Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)/Teil II/Vorlesung 31/latex

\setcounter{section}{31}

In den folgenden Vorlesungen ewrden wir uns mit \stichwort {linearer Algebra} {} beschäftigen. Sie ist uns bereits im ersten Semester im Rahmen der Proportionalität und der linearen Funktionen begegnet. In der linearen Algebra wird stets ein Körper $K$ zugrunde gelegt, wobei man dabei grundsätzlich an die rationalen Zahlen $\Q$ denken kann.






\zwischenueberschrift{Lineare Gleichungen}

Die \anfuehrung{Mutter aller linearen Gleichungssysteme}{} ist eine einzige lineare Gleichung in einer Variablen der Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ax }
{ =} {b }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit gegebenen Elementen
\mathl{a,b}{} aus einem Körper $K$ und gesuchtem $x$. Schon hier zeigen sich drei Möglichkeiten, wie die Lösung aussehen kann. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} kann man die Gleichung mit dem Inversen von $a$ in $K$, also mit $a^{-1}$, multiplizieren und erhält als eindeutige Lösung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x }
{ =} { ba^{-1} }
{ =} { { \frac{ b }{ a } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Rechnerisch kann man also die Lösung erhalten, wenn man inverse Elemente bestimmen und mit ihnen multiplizieren kann. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ = }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} hängt das Lösungsverhalten von $b$ ab. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{b }
{ = }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist jedes
\mathl{x \in K}{} eine Lösung, bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{b }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es keine Lösung.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a_1 , \ldots , a_n }
{ \in }{ K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann nennt man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ a_1x_1 +a_2x_2 + \cdots + a_nx_n }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine \zusatzklammer {homogene} {} {} \definitionswort {lineare Gleichung}{} in den Variablen
\mathl{x_1 , \ldots , x_n}{} zu den Koeffizienten
\mathbed {a_j} {}
{j=1 , \ldots , n} {}
{} {} {} {.} Ein Tupel\zusatzfussnote {Der $K^n$ ist der $n$-fache Produktraum von $K$ mit sich selbst. Lösungstupel werden wir häufig einfach auch mit
\mathl{\left( x_1 , \, \ldots , \, x_n \right)}{} bezeichnen} {.} {}
\mathl{( \xi_1 , \ldots , \xi_n) \in K^n}{} heißt \definitionswort {Lösung der linearen Gleichung}{,} wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \sum_{j = 1}^n a_j\xi_j }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist.

Wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein weiteres Element ist, so heißt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ a_1x_1 +a_2x_2 + \cdots + a_nx_n }
{ =} { c }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine \definitionswort {inhomogene lineare Gleichung}{} und ein Tupel
\mathl{( \zeta_1 , \ldots , \zeta_n) \in K^n}{} heißt \definitionswort {Lösung der inhomogenen linearen Gleichung}{,} wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \sum_{j = 1}^n a_j \zeta_j }
{ = }{ c }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist.

