Kurs:Lineare Algebra II/Zusammenstellung: Einfache algebraische Strukturen

Ein Vorzug algebraischer Methoden besteht darin, dass viele Standard-Konstruktionen und Standard-Aussagen in verschiedenen Zusammenhängen anwendbar sind. Dies kann das Verständnis erleichtern und den Blick für das Wesentliche schärfen. Nach mehr als einem Semester linearer Algebra haben wir mehr Beispiele und neue Erkenntnisse angesammelt. Wir wollen von dieser Warte aus nochmals auf die Grundbegriffe der Algebra blicken.

Gruppen, Untergruppen und Homomorphismen Bearbeiten

Der Begriff der Gruppe entsteht aus der Betrachtung von Symmetrien eines geometrischen Objektes. Symmetrien sind bijektive Abbildungen des Objektes auf sich. Die Verknüpfung von Symmetrien ergibt wieder Symmetrien und ist assoziativ.

Begriffe und Beispiele Bearbeiten

Die Gruppe ist die wichtigste algebraische Struktur mit nur einer Operation.

Definition 4.1 Bearbeiten

Eine Menge mit einer Operation   heißt Gruppe, wenn die Operation   die folgenden Regeln erfüllt:
  Assoziativität:   gilt für alle  ,
  Existenz eines (links-) neutralen Elementes:   für alle  ,
  Existenz eine (Links-)Inversen: zu jedem  :  .

Neutrales und Inverses sind stets eindeutig und rechtsneutral bzw. rechtsinvers. In der multiplikativen Schreibweise bezeichnet   das Inverse von   (in der additiven Schreibweise ist es  ). Ist die Operation kommutativ, so sprechen wir von einer kommutativen oder Abelschen Gruppe.
Test:  .

Zu jeder Struktur gibt es die zugehörige Unterstruktur und eine zugehörige Klasse von Abbildungen, genannt Homomorphismen.

Definition 4.2 Bearbeiten

Eine nicht leere Teilmenge   einer Gruppe   ist eine Untergruppe, wenn   mit der Einschränkung der Operation von   auf   selbst eine Gruppe ist.

Test:   ist eine Untergruppe gdw.  .

Definition 4.3 Bearbeiten

Ein (Gruppen)-Homomorphismus von Gruppen   ist eine Abbildung   mit der Eigenschaft:
 .

Test: Für jeden Gruppenhomomorphismus gilt: (1)   und (2)  .
Der Kern von   ist eine Untergruppe von  :  .
Das Bild von   ist eine Untergruppe von  :  .

Typische Beispiele sind:

  •   – die additive Gruppe der ganzen Zahlen.
  •   – die additive Gruppe eines Körpers.
  •   – die additive Gruppe der  -Tupel von Körperelementen (des  -dimensionalen Standard-Vektorraumes).
  •   – die multiplikative Gruppe eines Körpers.
  •   – die additive Gruppe der Reste modulo  .
  •   – die symmetrische Gruppe einer Menge   besteht aus den Bijektionen von   auf sich. Die Verknüpfung ist die Hintereinanderausführung von Abbildungen (nicht kommutativ für   !). Insbesondere bezeichnet   die  -te Permutationsgruppe.
  •   – die lineare Gruppe (oder Matrixgruppe) aller regulären  -Matrizen bzgl. der Matrixmultiplikation.
  • Die folgenden Teilmengen sind Untergruppen von  :
  (spezielle lineare Gruppe),
  (Diagonalmatrizen),
  (obere Dreiecksmatrizen).
  •   - die Menge aller bijektiven Homomorphismen einer Gruppe auf sich (genannt Automorphismen) bildet eine Gruppe (Untergruppe von  ) bzgl. der Verknüpfung von Abbildungen.
  • Die Zuordnung   ist ein Homomorphismus  .
  • Die Exponentialabbildung   ist ein Homomorphismus der additiven Gruppe in die multiplikative Gruppe  . Eine Verallgemeinerung ist die Abbildung  , definiert für jedes   durch  . Bezeichnung:   - die von   erzeugte (zyklische) Untergruppe.
  •   ist ein Homomorphismus definiert durch   heißt Konjugation mit  .

