Kolloquium:Zusammenarbeit in der Wikiversity (Konventionen, Standards)

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Willkommen im Kolloquium „Zusammenarbeit in der Wikiversity“!

Dies ist der Platz für Fragen und Diskussionen rund um das Themengebiet „Zusammenarbeit in der Wikiversity“ im Wikiversity:Gründungskolloquium.

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Zur "Architektur" der Wikiversity (Almeida)

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In der vergangenen Woche hat sich hier - ausgelöst im wesentlichen durch umfangreiche Aktivitäten zur Systematisierung der Wikiversity - viel ereignet. Das Positive: Wir haben dazu jetzt zwei ausgearbeitete Vorschläge vorliegen, und es wird über die „Architektur“ (Aufbau, Struktur bzw. Systematik) der Wikiversity erheblich intensiver und zielgerichteter diskutiert als vorher.

Nachdem der „Architekt“ des gegenwärtigen „Bauplans“ das Stadium der Konsensbildung innerhalb der „Bauherrengemeinschaft“ jedoch ausließ und stattdessen - in weitgefasster Auslegung des „It’s a wiki- Prinzips“ - den ganzen Bau hier gleich hochzog, gab es unterschiedliche Reaktionen. Die reichten von wohlwollendem Gewährenlassen („Engagement ist immer gut, muss ja ohnehin mal gemacht werden“) über höflich formuliertes, aber doch deutliches Missfallen (Patricks Stellungnahme) bis hin zum Rückzug des allseits beliebten und respektierten Mitinitiators der Wikiversity - mit einem kurzen, aber deutlichen Kommentar: "Der momentane Regulierungswahn erzeugt bei mir ehrlich gesagt auch nur Streß. Ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, daß ein Projekt über seine Inhalte lebt." Der Rückzug von Frank wird von vielen hier nach wie vor als echter Verlust angesehen und bedauert.

(Der Versuch, uns - ebenfalls ohne Konsensbildung - mal kurzerhand eine neue Fassade zu verpassen, konnte gottlob – it’s a wiki – durch rv wieder dahin zurückversetzt werden, wo er hingehört: ins Entwurfsstadium.)

Wikiversity-Strukturierung im Spannungsfeld verschiedener Perspektiven

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Zur Charakterisierung unserer gegenwärtigen Entwicklungsphase empfinde ich die Architektur- und Hausbau-Metapher als hilfreich - wobei wir hier allerdings im Prinzip alle die Architekten sind. Die Architekten- und die Bauherrengemeinschaft sind hier grundsätzlich identisch – allzu oft jedoch nur theoretisch und in der Realität unserer virtuellen Gemeinschaft dann eben doch nicht.

Ich will diese Metapher noch etwas weiterspinnen: Was sollte ein guter Architekt beachten, an welchen Prinzipien sollte er sich orientieren?

Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass er fortwährend verschiedene Perspektiven gleichzeitig im Auge behalten muss, die oft in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen, aber trotzdem unbedingt unter einen Hut gebracht werden müssen. Ein echter Universitätsbau soll ebenso wie unsere virtuelle Wikiversity z.B. übersichtlich und praktisch sein – in der realen Uni mag man ebensowenig ein schlecht überschaubares Gewirr von Gängen, in dem man sich verläuft, wie auch die Wikiversity keinen labyrinthischen Charakter haben soll. Und in beiden Fällen möchte man den Ort des akademischen Lebens so gestaltet haben, dass er anregend ist, dass er eine gute Atmosphäre ausstrahlt, dass alle Beteiligten sich gern dort aufhalten und wohlfühlen.

Ein guter Architekt hat sich also immer zu fragen, wie seine einzelnen Gestaltungsmaßnahmen jeweils den Charakter des Ganzen beeinflussen. Dazu – und das ist das Entscheidende - muss er in der Lage sein, sein Vorhaben und seine Maßnahmen jederzeit aus den verschiedenen Perspektiven zu betrachten, die am Ende zusammengenommen den Charakter des Ganzen prägen - dann in ihren jeweiligen Zutaten oft übrigens gar nicht mehr unterscheidbar.