}




\inputbeispiel{}
{

Lucy Sonnenschein befindet sich an einem Obststand und möchte für $10$ Euro Obst kaufen. Dabei kosten \zusatzklammer {jeweils pro hundert Gramm} {} {} die Kirschen $0{,}50$ Euro, die Heidelbeeren $1{,}20$ Euro, die Himbeeren $0{,}90$ Euro und die Trauben $0{,}60$ Euro. Ein Einkauf wird durch ein Tupel
\mathl{(x,y,z,w)}{} repräsentiert, wobei sich die einzelnen Zahlen auf die gekaufte Menge \zusatzklammer {in hundert Gramm} {} {} der Obstsorten bezieht. Der Einkaufspreis ist somit
\mathdisp {0{,}5 \cdot x +1{,}2 \cdot y+ 0{,}9 \cdot z+0{,}6 \cdot w} { }
und die Bedingung, genau $10$ Euro auszugeben, führt auf die Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{0{,}5 \cdot x +1{,}2 \cdot y+ 0{,}9 \cdot z+0{,}6 \cdot w }
{ =} { 10 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bzw. in Brüchen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ 1 }{ 2 } } \cdot x + { \frac{ 6 }{ 5 } } \cdot y+ { \frac{ 9 }{ 10 } } \cdot z+ { \frac{ 3 }{ 5 } } \cdot w }
{ =} { 10 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Es gibt hier sehr viele Lösungen. Sie kann beispielsweise nur Kirschen kaufen, dann wären das $20$ Einheiten von den Kirschen und $0$ von den anderen Sorten. Als Tupel geschrieben ist diese Lösung
\mathl{(20,0,0,0)}{.} Oder sie könnte für jede Sorte gleich viel, nämlich
\mathl{2{,}50}{} Euro, ausgeben wollen, das würde das Lösungstupel
\mathl{\left( 5 , \, { \frac{ 25 }{ 12 } } , \, { \frac{ 25 }{ 9 } } , \, { \frac{ 25 }{ 6 } } \right)}{} ergeben. Oder sie möchte von jeder Sorte gleich viel kaufen. Dann wäre
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ = }{y }
{ = }{z }
{ = }{w }
{ }{ }
} {}{}{} und es ergibt sich die Bedingung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( { \frac{ 1 }{ 2 } } + { \frac{ 6 }{ 5 } } + { \frac{ 9 }{ 10 } } + { \frac{ 3 }{ 5 } } \right) } x }
{ =} { { \frac{ 32 }{ 10 } } x }
{ =} { 10 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x }
{ =} { { \frac{ 100 }{ 32 } } }
{ =} { { \frac{ 25 }{ 8 } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und das Lösungstupel
\mathl{\left( { \frac{ 25 }{ 8 } } , \, { \frac{ 25 }{ 8 } } , \, { \frac{ 25 }{ 8 } } , \, { \frac{ 25 }{ 8 } } \right)}{.} Die entscheidende Beobachtung an der Situation ist, dass man sich \zusatzklammer {zumindest, wenn man auch negative Zahlen zulässt} {} {}
\mathl{(x,y,z)}{} frei vorgeben darf und dass dadurch der Wert $w$ über
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ w }
{ =} { { \frac{ 5 }{ 3 } } { \left( 10 - { \frac{ 1 }{ 2 } } \cdot x + { \frac{ 6 }{ 5 } } \cdot y+ { \frac{ 9 }{ 10 } } \cdot z \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bestimmt ist.


}





\inputfaktbeweis
{Lineare Gleichung/Bijektion/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{a_1x_1 +a_2x_2 + \cdots + a_nx_n }
{ =} { c }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {lineare Gleichung}{}{} über $K$ in den Variablen
\mathl{x_1 , \ldots , x_n}{.}}
\faktvoraussetzung {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a_1 }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann steht die Lösungsmenge $L$ der Gleichung in einer natürlichen Bijektion zum
\mathl{K^{n-1}}{,} und zwar über die Abbildungen \maabbeledisp {} {L} { K^{n-1} } { \left( x_1 , \, x_2 , \, \ldots , \, x_n \right) } { \left( x_2 , \, \ldots , \, x_n \right) } {,} und \maabbeledisp {} {K^{n-1}} {L } { \left( x_2 , \, \ldots , \, x_n \right) } { \left( { \frac{ 1 }{ a_1 } } { \left( c- a_2x_2 - \cdots - a_nx_n \right) } , \, x_2 , \, \ldots , \, x_n \right) } {.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wenn
\mathl{\left( x_2 , \, \ldots , \, x_n \right)}{} fixiert ist, so gibt es genau eine Möglichkeit für $x_1$, die lineare Gleichung zu erfüllen, nämlich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_1 }
{ =} { { \frac{ 1 }{ a_1 } } { \left( c- a_2x_2 - \cdots - a_nx_n \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

