Kurs:Meißen im Mittelalter/Bistum Meißen und Bistum Prag/Chronologie/984

Ereignisse

Heirat von Bolesław I Chrobry mit einer Tochter von Markgraf Rikdag von Meißen.

Einzige unumstrittene[1] Erwähnung von Nisan zu 984[2] bei Thietmar von Merseburg in dessen Chronik (1012 bis 1018 verfaßt): Herzog Boleslav II. von Böhmen begleitet den aufständischen Heinrich den Zänkers mit seinen Truppen durch die Gaue Nisan und Daleminzien bis nach Mügeln.

Juni: Auf dem Rückweg besetzen die Böhmen unter Boleslav II. im Einvernehmen mit dem Heinrich dem Zänker die Burg Meißen, Markgraf Rikdag wird entmachtet und Bischof Volkold aus dem Amt gejagt. Rikdag, der Burggraf von Meißen, wird in einen Hinterhalt außerhalb der Stadt gelockt und an der Triebisch in der Nähe der Johanniskirche durch die Truppen Wagios (einer von den Rittern des Böhmenherzogs Boleslav) meuchlings erschlagen (nicht wie oft rezipiert in der Nähe der Nikolaikirche - diese stammt aus dem 12. Jahrhundert[3]). Die Besetzung dauert bis 985 (nach anderer Meinung bis 986).[4]

§. 4.

Boleslaw der Zweyte nimmt Meißen ein.

1. Der fromme Boleslaw hielt es im J. C. 984 mit de=

nen, welche dem Heinrich (der des Herzogthumes Bay=

ern entsetzt wurde) Beistand geleistet haben.

2. Der Herr der Boͤhmen nahm sodann Meißen ein,

welches Boleslaw dem Markgrafen Eckard im J. C.

985 wieder zuruͤckstellte.[5]


Aus seinem Glauben an das "gottgewollte Königtum der Linie der Heinriche" leitete Heinrich der Zänker einen "legitimen Anspruch auf uneingeschränkte Teilhabe an der Königsgewalt im Reich ab", weswegen ihn Bischof Folkmar von Utrecht nach einem missglückten Aufstandsversuch seit 978 (oder schon 977) im Auftrage von Kaiser Otto II. gefangenhielt. Dieses "gottgewollte Königtum der Linie der Heinriche" erfüllte sich, indem sein Sohn Heinrich II. sieben Jahre nach seinem Tod deutscher König und neunzehn Jahre nach seinem Tod sogar römisch-deutscher Kaiser wurde. Nach dem Tod des Kaisers Otto II. wurde Heinrich der Zänker nicht nur freigelassen, sondern bekam von Erzbischof Warin von Köln auch noch den jungen König Otto III. ausgehändigt. In Ablehnung der griechischstämmigen Kaiserwitwe Theophanu liefen auch die Erzbischöfe von Trier und Metz, die sächsische Geistlichkeit, der Anführer der Abodriten, die Herzöge von Böhmen und Polen und bei Heinrichs Ankunft in Bayern auch die dortigen Bischöfe zu dem Zänker über, der sich darauhin öffentlich als Vormund und Reichsverweser für Otto III. ausrufen ließ. Als nächster Vetter Ottos II. erhob Heinrich gegenüber ihr Ansprüche auf die Vormundschaft des jungen Königs Otto III. Heinrich der Zänker ließ sich am Palmsonntag in Magdeburg und am Ostersonntag in Quedlinburg zum König ausrufen und huldigen. Selbst sein ehemaliger Aufseher Bischof Folkold von Utrecht wechselte die Seiten und wurde sogar Heinrichs Verhandlungsführer gegenüber Theophanu. Der Hoftag in Rara (Rohr bei Meiningen) entschied aber deutlich gegen ihn, und Heinrich der Zänker mußte den dreijährigen Otto III. an seine Mutter, Kaiserinwitwe Theophanu, übergeben. Daraufhin versuchte er erneut eine militärische Lösung und begab sich zu seinem ehemals festesten Verbündeten, dem Böhmenherzog Boleslav II. Mehr als sicheres Geleit war von dem aber nicht mehr zu erwirken. Der Heerführer der Böhmen war Wagio. Als sich die Böhmen und der Zänker trennten, zog der Zänker mit seinen Anhängern nach Magdeborn südöstlich von Leipzig - und Wagio wieder zurück nach Böhmen.


