Interview mit Proband 3 (Christ)

JR: Hallo. Wie alt bist du?

PB3: Hallo. 20.

JR: Was ist deine religiöse und kulturelle Herkunft?

PB3: Ich bin Katholik, geboren in Deutschland, meine Mama ist Deutsche, mein Papa Italiener.

JR: Bist du getauft worden, bist du zur Erstkommunion und Firmung gegangen?

PB3: Zu allem ja.

JR: Hat Religion bei euch daheim eine Rolle gespielt bzw. spielt es eine Rolle? Lebt ihr nach der Religion? Wenn ja, inwieweit?

PB3: Mh, wir glaube zwar alle, sind allerdings nicht die vorzeige Katholiken. Wir können uns zwar teilweise mit der Religion identifizieren, finden aber nicht automatisch alles gut, was die katholische Kirche macht. Gehen jetzt auch nicht jeden Sonntag zur Messe. Beten auch nicht am Tisch. Wir sind gläubig, aber anders gläubig als andere.

JR: Du glaubst also und übst deine Religion auch teilweise aus?

PB3: Glaube tue ich, ja. Und teilweise übe ich die Religion auch aus. Aber wirklich nur teilweise.

JR: Ok. Hast du dich bei deinen Eltern und deiner Familie geoutet?

PB3: Ja, hab ich.

JR: Gut. Wie haben sie darauf reagiert und hattest du Angst dich zu outen?

PB3: Ja, ich hatte verdammt große Angst. Hat mich viel Überwindung und auch viel Zeit gekostet. Meine Mum und meine Schwester haben es schon länger vermutet. Mein Vater eher weniger. Für den war es auch am schwierigsten zu verstehen. Aber sie akzeptieren meine Neigung, haben auch nichts dagegen. Zumindest sagen sie das.

JR: Hattest du Angst dich wegen deiner Religion zu outen oder gibt es andere Gründe?

PB3: Zuerst nicht wegen der Religion. Zuerst hatte ich Angst, wie meine Familie, meine Eltern reagieren würden. Und dann die Leute in meinem Ort. Wir sind doch ein ziemlich kleines Dorf und Kirche und Glaube ist bei uns doch noch recht groß geschrieben. Somit hatte ich dann doch ein wenig Angst vor der Religion. Weil ja alle Glauben. Verstehst du den Gedankengang?

JR: Ja verstehe ich. Danke. Erhältst du von deinen Eltern die Unterstützung, die du dir wünscht?

PB3: Doch. Also mit Unterstützung von meinen Eltern wünsche ich mir, dass sie mich so annehmen und liebe wie ich bin, meine Neigung respektieren, sich nicht für mich schämen und mich verteidigen, falls jemand von „außen“ etwas gegen mich oder meine Homosexualität sagt. Und das tun sie. Somit also ja.

JR: Schön. Hattest du auf dem Weg zu deinem Outing das Gefühl, dass deine Persönlichkeit unterdrückt wird und du dein wahres Ich nicht ausleben kannst?

PB3: Manchmal schon, ja. Also am Anfang wollte ich das auch gar nicht wahrhaben, schwul zu sein. Ich habe mich selber nicht gemocht, hab diese Gedanken immer unterdrückt. Und ich wollte es ja der Öffentlichkeit zuerst nicht zeigen oder wissen lassen. Also habe ich mich verstellt. Hab gesagt ich finde Mädels „geil“ (was ich ja heute auch noch teilweise tue, aber auf eine andere Art und Weise) und wenn mich Leute gefragt haben, ob ich schwul bin, hab ich nein gesagt.

JR: Hast du heute das Gefühl, dass du in allen Situationen und vor allen Leuten du selbst sein kannst und deine Sexualität offenbaren kannst?

PB3: Nein. Privat, also in meiner Freizeit hab ich damit kein Problem das zu sagen. Aber in der Arbeit zum Beispiel ist das nicht öffentlich. Eine Kollegin mit der ich mich gut verstehe weiß das, sonst niemand. Ich finde das geht da niemanden was an. Ich hab dann doch zu viel Angst, dass das bei manchen schlecht ankommt und das dann hinter meinem Rücken geredet wird. Das will ich in der Arbeit nicht. Ansonsten habe ich das Gefühl ich selbst zu sein. Es gibt immer mal ein paar Situationen, in denen ich mir denk, M. (Anm. d. Autors: Name nicht veröffentlicht) vielleicht einfach mal die Klappe halten und nix zu sagen, dass niemand was merkt, aber die kommen wirklich selten vor.

JR: Sehr schön. Dankeschön.

PB3: Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen!

JR: Ja danke. Es war perfekt. Danke für deine Hilfe.

PB3: Ja bitte. Kein Problem!