}


Eine entsprechende Aussage gilt an jeder Stelle mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a_i }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} die übrigen Einträge legen dann $x_i$ fest. Die Lösungsmenge notiert man als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{L }
{ =} { { \left\{ \left( { \frac{ 1 }{ a_1 } } { \left( c- a_2x_2 - \cdots - a_nx_n \right) } , \, x_2 , \, \ldots , \, x_n \right) \mid x_2 , \ldots , x_n \in K \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}






\zwischenueberschrift{Lineare Gleichungssysteme}

Bei einem linearen Gleichungssystem gibt es mehrere lineare Gleichungen in einer gegebenen Menge von Variablen, die gleichzeitig erfüllt werden sollen. Wir beginnen mit drei einführenden Beispielen.




\inputbeispiel{}
{

Lucy Sonnenschein befindet sich an einem Obststand und möchte für $10$ Euro Obst kaufen. Gleichzeitig möchte sie, dass das Obst genau $30$ Milligramm Vitamin C enthält. Die Kirschen kosten \zusatzklammer {jeweils pro hundert Gramm} {} {} $0{,}50$ Euro und besitzen $3$ Milligramm Vitamin C, die Heidelbeeren kosten $1{,}20$ Euro und besitzen $5$ Milligramm Vitamin C, die Himbeeren kosten $0{,}90$ Euro und besitzen $2$ Milligramm Vitamin C und die Trauben kosten $0{,}60$ Euro und besitzen $4$ Milligramm Vitamin C. Ein Einkauf wird durch ein Tupel
\mathl{(x,y,z,w)}{} repräsentiert, wobei sich die einzelnen Zahlen auf die gekauften Mengen \zusatzklammer {in hundert Gramm} {} {} der Obstsorten beziehen. Die Geldbedingung führt auf die lineare Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ 1 }{ 2 } } \cdot x + { \frac{ 6 }{ 5 } } \cdot y+ { \frac{ 9 }{ 10 } } \cdot z+ { \frac{ 3 }{ 5 } } \cdot w }
{ =} { 10 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und die Vitaminbedingung führt auf die lineare Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ 3 \cdot x + 5 \cdot y+ 2 \cdot z+ 4 \cdot w }
{ =} { 30 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Beide Bedingungen sollen simultan erfüllt sein, gesucht sind also die Tupel
\mathl{(x,y,z,w)}{,} die beide linearen Gleichungen erfüllen.


}




\inputbeispiel{}
{

Mustafa Müller und Heinz Ngolo sind im Fanshop von Borussia Dortmund. Mustafa zahlt für sieben Wimpel und fünf Aufnäher zusammen 46 Euro und Heinz zahlt für vier Wimpel und sechs Aufnäher zusammen $42$ Euro. Wie viel kostet ein Wimpel und wie viel kostet ein Aufnäher? Dies führt zu einem linearen Gleichungssystem mit zwei Variablen und zwei Gleichungen, die beiden Unbekannten sind die Preise für einen Wimpel \zusatzklammer {sagen wir $x$} {} {} und einen Aufnäher \zusatzklammer {sagen wir $y$} {} {.} Mustafas Rechnung führt auf die Bedingung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ 7 x + 5 y }
{ =} {46 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und Heinz' Rechnung führt auf die Bedingung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ 4 x + 6 y }
{ =} {42 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}




\inputbeispiel{ }
{






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Mulled-wine-3.jpg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Mulled-wine-3.jpg } {} {Loyna} {Commons} {CC-by-sa 2.5} {}