Nun kann man natürlich sagen, bei uns spielt sich die Hauptsache doch in den einzelnen Projekten (Kursen, Forschungsprojekten etc.) ab, der Rest ist gar nicht so wichtig. Aber wenn man Projekte hier als Räume ansieht, die jedes einzelne sich selbst einrichtet, so haben wir doch außerdem so etwas wie ein Grundstück mit einem gemeinsamen Garten und viele Gemeinschaftsräume. Vor allem aber – und jetzt muss die Metapher gewechselt werden - haben wir eine gemeinsame Kultur des Umgangs miteinander. Sagen wir, ähnlich wie in einer Wohngemeinschaft.

Welche verschiedenen Perspektiven sollten denn von uns als Gemeinschaft der Wikiversity-Architekten wahrgenommen, in der gegenwärtigen Ausbauphase bei allen wesentlichen Maßnahmen beachtet und möglichst unter einen Hut gebracht werden?

Mir sind im wesentlichen drei eingefallen, die ich mal provisorisch die wissenschaftssystematische, die atmosphärische und die Perspektive der Informatik nennen will.

Bevor ich darauf im einzelnen eingehe, will ich noch eine Bemerkung vorausschicken: Jede dieser drei Perspektiven hat ihre eigene „Logik“. Jede hat gewissermaßen völlig verschiedene „Begründungsräume“: was in dem einen als Argument zählt, tut im anderen gar nichts zur Sache. Das sind Bedingungen, die vertrackterweise oft diese typischen Situationen erzeugen, die Missverständnisse und Konflikte entstehen lassen und jedenfalls leicht zu Verdruss führen.

Probleme entstehen besonders dann, wenn die Vertreter der einzelnen Richtungen (Perspektiven) für die Sicht der anderen keinen Sinn, kein Gefühl haben; wenn sie den Denkhintergrund der anderen Perspektiven entweder nicht kennen oder ihn als nebensächlich bewerten und somit wenig Problembewusstsein für diejenigen Aspekte haben, die von Vertretern der anderen Richtungen für gravierend gehalten werden.

Wie kann man damit nun umgehen: Das Wesentliche ist in meinen Augen, für die Argumente der anderen Perspektiven offen zu sein, aufeinander zu hören, die Anliegen der anderen zu verstehen versuchen, sich in ihre „Begründungsräume“ hineinzudenken. Ein Beispiel wäre meine bedauerlicherweise höchst unkundige Beziehung zur Informatik. Wenn ich an dieser Stelle mitreden will, muss ich mich ein Stück weit mit den Erfordernissen und Notwendigkeiten, die sich aus dieser Perspektive ergeben, auseinandersetzen – sonst werde ich z.B. fälschlicherweise, wie noch vor einigen Tagen, zu der Ansicht neigen „damit kennst Du Dich nicht aus, da ist jemand zugange, der offenbar bewandert ist, lass den mal machen und halt Dich da raus“. Dass diese Aktivitäten erhebliche Auswirkungen auf die Prioritäten der anderen Perspektiven hatten und aus meiner heutigen Sicht insgesamt eher unerwünschte Neben- und Sekundärfolgen mit der Aktion verbunden waren, erkannte ich damals nicht.

Die "wissenschaftssystematische" Perspektive

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Dabei geht es um die Einteilung der Fachbereiche und Zuordnung von Fächern, Projekten und Kursen zu größeren Einheiten. Da sind Fragen zu stellen wie die, wieviel Ebenen eine derartige Ordnungsstruktur zweckmäßigerweise haben sollte, welche Fächer man sinnvoll zu Fachbereichen zusammenfassen kann und welche Fachbereiche evtl. darüber hinaus zu übergeordneten Einheiten (die „Schools“ der angloamerikanischen Wikiversity).

