Interview mit Proband 1 (Moslem)
JR: Hey. Wie alt bist du?
PB1: 22
JR: Was ist deine religiöse & kulturelle Herkunft?
PB1: Kosovoalbaner mit serbischen Wurzeln, Religionsangehörigkeit: Islam
JR: Wurdest du religiös erzogen, oder hat eure Religion daheim eine große Rolle gespielt/ wurde entsprechend den religiösen Vorschriften gelebt?
PB1: Mir wurden durch aus religiöse Werte und Moralvorstellungen verklickert. Sachen wie Menschenliebe und Ehrlichkeit und waren ein großer Bestandteil. Meine Eltern selber leben keineswegs streng gläubig finden aber Ansichten im Islam nicht falsch.
JR: Also lebst du keine Religion aktiv aus?
PB1: Ja
JR: Hast du dich vor deinen Eltern/ Familie geoutet? Wenn ja, wie haben sie darauf reagiert?
PB1: Ja ich habe mich mit 18 geoutet bei meinen Eltern. Beim Outing selber ging es nicht nur um das Outing selbst, sondern auch über andere Dinge die mich missgestimmt hatten, z.b die Schulische Situation und ich habe mich zu dem Zeitpunkt stark vernachlässigt gefühlt. Meine Mutter hat geweint und ist aus allen Wolken gefallen. Mein Vater wollte mich schlagen und hat mich aus dem Haus für mehrere Monate geschmissen.
JR: Hattest du Angst dich zu outen?
PB1: Sehr große Angst. Mein Vater ist sehr dominant und sehr patriarchalisch aufgewachsen. In unseren Kulturkreisen ist es normal, dass der Vater die Hosen anhat. Wir sind sehr modern, aber was Geschlechterrollenverteilung angeht, sehr konservativ.
JR: Erfährst du jetzt Unterstützung seitens deiner Eltern?
PB1: Mein Vater erkennt langsam, dass mein Outing mir sehr gut getan hat. Ich habe mich beruflich dort positionieren können, wo ich schon immer hinwollte. Meine Mutter meint auch das ich selbstbewusster geworden bin, da ich mich in der Öffentlichkeit nicht mehr verstecke. Daheim wird aber über dieses Thema immer noch geschwiegen, Anspielungen werden totgeschwiegen. Konversation bei Problemen ist bei uns und in vielen Kulturkreisen des Islams nicht üblich. Kinder haben sich des Willens der Eltern zu unterwerfen, aus mir nicht erkenntlichen Gründen.
JR: Wünscht du dir ein offeneres Verhältnis & dass bei dir daheim auch tatsächlich über deine Homosexualität gesprochen wird, wenn du es dir wünschen würdest, oder wenn du Probleme hast?
PB1: Ich habe ein sehr gutes Verhältnis mittlerweile zu meinen Eltern. Wir reden über so gut wie alles. Das i-Tüpfelchen wäre natürlich noch der Punkt mit der Sexualität. Ich würde soviel geben, dass ich auch das meinen Eltern anvertrauen könnte. Aber es wird allgemein über so etwas nicht gesprochen. Selbst meine Brüder können nicht wirklich über ihre Beziehung zu Ihren Freundinnen reden. Aber würden meine Eltern die Homo-Welt kennenlernen, würden sie meine Weltanschauung eher teilen können.
JR: Hattest du auf dem Weg zu deinem Outing das Gefühl, dass deine Persönlichkeit unterdrückt wird, beziehungsweise du dein wahres Ich nicht ausleben kannst?
PB1: Ich war nie Ich selbst vor meinem Outing. Ich habe immer das gespielt, was die anderen von mir erwartet haben, bzw. immer noch erwarten. Vor ferneren Verwandten spiele ich immer noch das Heterospiel. Ich musste und muss mir ständig anhören, dass der Islam Homosexualität verpönt, obwohl ich keine nennenswerte Sure kenne, die das in der Form verbietet. Ich habe einen Sinn für Kreatives, und habe schon immer getanzt, aber ich konnte das nicht mit der grössten Leidenschaft ausleben, da ich angst hatte deswegen gehänselt und abgestossen zu werden. Ich habe mich in die Schule und meine Arbeit und mein Hobby gestürzt, so dass meine Gefühle verdrängt habe, gar nicht über Liebe und das was ich wirklich will nachdenken musste.
JR: Würdest du heute von dir selber behaupten, dass du vollkommen du selbst bist?
PB1: Vollkommen Ich selbst bin ich immer noch nicht, und ich glaube das auch ich nie sein. In der Öffentlichkeit mach ich mir nicht allzu große Mühe meine Sexualität zu verbergen, wobei ich versuchte es irgendwie zu verpacken. Meine Situation beschönigen. Ich habe ein Bild wie ich als schwuler auftreten möchte, kann Szenetucken nicht verstehen. Ich möchte Homosexualität als "Understatement" in die "normale" Welt integrieren. Privat habe ich noch sehr sehr hohe Hürden. Die schwierigeren Prüfungen zu dem Thema stehen noch bevor. Ich möchte meine Großeltern nicht enttäuschen und die sind letztendlich der wichtigste Grund, wieso ich meine Sexualität verberge. Ich bin erst soweit, denke ich, wenn meine Großeltern, und das sage ich sehr sehr ungern, nicht mehr unter uns weilen. Meine Eltern werden, das irgendwann verkraften, die fernere Verwandtschaft schaffe ich daran hinzuführen, bzw. soweit von meinem Leben zu "verbannen" das es sie auch nicht mehr interessieren wird. Aber meine Großeltern würden durch mein Outing unglücklich sterben und davor hab ich mächtig Respekt. Ich möchte ihnen das nie antun.
JR: Vielen Dank für deine Ehrlichkeit!