An einem Stand auf dem Weihnachtsmarkt gibt es drei verschiedene Glühweintöpfe. Alle drei beinhalten die Zutaten Zimt, Gewürznelken, Rotwein und Zucker, allerdings mit unterschiedlichen Anteilen. Die Zusammensetzung der einzelnen Glühweine ist
\mathdisp {G_1 = \begin{pmatrix} 1 \\2\\ 11\\2 \end{pmatrix} , \, G_2 = \begin{pmatrix} 2 \\2\\ 12\\3 \end{pmatrix} , \, G_3 = \begin{pmatrix} 3 \\1\\ 20\\7 \end{pmatrix}} { . }
Jeder Glühwein wird also repräsentiert durch ein Vierertupel, deren einzelne Einträge für die Anteile an den Zutaten stehen. Die Menge aller \zusatzklammer {möglichen} {} {} Glühweine bilden einen Vektorraum \zusatzklammer {diesen Begriff werden wir in einer der nächsten Vorlesungen einführen} {} {,} und die drei konkreten Glühweine sind drei Vektoren in diesem Raum.

Nehmen wir an, dass keiner dieser drei Glühweine genau den gewünschten Geschmack trifft und dass der Wunschglühwein die Zusammensetzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{W }
{ =} { \begin{pmatrix} 1 \\2\\ 20\\5 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} hat. Gibt es eine Möglichkeit, den Wunschglühwein durch Zusammenschütten der vorgegebenen Glühweine zu erhalten? Gibt es also Zahlen\zusatzfussnote {Sinnvoll interpretierbar sind in diesem Beispiel nur positive Zahlen, da man schwerlich aus einem Glühweingemisch die einzelnen verwendeten Glühweinsorten wieder herausziehen kann. In der linearen Algebra spielt sich aber alles über einem Körper ab, sodass wir auch negative Zahlen zulassen} {.} {}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a,b,c }
{ \in }{ \Q }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ a \begin{pmatrix} 1 \\2\\ 11\\2 \end{pmatrix} + b \begin{pmatrix} 2 \\2\\ 12\\3 \end{pmatrix} + c \begin{pmatrix} 3 \\1\\ 20\\7 \end{pmatrix} }
{ =} { \begin{pmatrix} 1 \\2\\ 20\\5 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt? Hinter dieser einen vektoriellen Gleichung liegen vier einzelne Gleichungen in den \anfuehrung{Variablen}{} $a,b,c$, wobei die Gleichungen sich aus den Zeilen ergeben. Wann gibt es eine solche Lösung, wann keine, wann mehrere? Das sind typische Fragen der linearen Algebra.


}

Wir kommen zur allgemeinen Definition eines linearen Gleichungssystems.


\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a_{ij} }
{ \in }{ K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für \mathkor {} {1 \leq i \leq m} {und} {1 \leq j \leq n} {.} Dann nennt man
\mathdisp {\begin{matrix} a _{ 1 1 } x _1 + a _{ 1 2 } x _2 + \cdots + a _{ 1 n } x _{ n } & = & 0 \\ a _{ 2 1 } x _1 + a _{ 2 2 } x _2 + \cdots + a _{ 2 n } x _{ n } & = & 0 \\ \vdots & \vdots & \vdots \\ a _{ m 1 } x _1 + a _{ m 2 } x _2 + \cdots + a _{ m n } x _{ n } & = & 0 \end{matrix}} { }
ein \zusatzklammer {homogenes} {} {} \definitionswort {lineares Gleichungssystem}{} in den Variablen
\mathl{x_1 , \ldots , x_n}{.} Ein Tupel
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ ( \xi_1 , \ldots , \xi_n) }
{ \in }{ K^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} heißt \definitionswort {Lösung des linearen Gleichungssystems}{,} wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \sum_{j = 1}^n a_{ij } \xi_j }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{i }
{ = }{1 , \ldots , m }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist.

Wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ (c_1 , \ldots , c_m) }
{ \in }{ K^m }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} beliebig\zusatzfussnote {Ein solcher Vektor heißt manchmal ein \stichwort {Störvektor} {} des Systems} {.} {} ist, so heißt
\mathdisp {\begin{matrix} a _{ 1 1 } x _1 + a _{ 1 2 } x _2 + \cdots + a _{ 1 n } x _{ n } & = & c_1 \\ a _{ 2 1 } x _1 + a _{ 2 2 } x _2 + \cdots + a _{ 2 n } x _{ n } & = & c_2 \\ \vdots & \vdots & \vdots \\ a _{ m 1 } x _1 + a _{ m 2 } x _2 + \cdots + a _{ m n } x _{ n } & = & c_m \end{matrix}} { }
ein \definitionswort {inhomogenes lineares Gleichungssystem}{} und ein Tupel
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ ( \zeta_1 , \ldots , \zeta_n) }
{ \in }{ K^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} heißt \definitionswort {Lösung des inhomogenen linearen Gleichungssystems}{,} wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\sum_{j = 1}^n a_{ij} \zeta_j }
{ = }{ c_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle $i$ ist.

}

Die Menge aller Lösungen eines linearen Gleichungssystems heißt die \stichwort {Lösungsmenge} {.} Im homogenen Fall spricht man auch vom \stichwort {Lösungsraum} {,} da es sich in der Tat, wie wir in einer der nächsten Vorlesungen sehen werden, um einen Vektorraum handelt.

Ein homogenes lineares Gleichungssystem besitzt immer die sogenannte \stichwort {triviale Lösung} {}
\mathl{0=(0 , \ldots , 0)}{.} Ein inhomogenes Gleichungssystem braucht nicht unbedingt eine Lösung zu haben. Beispielsweise ist das durch die beiden Gleichungen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{3x }
{ =} {7 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{5x }
{ =} {8 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} in der einen Variablen $x$ gegebene System offenbar nicht lösbar. Grundsätzlich kann auch eine Gleichung der Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{0 }
{ =} {1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} auftreten, wenn sämtliche Koeffizienten der Gleichung $0$ sind und die Störkomponente nicht $0$ ist. In diesem Fall gibt es keine Lösung.

Zu einem inhomogenen linearen Gleichungssystem heißt das homogene System, das entsteht, wenn man den Stör\-vektor gleich $0$ setzt, das \stichwort {zugehörige homogene System} {.}






\inputbemerkung
{}
{

Gelegentlich ist ein lineares Gleichungssystem nicht in der Form gegeben, dass die Variablen nur auf einer Seite der Gleichungen auftauchen, wie beispielsweise bei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{3x-4+5y }
{ =} {8z+7x }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{2-4x+z }
{ =} { 2y+3x+6 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{4z-3x +2x +3 }
{ =} { 5x-11y+2z-8 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} In diesem Fall muss man das System zuerst durch einfache Additionen und Zusammenfassen der Koeffizienten in jeder einzelnen Gleichung in die Standardgestalt bringen.

}






\zwischenueberschrift{Lösungsverfahren für zwei Gleichungen in zwei Variablen}

In der nächsten Vorlesung werden wir ein allgemeines Lösungsverfahren für lineare Gleichungssysteme kennen lernen, das \stichwort {Eliminationsverfahren} {.} Für eine Gleichung in beliebig vielen Variablen haben wir ein Lösungsverfahren bereits in Lemma 31.3 gesehen. Die grundlegende Beobachtung für jedes Lösungsverfahren für ein lineares Gleichungssystem ist, dass wenn
\mathl{(x_1 , \ldots , x_n)}{} die beiden Gleichungen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{a_1x_1 + \cdots + a_nx_n }
{ =} {c }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{b_1x_1 + \cdots + b_nx_n }
{ =} {d }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} erfüllt, dass dieses Tupel dann auch die Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ (a_1+ b_1)x_1 + \cdots + (a_n+ b_n)x_n }
{ =} {c+d }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} erfüllt. Das bedeutet, dass man die Gleichungen umformen kann mit dem Ziel, ein vereinfachtes System zu finden, aus dem man die Lösungen direkt ablesen kann.

