Der Stadtplan.

1. Das alte Dresden.

Das System der alten deutschen Stadtanlage ergiebt sich mit ziemlicher Klarheit aus dem Plane (Taf. XI) selbst. In der Richtung der Brücke wurde die 10 — 15 m breite Strassenlinie Schlossstrasse -Seestrasse und an diese östlich der Altmarkt gelegt. Das Gelände westlich von jener Linie wurde in Grund- stücke von 100 Ellen = rund 60 m abgetheilt und diese durch 5 — 8 m breite Strassen von einander getrennt. Nur die Verkehrslinie zum Wilschen Thore steigt theilweise bis zu 12 m Breite. Mit gleichem Maasse trennte man die an den Altmarkt anstossenden Grundstücke. Nur dort, wo die Planung in das Gebiet des alten wendischen Dorfes um die Frauenkirche kam, wird ihre Linienführung schwankend.

Die Grundstücke wurden zunächst an ihrem etwa 60 m breiten Kopfe in drei bis vier Theile getheilt. Die vornehmsten Bauten des alten Dresden stehen in der Eegel am Kopfe dieser Grundstücke, deren Strassenbreite 10—16 m beträgt;


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nur vereinzelt kommen grössere Grundstücke vor. Dagegen scheinen die Kopf- grundstücke ursprünglich eine Tiefe von 40 — 50 m gehabt zu haben. Daraus ergiebt sich für die Bauten eine Richtung nach der Tiefe, so dass die Hoffacade zumeist 12 — 14 m von der Strassenflucht entfernt lag, das Wohnhaus also zu einer nahezu quadratischen Grundgestalt kam.

Im weiteren Verlaufe des Ausbaues der Stadt wurden die hinteren Grund- stücke zwischen je zwei der 60 m von einander entfernten Strassen in der Mitte getheilt und nun kleine Grundstücke von rund 30 m Tiefe längs dieser Strassen abgesondert. Nur in seltenen Fällen kam es zur Anlage der für Leipzig so wichtigen Durchhäuser. Man kann das Entstehen dieser dem gemeinsamen Er- werb zweier mit dem Eücken an einander stossender Grundstücke zuschreiben. Die Auftheilung des Stadtgebietes ergab also auch für diese Stadttheile schmale und tiefe Grundstücke.

Anders lagen die Verhältnisse in den beiden Vorstädten, der Frauenvorstadt und Altendresden, wo eine gleiche planmässige Anlage der Strassen fehlte und daher die Grundstücke sehr viel ungleichmässiger ausfielen. Das Ziel blieb aber auch hier die Auftheilung der Grundstücke nach den Strassen zu, so dass schmale Vorderhäuser auch hier die Regel blieben.

Die endgiltige Verlegung des Regierungssitzes nach Dresden, die unter Herzog Georg zur Thatsache wurde und im Bau des Georgenhauses ihren Aus- druck fand, machte sich in der Zunahme der Bevölkerung geltend.

Dr. Richter nimmt an, dass um 1400 die Einwohnerzahl der eigentlichen Stadt Dresden 3750 betragen habe, dass sie während der Hussitenkriege auf 2600 gefallen, dann wieder herangewachsen sei und um 1490 den alten Stand erreicht habe. Um 1500 fiel sie wieder nach dem grossen Stadtbrande auf 2560 herab. Dazu kamen die Vorstädte und Altendresden, so dass die Gesammtzahl der Dresdner um 1490 etwa 5900, um 1500 4500 betragen haben dürfte. Weiter berechnet er die Zahl der Einwohner der ganzen Stadt für 1546 mit 6500, für 1588 mit 11,500 und stellt sie für 1603 fest mit 14,793.

Im 16. Jahrhundert wuchs die Stadtbevölkerung also um 10,240 Köpfe oder um rund 225 Procent.

