Kontrastive Syntax Deutsch-Englisch: Verb und Objekte

Grundlagen: Objekte

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Der Begriff Objekt ist in der Syntax eine Ergänzung zum Verb. Das Objekt ist dabei ein funktionaler sowie relationaler Begriff, d.h. er gibt an, welche Funktion eine Konstituente im Kontext eines bestimmten Satzes erfüllt. Relational ist der Begriffs des Objekts, da sein Auftreten vom Verb, also vom syntaktischen Kontext, abhängt.

Arten von Objekten

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Im Deutschen können Substantive, Eigennamen und Pronomen (in der generativen Syntax alle DPs) als Objekte auftreten.

(1) Betty hat [Subs einen Hund].
(2) Der Hund gehört [EN Betty].
(3) Der Hund gehört [Prn ihr].

Eine weitere Unterscheidung der Objekte wird bezüglich des Kasus vorgenommen, so gibt es Akkusativ-, Dativ- und Genitivobjekte.

(4) Meine Tante erzählt gerne [Akk Geschichte].
(5) Er gab den Koffer [Dat seiner Frau].
(6) Er wurde [Gen des Mordes] beschuldigt.

Oft wird auch die Bezeichnung direktes Objekt für das Akkusativobjekt und indirektes Objekt für das Dativobjekt verwendet, doch da es auch Verben gibt, die nur ein Objekt fordern, ist diese Bezeichnung ungeeignet.

Außerdem können Präpositionalphrasen als Objekte auftreten, die sogenannten Präpositionalobjekte. Sie werden durch eine vom Verb verlangte Präposition, die nur noch geringen semantischen Wert besitzt, eingeführt.

(7) Betty freut sich [PP über ihre neuen Schuhe].

Häufig tritt im Deutsch auch ein ganzer Satz (finit oder infinit) anstatt einer Phrase mit der Funktion eines Objekts auf. Objektsätze können z.B. untergeordnete Sätze oder freie Relativsätze sein.

(8) Betty hat erzählt, [Akk.obj. dass ihr Hund noch sehr klein ist.]
(9) a. Ich heirate [Akk.obj. wen ich will]. (freier Relativsatz als Objekt)
(9) b. Ich weiß nicht, [Akk.obj.[wen sie geheiratet hat]. (indirekter Fragesatz als Objekt]
(10) Betty freut sich (darauf), [Präp.obj. nach Hause zu kommen].

Da im Englischen fast keine Kasusmarkierungen mehr vorhanden sind, kann man zunächst nur zwischen direkten Objekten und Präpositionalobjekten unterscheiden:

(11) She asked Dir.obj,him [Präp.obj, for some change].

Verben mit zwei Objekten im Englischen verhalten sich anders als im Deutschen: Das erste Objekt, das im Deutschen dem Dativ entspricht, hat Eigenschaften eines direkten Objekts:

(12) a. She told [1. Obj. him] [2. Obj, a story].
(12) b. She was told 2. Obj,a story (Passivierung: Obj1 wird Subjekt)

Wie im Deutschen können im Englischen Objekte auch als Objekt-Sätze auftreten.

(13) She asked [indir. Obj. whoever she met] for some change.
(14) She told him [dir. Obj. to come].
(15) She asked him [Präp.obj. if he could spare some change].

Objekte, Subjekte und Adverbiale

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Subjekte sind wie Objekte Ergänzungen zum Verb. Sie sind die am häufigsten auftretenden Ergänzungen im Deutschen, da fast alle Verben ein Subjekt fordern. Subjekte treten nur in finiten Sätzen (d.h. Sätzen mit finitem Verb) auf, während infinite Sätze kein Subjekt haben. Objekte können sehr wohl in Sätzen ohne finites Verb auftreten, wie in (2). Allerdings gibt es auch finite Sätze ohne Subjekt, z.B. Sätze im Passiv oder im Imperativ.

(1) [fin. Gestern hat jemand bei uns eingebrochen.]
(2) Sie baten ihn, [infin. das Buch zurückzugeben].
(3) [fin. Gestern wurdePass. bei uns eingebrochenPass..]
(4) [fin. LassImp. den Griff los!]

Subjekte haben im Deutschen den Kasus Nominativ und unterscheiden sich von Objekten darin, dass sie in Person und Numerus mit dem Verb kongruieren.

(5) Er3. Pers. Sg. hat3. Pers. Sg. gestern mehrere Briefe3. Pers. Pl. bekommen.

