Die Hoffnung bei Immanuel Kant
Die Hoffnung bei Immanuel Kant Für Immanuel Kant vereinigt sich alles Interesse der Vernunft in drei Fragen:
- Was kann ich wissen?
- Was soll ich tun?
- Was darf ich hoffen?
Die erste Frage ist spekulativer und theoretischer Natur, denn absolutes Wissen ist nicht möglich. Die zweite Frage dagegen ist praktisch ausgelegt und steht in Verbindung zum Sittengesetz, also zur Moral. Die dritte Frage ist zugleich theoretisch und praktisch. Die ersten beiden Fragen decken die beiden Hauptgebiete der Philosophie ab, das theoretische und das praktische Gebiet. Die Frage nach der Hoffnung leitet sich notwendig aus der der zweiten Frage und damit aus der Moral ab. Der negative Grund dafür ist, dass die Moral bzw. Sittlichkeit etwas nicht leistet, was das Hoffen leisten kann. Es besteht also ein Ergänzungsbedarf. Der positive Grund ist, die Zielvorgabe des Hoffnungsbegriffs genauer zu bestimmen. Noch ungeklärt ist, was den Gegenstand des Hoffnungsbegriffs darstellt. Wir hoffen, nach Kant, auf ein künftiges Leben, in dem wir für das diesseitige Leben bestraft oder belohnt werden. Diese Annahme ist nicht empirisch belegbar, trotzdem muss sie gemacht werden. Wir hoffen also auf eine Glückswürdigkeit: „Denn alles Hoffen geht auf Glückseligkeit, und ist in Absicht auf das Praktische und das Sittengesetz eben dasselbe, was das Wissen und das Naturgesetz in Ansehung der theoretischen Erkenntnis der Dinge ist.“ (Kant, Immanuel [1998]: Kritik der reinen Vernunft, Hamburg [Transzendentale Methodenlehre. Zweites Hauptstück. Der Kanon der reinen Vernunft, S. 839]) Wichtig ist Kant die Akteursperspektive. Es ist von Bedeutung, was ICH als Akteur einer moralischen Handlung hoffe. Gleichzeitig ist die Hoffnung Antrieb bzw. Triebfeder für moralische Handlungen. Die Moral selbst kann keine Triebfeder hervorbringen, weil sie den Neigungen des Menschen entgegengesetzt ist. Werden diese Neigungen zugunsten von Ansprüchen anderer unterdrückt, spricht man von einer moralischen Handlung. Fraglich ist, weshalb wir eigene Ansprüche unterordnen sollten und wie dies dann mit dem Glück vereinbar sein soll. An dieser Stelle liegt der Ansatz für die positive Antwort: es ist die Zielvorgabe, Tugenden und Glück zu vereinen. Dies entspricht der Vereinigung von der zweiten und dritten Frage und bringt das höchste Gut, die Glückseligkeit, hervor. Die Glückseligkeit ist die Erfüllung von Neigungen und ist nur möglich, wenn man glückswürdig ist: „Tue das, wodurch du würdig wirst, glücklich zu sein.“ (Kant, Immanuel [1998]: Kritik der reinen Vernunft, Hamburg [Der Transzendentalen Methodenlehre. Zweites Hauptstück. Der Kanon der reinen Vernunft], S. 841) Auf die Glückswürdigkeit kann man jedoch nur hoffen, denn es besteht kein Kausalitätsverhältnis zwischen der Moralität und der Glückseligkeit. Es ist kein gesichertes Wissen, dass aus einem sittlichen Verhalten die Teilhabe an der Glückseligkeit folgt. Aber wir können diese Verknüpfung denken und das ist die Hoffnung. Jeder Mensch strebt notwendigerweise nach dem höchsten Gut, für welches Sittlichkeit die Grundlage bildet und welches in der Hoffnung auf Teilhabe an der Glückseligkeit besteht. Kant meint weiterhin, dass wir einem natürlichen Schein unterliegen, der Kraft der Vernunft aufgelöst werden kann (Vgl. Kant, Immanuel [2003]: Kritik der praktischen Vernunft, Hamburg [Zweites Buch. Dialektik der reinen praktischen Vernunft. Erstes und zweites Hauptsück], S. 145f.). Dieser Schein besteht in Widersprüchen (Kant das Antonomien), die durch die Unterscheidung von zwei Ebenen (der empirischen Welt und die Welt der Ideen) beseitigt werden können. Diese Widersprüche bestehen zwischen der Sittlichkeit und dem Glück. Der natürliche Schein wird durch die Vernunft selbst ausgelöst, denn sie strebt nach Totalität von Bedeutungen. Sie fordert also, dass sich das Eine (Sittlichkeit) durch das Andere (Glück) begründet. Dieses Bedürfnis nach dem Unbedingten, führt zum Gedanken des höchsten Guts. Das höchste Gut besteht also in der Totalität der Bedeutung. Das höchste Gut kann zwei verschiedene Bedeutungen haben. Entweder versteht man es als das Oberste (also als handlungsleitenden Grund, der besagt, wie man handeln sollte) oder als das Vollendete (also die Glückseligkeit, als alles, wo nach man streben kann). So schließen sich aber die beiden Bedeutungen aus, denn man kann eigentlich nur entweder moralisch richtig handeln und die Eigeninteressen unterordnen oder man strebt nach der eigenen Glückseligkeit. Dieser vermeintliche Gegensatz lässt sich aber durch die Verbindung beider Bedeutungen auslöschen. Moralisches Verhalten ist nämlich die Bedingung für Glückseligkeit. Ein moralisches Leben ist ein glückliches Leben. Das Verhältnis kann nicht analytisch sein, da es erklärbar sein müsste. Es kann sich aber auch nicht um ein Kausalitätsverhältnis handeln, denn nicht jedes moralische Handeln bringt notwendigerweise Glückseligkeit hervor. Ein Kausalitätsverhältnis wäre nur möglich, wenn es nicht sinnhaft, sondern gottähnlich gegeben wäre. Kant macht den Vorschlag, das Verhältnis als proportional zu betrachten (Vgl. Kant, Immanuel [2003]: Kritik der praktischen Vernunft, Hamburg [Zweites Buch. Dialektik der reinen praktischen Vernunft. Erstes und zweites Hauptsück], S. 155) . Mit der Proportionalität ist die Vorstellung von Gerechtigkeit verbunden. Demnach müsste ein angemessenes Verhältnis zwischen Tugend und Glückseligkeit bestehen. Das ist aber wiederum nicht kausal nachvollziehbar. Um zu verdeutlichen, was die Teilhabe an der Glückseligkeit bedeutet, führt Kant das Analogon Selbstzufriedenheit ein (Vgl. Kant, Immanuel [2003]: Kritik der praktischen Vernunft, Hamburg [Zweites Buch. Dialektik der reinen praktischen Vernunft. Erstes und zweites Hauptsück], S. 158f.) . Selbstzufriedenheit ist unabhängig von der Erfüllung von Neigungen und bedeutet das zufriedene Bewusstsein von Freiheit. Außerdem schließt es die Gesinnung, das moralische Gesetz befolgen zu wollen, ein. Das höchste Gut ist das ganze Objekt der reinen praktischen Vernunft, weil die Kategorie Glück bei allen Fragen geklärt werden muss. Hinzu kommt die Frage nach der Moral und zusammen genommen ist das die Beschreibung der Praxis menschlicher Lebensform. Die Moral hat immer Vorrang vor der Selbstverwirklichung und dem Erstreben von Glück. So ist diese Unterscheidung aber untauglich, denn auch die Moral schließt Glückseligkeit als Bedeutung mit ein. Die Glückseligkeit scheint direkt aus der Moral zu folgen. Erklären kann man das Verhältnis von Tugend bzw. Moral und Glückseligkeit, wenn man die Existenz Gottes annimmt (also die Idee einer transzendentalen Freiheit und einer unsterblichen Seele): „Also ist das höchste Gut in der Welt nur möglich, so fern eine oberste Ursache der Natur angenommen wird, die eine der moralischen Gesinnung gemäße Kausalität hat.