Nach meinem Eindruck gibt es in dieser Hinsicht hier zwei tendenziell verschiedene Denkrichtungen bzw. Ansichten:

  • alles Wesentliche spielt sich hier auf der Ebene der Projekte und Kurse ab
  • die wesentliche Ebene ist die der Fachbereiche

Wer mehr auf Fachbereichsebene denkt, sich also mit größeren Einheiten identifiziert, hat vielleicht Visionen im Kopf wie „die Fachbereiche Neurowissenschaften, Psychologie und Rechtswissenschaften könnten hier irgendwann mal eine Art Ringvorlesung oder Seminarreihe veranstalten zum Thema: 'Die Auswirkungen neuerer Ergebnisse der Hirnforschung auf die grundlegende Philosophie unseres Strafrechts'."

Oder man phantasiert eine Ankündigung wie diese: „Der Fachbereich Physik konnte erfreulicherweise den Astrophysiker und mehrfachen Leibniz-Preisträger Prof. Dr. Schlaumeier für einen abendlichen Chat gewinnen zum Thema „Was Sie schon immer über die Schlaumeiersche Urknall-Theorie wissen wollten, aber nie zu fragen wagten“. Der verehrte Kollege wird insbesondere auf seine Vorstellungen von der Zeit vor dem Urknall eingehen. Der Abend verspricht somit interessant zu werden etc“

Die „wissenschaftssystematische Perspektive“ hat also zusätzlich eine erhebliche psychologische Komponente – den Aspekt der Identifikation einzelner Personen mit größeren oder kleineren Einheiten.

Ein wissenschaftssystematisches Problem im engeren Sinn tritt nach meinem Eindruck übrigens erst dann auf, wenn man Fachbereiche zu noch größeren Einheiten zusammenfassen will (Fakultäten, „Schools“). Das ist in einigen Fällen offenbar völlig unproblematisch (Ingenieur-, Wirtschaftswissenschaften; Medizin), in anderen jedoch überhaupt nicht (Geistes- Kultur-, Sozial- oder Humanwissenschaften). Ich will die Argumente der vergangenen Tage dazu nicht wiederholen. Unter dem Strich würde ich empfehlen, die Ebene der Fakultäten entweder ganz wegzulassen oder nur in denjenigen Fällen eine entsprechende Zuordnung vorzunehmen, in denen sie unproblematisch ist und von allen Seiten gewünscht wird. („Thema“ passt übrigens m.E. gar nicht, weil man darunter üblicherweise etwas ganz anderes versteht – das, was in der englischen Systematik „Topic“ genannt wird)

Noch ein anderer Aspekt: Namen sind nicht immer Schall und Rauch – manchmal identifiziert man sich auch damit. Beispiel: Ich weiss nicht, ob Sprach- und Literaturwissenschaftler begeistert sind, wenn aus ihnen hier nun Philologen gemacht werden sollen, weil das Göttinger Klassifikationssystem das so vorsieht. Nach einigen Tagen Erfahrung mit diesem System erlebe ich persönlich es doch eher als Korsett und würde es eigentlich für besser halten, wenn wir unsere Wissenschaftsbezeichnungen und -einteilung so wählen, wie es den sich hier sammelnden bzw. handelnden Personen im Einzelfall am besten gefällt.

Andenken könnte man evtl noch ein nicht-hierarchisches Ordnungsprinzip im Sinne einer Netz- oder einer Matrixstruktur.

Ein letzter Gedanke: Ein Fachbereich sollte keinen anderen Fachbereich enthalten. Das ist nun wirklich unlogisch und verwirrend.

Die atmosphärische Perspektive

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Eine virtuelle Community lebt keineswegs allein durch die angebotenen Inhalte, sondern ganz wesentlich auch von dem Stil, der Kultur und der Gesamtatmosphäre, die dort herrscht. Alles, was wir hier in dieser Phase „architektonisch“ gestalten, sollte im Ergebnis anregend sein, animierend, dazu beitragen, dass man sich hier wohlfühlt. Eine einladende Atmosphäre sollte entstehen, in der man sich gern aufhält und - zusätzlich zum ernsthaften Weiterbildungs- und Forschungsbetrieb - auch einfach mal "herumschlendert" bzw. -surft, hier und da ein wenig plaudert und diskutiert.