Im Allgemeinen wird zwischen Objekten und Adverbialen so unterschieden, dass Objekte obligatorisch sind, während Adverbiale nur fakultativ zu einem Verb hinzutreten können. Das dies nicht so ist, sieht man jedoch in den folgenden Sätzen.

(6) Meine Tante hat [Dat.obj. mir] [Akk.obj. ein Buch] geschenkt.
(7) Meine Tante brachte (uns/ihren Enkeln) Kuchen.
(8) Betty schläft auf dem Sofa.
(9) ?/* Betty liegt.

Während beide Objekt in Satz (6) obligatorisch sind, muss das Dativobjekt in Satz (7) nicht realisiert werden, um einen grammatischen Satz zu erhalten (allerdings ist es in sofern obligatorisch, als es von der Valenz des Verbs bestimmt ist). Auf der anderen Seite sieht man an Satz (9), dass es durchaus Kontexte gibt, in denen ein Adverbial, wie z.B. hier das Adverbial des Ortes, benötigt wird, da ein Satz sonst ungrammatisch wird (oder zumindest eine spezielle Interpretation erhalten muss). Mit einer Angabe, wie z.B. neben dem Bett, auf dem Sofa wäre der Satz grammatisch. Man könnte nun vermuten, dass es sich in diesem Fall um ein Präpositionalobjekt handelt, doch da in diesem Fall die Präposition variieren kann und nicht vom Verb bestimmt ist sowie einen eindeutigen semantischen Gehalt besitzt, handelt es sich um eine adverbiale Bestimmung. Ein weiterer Unterschied zwischen Adverbialen und Objekten besteht darin, dass Objekte im Normalfall Teilnehmer an einem Geschehen sind, während Adverbiale die Umstände eines Geschehens ausdrücken.

Die Reihenfolge von Verb und Objekt(en)

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Die Reihenfolge des Verbs und seiner Objekte kann in verschiedenen Sprachen unterschiedlich sein. Innerhalb der germanischen Sprachen gibt es in Bezug auf die Reihenfolge des Verbs und seiner Objekte zwei Gruppen: Englisch und die skandinavischen Sprachen sind VO-Sprachen, während die westgermanischen Sprachen (Afrikaans, Niederländisch, Friesisch und Deutsch) OV-Sprachen sind. In VO-Sprachen sind Verbalphrasen Kopf-initial, d.h. die Objekte folgen dem Verb. In OV-Sprachen sind Verbalphrasen Kopf-final.

Die Objektstruktur im Deutschen und im Englischen

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Deutsch als OV-Sprache

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Die Bezeichnung „OV-Sprache“ wird oft im Sinne einer syntaktischen Typologie so verstanden, dass nicht nur das Verb dem Objekt folgt, sondern auch in allen anderen Phrasen der Kopf den Ergänzungen folgt.[1] Das Deutsche ist keine OV-Sprache in einem solchen starken Sinn, denn Nominalphrasen und häufig Präpositionalphrasen zeigen ihre Ergänzungen hinter dem Kopf. Deutsch ist also eine OV-Sprache nur im engeren, buchstäblichen Sinn.

Die OV-Eigenschaft wird im Deutschen noch in einer weiteren Weise modifiziert: Zwar ist innerhalb der Verbalphrase die Reihenfolge Objekt-Verb (d.h. die Verbalphrase ist Kopf-final), diese Abfolge kann im Satz jedoch variiert werden, da das Verb umgestellt werden kann (z.B. Verbzweitstellung). Die OV-Eigenschaft wird so weniger deutlich sichtbar. In einem Syntaxmodell, das die Verb-Voranstellung als syntaktische Bewegung beschreibt, bei der das bewegte Verb eine Spur zurücklässt, bleibt die OV-Eigenschaft in der Analyse dennoch sichtbar. An der Oberfläche sichtbar ist der Unterschied zwischen Deutsch und Englisch z.B. im Infinitiv:

(1) [jemandem etwas geben]VP
(2) to [give somebody something]VP
(3) Er gabi [ jemandem etwas ti ]VP

Beispiel (3) zeigt, dass bei Berücksichtigung der Verbbewegung im Verbzweit-Satz auch hier zugrundeliegend eine OV-Struktur vorliegt.

Die zugrundeliegende OV-Struktur zeigt sich im Deutschen auch in untergeordneten Sätzen, in denen keine Verbbewegung stattfindet:

(4) Ich will, dass du [mir den Stift gibst]VP.

Die OV-Phrasenstruktur des Deutschen führt zu einigen Charakteristiken, in denen sich das Deutsche vom Englischen unterscheidet. Zum Beispiel kann im Deutschen das Verb durch ein Adverb vom Objekt getrennt werden:

(5) … dass sie die TürObj schnellAdv schloss V0.

Denn entgegengesetzten Fall, dass zwei syntaktische Einheiten nicht durch zusätzlich auftretendes Material getrennt werden können, bezeichnet Haider mit der Eigenschaft Kompaktheit (2010: 12ff.). Englische Verbalphrasen sind kompakt. (Später wird das Verbot, im deutschen Verbalkomplex die Verben durch zusätzliches Material zu trennen, ebenfalls als Kompaktheit bezeichnet, Haider 2010: 34.) Der Grund dafür, dass deutsche Verbalphrasen nicht kompakt sind, liegt in der rechtsköpfigen Struktur der Phrase:

(6) … dass sie die Tür schnell schloss.
                 CP
                 |
                 C'
               /   \
              C     VP
            dass  /    \
                 DP     V'
                sie   /   \
                   DP      V'
                die Tür  /   \
                      AdvP    V0[+finit]
                    schnell   schloss

Wie man sieht, verhindert das Adverb nicht, dass das Verb seine Objekte weiterhin regieren kann, da es von rechts nach links regiert. Die deutsche NP/DP zum Beispiel ist jedoch linksköpfig, und hier treten, wie in der englischen VP, Kompaktheitseffekte auf:

(7) (das) [Öffnen der Tür]NP für uns
(8) *(das) [Öffnen für uns der Tür]NP

Englisch als VO-Sprache

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Das Englische ist eine strenge VO-Sprache, die Reihenfolge in der Verbalphrase ist also Verb-Objekt(e), und die Abfolge „Kopf vor Ergänzung“ zeigt sich ebenso in Nominal-, Adjektiv- und Präpositionalphrasen.

Die VO-Abfolge im Englischen sieht man sowohl an Verbalphrasen im Infinitiv, an Hauptsätzen und an untergeordneten Sätzen:

(1) to [give somebody something]VP
(2) He [gave his brother the pencil]VP.
(3) He said that his aunt [had brought him cake]VP.

Im Gegensatz zum Deutschen kann im Englischen kein Adverb zwischen Verb und Objekt stehen:

(4) *She closed quickly the door.

Mit Haiders Terminologie gesprochen, sind englische Verbalphrasen also kompakt. Zunächst ist es eine empirische Beobachtung, dass solche Kompaktheits-Effekte wie in (4) mit V-O-Struktur zusammenhängen. Eine theoretische Erklärung wird von Haider (2010), S. 29ff. angeboten. Voraussetzung hierfür ist aber, zuerst die korrekte Phrasenstruktur der englischen VP zu finden. In vielen lehrbuchmäßigen Darstellungen wird das direkte Objekt als Schwesterknoten des Verbs angesetzt (Komplement). In einer solchen Struktur wäre ganz einfach kein Platz für ein Adverb zwischen V und Objekt:

                  IP
               /     \
             DP        I'
            she     /    \
                   I°       VP
                 [+fin]   /  \
                         V°    DP
                     closed    the door

So einfach kann es jedoch nicht sein, denn auch wenn die Struktur des Deutschen spiegelbildlich sein sollte (OV statt VO), fehlt eine Erklärung, warum im Deutschen das Adverb zwischen V und Objekt Platz hätte. Die Strukturen sind tatsächlich nicht direkt spiegelbildlich, was an der VP-Schalen-Struktur des Englischen liegt. (In dieser würden allerdings zusätzliche Plätze für Adverbien entstehen, sodass der Kompaktheitseffekt des Englischen nicht direkt und einfach an verfügbaren Plätzen im Baum liegt).

Effekte von Kopf-initaler und Kopf-finaler Phrasenstruktur

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Obwohl diese Effekte einige Unterschiede zwischen der Syntax des Deutschen und des Englischen darstellen, gelten sie allgemein für die Unterscheidung von VO- und OV-Sprachen, da sie von der Position des Kopfes innerhalb der Phrase abhängen.

