Goethes Faust. Eine HeitereTragödie. Rittersaal.

Mephistopheles und Faust sind Mitglieder des Kaiserlichen Hofstaats geworden. Mephistopheles hat den Platz des von ihm beseitigten Hofnarren eingenommen, Faust ist Magier und Unterhaltungs-Veranstalter. In dieser Rolle soll er auf Geheiß des Kaisers eine „okkultistische Geisterbeschwörung“ [1] bewerkstelligen, in der Helena und Paris der antiken Mythologie der Hofgesellschaft vor Augen geführt werden sollen.

Zuvor hatte Mephistopheles den ruinierten kaiserlichen Staatshaushalt mit der Einführung von Papiergeld (das Papiergespenst der Gulden) wieder flott gemacht. Faust zu Mephistopheles:

Erst haben wir ihn reich gemacht,
Nun sollen wir ihn amüsieren.

Mephistopheles weis auch hier Rat, allerdings muss Faust hinab in die Tiefen der Vergangenheit, zu den Müttern, - den Hüterinnen der Mythen. Der Gedanke daran lässt Faust schaudern. Trotzdem wagt er den Schreckensgang. Mephistopheles sieht Faust hinterher:

Neugierig bin ich, ob er wieder kommt?

Zurück, gelingt Faust das magisches Kino: Im Rittersaal erscheinen zuerst Paris, darauf Helena. Mephistopheles, homosexuell orientiert, [2] zu sich:

Das wär’ sie denn! Vor dieser hätt’ ich Ruh;
Hübsch ist sie sie wohl, doch sagt sie mir nicht zu.

Faust ist von der Schönheit des Phantoms hingerissen. Mephistopheles mahnt:

So fasst euch doch und fallt nicht aus der Rolle!

Faust wir eifersüchtig, als das Kunstgebilde Paris das Kunstgebilde Helena küsst. Mephistopheles:

Ruhig! Still!
Laß das Gespenst doch machen was es will.

Faust wird rasend. Mephistopheles:

Machst du doch selbst das Fratzespiel!

Faust kann nicht mehr an sich halten und greift nach dem Phantom Helena. - Szenenanweisung: Explosion, Faust liegt am Boden. Die Geister gehen in Dunst auf. - Mephistopheles, der Faust auf die Schulter nimmt:

Da habt ihr’s nun! Mit Narren sich beladen,
Das kommt zuletzt dem Teufel selbst zu Schaden.

Faust hat, so die hintergründige Ironie der Szene „Rittersaal“, die Kunst mit der Wirklichkeit verwechselt.


  1. Schöne, Albrecht: Johann Wolfgang Goethe Faust Kommentare. Frankfurt am Main: Klassiker Verlag 1994, S.465
  2. Vgl. Grablegung

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