Chronik des Thietmar von Merseburg zu den Ereignissen 984

Übersetzt heißt es bei Thietmar (Übersetzung von Johann Christian Mauritz Laurent und J. Strebitzki in "Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit", 11. Jahrhundert, Band 1, 2. Auflage, Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879):

Buch IV, Kapitel 1: "1. Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 984 begab sich die Kaiserin Theuphano, die Mutter des dritten und leider letzten der Ottonen, mit einem vom Schmerze der frischen, schrecklichen Wunde erfüllten und über die Abwesenheit des einzigen Sohnes blutenden Herzen zur Kaiserin-Wittwe Ethelheid nach Pavia, und ward von derselben tiefbewegt empfangen und liebevoll getröstet. Herzog Heinrich [von Baiern] kam mit dem ehrwürdigen Bischofe Poppo, dessen Aufsicht er lange Zeit untergeben gewesen war, und dem einäugigen Grafen Ekbert nach Köln, und empfing, wie gesagt, den König als dessen gesetzlicher Vormund aus den Händen des oben genannten Erzbischofs Warin, der ihm, so wie alle anderen, deren Gunst der Herzog zu gewinnen wußte, seinen Beistand fest zusicherte. ... Dieser (Heinrich der Zänker) sandte, als er zu Magadaburg den Palmsonntag feiern wollte, an alle Große der Umgegend das Gesuch und Gebot, daselbst zusammenzukommen, und unterhandelte mit ihnen, daß sie sich ihm unterwerfen und ihn zum Herrscher erheben möchten. Auf diesen Plan gingen die meisten Fürsten mit dem Vorbehalte ein, daß sie von ihrem Herrn und Könige, dem sie ja früher gehuldigt hätten, die Erlaubniß einholen müßten; dann könnten sie ruhig dem neuen Könige dienen. Einige aber gingen wegen seines Unwillens fort und sannen im Verborgenen darauf, das Beabsichtigte auf gewandte Weise ganz zu vereiteln."

Buch IV, Kapitel 2: "Von Magadaburg begab sich Heinrich nach Quidilingeburg, wo er die demnächst eintretende Osterfeier beging. Dort versammelten sich in großer Anzahl die Fürsten des Reiches; einige aber, die daselbst nicht erscheinen wollten, schickten Abgeordnete, um auf alles sorgfältig Acht geben zu lassen. Während dieses Festes ward Heinrich von den Seinen als König begrüßt und mit kirchlichen Lobgesängen geehrt. Dorthin kamen die Herzoge Miseco [von Polen], Mistui [der Obotriten] und Bolizlav [von Böhmen] mit unzähligen anderen, und sicherten ihm, indem sie ihm als ihrem Könige und Herrn huldigten, jeglichen Beistand zu. Viele der anwesenden Fürsten jedoch, die aus Furcht vor Gottes Zorn nicht wagten, ihre Treue zu brechen, entfernten sich allmählich und eilten nach Hesleburg, wo ihre Genossen zusammenkamen, die nun schon eine offene Verbindung gegen den Herzog eingingen."

Buch IV, Kapitel 3: "Der Herzog (Heinrich der Zänker) aber begab sich, nachdem alle Bischöfe und einige Grafen in Baiern sich ihm zugewandt hatten, auf diese seine Bundesgenossen vertrauend, ins fränkische Gebiet und lagerte auf der zu Bisinstidi [Bisenstädt] gehörigen Ebene, um sich mit den Fürsten jener Gegend zu besprechen. Dorthin kam Erzbischof Willigis von Mainz, nebst dem Herzoge Konrad und den übrigen Großen. Als aber Herzog Heinrich, der diese auf alle ihm nur [S. 87] irgend mögliche Weise zu gewinnen suchte, von ihnen einstimmig zur Antwort erhielt, sie würden von der ihrem Könige geschworenen Treue zeitlebens nicht weichen, so sah er sich aus Besorgniß vor dem drohenden Kampfe gezwungen, eidlich zu versichern, daß er am 29. Juni nach Rara kommen und das königliche Kind ihnen und der Mutter überliefern wolle. Darauf begaben sich alle wieder heim, in verschiedener Stimmung, die einen erfreut, die andern niedergeschlagen."

