Benutzer:Stepri2005/Kurs:Stochastische Prozesse/Stochastisches Integral

4.1 Riemann-Stieltjes-Integral

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Sei   Intervall,   Funktionen,   eine Zerlegung von  , also   eine Folge von Zwischenpunkten für  , d. h.   und   sei der Zuwachs der Funktion   in  , also  .

Eine Folge   von Zerlegungen von   heißt Zerlegungsnullfolge, falls gilt

 

Die Riemann-Stieltjes-Summe zu   ist definiert als

(4.1)  

Definition 4.1

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Falls   existiert für eine Zerlegungsnullfolge   und eine Folge   von Zwischenpunkten und dieser Grenzwert unabhängig ist von der Wahl der Zerlegungsnullfolge und der Folge der Zwischenpunkte, so heißt dieser Grenzwert Riemann-Stieltjes-Integral von   bezüglich   über  . Symbolisch schreibt man
 

Anmerkung:

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Ist  , erhält man das gewöhnliche Riemannintegral  . Ist   auf   differenzierbar, so gilt

 

wobei auf der rechten Seite wiederum das gewöhnliche Riemannintegral steht.

Zunächst behandeln wir (ohne Beweise) die Frage, wann das Riemann-Stieltjes-Integral   existiert.

Wir haben bereits festgestellt, dass die Trajektorien des Wiener-Prozesses Funktionen unbeschränkter Variation sind (s. Satz 3.13). Wir wollen diese Diskussion jetzt verfeinern.

Definition 4.2

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Sei  . Eine Funktion   heißt von beschränkter  -Variation, falls gilt
(4.2)  
wobei das Supremum über alle möglichen Zerlegungen   des Intervalls   zu bilden ist. Gilt (4.2) nicht, so nennen wir   eine Funktion mit unbeschränkter  -Variation.

Der folgende Satz von Taylor (1972) hilft uns, in einigen Fällen das Riemann-Stieltjes-Integral bezüglich des Wiener-Prozesses zu bilden.

Theorem 4.1 (Beschränkte  -Variation des Wiener-Prozesses)

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Sei   ein Wiener-Prozess und   ein beliebiges Intervall. Für alle   und  -f. a.   ist   auf   von beschränkter  -Variation. Für alle   ist für  -f. a.   die Trajektorie   auf   von unbeschränkter  -Variation.

Anmerkung:

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Satz 3.13 ist damit eine Folgerung aus obigem Satz, da unbeschränkte Variation dasselbe ist wie unbeschränkte 1-Variation.

Theorem 4.2 (Existenz des Riemann-Stieltjes-Integrals)

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Seien   Funktionen, die in keinem Punkt   gleichzeitig unstetig sind. Weiter sei   auf   von beschränkter  -Variation,   sei auf   von beschränkter  -Variation. Falls gilt
(4.3)  
so existiert das Riemann-Stieltjes-Integral  .

Da die Trajektorien des Wiener-Prozesses stetig sind, können wir aus den Sätzen 4.1 und 4.2 unmittelbar schlussfolgern, dass folgendes gilt:

Theorem 4.3

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Sei   ein Wiener-Prozess und   ein beliebiges Intervall. Für alle Funktionen   von beschränkter  -Variation mit   existiert für  -f. a.   das Integral  .

Anmerkung:

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Beachte, dass   eine Zufallsgröße ist. Wir können damit nicht den konkreten Wert von   explizit ausrechnen, sondern lediglich Aussagen über die Verteilung von   machen.

Beispiel 4.1

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Zeige, dass jede auf einem abgeschlossenen Intervall stetig differenzierbare Funktion von beschränkter 1-Variation auf diesem Intervall ist.

Lösung:
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Sei   auf   stetig differenzierbar. Nach dem Mittelwertsatz existiert eine Konstante  , so dass für alle   gilt  . Somit gilt für jede Zerlegung  

 

q.e.d.