Hier besprechen wir den Fall von zwei linearen Gleichungen in zwei Variablen.




\inputbeispiel{}
{

Wir knüpfen an Beispiel 31.5 an, d.h. wir möchten das lineare Gleichungssystem
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ 7 x + 5 y }
{ =} {46 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ 4 x + 6 y }
{ =} {42 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} lösen. Wir wollen geeignete Vielfache der beiden Gleichungen miteinander addieren mit dem Ziel, dass in der Summe eine Variable herausfällt. Man kann beispielsweise das Vierfache der ersten Gleichung mit dem $-7$-fachen der zweiten Gleichung addieren. Diese Vielfachengleichungen sind
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{28x+ 20y }
{ =} { 184 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bzw.
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{-28 x -42 y }
{ =} {- 294 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wenn man diese beiden Gleichungen addiert, so erhält man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{-22 y }
{ =} { -110 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und damit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y }
{ =} {5 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Somit kennt man den Preis für einen Aufnäher. Diese Information kann man mit einer der Ausgangsgleichungen weiter verarbeiten. Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{7x + 5 \cdot 5 }
{ =} { 46 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und somit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{7x }
{ =} { 46-25 }
{ =} { 21 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x }
{ =} {3 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}




\inputverfahren{}
{

Es sei ein lineares Gleichungssystem über dem Körper $K$ mit zwei Gleichungen in den zwei Variablen \mathkor {} {x} {und} {y} {} gegeben, d.h. es soll
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ax+by }
{ =} { e }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{cx+dy }
{ =} {f }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit vorgegebenen Zahlen
\mathl{a,b,c,d,e,f \in K}{} simultan gelöst werden. Wenn
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{a }
{ =} {c }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist, so kommt die Variable $x$ gar nicht explizit vor und es liegt somit im Prinzip ein Gleichungssystem mit zwei Gleichungen in der einen Variablen $y$ vor. In diesem Extremfall hängt die Lösbarkeit und die Lösungen von
\mathl{b,d,e,f}{} ab, insbesondere davon, ob diese Zahlen gleich $0$ oder nicht gleich $0$ sind. Betrachten wir also den Fall, wo
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. Wenn man zur zweiten Gleichung das
\mathl{- { \frac{ c }{ a } }}{-}fache der ersten Gleichung hinzuaddiert \zusatzklammer {also das
\mathl{{ \frac{ c }{ a } }}{-}fache abzieht} {} {,} so ergibt sich die neue Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ cx+dy - { \frac{ c }{ a } }( ax +by ) }
{ =} { { \left( d - { \frac{ c }{ a } } b \right) } y }
{ =} { f - { \frac{ c }{ a } } e }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Eine Lösung des Ausgangssystems muss auch eine Lösung des neuen Gleichungssystems \zusatzklammer {und umgekehrt} {} {} sein, das aus der ersten Gleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ax+by }
{ =} { e }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und der neuen Gleichung \zusatzklammer {mit neuen Buchstaben für die neuen Koeffizienten} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ry }
{ =} {s }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} besteht. In dieser zweiten Gleichung kommt nur $y$ als Variable vor, entscheidend ist, ob $r$ gleich oder nicht gleich $0$ ist \zusatzklammer {da sich der neue Koeffizient durch eine Rechnung ergibt, ist nicht von vornherein klar, welcher Fall eintreten wird} {} {.} Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{r }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {dies ist der \anfuehrung{Normalfall}{}} {} {} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y }
{ =} { { \frac{ s }{ r } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und mit der ersten Gleichung erhält man die eindeutige Lösung für $x$. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{r }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es keine Lösung für $y$ und somit auch keine Lösung für das Gesamtsystem. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{r }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist jedes $y$ eine Lösung der zweiten Gleichung und jedes $y$ führt mit der ersten Gleichung zu einer Lösung für $x$ und damit zu einer Gesamtlösung.

}



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