Dieses ausserordentliche Wachsthum machte sich natürlich im Bauwesen be- merkbar. Die Baupolizei übte der Rath durch das Mitglied aus, das das Bau- amt verwaltete und daher Baumeister oder Bauherr hiess. Diesem stand der Rathsmaurermeister als Sachverständiger zur Seite. Die Kurfürsten, namentlich August, griffen aber vielfach unmittelbar in das Bauwesen ein, und zwar in dem Sinne, dass die Residenz sich auch ihrer Würde gemäss ausgestalten solle. Die Willkür von 1559 regelte das Nachbarrecht in umsichtiger Weise und sorgte für die Reinhaltung der Strassen.

Schon 1554 ertheilte Kurfürst August dem Rathe der Stadt einen Verweis, dass er bei der wachsenden Baulust nicht genügend Ziegel und Kalk brenne, und beorderte Melchior Hauffe, aus den kurfürstlichen Brennereien Material zu verkaufen.

Die wachsende Baulust führte zu immer stärkerer Ausnutzung des Grund und Bodens der inneren Stadt. 1453 befanden sich in diesem Gebiete 424 Häuser, 1546 (nach Hinzuziehung der Frauenvorstadt) 489 Häuser, 1588 deren 782, 1641,


Friedriclistadt. Neustadt.


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gegen Ende des 30jährigen Krieges, zählte man 773 Häuser. Mit den Vorstädten zählte die ganze Stadt 1588 1532 Häuser, 1641 sogar 1790 Häuser, ausser dass deren 641 wüst lagen. Man kann also die Gesammtzahl bei Beginn des Krieges auf 2400 Häuser schätzen. Diese hatten nur entstehen können durch stärkere Aus- nutzung des Hinterlandes und durch stärkere Auftheilung der alten Grundstücke.

Die neue Moritzstrasse, die um 1550 mit einer Breite von 17 m gegen den Neumarkt und 15 m gegen das Kreuzthor zu geradlinig angelegt wurde und die dabei sich vollziehende Umgestaltung der Südseite der Landhausstrasse bot neues Bauland von geringerer Tiefe. Man theilte hier Grundstücke von 22, 26, bis 30 m Strassenfront ab, ja suchte den Bau grosser Häuser thunlichst zu befördern. Das frühere nördliche Eckhaus Moritzstrasse Nr. 1 am Neumarkt wurde vom Mälzer Gregor Schuster erbaut, der das Grundstück von rund 32 und 40 m Front von Hans von Dehn erkaufte, ein „Muster" sich hatte malen lassen und dieses dem Kurfürsten vorlegte. Da dieser Bau der Stadt und der ganzen Gasse ein „sonderlich Zier" zu werden versprach, befahl am 10. Januar 1566 Kurfürst August dem Melchior Hauffe, Ziegel und Kalk für Schuster brennen und zwei Oefen ihm kostenlos zu übeilassen (Hauptstaatsarchiv Cop. 326, Bl. 244). An diesem Beispiel sieht man, in welcher Weise der Staat in das städtische Bauwesen eingriff.

Das 17. Jahrhundert und der grosse Krieg unterbrach diese Bauthätigkeit. Neue Strassenanlagen wurden nicht nöthig.

2. Die Friedrichstadt.

Der Stadttheil entstand nach dem Bau der steinernen Brücke über die Weisseritz (1645—1647) infolge eines kurfürstlichen Patentes von 1670, das zum Bau von Häusern aufforderte. Als erster meldete sich der Dresdner Maurer Georg Wolf. Am Wege nach Ostra war schon angesiedelt der Hausmarschall und Kammerjunker von Klengel, der wohl als der Schöpfer des Bebauungs- planes gelten kann. 1681 hatten dort unter anderen Plätze: Oberst von Klengel, Oberlandbaumeister Starke, Landbaumeister Schumann. Seit 1723 entstanden die Schäfer- und Weisseritzstrasse. Steinerne Häuser zu bauen war nicht gestattet. Erst seit 1734 wurde zugelassen, dass das Erdgeschoss in Stein gebaut werde. 1765 zählte die Friedrichstadt 150 Baustellen

Die Strassenzüge sind durchaus rechtwinklig und ohne höhere künstlerische Absicht angeordnet.