Test: Man finde alle Untergruppen von  .
Test: Man finde jeweils Kern und Bild der Homomorphismen.

Lemma 4.4 Bearbeiten

Sei   endliche Gruppe und   eine Untergruppe, dann ist   ein Teiler von  .

Zum Beweis wird gezeigt, dass  , definiert durch  , eine Äquivalenzrelation ist und die zugehörigen Äquivalenzklassen   (rechte Nebenklassen) jeweils die gleiche Anzahl von Elementen besitzen.
Insbesondere ist dann   ein Teiler von  , wenn   endlich ist.
Test:   für alle  .

Normalteiler, Quotientengruppe und Homomorphiesatz Bearbeiten

In einer nicht kommutativen Gruppe sind i.a. linke und rechte Nebenklassen einer Untergruppe verschieden. Soll aber   wieder eine Nebenklasse sein und zwar  , benötigen wir die Gleichheit  .

Definition 4.5 Bearbeiten

Eine Untergruppe   von   heißt Normalteiler, wenn   für alle  . Die Menge der Nebenklassen bzgl. eines Normalteilers   ist die Quotientengruppe von   nach  , die Operation ist definiert durch  .

In diesen Sinne ist   die Quotientengruppe von   nach der Untergruppe  . Die Quotientengruppe eines Vektorraumes   nach einem Untervektorraum   bildet dann zun¨achst eine kommutative Gruppe  . Diese wird zum (Faktor-)Vektorraum durch  .
Test: Zeige  .
Test: Der Kern eines Homomorphismus ist stets ein Normalteiler; dies gilt i.a. nicht für das Bild.
Von universeller Bedeutung ist die folgende Aussage.

Satz 4.6 (Homomorphiesatz) Bearbeiten

Sei   ein Homomorphismus von Gruppen, dann induziert   einen Isomorphismus   der Gruppen:  .

Permutationsgruppen Bearbeiten

Die Permutationsgruppen   sind die wichtigsten endlichen und nicht-kommutativen   Gruppen. Es gelten die folgenden Eigenschaften:

  • Es gibt   Permutationen.
  • Jede Permutation ist Produkt von Transpositionen (Darstellung nicht eindeutig).
  • Jede Permutation ist Produkt von paarweise elementfremden Zyklen (eindeutig bis auf Reihenfolge der Faktoren). Ein Zyklus   bildet ab  .
  • Die Ordnung einer Permutation ist der kgV ihrer Zyklenlängen.
  • Zwei Permutationen sind konjugiert (d. h. sie lassen sich durch eine Konjugation ineinander überführen) gdw. die Längen der Zyklen ihrer Produktdarstellungen übereinstimmen.

Test: Jede endliche Gruppe aus   Elementen ist isomorph zu einer Untergruppe von   durch  .
Zur Herleitung der Leibniz-Formel für Determinanten haben wir die folgende Aussage zum Signum einer Permutation benötigt:

Satz 4.7 Bearbeiten

Es gibt eine eindeutig bestimmt Abbildung   mit den Eigenschaften: (1)   und (2)  . Insbesondere gilt die Formel:  .
  heißt alternierende Gruppe und ist ein Normalteiler der  .

Information: Endlich erzeugte Abelsche Gruppe Bearbeiten

Notationen:

• Die ’einfachste’ Abelsche Gruppe ist  . Die Untergruppen von   sind von der Form  , die Faktorgruppen   sind die zyklischen Gruppen, d. h. Gruppen, die von einem Element erzeugt sind.
• Für ein Element   einer Abelschen Gruppe   und   bezeichne   die  -fache Summe von  , resp.  .
• Die Gruppe   wird von   Elementen   erzeugt, wenn jedes Element   eine Darstellung   hat (bzw. wenn es einen surjektiven Homomorphismus   gibt).
• A heißt frei, wenn   ist (oder  ).
• Sind   zwei Untergruppen von  , dann ist   eine direkte Summe, wenn jedes Element   eine eindeutige Zerlegung   und  , besitzt.

Lemma 4.8 Bearbeiten

Für eine Abelsche Gruppe   sind
  und  ,
  prim, Untergruppen von  , genannt Torsionsgruppe von   bzw.  -Torsionsgruppe.