“ (Kant, Immanuel [2003]: Kritik der praktischen Vernunft, Hamburg [Zweites Buch. Dialektik der reinen praktischen Vernunft. Erstes und zweites Hauptsück], S. 168) Wir müssen dies annehmen, weil wir uns eine Instanz vorstellen können müssen, die für das sorgt, was nicht in unserer Hand liegt. Wir hoffen, dass uns dies gewährt wird. Hoffnung ist für Kant also erst einmal eng mit der Religion verbunden. Um dies zu verdeutlichen, führt er den Begriff der Heiligkeit ein (Vgl. Kant, Immanuel [2003]: Kritik der praktischen Vernunft, Hamburg [Zweites Buch. Dialektik der reinen praktischen Vernunft. Erstes und zweites Hauptsück], S. 165) . Heiligkeit bedeutet, dass eine vollkommene Angemessenheit der Gesinnungen zum moralischen Gesetz besteht. Das kann von uns als endliches Wesen nicht erreicht werden, wir müssen aber danach streben. Man spricht dann von einer Heiligkeit des Willens. Vollkommenheit bedeutet hier die völlige Freiheit von Neigungen. Endliche Wesen können den eigenen Neigungen und Bedürfnissen aber kaum entrinnen. Ein Problem besteht darin, dass der heilige Wille nie im Widerstreit zu Neigungen steht, denn er ist unmittelbar moralisches Gesetz. Fraglich bleibt hier, wie der Mensch dann nach völliger Angemessenheit streben soll und weshalb er dies machen sollte. Wir Menschen sind zu moralischem Handeln verpflichtet, auch wenn wir nie ganz den Neigungen entrinnen können. Der Versuch dessen ist aber ein stetig, unendlich fortschreitender Prozess. Dieser unendliche Prozess ist mit Hilfe des Postulats der Unendlichkeit der Seele erklärbar. Stellen wir uns die Seele als sterblich vor, wäre dieser Gedanke leer. Denn dann wäre es nie erreichbar, sich von Neigungen zu lösen. Das Postulat der Unsterblichkeit der Seele ist also ein Berechtigungsgrund für das Streben nach dem Ideal. Nur so können wir uns moralisches Handeln erklären (Vgl. Kant, Immanuel [2003]: Kritik der praktischen Vernunft, Hamburg [Zweites Buch. Dialektik der reinen praktischen Vernunft. Erstes und zweites Hauptsück], S. 164f.) . Somit hoffen wir auf die Unsterblichkeit der Seele. Diese Unsterblichkeit ist aber nicht erkennbar bzw. erklärbar. Trotzdem ist diese Annahme keine Illusion, denn wir müssen die Unsterblichkeit der Seele annehmen, um uns moralisches Handeln zu erklären. Da moralisches Handeln immer das Einschränken von persönlichen Bedürfnissen bedeutet, ist es vom Glück getrennt. Eine Annahme ist aber, dass jedes moralische Handeln in Verbindung zur Glückseligkeit steht, da es die Glückswürdigkeit fördert. Um das Verhältnis von Glückseligkeit und Sittlichkeit zu erklären, müssen wir eine weiter Annahme machen: die Annahme Gottes als Möglichkeit des höchsten Guts. Gott soll uns helfen, zu verstehen, wie das Verhältnis ist. Es muss eine Ursache gedacht werden, die sich vom Menschen als Akteur unterscheidet. Im Prinzip ist es egal, wie diese Ursache aussieht, Hauptsache ist, dass sie sich vom Menschen unterscheidet. Wir hoffen also auf eine Instanz. Würden wir uns diese nicht vorstellen, wären wir hoffnungslos, also alternativlos. Das stellt für Kant das entscheidende Argument dafür dar. Restlos bewiesen werden, kann der Realitätsgehalt von der Einheit von Glück und Moral aber nicht.