Vergl. Karl Gautsch, die Gründung und Entstehung von Friedrichstadt- Dresden. 1875.

3. Die Neustadt.

Durch den Brand von 1685 wurde Altendresden fast ganz zerstört. Es blieben nur 21 Häuser am südlichen Rande der Stadt stehen.

Dies gab Veranlassung zur Aufstellung der Bebauungspläne, denen die jetzige Neustadt ihre Strassenführung verdankt. Mit der Planung trat August der Starke unmittelbar nach seinem Begierungsantritte hervor.

Zunächst wTurde die Hauptstrasse angelegt, die bei einer Länge von 540 m gegen Süden durch das 1737 begonnene Blockhaus und im Norden durch das Schwarze Thor seinen Abschluss fand. Der alte Marktplatz bildet den Ausgangs-


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punkt, er erhielt aber durch die Anlage der Rasernenstrasse und die Ausgleichung der Ost- und Westseite eine symmetrische Ausgestaltung.

Die Planung der Strasse ist in hohem Grade bemerkenswerth. Sie wurde nicht, wie wohl möglich, in die Achse der Brücke gelegt, da von vornherein die Absicht bestand, ihr im Blockhause einen monumentalen Abschluss zu geben. Um für diesen den Anblick gleich vom Thore aus zu öffnen, wurden die Strassen- wände nicht parallel gelegt, sondern die Strasse derart nach Norden verengt, dass sie von 52 m Breite beim Eintritt in den Altstädter Markt auf 32 m am Schwarzen Thore herabgeht. Damit war es auch möglich, die mit abgebrannte, jedoch 1688 wieder benutzte Dreikönigskirche (siehe S. 121) einstweilen beim Bau der Strasse unberührt zu lassen. Ebenso das Altdresdner Rathhaus (siehe S. 615), das nach Erbauung des neuen Bathhauses 1750 — 54 abgebrochen wurde, nachdem schon 1732 die Kirche entfernt worden war. Damit hängt zusammen, dass nunmehr durch Rescript vom 7. März 1732 Altendresden „Neustadt" benannt wurde. Durch die Aufstellung des Reiterdenkmals (1736), der Brunnen auf dem Markte (1742) und die Fertigstellung der den Markt umgebenden Baulichkeiten, namentlich als letzten Gliedes des neuen Rathhauses, wurde der Plan zum Abschluss gebracht.

Die Hauptstrasse wurde 1736 völlig geebnet und die vorher schon hinter der Kirche befindliche vierfache Lindenallee bis an den Markt herangeführt. 1750 erhielt sie Laternen. Die zwei Wasserhäuschen (siehe S. 627) wurden angelegt, die das Bild der Strasse ausserordentlich belebten, aber leider 1895 abgebrochen wurden. Mit der Aufhebung der Festungswerke wurde die Strasse ihres nördlichen Abschlusses und damit eines weiteren Theiles ihrer Reize beraubt.

Einen zweiten Abschnitt der Planung bildet die Königs Strasse. Sie begann seit der Anlage des Holländischen Palais, namentlich seitdem dieses an den König übergegangen war. Die ersten Entwürfe dürften von 1725 stammen. Es handelte sich um die Anlage eines Platzes zwischen dem Japanischen Palais, den alten Grundstücken der Stadt und den weiter hinausgerückten Festungswerken und um Fortführung der Achse gegen Nordosten. Die Strasse erhielt bei 380 m Länge ca. 30 m Breite. Für den Bau der anliegenden Häuser wurde ein Regu- lativ herausgegeben, nach dem diese einheitlich zwei Geschoss hoch geschaffen werden mussten. Eine doppelte Lindenallee schmückte sie. Die anliegenden Bauten entstanden in rascher Folge seit etwa 1732.

Zu dem beabsichtigten Abschlüsse des nordöstlichen Endes der Strasse durch ein Denkmal kam es nicht.