Es gelten die folgenden Strukturaussagen:

Satz 4.9 Bearbeiten

Ist   eine endlich erzeugte Abelsche Gruppe, dann gilt:
    ist frei,
    und   ist direkte Summe zyklischer Gruppen von  -Potenzordnung,
   .

Ringe, Hauptidealringe und Euklidische Ringe Bearbeiten

Ring: Begriff und Beispiele Bearbeiten

Die wichtigste algebraische Struktur mit zwei Verknüpfungsoperationen ist der Ring.

Definition 4.10 Bearbeiten

Ein Ring   ist eine Menge mit zwei Operationen Addition und Multiplikation, mit folgenden Regeln:
    ist eine Abelsche Gruppe.
  Die Multiplikation ist assoziativ.
  Es gilt das Distributivgesetz (beidseitig).

Zusatz: Ein Ring heißt kommutativ mit  , wenn die Multiplikation kommutativ ist und ein (multiplikativ) neutrales Element   existiert.
Unterring und Ringhomomorphismus werden analog zu den Definitionen (4.2) und (4.3) eingeführt. Achtung: Ist   ein Homomorphismus von Ringen mit 1, dann wird zusätzlich   gefordert!
Frage: Warum folgt aus den Homomorphismus-Axiomen stets  , aber nicht notwendig  ?
Wir wollen hier vor allem kommutative Ringe mit 1 betrachten. Insbesondere werden die Eigenschaften der ganzen Zahlen   und des Polynomenringes   verallgemeinernd zusammengefasst.
Die wichtigste Unterstruktur sind die Ideale (spezielle Unterringe):

Definition 4.11 Bearbeiten

Eine nicht leere Teilmenge   eines Ringes heißt Ideal, wenn   und  .

Beispiel: Die Vielfachen eines Ringelementes   bilden ein Ideal:  , genannt Hauptideal erzeugt von  . Aber nicht jedes Ideal ist Hauptideal. So ist im Ring   (Polynome in zwei Variablen) die Menge   ein Ideal, aber kein Hauptideal.
Test: Ein Körper besitzt nur die trivialen Ideale   und  .
Test: Ist   ein Ringhomomorphismus, dann ist   ein Ideal.

Lemma 4.12 Bearbeiten

  gdw.   hat in   ein multiplikatives Inverses.

Ein solches Element heißt Einheit von  . Die Einheiten von   sind  , die Einheiten von   sind die konstanten Polynome ohne 0.
Test: Die Menge aller Einheiten in einem Ring bildet bzgl. der Multiplikation eine Gruppe (bezeichnet mit  ).
Für einen Körper ist  .
Ein Ring heißt nullteilerfrei, wenn aus   stets   oder   folgt.   ist nullteilerfrei.
Test: Ein Körper   und der Ring   ist nullteilerfrei.   ist nullteilerfrei gdw.   ist eine Primzahl.

Teilbarkeit in Hauptidealringen Bearbeiten

Wir wollen die Begriffsbildungen der Teilbarkeit von   übertragen. Dazu ist es sinnvoll die Nullteilerfreiheit und die Hauptidealeigenschaft vorauszusetzen.

Definition 4.13 Bearbeiten

Ein Ring, der nullteilerfrei ist, d. h.   und in dem alle Ideale von einen Element erzeugt sind, heißt Hauptidealring.

Wir sehen, dass die folgenden Begriffe in der Sprache der Ideale oft einfacher zu beschreiben sind.

Definition 4.14 Bearbeiten

Seien   Elemente in einem nullteilerfreien Ring:
  •   ist Teiler von  , schreibe  , wenn  , d.h.  .
  •   ist echter Teiler von  , wenn   und   keine Einheit und   kein Teiler von  , d.h.  .
  •   heißt irreduzibel, wenn   keine Einheit ist und keine echten Teiler besitzt, d.h.   ist ein maximales Ideal.
  •   heißt prim, wenn gilt  , d.h.   ist nullteilerfrei.
  •   heißt größter gemeinsamer Teiler von   und  , schreibe  , wenn   und   und  , d.h.  .
  •   und   heißen teilerfremd, wenn   eine Einheit ist, d.h.  .
  •   heißt kleinstes gemeinsames Vielfaches von   und  , schreibe  , wenn   und   und  , d.h.  .

