Auf dem kompakten Intervall
um den Punkt
von der halben Länge
wählen wir die reellwertigen, stetigen Koeffizientenfunktionen
für
.
Dabei setzen wir für alle voraus. Dann betrachten wir den reellen Vektorraum mit den Verknüpfungen
.
Wir erklären nun den linearen Differentialoperator -ter Ordnung
(1)
Offenbar gilt die Linearitätsregel
(2)
für alle
und
.
Zu einer gegebenen rechten Seite wollen wir nun alle Lösungen von bestimmen. Zunächst berechnen wir alle Lösungen der homogenen Gleichung . Diese bilden – gemäß unserer nachfolgenden Untersuchungen – einen -dimensionalen Vektorraum
.
Wir bestimmen dann eine Lösung der inhomogenen Gleichung mittels Variation der Konstanten. Wir erhalten schließlich die Lösungsgesamtheit der inhomogenen Gleichung in der Form mit .
- Sei der Vektor gewählt, so sind die folgenden Aussagen äquivalent:
- 1. Die Funktion genügt dem Anfangswertproblem
für .
- 2. Die Funktion genügt dem System
- mit der Matrixfunktion
(3)
- und der Vektorfunktion
(4)
.
Wir beachten zunächst
(5)
Mit den Überlegungen zu Beginn von §8 erhalten wir für das folgende System
(6)
.
Hieraus ersehen wir sofort die Behauptung des Satzes.
q.e.d.
- Ein System von Lösungen der Differentialgleichung heißt Fundamentalsystem von , wenn die Funktionen im Intervall linear unabhängig sind. Letzteres bedeutet, dass aus der Identität
in mit Konstanten
- die Aussage folgt.
- Wir erklären die Wronskische Determinante des Systems durch
(7)
.
Ist ein System von Lösungen von im Intervall mit der Wronskischen Determinante . Dann genügt diese der Differentialgleichung
(8)
.
Somit ist in genau dann erfüllt, wenn in einem Punkt die Aussage richtig ist.
- Die Funktionen der Klasse seien Lösungen der Differentialgleichung in und sei beliebig gewählt.
- Dann ist ein Fundamentalsystem von \mathcal{L}(y) = 0</math> genau dann, wenn gilt.
„“ Wäre erfüllt, so existiert ein Vektor
mit der Eigenschaft
.
Dabei haben wir die Matrixfunktion
(9)
erklärt. Also löst das lineare Anfangswertproblem
(10)
Somit liefert der Eindeutigkeitssatz für Differentialgleichungssysteme
bzw.
für alle
.
Also ist kein Fundamentalsystem – im Widerspruch zur Voraussetzung!
„“ Wäre kein Fundamentalsystem, dann existiert ein Vektor mit der Eigenschaft
.
Eine -fache Differentiation liefert für alle die Gleichungen
.
Wir erhalten die Matrixidentität mit einem Vektor und es folgt – im Widerspruch zur Voraussetzung!
q.e.d.
- 1. Es gibt ein Fundamentalsystem der homogenen, linearen Differentialgleichung -ter Ordnung .
- 2. Jede Lösung von lässt sich in der Form
- mit gewissen Konstanten darstellen. Somit folgt
.
1. Mit der Matrixfunktion (3) lösen wir zu den Einheitsvektoren
für
die folgenden Anfangswertprobleme
(11)
mit
und
über den Satz 1 aus §7. Wir fassen dann diese Lösungen zu einer Matrixfunktion zusammen, welche das folgende Anfangswertproblem löst:
(12)
Wir definieren die ersten Komponentenfunktionen
(13)
für
,
welche gemäß Satz 1 die homogene Differentialgleichung lösen. Weiter bilden ein Fundamentalsystem von wegen Satz 2 und .
2. Wir hatten aus (12) die Fundamentallösung des homogenen Differentialgleichungssystems genannt, welches den Lösungsraum
besitzt. Ist nun eine beliebige Lösung von , so liegt die Funktion im Lösungsraum . Also gibt es nach Satz 2 aus §7 einen Vektor , so dass
(14)
und folglich
(15)
richtig ist.
q.e.d.
- Sei ein Fundamentalsystem der Differentialgleichung . Dann lässt sich die allgemeine Lösung der Differentialgleichung in der Form
(16)
- mit Konstanten darstellen. Dabei ist der Faktor
(17)
für
- durch die reduzierte Wronski-Determinante erklärt. Der erste Summand in (16) stellt die allgemeine Lösung der homogenen Gleichung dar und der zweite gibt eine partikuläre Lösung der inhomogenen Gleichung an.
Aus dem Fundamentalsystem bilden wir die Fundamentallösung
(18)
mit
.
Gemäß Satz 1 gilt genau dann, wenn die Funktion das System löst. Letzteres können wir vollständig mittels Satz 3 aus §7 über inhomogene Differentialgleichungssysteme lösen. Wir ermitteln jedoch direkt eine Lösung der inhomogenen Gleichung durch den Ansatz der Variation der Konstanten
(19)
mit
.
Damit erhalten wir
(20)
Dieses lineare Gleichungssystem lösen wir mit der Cramerschen Regel und erhalten
(21)
in
für . Hieraus folgt durch Integration die Behauptung.
q.e.d.
1. Das d'Alambertsche Verfahren der Reduktion der Ordnung
Haben wir bereits eine nullstellenfreie Lösung der homogenen Differentialgleichung mit gefunden, so leiten wir mit einem Produktansatz eine Differentialgleichung -ter Ordnung für deren Ableitung her. Hierzu berechnen wir zunächst
für
und ermitteln dann
(22)
Hierbei stellt einen linearen Differentialoperator -ter Ordnung angewandt auf die Funktion dar.
2. Wenn die Koeffizienten der Differentialgleichung lokal in Potenzreihen entwickelbar sind, ist auch die Lösung der Differentialgleichung als Potenzreihe darstellbar. Wir haben dann nur die Koeffizienten dieser Potenzreihe zu bestimmen, wenn wir einen Potenzreihenansatz machen.
Beispiel: Die Besselsche Differentialgleichung
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Die Untersuchung der Eigenschwingungen einer kreisförmigen Membran führt für die radiale Komponente der Schwingung auf die folgende Differentialgleichung
(23)
mit . Wir wollen eine Lösung für diese Differentialgleichung ermitteln. Hierzu setzen wir die Potenzreihe mit unbestimmten in (23) ein und erhalten
(24)
.
Mittels Koeffizientenvergleich ist diese Gleichung äquivalent zu
(25)
für
.
Wir erhalten die Rekursionsformel
(26)
für
.
Setzen wir , so folgt
(27)
für
,
während alle übrigen Koeffizienten der Potenzreihe verschwinden. Somit genügt die Funktion
(28)
der Besselschen Differentialgleichung (23), wobei beliebig ist.