Benutzer:Falko Wilms/Verständlichkeit

Dieses Lehrangebot ist ein Bestandteil vom Projekt:Wiwiwiki Organizational Behaviour



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Verständlich formulieren





Worum es geht Bearbeiten

Die Verständlichkeit eines Textes entsteht durch die kognitive Verarbeitung des Textes vom Adressaten. Auch wenn zwei verschiedene Adressaten denselben Verständnisgrad von einem Text erreichen, kann sich ihre persönliche Verarbeitungseffizienz unterscheiden, je nachdem, wie viel kognitiver Aufwand für den einzelnen Adressaten nötig war, um das erlangte Niveau des Textverständnisses zu erzielen. Der Adressat einer Kommunikation kann einerseits Sätze behalten (z. B. durch mehrmaliges Wiederholtes Lesen/Aussprechen), die er selber nicht versteht und andererseits Sätze verstehen, die er selber schnell vergisst. Daher ist das Erinnern eines Satzes nicht auf das Verstehen dieses Satzes angewiesen! Somit ist das Verständnis von Satzinhalten nicht unbedingt notwendig. Sicherlich jedoch ist ein Verstehen förderlich für das Behalten des Satzinhaltes: Je besser ein Satz verstanden wird, desto eher führt das Verstehen zum Lernen zum Behalten des Erlernten.

ChatGPT gilt als Quantensprung der künstlichen Intelligenz. Auf Anfrage können damit u.a. Texte und sogar Computercode erstellt werden. Schon denken manche Studierende darüber nach, ihre zu benotenden wiss. (Abschluss)Arbeiten damit zu generieren. Das ist zu wenig durchdacht, denn:

  1. Renommierte wissenschaftliche Fachmagazine wie z. B. Nature akzeptieren keine Artikel, bei denen ein Chatbot als Autor aufgeführt wird. Ein Sprachmodell (wie Chat GPT) könne keine Verantwortung für die Arbeit übernehmen kann. Genau das aber sei die Voraussetzung für eine Autorenschaft. Verantwortung ist hier ausdrücklich auch im rechtlichen Sinne ist gemeint: Eine künstliche Intelligenz (KI) kann man nicht verklagen!
  2. Ein Sprachmodell reit ledigich Textsilben aufgrund statistisch hoher Wahrscheinlichkeitswerter in Web-Texten aneinander, ohne etwas "zu verstehen".
  3. Jeder mit einem KI-Tool generierte Texte benötigt eine abschließende Prüfung auf seine fachinhaltliche Richtigkeit. Das setzt eigene Expertise voraus!
  4. Die eigenen (kognitiven) Kompetenzen können bislang durch KI-Tools nicht vollkommen ersetzt werden.

Auch ChatGPT ist also wie jedes KI-Tool ein Werkzeug, das wie alle Werkzeuge seine Anwendungsgrenzen hat. Ein Hammer z. B. ist auch kein unbegrenzt benutzbares Werkzeug, denn er kann z.B. nicht sägen. Studierende tun also sehr gut daran, keineswegs mit KI-Werkzeugen das eigene Denken ersetzen zu wollen.

Regeln für gute Textverständlichkeit Bearbeiten

Allgemeine Regeln für wiss. Schreiben Bearbeiten

Schreiben ist eine aktive Auseinandersetzung mit einem abgegrenzten fachlichen Thema. Dabei ist es vorteilhaft, nicht sofort vollkommen korrekte und total verständliche Texte schreiben zu wollen. Es ist hilfreich, zunächst einmal eigene Gedanken(gänge) zu entwicken und sie so zu notieren, dass man sie selber verstehen kann. Durch Beispiele und Argumente werden dabei oftmal Lücken im bisherigen Stand der Überlegungen deutlich. Gerade bei fachinhaltlichen Aufgaben bzw. Fragestellungen näher man sich durch das Niederschreiben des eigenen Denkens einer Lösung. Auch deshalb ist neben dem Lesen wiss. Texte insbesondere das eingeübte Schreiben von wiss. Texten eine zentrale Kompetenz im Studium.

Hilfreiche Unterlagen

Ist der wiss. Textes fertig ausformuliert, wird erfahrungsgemäß mit folgende Maßnahmen den Text in seiner Verständlichkeit verbessert:

  1. Füllwörter streichen. Oft sind Worte wie „nämlich“, „ziemlich“, „relativ“, „eigentlich“ überflüssig.
  2. Unnötige Vorsilben streichen. So wird z.B. „überprüfen“ zu „prüfen“, aus "erachnen" wird „ahnen“ statt „erahnen“.
  3. Abgedroschene Phrasen streichen. Sie machen einen Text unnötig lang und langweilig.
  4. Substantivierungen ersetzen durch Verben. Das macht den Text flüssiger lesbar und verständlicher.
  5. Unnötige Sätze und Satzteile streichen. So wird der Text prägnanter.
  6. Lange Sätze in kurze unterteilen. Damit wird der Text verständlicher.
  7. Lange Wörter durch kurze ersetzen. Das erleichter das Lesen des Textes.
  8. Fremd- und Fachwörter erläutern. Das erleichtert das Verstehen des Textes.
  9. Passive Sätze aktiv umformulieren. Das macht den Text lebendig und spannend.

Das verständliche Schreiben wiss. Texte braucht Übung. Die Übungszeit ist eine gute Investition, denn die Verständlichkeit der eigenen Äußerungen bewirkt die Wirksamkeit der Kommunikation und die WIrkungen, die sie hervorruft.

Allgemeine Regeln für gedruckte Texte Bearbeiten

Die meisten Ratgeber sind eher allgemeine Ratgeber für gutes Schreiben, in denen Verständlichkeit nur ein Aspekt unter vielen ist. Insofern kommt es immer wieder zu Widersprüchen zwischen den einzelnen Grundregeln. So verstößt die Regel „Wiederholungen vermeiden“ (gut für einen lebendigen Schreibstil) oft genug gegen eine Optimierung der Verständlichkeit. Die hier aufgeführten Regeln für verständliche Texte kollidieren daher teilweise mit Regeln für einen „guten“, „lebendigen" Texte kollidieren:

  • Kurze und einfache Sätze bilden
  • Einfache, geläufige und konkrete Wörter verwenden
  • Fremd- und Fachwörter sowie abstrakte Begriffe erklären
  • Aktive Formulierengen benutzten (und also Passivkonstruktionen vermeiden)
  • Verben und Adjektive benutzen
  • Die Wortendungen -ung, -keit, -heit, -ät, -ion, -ive, -ismus vermeiden
  • Inhaltlich (roter Faden) und optisch (z. B. Zwischenüberschriften) gliedern
  • Wo möglich die Verständlichkeit durch Abbildungen unterstützen
  • Konkrete Formulierungen verwenden, um den Interpretationsspielraum gering zu halten
  • Für Auftragnehmer: nüchtern/schlicht schreiben, also nicht viel versprechend.

Allgemeine Regeln für Web-Texte Bearbeiten

Texte im Web werden anders gelesen als gedruckte Texte:[1][2]

  • Web-Texte werden ca. 25% langsamer gelesen als Printtexte
  • Web-Texte werden meist nur eilig überflogen, um gezielt nach bestimmten Informationen zu suchen
  • In Web-Texten werden fast nur hervorstechende Infos wie Überschriften, Fettgedrucktes, Listen und Fotos beachtet
  • In Web-Texten werden ca. 50% der angebotenen Informationen gar nicht wahrgenommen
  • Beim Lesen von Web-Texten ist die Anzahl der Blickbewegungen ca. 60% kleiner als bei Printtexten

Für das Formulieren von Webtexten sind folgende Regeln hilfreich:[3][4]

  • Das Wichtigste/wichtige Fakten an den Textanfang
  • Nur ein(!) Gedanke pro Satz
  • Etwa 7 bis 11 Wörter pro Satz
  • Verben verwenden
  • Wortendungen -ung, -keit, -heit, -ät, -ion, -ive, -ismus vermeiden
  • Verzicht auf Wörter, die für die Adressaten unverständlich, fremd oder ungewohnt sind
  • Keine Nebensätze sondern nur Hauptsätze
  • Unterteilung des Textes in thematische Absätze mit Überschriften
  • Viel Weißraum
  • Textlänge von max. zwei Bildschirmseiten
  • Links am Ende, nur bei Worterklärungen im Text
  • Standardschriftarten verwenden (Arial, Helvetica, Verdana bzw. Schriftfamilie: sans-serif)