Damit ergibt sich unmittelbar aus den Definitionen:

Lemma 4.15 Bearbeiten

In einem Hauptidealring existieren   und  .

Lemma 4.16 Bearbeiten

  und   sind Hauptidealringe.

Dies folgt aus der Division mit Rest.
Üblicherweise nennen wir eine positive irreduzible Zahl Primzahl. Tatsächlich ist leicht einzusehen, dass jedes prime Element irreduzibel ist. Die Umkehrung gilt nach unserer Erfahrung in  . Der allgemeine Fall ist zu beweisen.

Satz 4.17 (Lemma von Euklid) Bearbeiten

Im Hautidealring ist jedes irreduzible Element prim, (also prim = irreduzibel).

Aus   und nicht   folgt   und somit eine Darstellung  . Daraus erhalten wir nach Multiplikation mit  , daß   ein Teiler von  .

Corollar 4.18 Bearbeiten

Jedes Element   in einem Hauptidealring ist Produkt von endlich vielen Primelementen. Die Produktzerlegung ist eindeutig bis auf die Reihenfolge der Faktoren und eine Einheit.

Idee: Jedes Element ist Produkt endlich vieler irreduzibler Elemente (im Hauptidealring). Mit Induktion über die Anzahl der Faktoren und der Primeigenschaft folgt die Behauptung.
Allerdings sind die letzten beiden Beweise nicht konstruktiv und es hängt vom Ring ab, ob und wie die Faktorisierung oder der   zu bestimmen ist. In   kennen wir den Euklidischen Algorithmus, für seine Verallgemeinerung benötigen wir zusätzlich eine Ordnungsfunktion.

Euklidische Ringe und euklidischer Algorithmus Bearbeiten

Eine effektive Bestimmung des   wird mittels einer Division mit Rest bzgl. einer Ordnungsfunktion möglich:

Definition 4.19 Bearbeiten

Ein nullteilerfreier Ring heißt euklidisch, wenn es bzgl. einer Ordnungsfunktion   auf   eine Division mit Rest gibt, d.h. zu je zwei Ringelementen  , existieren Ringelemente  , so daß   mit   oder  .

Beispiele:
  ist euklidischer Ring mit der Ordnungsfunktion ’Betrag’.
  ist euklidscher Ring mit der Ordnungsfunktion ’degree’ und
  mit der Norm  .
Test: Jeder Körper   ist euklidischer Ring.
Wie im Fall von   und   (siehe 1.12) zeigt man allgemein:

Lemma 4.20 Bearbeiten

Ein euklidischer Ring ist Hauptidealring. Insbesondere wird jedes Ideal   von einem Element minimaler Ordnung in   erzeugt.

Eine iterierte Division mit Rest führt zum Euklidischen Algorithmus:

INPUT:  
OUTPUT:  
   c = 1;
   WHILE ( )
   {c = a − div(a, b) b; a = b; b = c; }
   return(a);

Dabei bezeichne div die Prozedur, die den Quotienten bei der ’Division mit Rest’ zurückgibt.

Satz 4.21 Bearbeiten

Der Euklidische Algorithmus ist endlich und bestimmt den  .

Die beiden folgenden Anwendungen des Euklidischen Algorithmus zur Bestimmung des multiplikativen Inversen in   und zur Lösung des chinesischen Restsatzes funktionieren natürlich auch in  , wenn   ein beliebiger Euklidischer Ring:

Lemma 4.22 Bearbeiten

  besitzt für   und   genau dann eine Lösung  , wenn  .

Sei   und  , dann ist   eine Lösung. Umgekehrt, wenn eine Lösung existiert, ist  , also  .
Daraus ergibt sich der Chinesische Restsatz:

Corollar 4.23 Bearbeiten

Seien   paarweise teilerfremd und sei  , dann besitzt das System simultaner Kongruenzen
 
für beliebige   eine eindeutige Lösung   in  .

Es gilt:   ist teilerfremd zu  . Sei   eine Lösung der Kongruenz  . Dann löst   die simultanen Kongruenzen.
Bemerkung: Damit gelten die folgenden Inklusionen von ’Kategorien’: