Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur. Wien: Psychoanalytischer Verlag 1930, 136 Seiten.

Oktav (19 cm)


Freud führt in diesem Essay den psychoanalytischen Begriff Kultur-Über-Ich ein. Es wird repräsentiert durch Gebote und Verbote, die das Es lenken und einschränken sollen, - in der Annahme, dass dies möglich sei ohne Auflehnung oder Neurose oder Unglück des Einzelnen. Die Therapie müsse daher darauf abzielen, die Ansprüche des Über-Ich (und damit auch die des Kultur-Über-Ich) zu erniedrigen. (S. 132)

Über Religiosität schreibt er: „Eine besondere Bedeutung beansprucht der Fall, daß eine größere Anzahl von Menschen gemeinsam den Versuch unternimmt, sich Glückversicherung und Leidensschutz durch wahnhafte Umbildung der Wirklichkeit zu schaffen. Als solchen Massenwahn müssen wir auch die Religionen der Menschheit kennzeichnen. Den Wahn erkennt natürlich niemals, wer ihn selbst noch teilt.“ (S. 33)

Freud bereitet in dieser Abhandlung die Politisierung der Psychoanalyse vor: „Wenn die Kulturentwicklung so weitgehende Ähnlichkeit mit der des Einzelnen hat, und mit denselben Mitteln arbeitet, soll man nicht zur Diagnose berechtigt sein, daß manche Kulturen - oder Kulturepochen - möglicherweise die ganze Menschheit, - unter dem Einfluß der Kulturstrebungen „neurotisch“ geworden sind? An die analytische Zergliederung dieser Neurosen könnten therapeutische Vorschläge anschließen, die auf großes praktisches Interesse Anspruch hätten. Ich könnte nicht sagen, dass ein solcher Versuch zur Übertragung der Psychoanalyse auf die Kulturgemeinschaft unsinnig oder zur Unfruchtbarkeit verurteilt wäre.“ Nun folgen relativierende Bedenken. Danach aber fährt Freud fort: „Trotz aller dieser Erschwerungen darf man erwarten, daß jemand eines Tages das Wagnis einer solchen Pathologie der kulturellen Gemeinschaft unternehmen wird.“ (S. 133 -34)


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