Kompaktheit

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Der Begriff Kompaktheit drückt allgemein aus, dass zwei syntaktische Einheiten nicht durch zusätzlich auftretendes Material getrennt werden können. Haider (2010: 12ff.) behandelt unter diesem Stichwort zunächst den Effekt, dass Verb und direktes Objekt im Englischen nicht durch Adverbien getrennt werden können. (Später wird das Verbot, im deutschen Verbalkomplex die Verben durch zusätzliches Material zu trennen, ebenfalls als Kompaktheit bezeichnet, Haider 2010: 34.)

Der Effekt, dass zwischen dem Kopf und seinen nominalen Argumenten keine Adjunkte auftreten können, tritt nur bei linksköpfigen Phrasen auf, bei solchen aber generell. Der Effekt betrifft zunächst einmal Verbalphrasen mit Objekten im Englischen. Ein Satz, in dem zwischen dem Verb (Kopf der Verbalphrase) und einem Objekt ein Adjunkt steht, ist ungrammatisch.

(1) She [VP closedV0 (*quickly) the door].

Im Deutschen ist dies jedoch erlaubt. Dies liegt an der rechtsköpfigen Struktur der deutschen VP:

(2) ...dass VP[sie die Tür (schnell) schlossV0 ].

Die deutsche NP ist jedoch linksköpfig, und hier treten, wie in der englischen VP, Kompaktheitseffekte auf.

Variable Wortabfolge in Kopf-finalen Phrasen

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Da im Deutschen Verbalphrasen rechtsköpfig sind und somit keine Kompaktheit gefordert ist, kann die Wortabfolge variieren, d.h. die Stellung des direkten und des indirekten Objekts in einem deutschen Satz ist variabel, genauso wie die Stellung des Subjekts.

(1) Sie hat ihrer Tante das Geld gegeben.
(2) Sie hat das Geld ihrer Tante gegeben.

Im Englischen ist das nicht möglich.

(3) She gave her aunt the money.
(4) *She gave the money her aunt.

Wenn eine variable Wortabfolge als Konsequenz von Scrambling auftritt, dann führt auch dies zu Fällen von „Intervention“. Wenn wir annehmen, dass (1) oben die Grundstruktur ist, und (2) durch Scrambling von „das Geld“ abgeleitet wird, also Voranstellung dieser Phrase, dann interveniert die stehengebliebene Phrase “ihrer Tante“ zwischen Verb und Akkusativobjekt, ähnlich wie ein Adverbial in den obigen Beispielen. Im Englischen sind alle diese Prozesse zugleich ausgeschlossen: Es ist weder intervention durch ein Adverbial noch Scrambling möglich.

a. He [showed some students this problem].

b. * He [showed this problemi some students ei]

Adverbial tritt dazwischen:

c. * He [showed enthusiastically some students this problem]

d. * He [showed to some studentsi this problem ei]

Die relative Abfolge der Argumente in OV- und VO-Sprachen ist dieselbe

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Eine äußerst wichtige Beobachtung, die Aufschluss über die Struktur der englischen VP gibt, ist, dass die relative Reihenfolge der Argumente des Verbs – und somit der Objekte – in OV- und VO-Sprachen dieselbe ist (wenn man im Deutschen die zusätzliche Möglichkeit des Scrambling herausrechnet), nämlich:

(1) Subjekt – indirektes Objekt – direktes Objekt – präpositionale Ergänzung

D.h. die Abfolge der Argumente eines Verbs ist in einem deutschen und einem englischen Satz dieselbe; der Unterschied zwischen OV/VO ist nicht, dass die Strukturen insgesamt spiegelbildlich wären, sonder nur, dass das Verb an unterschiedlichen Positionen relativ zu den Objekten steht.

(2) ... dass [VP [Sujb. sie] [indir. Obj. ihm] [dir. Obj. ein Pausenbrot] [PP mit ihn die Schule] gabV0].
(3) ... that [VP [Subj. she] packedV0 [indir. Obj. him] [dir. Obj a sandwich] [PP for school]].

Verben mit einfachen Objekten

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Im Deutschen als OV-Sprache folgt das Verb in der zugrundeliegenden Satzstruktur dem Objekt, wie die folgenden Beispiele zeigen:

(1) … dass Otto [Akk.obj. einen Apfel] [V0 aß].
(2) … dass Otto [Dat.obj. seiner Großmutter] [V0 gratulierte].
(3) … dass Otto [Gen.obj. der Tat] beschuldigt [V0 wurde].
(4) … dass Ottos Großmutter [Akk.obj. einen Kuchen] [V0 brachte].

