Kurs:Gewöhnliche Differentialgleichungen/4.0 Einführung

Runge-Kutta Verfahren

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Runge-Kutta Verfahren (RKV) sind spezielle Einschrittverfahren, die durch ihre Struktur eine höhere Konsistenzordnung und damit eine höhere Genauigkeit der numerischen Lösung ermöglichen. Diese Verfahren wurden vom deutschen Mathematiker Wilhelm Kutta 1901 auf Basis eines Artikels von Carl Runge aus dem Jahre 1895 entwickelt.

Betrachten wir die Gleichung  , so wird die höhere Konsistenzordnung der Runge-Kutta-Verfahren durch die höhere Anzahl von Funktionsauswertungen der Funktion   (rechte Seite der Gleichung) an den Stellen zwischen   und   erreicht. Die Zwischenstellen   nennen wir Stufen, oder Stützstellen, wobei   und   die Schrittweite ist.

In den bislang studierten ESV, wie das Eulerverfahren, Trapezregel, Mittelpunktregel (in expliziter oder impliziter Form), wurde in jedem Schritt ein bis zwei Auswertungen von   an den Stellen   oder   verwendet. In den RKV wird die Anzahl der Stützstellen erhöht und ihre Lage entsprechend bestimmt, damit eine möglichst hohe Konsistenzordnung erreicht werden kann. Die bisher bekannten ESV können als die einfachsten Runge-Kutta Verfahren einordnet werden.



Definition 4.1 (Runge-Kutta Verfahren).

Sei   die Anzahl von Stufen/Stützstellen,   die Koeffizientenmatrix mit Einträgen  , sei   Vektor der Gewichte und   Vektor der Stützstellen.
Das Verfahren mit der Vorschrift   heißt s-stufiges Runge-Kutta Verfahren.


Die Runge-Kutta Verfahren können schematisch auch im sog. Butcher-Tableau angegeben werden:

 

oder kurz

 


 .


Beispiel 4.1.

Die Funktionsauswertung   eines RKV für   ist   wobei   die zweite Zeile der Matrix   ist und    

Der neue Wert der numerischen Lösung nach einem Schritt des RKV (auch Runge-Kutta Update genannt) berechnet sich nach (4.2) als   Der Vergleich dieser Gleichung mit der Volterra’schen Integralgleichung (2.1) auf dem Intervall  ,   führt zu folgenden Überlegungen: Ersetzt man das Integral   sinnvol durch eine Summe, sodass   so wird eine Quadratur von   angewendet, um den neuen Wert   zu berechnen. Dabei sind   die   Knoten dieser Quadratur an den Stützstellen   (vergleiche (4.1)) und   die Gewichte der Quadratur. Ein RKV zu konstruieren bedeutet daher, eine geeignete Quadratur des Integrals   zu finden. Bei den einfachsten RKV (dabei handelt es sich um die im 3. Kapitel vorgestellten Einschrittverfahren) handelt es sich um die Anwendung von Quadraturen, wie beispielsweise die Rechteck-, Mittelpunkt- und Trapezregel für das Integral   (siehe Bemerkung 3.1 Punkt iii) und Abbildungen 3.1, 3.2, 3.3, 3.4). Das Butcher-Tableau kann wie folgt interpretiert werden: Der Vektor   beschreibt die Stützstellen und der Vektor   die Gewichte der zugehörigen Quadratur von   auf dem Intervall  . Die Matrix   spiegelt in gewissem Sinne die Differentialgleichung zurück. Dies kann wie folgt begründet werden:
Nach der Definition der Runge-Kutta Verfahren, siehe (4.1), und mithilfe der Differentiagleichung   kann darauf geschlossen werden, dass die   die Ableitungen der gesuchten Funktion an den Stützstellen   approximieren, sodass mit   und   - fest,  

gilt. Da die Matrix   zur Berechnung von   dient, spiegelt diese automatisch die Differentialgleichung in oben beschriebenem Sinne zurück.

Anhand der Matrix   kann zwischen expliziten und impliziten RK- Verfahren unterscheiden werden:


  • Explizite Runge-Kutta Verfahren (eRKV):

Ist die Matrix   eine untere Dreiecksmatrix, handelt es sich um explizite RKV. Hierbei werden in jedem Schrit   für die Berechnung von   immer nur die vorher berechneten   verwendet. In diesem Fall kann man   durch das Einsetzen explizit berechnen als  


  • Implizite Runge-Kutta Verfahren (iRKV):

Ist die Matrix   eine voll besetzte Matrix, so hängen   für jedes   im Allgemeinem von allen   ab. Die Berechnung von   erfolgt dann durch die Lösung eines (linearen oder ggf. nichlinearen) Systems von Gleichungen. In diesem Fall ist die Berechnung von   einfacher oder kostengünstiger, wenn   eine Dreiecksmatrix ist. Man unterscheidet in diesem Fall zwischen:

    • DIRK-Verfahren: ’diagonal implizit RK -Verfahren’:

Matrix   ist eine Dreiecksmatrix mit  ,

    • SDIRK-Verfahren: ’simply diagonal implizit RK -Verfahren’:

Matrix   ist eine Dreiecksmatrix mit   ist eine Einheitsmatrix,

    • SIRK-Verfahren ’simply implizit RK -Verfahren’:

Matrix   ist eine vollbesetzte Matrix, wobei   und die obere Dreiecksmatrix besteht auch aus  ’s.


Nun geben wir einige konkrete Beispiele von Runge-Kutta Verfahren an:
Explizites Eulerverfahren,  :

 


 
Implizites Eulerverfahren,  :

 


 
Verbessertes Eulerverfahren (explizite Mittelpunktregel),  :

 


 

Klassisches Runge-Kutta Verfahren,  :

 


 

 - Regel,  :

 


 


Zwei weitere explizite 3-stufige RKV sind durch folgende Butcher-Tableaus gegeben:

Verfahren von Heun,   (1900):  3-stufiges eRKV