Kreis/Trigonometrische Funktionen/Direkt und Probleme/Einführung/Textabschnitt

Im ist der Abstand zwischen zwei Punkten eine positive reelle Zahl (bzw. gleich , falls die Punkte zusammenfallen). Wenn die beiden Punkte in Koordinaten gegeben sind, also und , so ist der Abstand gleich

Diese Gleichung beruht auf dem Satz des Pythagoras. Speziell besitzt jeder Punkt zum Nullpunkt den Abstand

Weil die Koordinaten reelle Zahlen sind, sind auch die Abstände reelle Zahlen. Wenn ein Punkt und eine positive reelle Zahl fixiert sind, so nennt man die Menge aller Punkte der Ebene, die zu den Abstand besitzen, den Kreis um mit Radius . In Koordinaten sieht die Definition folgendermaßen aus.


Es sei und . Dann nennt man die Menge

den Kreis (oder die Kreislinie oder die -Sphäre) mit dem Mittelpunkt und dem Radius .

Von Kreislinie spricht man, um zu betonen, dass man nicht den Vollkreis (die Kreisscheibe) meint, sondern nur den Rand. Alle Kreise sind wesensgleich, es kommt für die wichtigsten Eigenschaften des Kreises nicht auf den Mittelpunkt und nicht auf den Radius an. Von daher ist der Einheitskreis der einfachste Kreis, der alle Kreise repräsentiert.


Die Menge

heißt der Einheitskreis.


Der Einheitskreis besitzt dem Radius und den Mittelpunkt . Die trigonometrischen Funktionen Sinus und Kosinus werden in einem naiven Zugang am Einheitskreis definiert. Ein „Winkel“ am Nullpunkt (und von der positiven „-Achse“ aus „gegen den Uhrzeigersinn“ gemessen.) definiert eine vom Nullpunkt ausgehende „Halbgerade“ (oder „Strahl“). Da diese einen eindeutigen Durchstoßungspunkt mit der Einheitskreislinie besitzt, definiert der Winkel auch einen eindeutigen Punkt auf dem Einheitskreis. Dessen Koordinaten sind nach Definition gleich

d.h. die -Koordinate wird durch den Kosinus und die -Koordinate wird durch den Sinus angegeben. Dadurch sind einige wichtige Eigenschaften direkt klar:

  1. Es gilt
  2. Es ist und .
  3. Wenn der Winkel eine Vierteldrehung bezeichnet, so ist und .
  4. Es ist und . Dabei bezeichnet den an der -Achse gespiegelten Winkel.
  5. Die Werte von Sinus und Kosinus wiederholen sich nach einer Volldrehung.
Die Graphen von Kosinus und Sinus. Der qualitative Verlauf ist von der naiven Definition her klar. Mit der unten folgenden analytischen Definition über Reihen kann man die Funktionswerte beliebig genau ausrechnen. Für viele wichtige qualitative Eigenschaften wie die Periodizität mit der Periodenlänge muss man aber die analytische Definition genauer studieren.

Diese Definition der trigonometrischen Funktionen ist zwar intuitiv klar, sie ist aber in verschiedener Hinsicht unbefriedigend.

  1. Es ist nicht klar, wie der Winkel zu messen ist.
  2. Es gibt keinen analytischen „berechenbaren“ Ausdruck, wie zu einem gegebenen Winkel die Werte von Kosinus und Sinus berechnet werden müssen.
  3. Damit fehlt die Grundlage, um Gesetzmäßigkeiten dieser Funktionen zu beweisen.

Mit diesen Defiziten hängt auch zusammen, dass wir noch keine präzise Definition für die Kreiszahl haben. Diese ist bekanntlich gleich dem Kreisinhalt des Einheitskreises und gleich der Hälfte des Kreisumfanges. Doch sind sowohl der „Flächeninhalt ebener berandeter Gebiete“ als auch die „Länge von gebogenen Kurven“ problematische Begriffe. Von daher ist es in der höheren Mathematik sinnvoll, die Kreisfunktionen über ihre Potenzreihen einzuführen und nach und nach zu beweisen, dass sie die gewünschten Eigenschaften erfüllen. Sodann kann man auch die Kreiszahl über Eigenschaften dieser Funktionen einführen und letztlich den Winkel als Länge des zugehörigen Kreisbogens einführen, nachdem diese Länge exakt definiert wird.