Aufgabe 4.1

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Sei   ein Wiener-Prozess. Überprüfe, welche der folgenden Integrale als Riemann-Stieltjes-Integral existieren:

 

Anmerkung:

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Offensichtlich sind für   die Voraussetzungen von Satz 4.3 nicht erfüllt. Es ist in der Tat so, dass dieses Integral nicht als Riemann-Stieltjes-Integral existiert, obwohl man dies aus obigem Satz nicht direkt schlussfolgern kann, da die Bedingungen nur hinreichend sind.

4.2 Itô-Integral

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Nikolai Iwanowitsch Lobatschewski
„Es ist nöthig zu bemerken, daß die Unklarheit im Begriffe durch die Abstraktheit hervorgerufen wird, die bei der Anwendung auf wirkliche Messungen überflüssig wird.“
Nikolai Iwanowitsch Lobatschewski, 1835

4.2.1 Einleitendes Beispiel

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Wir wollen dem Ausdruck   einen Sinn geben. Sei   ein Wiener-Prozess. Weiter sei   eine Zerlegung von  ,

 

Als Folge der Zwischenpunkte   wählen wir die linken Randpunkte, also   und wir setzen

 

Wir bilden die Riemann-Stieltjes-Summe  .

(4.4)  
(4.5)  
(4.6)  
(4.7)  
(4.8)  

mit  .

Aufgabe 4.2

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Zeige, dass gilt

(4.9)   sowie  

Aus (4.9) folgt

(4.10)  

Für eine beliebige Zerlegungsnullfolge   erhalten wir also

 

Somit erhalten wir

(4.11)  

Im Sinne der  -Konvergenz (der Konvergenz im quadratischen Mittel) existiert also  . Wir könnten damit das Integral   folgendermaßen definieren:

 

Dabei ist aber folgendes zu beachten:

  • Es wurden stets die linken Randpunkte in der Zerlegung als Zwischenpunkte genommen, während bei der Bildung des Riemann-Stieltjes-Integrals beliebige Zwischenpunkte eingesetzt werden.
  • Es ist ein Grenzwert im Sinne der  -Konvergenz. Daraus folgt zwar die Konvergenz in Wahrscheinlichkeit, aber nicht die Konvergenz mit Wahrscheinlichkeit 1 (also die punktweise Konvergenz für  -fast alle Trajektorien).
  • Wir werden im folgenden Kapitel allgemein ein Integral einführen, das die obige Eigenschaft hat.

Man beachte den Unterschied zu einem gewöhnlichen Riemann(-Stieltjes)-Integral: Ist   differenzierbar mit  , so erhält man durch partielle Integration

 

Aufgabe 4.3

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Man wähle in der obigen Konstruktion für die Zwischenpunkte nicht die linken Randpunkte der Zerlegungsintervalle, sondern die Mitte, also   mit  . Zeige, dass für die so gebildeten Riemann-Stieltjes-Summen   im Sinne der  -Konvergenz gilt

 

es gilt also die klassische Integrationsformel. Dieses Integral nennt man Stratonovich-Integral. Beweise, dass die   kein Martingal sind.

4.2.2 Das Itô-Integral für einfache Prozesse

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Im folgenden sei das Intervall   fixiert und es sei   ein Wiener-Prozess auf  , versehen mit der kanonischen Filtration   , also

 

Definition 4.3

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Ein stochastischer Prozess   heißt einfach, falls eine endliche Zerlegung   und eine Folge von Zufallsgrößen   existieren mit folgenden Eigenschaften:
(i)   ist adaptiert an   und   für alle  ,
(4.12) (ii)  

Definition 4.4

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Das Itô-Integral eines einfachen Prozesses   auf   ist gegeben durch
(4.13)  
Das Itô-Integral eines einfachen Prozesses   auf   ist gegeben durch
(4.14)  
Analog definiert man  .

Aufgabe 4.4

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Der stochastische Prozess  ,

 

ist ein Martingal bezüglich der kanonischen Filtration.

Theorem 4.4 (Eigenschaften des Itô-Integrals)

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1. (Erwartungswert Null)
(4.15)  
2. (Isometrieeigenschaft)
(4.16)