Allgemeine Regeln zur Satzlänge Bearbeiten

Zur verständlichen Satzlänge gibt es zahlreiche Angaben in der Ratgeber-Literatur:[5]

Wörter pro Satz Angabe bzw. Vorgabe (mit Quelle)
3–9 Spannbreite dessen, was ein deutscher Durchschnittsleser in 3 Sekunden liest[6][7]
9 Obergrenze der optimalen Verständlichkeit[8]
12 Obergrenze für kurze Sätze[9]
7–14 Spannbreite dessen, was im "JETZT" des Kurzzeitgedächtnisses (ca. 6 Sekunden) an Wörtern übermittelt werden kann[10]
10–15 Empfohlene Satzlänge für geschriebene Sprache[11]
13 Obergrenze für Hörfunknachrichten[12]
15 Obergrenze für Printnachrichten[12]
18 Obergrenze der Leichtverständlichkeit[13] Obergrenze für Journalisten nach Sturm & Zirbik[14]
20 Obergrenze des Erwünschten bei der dpa[8]
30 Obergrenze des Erlaubten bei der dpa[8]

Weblinks Bearbeiten


Lesbarkeits-Tools Bearbeiten


Hilfreiche Literatur Bearbeiten

  • Ludwig Reiners: Der sichere Weg zum guten Deutsch: Eine Stilfibel. 35. Auflage. dtv, München 2007.
  • Wolf Schneider: Deutsch für Profis – Wege zu gutem Stil. Goldmann, München 2001.
  • Wolf Schneider: Deutsch für Kenner: Die neue Stilkunde.Piper, München 2005.


Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Susanne Weiss, Michael Sonnabend: Schreiben, Bloggen, Präsentieren: Wege der Wissenschaft in die Welt. Essen: Verwaltungsgesellschaft für Wissenschaftspflege, 2011.
  2. Manuela Altendorfer: Lesbarkeit von Onlinetexten. Online-Veröffentlichung.
  3. Cornelia Dietz: Zielgruppenorientiertes Schreiben im Web. Vortrag auf der WikiCon 2012.
  4. Martina Rüter: Zugängliche Web-Inhalte: Barrierearme Redaktionsarbeit mit Content-Management-Systemen. akademie.de, 2011.
  5. Jan Kercher: Verstehen und Verständlichkeit von Politikersprache. Springer VS, Wiesbaden 2013, S. 194.
  6. Wolf Schneider: Deutsch für Kenner: Die neue Stilkunde. Piper, München 2005, S. 170.
  7. Ernst Pöppel: Grenzen des Bewusstseins: Wie kommen wir zur Zeit, und wie entsteht Wirklichkeit? Insel Verlag, Frankfurt am Main 1997, S. 72.
  8. 8,0 8,1 8,2 Wolf Schneider: Deutsch für Profis: Wege zu gutem Stil. 14. Auflage. Goldmann, München 2001, S. 90.
  9. Carl H. Björnsson: Lesbarkeit durch Lix. Pedagogiskt Centrum, Stockholm 1968, S. 8.
  10. Erich Straßner: Fernsehnachrichten: Eine Produktions-, Produkt- und Rezeptionsanalyse. Niemeyer, Tübingen 1982, S. 53.
  11. Wilfried Seibicke: Wie schreibt man gutes Deutsch? Eine Stilfibel. Bibliographisches Institut, Mannheim 1969, S. 79.
  12. 12,0 12,1 Siegfried Weischenberg: Nachrichtenschreiben. Journalistische Praxis zum Studium und Selbststudium. Westdeutscher Verlag, Opladen 1990, S. 142.
  13. Ludwig Reiners: Der sichere Weg zum guten Deutsch: Eine Stilfibel. C. H. Beck, München 1951, S. 193.
  14. Robert Sturm, Jürgen Zirbik: Die Fernseh-Station. Ein Leitfaden für das Lokal- und Regionalfernsehen. UVK, Konstanz 1998, S. 226.