Dies ist sowohl der Fall, wenn das Verb nur ein Objekt fordert, wie in den Beispielen (1) und (2), als auch, wenn nur ein Objekt im Satz realisiert ist, wie in (3) (aufgrund der Passivkonstruktion) oder (4). Auch Präpositionalobjekte stehen vor dem Verb:

(5) … dass Otto [Präp.obj. an seine Großmutter] [V0 dachte].

Im Englischen, das eine strikte VO-Sprache ist, folgen dagegen alle Arten von einfachen Objekten dem Verb:

(6) (… that) Betty [V0 ate] [dir. Obj. an apple].
(7) [V0 Ask] [indir. Obj. your brother].
(8) Betty [V0 asked] [Präp.obj. for silence].

In Bezug auf die Analyse von Sätzen, die ein Verb mit einem Objekt enthalten, ist die Struktur der Verbalphrase im Englischen und im Deutschen recht ähnlich, mit dem Unterschied, dass sie im Deutschen eben rechtsköpfig und im Englischen linksköpfig ist. So sieht die Struktur von Beispiel (1) wie folgt aus:

                 CP
               /   \
              C     VP
            dass  /   \
                 DP    V'
              Otto   /   \
                   DP      V0[+fin]
             einen Apfel    aß

Beispiel (6) hat folgende Struktur:

                CP
              /    \
             C     IP
         (that)  /    \
               DP      I'
             Betty   /    \
                    I     VP
                  -ed   /    \
                       V0[+fin] DP
                      eat     an apple

Verben mit Objekt-Sätzen

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In Sätzen des Deutschen, in denen das Objekt (z.B. ein Präpositionalobjekt) durch einen Objektsatz ausgedrückt wird, scheint es so als ob die OV-Struktur nicht erfüllt wird, da in diesem Fall ein Objekt dem Verb folgt:

(1) dass ich [VP [dir. Obj. ihn] batV0, [Obj. zu gehen.]]

Wenn jedoch der Objekt-Satz im übergeordneten Satz durch ein Korrelat vertreten ist, fällt auf, dass in diesem Fall die OV-Struktur der Verbalphrase erfüllt ist. (Die Existenz des Korrelates „darum“ zeigt hierbei auch erst, dass ein Nebensatz mit dem Status eines Präpositionalobjekts (+ um) vorliegt):

(2) dass ich [VP [dir. Obj. ihn] [darumi] batV0], CP[zu gehen.]i

Das bedeutet, Verben mit Objekt-Sätzen verstoßen nicht gegen die OV-Struktur der Verbalphrase, sondern erscheinen nur oberflächlich als Ausnahmen.

Betrachtet man einen Satz wie diesen im topologischen Feldermodell, fällt außerdem auf, dass der satzwertige Infinitiv in diesem Fall ins Nachfeld ausgelagert ist:

Vorfeld Linke Klammer Mittelfeld Rechte Klammer Nachfeld
dass ich ihn darum bat zu gehen.

Verben mit zwei Objekten

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Im Deutschen ist die grundlegende Abfolge der Konstituenten eines Satzes mit einem Verb mit mehreren Objekten die folgende:

(1) ... dass [VP [Subj. sie] [indir. Obj. ihm] [dir. Obj. ein Pausenbrot] [PP mit ihn die Schule] gabV0].

Im Englischen sähe die Konstituentenabfolge so aus:

(2) ... that [VP [Subj. she] packedV0 [indir. Obj. him] [dir. Obj. a sandwich] [PP for school]].

Hier fällt bei genauerer Betrachtung auf, dass zwar das Verb an unterschiedlichen Positionen steht (am Ende der kopffinalen VP im Deutschen, am Anfang der kopfinitialen VP im Englischen), die relative Reihenfolge der Argumente des Verbs – und somit der Objekte – aber dieselbe ist, nämlich die folgende:

(3) Subjekt – indirektes Objekt – direktes Objekt – präpositionale Ergänzung[2]

Da im Deutschen Verbalphrasen rechtsköpfig sind und das Verb somit seine Argumente nach links regiert, treten die Argumente beim Aufbauen der Satzstruktur eins nach dem anderen an das Verb heran, bis die Verbalphrase gesättigt ist. Dabei entstehen mehrere V'-Projektionen, bis die Verbalphrase komplett ist:

(4) … dass sie mich um Hilfe baten.
                  CP
                  |
                  C'
	         /  \
	       C     VP
	     dass  /    \
		  DP     V'
		  sie  /    \
		      DP      V'
		     mich   /   \
                          PP    V0[+finit]
			um Hilfe baten.