Es gibt einige wesentliche Faktoren, die das beeinflussen: der Umgangsstil zuallererst – aber auch ästhetische Elemente, das Design - nicht zuletzt die Aufdringlichkeit oder das In-den Hintergrund-Treten von Ordnungsprinzipien und Reglements aller Art. Auch die Ordnung bzw. Systematik sollte möglichst weitgehend Gefallen finden und dem „Geschmack“ der Mehrheit entsprechen. Natürlich müssen wir die Wikiversity strukturieren, aber meiner Meinung nach möglichst unauffällig, mehr im Hintergrund, soweit das möglich ist (wie Kategorien beispielsweise: man kann sich ihrer bedienen, wenn man will, aber sie fallen nicht weiter auf). Ich denke, in diese Richtung hat Frank auch gedacht, als er vom Reglementierungswahn sprach.

Klar, „allen Menschen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann“ - aber es gibt so ein paar Prinzipien, mit denen man meistens richtig liegt. Z.B., „soviel Freiheit lassen wie möglich, soviel Reglementierung wie nötig“. Oder: bei Änderungsmaßnahmen, die auch andere betreffen, vielleicht doch vorher mal nachfragen, ob's denn so auch gefällt.

Zum „It's a wiki“ - Prinzip

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Das allerdings kollidiert nun tendenziell mit der hier so beliebten „It’s a wiki“ – Philosophie. O.K, man kann alles wieder ändern – aber der Prozess bis dahin nervt oft! Man tritt anderen meistens damit auf die Füße. Der eine tut das gern, der andere nicht. Viele halten sich vornehm zurück, lassen ein paar Aktivisten machen, sind aber mit dem Ergebnis nicht unbedingt zufrieden. Nichtäußerungen der schweigenden Mehrheit können weder als Zustimmung noch als Ablehnung gewertet werden. Mit eigenmächtigen Handeln kann man bei einem Wiki zwar nichts kaputtmachen, aber nach meinem Eindruck kann die „It's a wiki-Philosophie“ auch ein Klima erzeugen, in dem unfreundliche Besserwisserei und Edit-Wars etc. gedeihen. Wir kennen das alles von Wikipedia. Ich denke, die meisten von uns wünschen sich sehr, dass manche Unsitten von WP hier erst gar nicht Einzug halten – wie unfreundliches Zurechtweisen, arrogante Rechthaberei oder die manchmal rigide Kontrolle der Einhaltung der Regeln - meistens unter Verweis auf irgendein Drei-Buchstaben-Kürzel (POV, THF etc.), das einem lustvoll um die Ohren gehauen wird.

Das „It’s a wiki-Prinzip“ sollte also bei grundsätzlichen Änderungen, die viele von uns oder uns alle betreffen, meiner Auffassung nach mit einer gewissen Zurückhaltung angewandt werden und nicht dazu führen, dass man einfach „drauflos ändert“, weil alles ja wieder rückgängig gemacht werden kann. Besser vielleicht, man fragt zunächst in unsere noch kleine Runde, „hat jemand was dagegen, wenn...“ „was haltet Ihr davon“ - wie in einer Wohngemeinschaft, bevor im Gemeinschaftsraum die Möbel umgestellt werden. Da geht man ja auch nicht davon aus, wem's nicht passt, kann sie ja wieder zurücktragen. Das Prinzip einer gewissen Rücksichtnahme auf mögliche Wünsche, Prioritäten oder den Geschmack der anderen ist nie verkehrt, imho.

Insgesamt denke ich, wir sollten hier von Anfang an auf eine gewisse Kultivierung der Umgangsformen achten und dazu auch Hinweise und Konventionen erarbeiten. Mit dem Ziel, dass sich hier eine lebendige "Universitätsgemeinschaft" bildet, in der eine gute Atmosphäre herrscht und eine offene, freundliche und unterstützende Diskussionskultur gepflegt wird.

Die Perspektive der Informatik (Namensraum / Namenskonventionen) will (und kann) ich nicht kommentieren. Dazu wurden ja auch schon zur Genüge Argumente vorgetragen. --Almeida 21:04, 9. Okt. 2006 (CEST)