörungstheorien und aus Versuchen zusammensetzt, für die geringen Entwicklungserfolge, die die arabische Welt in den letzten hundert Jahren erzielt hat, einen Sündenbock zu finden.

Virulent wurden diese Verschwörungstheorien vor allem seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967. Spätestens seit diesem Zeitpunkt wird Israel, der „kleine Satan“ als Agent der imperialistischen USA, des „großen Satan“, hingestellt, dessen Ziel es sei, eine Weltherrschaft zu errichten und entweder den Islam oder die Besonderheiten der Völker zu vernichten. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad zum Beispiel verkündete am 26. Oktober 2005 auf einer Konferenz zum Thema „Die Welt ohne Zionismus“:

„Der Staat Israel wurde von der globalen Arroganz“ (gemeint war der US-Imperialismus) „mit dem Ziel gegründet, einen Brückenkopf in die islamische Welt hinein zu errichten, um sie zu bekämpfen.“

Ein solcher antiamerikanisch-antizionistischer Verschwörungsdiskurs hat sich in den letzten Jahren als teilweise anschlussfähig auch für globalisierungskritische Linksextremisten erwiesen.

Die tiefe Verwurzelung konspiratistischen Denkens in der islamischen Welt zeigt sich übrigens auch daran, dass die Kritiker der islamistischen oder patriarchal-autoritären Regime nicht davon frei sind. Die ägyptische Menschenrechtlerin Nawal al-Saadawi zum Beispiel kann sich die Schwäche der Demokratie im arabischen Raum und die fast unangefochtene Herrschaft der Diktatoren nur personalisierend und monokausal damit erklären, dass diese „immer im Auftrag des amerikanischen und israelischen Kolonialismus“ gestanden hätten.

Religiöser Fanatismus

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Religiöse Vorstellungen und Glaubensinhalte haben zu allen Zeiten einen besonderen Anreiz geboten, von dafür disponierten Menschen auf fanatische Weise vertreten zu werden. Insbesondere dann, wenn Aggressionen und Hass mit religiösen Glaubensinhalten gerechtfertigt werden, ergeben sich daraus erhebliche mentale, soziale und politische Gefährdungen (s. Islamismus, Terrorismus).

Religiöser Fanatismus und Fundamentalismus

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Häufig neigen religiöse Fanatiker zu fundamentalistischen Überzeugungen. Diese sind in der Regel durch ein dualistisches Wertesystem bzw. Weltbild geprägt, das um ein starres Gut-Böse-Schema und Freund-Feind-Denken kreist. Die Anhänger des "Wahren" und "Guten" kämpfen gegen einen drohenden Niedergang aufgrund des sich ausbreitenden "Bösen". Das "Böse" und "Schlechte" sind alle modernen Entwicklungen, die die grundlegenden Lebensregeln und traditionellen Prinzipien der jeweiligen Religion bedrohen. Diese in den jeweiligen heiligen Schriften niedergelegten Bestimmungen sehen Fundamentalisten durch Relativismus, sexuelle Selbstbestimmung, Pluralismus, Historismus, Toleranz und das Fehlen von Autorität gefährdet. Sie propagieren demgegenüber die Rückkehr zu traditionellen Werten und ein striktes Festhalten an religiösen Dogmen. Typisch für Fundamentalisten ist, dass sie die in westlichen Ländern übliche Trennung von Kirche und Staat ablehnen, um ihre Ziele auch mit politischen Mitteln durchsetzen zu können.

Um den Werten und Prinzipien der eigenen religiösen Traditionen Geltung zu verschaffen, sind nach Überzeugung militanter Fundamentalisten drastische Kampf-, Straf- und Vergeltungsmaßnahmen gegen die "Schlechten", Andersdenkenden und Unläubigen gerechtfertigt. Meistens wird dies durch die Vorstellung ergänzt, nach der Sünde weniger persönliches moralisches Fehlverhalten, sondern eine gesellschaftliche Kraft darstellt. Dieser politisch verstandenen Sünde kann daher nur mit der Errichtung einer Theokratie entgegengewirkt werden.

Charakteristisch für den Fundamentalismus ist ferner die meistens unkritische wortgetreue Rezeption heiliger Texte ("Textfetischismus") und die Ablehnung kritischer, wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit religiösen Texten oder gar zeitangepasste Interpretationen, die die historische Situation der Textentstehung berücksichtigen (siehe auch Verbalinspiration).

Typisch ist auch die "Annahme einer in baldiger Zukunft bevorstehenden Weltwende", etwa durch die - buchstäblich vorgestellte - Wiederkunft Christi (christlich), die Ankunft des 12. Imam (schiitisch), die apokalyptische Endschlacht zwischen Gut und Böse oder den Beginn des Jüngsten Gerichts.

Religiöser Fanatismus und Totalitarismus

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Das wesentliche Charakteristikum totalitärer religiöser Gruppierungen ist eine vollständige Einbindung der Mitglieder bezüglich aller Lebensbereiche, die sich derart umfassend auf Betroffene auswirkt, dass kritischen Gedanken kein Freiraum bleibt. Solche Gruppen können theologisch Fundamentalisten sein, aber sie kommen ebenso unter neuen religiösen Bewegungen vor. (Siehe auch: Totalitarismus)

Religiöser Terrorismus

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Allgemeine Einführung

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Die geschichtliche Erfahrung belegt, dass als terroristisch einzustufende Aktionen häufig mit religiösen Überzeugungen begründet und gerechtfertigt werden, also in religiösem Kontext erfolgen.