Bei der Bildung eines deutschen Hauptsatzes (V-2-Satz) werden dann das Subjekt sowie das Verb aus der VP herausbewegt:

(5) Sie2 baten1 t2 mich um Hilfe t1.

Im Englischen als VO-Sprache sind Verbalphrasen dagegen linksköpfig, was bedeutet, dass das Verb seine Argumente nach rechts regiert. Die Struktur eines englischen Satzes lässt sich nicht so leicht darstellen, wie im Deutschen. Um die beobachtete Reihenfolge herzustellen, könnte man versucht sein, die Baumstruktur folgendermaßen zu beginnen – eine derartige Analyse wäre jedoch strukturell unmöglich:

(6) They asked me for help.
                        *    VP
                          /      \
                        DP         V'
                       They     /     \
                            V0[+finit] *V'
                           asked      /  \
                                    DP   PP
                                    me for help

Die Struktur in (4) ist nicht möglich, da NP (direktes Objekt) und PP (indirektes Objekt bzw.Präpositionalobjekt) zusammen keine Phrase bilden können, erst recht nicht eine VP, da ein verbaler Kopf fehlt. Strukturell wäre es am ehesten möglich, eine V'-Projektion mit dem Präpositionalobjekt rechts vom Kopf zu haben, zu der noch ein Objekt links hinzutritt – dies stimmt aber nicht mit der beobachteten Reihenfolge überein:

(7) They asked me for help.
                             ?
                          /     \
                        DP       VP
                       They    /    \
                              DP      V'
                              me    /    \
                               V0[+finit] PP
                               asked   for help

Ein Problem ist auch, dass das Subjekt außerhalb der Verbalphrase stünde.[3] Man erwartet, dass das Subjekt in einer Spezifikatorposition auftritt, aber in einer linksköpfigen Phrase ist nur Platz für je einen Spezifikator und ein Komplement.

(8) linksköpfige Phrase
                  XP
                /    \
             SpecX    X'
                    /    \
                   X     YP (Komplement)

Eine Lösung für das Problem der linksköpfigen Verbalphrasen mit zwei Objekten ist die VP-shell-Konstruktion („VP-Schalen“). Dabei geht man davon aus, dass zuerst das Verb und (in diesem Fall) das Präpositionalobjekt eine Verbalphrase bilden. Diese beiden bilden auch im deutschen Satz die engste Einheit. Die englische Struktur ist aber linksköpfig, d.h. das Verb regiert sein Objekt nach rechts. Die Lösung, wie man dies erhält, ist folgende: Aus der zunächst gebildeten VP wird das Verb in den Kopf einer weiteren 'leichten' Verbalphrase bewegt, von wo aus es das zweite Objekt nach rechts regiert. Diese zweite Verbalphrase wird oft vP genannt. Der Kopf „v“ ist unsichtbar. Somit entsteht eine Struktur, bei der eine VP innerhalb der anderen steht, d.h. es handelt sich um eine Verbalphrase mit verschiedenen Schichten.

(9) They asked me for help.
                     vP
	          /      \
	         DP       v'
	       They     /    \
		     v0[+finit] VP
		    asked1   /    \
		            DP      V'
		            me   /    \
                            V0[+finit]  PP
                             t1      for help

Anmerkungen

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  1. Diese Bedeutung von „OV“ wird von Haider 2010, S. 5 angesprochen.
  2. Dass diese Reihenfolge im Deutschen durch sogenanntes scrambling variiert werden kann, ist an dieser Stelle erstmal nicht relevant.
  3. Diese Struktur zieht Poole 2011, S. 275 als Argument für eine VP-Schalen-Struktur heran.

Literaturangaben

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  • Haider, Hubert (2010): The Syntax of German. Cambridge: Cambridge University Press.
  • Poole, Geoffrey (2011): Syntactic Theory. 2. Auflage. Basingstoke: Palgrave Macmillan.
  • Pittner, Karin und Berman, Judith (2010): Deutsche Syntax. Ein Arbeitsbuch. 5. Auflage. Tübingen: Narr.

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