Eine Betrachtung von religiös begründetem Terrorismus verzichtet nicht – ebenso wenig wie die Betrachtung anderer Spielarten des Terrorismus – auf eine Analyse der jeweiligen sonstigen sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Umstände. Sie konzentriert ihr Augenmerk aber auf das besondere Motiv, das religiöse Menschen zu terroristischen Aktionen bewegt. Man könnte daher auch von religiös motiviertem Terrorismus sprechen.

Ein wesentliches Merkmal des religiösen Terrorismus ist die jeweilige persönliche Überzeugung der Täter. Der Philosoph Jakob Friedrich Fries unterschied bereits im 19. Jh. in Bezug auf religiöse Attentäter verschiedene Motive und Ziele religiös motivierten terroristischen Handelns:

  • die Überzeugung einer absoluten göttlichen Rechtfertigung bzw. eines göttlichen Auftrags (z.B. durch eine „Eingebung“)
  • die Verteidigung der eigenen Religion gegen fremde Religionen
  • die Verbreitung der eigenen Religion
  • die Deklaration terroristischen Handelns als Opfer „zur höheren Ehre Gottes“.

Religiöser Terrorismus tritt historisch wie regional in unterschiedlicher Weise auf. Sein Erscheinungsbild ist vielschichtig, und Definitionen sind immer wieder umstritten. Gleichwohl unterscheidet er sich von anderen Spielarten des Terrorismus.

Vor allem seit Mitte der 1980er Jahre hat der religiöse Terrorismus an Bedeutung gewonnen. Er geht aus Sekten und fundamentalistischen Strömungen innerhalb bestimmter Religionen hervor.

Terrorismus mit islamistischem Hintergrund

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Insbesondere radikal-islamische Organisationen wie die palästinensische Hamas, die libanesische Hisbollah und nicht zuletzt die Terrornetzwerke Al-Qaida und Ansar al-Islam sind bekannte Beispiele für islamistisch motivierten Terrorismus.

Terrorismus mit christlichem Hintergrund

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Aber auch unter christlichen Protestanten in den USA gibt es extremistische Strömungen, denen z. B. der Anschlag in Oklahoma City 1995 angelastet wird.

  • Gott (...) hat sich gezeigt als Mensch. (...) Gott hat ein menschliches Gesicht angenommen. (...) Heute, wo wir die Pathologien, die lebensgefährlichen Erkrankungen der Religion und der Vernunft sehen, die Zerstörungen des Gottesbildes durch Haß und Fanatismus, ist es wichtig, klar zu sagen, welchem Gott wir glauben und zu diesem menschlichen Antlitz Gottes zu stehen.
Papst Benedikt XVI. am 12. September 2006 in seiner Regensburger Predigt zu religiösem Fanatismus

Literatur

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  • Umfangreiche Literatursammlung zu religiösem Fanatismus / Terrorismus bei Theologie-Systematisch
  • Conzen, Peter, Fanatismus - Psychoanalyse eines unheimlichen Phänomens, Kohlhammer 2005, ISBN 3-17-017426-6
  • Dalferth, Ingolf U, / Grosshans, Hans P. (Hrsg.) Kritik der Religion - Zur Aktualität einer unerledigten philosophischen und theologischen Aufgabe, Mohr Siebeck 2006 ISBN 3-16-149026-6
  • Gerlach, Alf u.a. (Hrsg.), Psychoanalyse des Glaubens, Gießen 2004, ISBN 3-89806-315-1
  • Grunberger, B. / Dessuant, P., Narzißmus, Christentum, Antisemitismus, Klett-Cotta 2000 ISBN 3-608-91832-9
  • Introvigne, Massimo, Schluss mit den Sekten! Die Kontroverse über "Sekten" und neue religiöse Bewegungen in Europa, Marburg 1998 ISBN 3-927165-50-6
  • Kakar, Sudhir, Die Gewalt der Frommen - Zur Psychologie religiöser und ethnischer Konflikte, München 1997 ISBN 3-406-41783-3
  • Klinkhammer, Gritt M. u.a. (Hrsg.) Kritik an Religionen - Religionswissenschaft und der kritische Umgang mit Religionen, Marburg 1997 ISBN 3-927165-49-2
  • Küchenhoff, Joachim, Gott und Unbewußtes - Versuch über die gemeinsamen Anliegen und Gefährdungen von Religion und Psychoanalyse, in: Gerlach u.a. (Hrsg.), Psychoanalyse des Glaubens, s.o.
  • Langendorf, Uwe, Der absolute Glaube und der Heilige Krieg gegen das Selbst, in: Gerlach u.a. (Hrsg.), Psychoanalyse des Glaubens, s.o.
  • Logisch, Theo, Das ist euer Glaube! - Strukturen des Bösen im Dogma, Lenz 1998 ISBN 3-933037-01-8
  • Mynarek, Hubertus, Denkverbot - Fundamentalismus in Christentum und Islam (2006) ISBN 3-930994-16-X
  • Trimondi, Victor und Victoria, Die Apokalyptische Matrix aus: MIZ 1/2006
  • Volkan, Vamik D., Religiöser Fundamentalismus und Gewalt, in: Schlösser / Gerlach (Hrsg.), Gewalt und Zivilisation, Gießen 2002 ISBN 3-89806-155-8

Siehe auch

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Kategorie:Religion

Kategorie:Religionskritik