Buch IV, Kapitel 4: "Darauf besuchte Heinrich mit seinem Anhange Bolizlav, den Herzog der Böhmen, der ihm in jeder Noth stets zu helfen bereit war, und ihn auch nun ehrenvoll aufnahm, und ihn von seinem Heere durch die Gauen Niseni und Deleminci bis nach Mogelini geleiten ließ. Dann zog Heinrich mit den Unseren, die ihm entgegen kamen, nach Medeburun [Magdeborn]. Wagio aber, einer von den Rittern des Böhmenherzogs Bolizlav, welcher Heinrich mit dem Heere begleitet hatte, besprach sich, als er heimkehrend nach Misni [Meißen] kam, ein wenig mit den Einwohnern der Stadt und ließ darauf Fritherich, des damals in Merseburg sich aufhaltenden Markgrafen Rigdag Freund und Vasallen, durch einen Mittelsmann auffordern, zu ihm nach der außerhalb der Stadt gelegenen [St. Nicolai] Kirche hinzukommen, um sich mit ihm zu unterreden. So wie dieser die Stadt verließ, wurde das Thor hinter ihm geschlossen, und Ricdag, der Burggraf von Meißen, ein trefflicher Ritter, von jenen an dem Flusse Tribisa [Trübische] hinterlistig erschlagen. Die Stadt Misni [Meißen] aber, bald nachher von Bolizlav mit einer Besatzung versehen, nahm denselben bald darauf als ihren Herrn in ihren Mauern auf."

Buch IV, Kapitel 5: "Er vertrieb auch auf Anhalten der wankelmüthigen Menge den Bischof Wolcold [von Meißen], der sich zum Erzbischof Willigis begab, von dem er gütig aufgenommen wurde. Denn er hatte denselben wie einen Sohn erzogen, und ihn, als er für die östlichen Lande zum Bischof geweiht ward, dem zweiten Otto, dessen Unterricht er leitete, eifrig als seinen Nachfolger empfohlen. Dies behielt Willigis stets im Gedächtniß, und erkannte es immer mit der größten Dankbarkeit an, und das vor allem nun, wo dem Bischofe darum zu thun war. Er ließ ihn seinem Wunsche gemäß zu Erpesfordi [Erfurt] auf's beste verpflegen. Nachdem Wolcold sich dort lange aufgehalten hatte, kam er, als nach dem Tode des Markgrafen Ricdag Ekkihard demselben gefolgt und Bolizlav nach Böhmen zurückgekehrt war, wieder zu seinem Bischofsitze. Späterhin ward auch Bolizlav sein treuer Freund, und so feierte auch Wolcold zu Prag die Einsetzung des heiligen Abendmahls. Wie er aber den Tag darauf, am Charfreitage, das Gedächtniß des Leidens Christi, wie sich's gehörte, beging, wurde er vom Schlage getroffen hinweg getragen; und ward auch Zeit seines Lebens nicht wieder gesund, obwohl er sich mitunter wieder etwas erholte. Er war 23 Jahre lang Bischof gewesen, als er am 23. August aus diesem Leben schied."


Der entscheidende lateinische Text [nach den MGH SS rer. = Scriptores rerum Germanicarum, Nova series (SS rer. Germ. N. S.), Bd. 9: "Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg und ihre Korveier Überarbeitung". S. 136 ] lautet:

Buch IV, Kapitel 5 (ehemals Kapitel 4): "Post haec Heinricus Bolizlavum, ducem Boemiorum, in cunctis suimet necessitatibus semper paratum, cum suis adiit honorificeque ab eo succeptus cum exercitu eiusdem a finibus suis per Niseni et Deleminci pagos usque ad Mogelini ducitur. Deindeque cum nostris obviam sibi pergentibus ad Medeburun proficiscitur. Wagio vero miles Bolizlavi, duces Boemiorum, qui Heinricum cum exercitu comitar, cum ad Misni redeundo perveniret, cum habitatoribus eiusdem pauca locutus Frithericum, Rigdagi marchionis tunc in Merseburg commorantis amicus et satellitem, ad aecclesiam extra urbem positam venire ac cum eo loqui per internuntium postulat. Hic ut egreditur, porta post eum clauditur, et Ricdagus, eiusdem civitatis custos et inclitus miles, iuxta fluvium, qui Tribisa dicitur, ab hiis dolose occiditur."

Geboren

...

Gestorben

Rikdag, Burggraf von Meißen

Anmerkungen

↑ Die Erwähnung zu 1004 von Nisani (Thietmar VI, 10 ff.) ist in einen Krieg der historischen Interpretation geraten.

↑ Thietmar, Chronik III, 5.

↑ Die Verbreitung des Nikolai-Patroziniums in Europa begann im 11. Jahrhundert mit der Übertragung der Reliquien des hl. Nikolaus von Myra nach Bari in Italien im Jahre 1087. Er war vor allem im 12. und 13. Jahrhundert ein "Modeheiliger", so dass es sowohl einfache Dorfkirchen, Stadtkirchen, Bettelsordenskirchen, Bergbaukirchen als auch Kaufmannskirchen gibt, die dem hl. Nikolaus geweiht sind.

↑ "Otto III. - RI II,3 n. 956l2 - 984 (Juni) - Meissen: Die Truppen des böhmischen Herzogs trennen sich in Alt-Mügeln von Heinrich und kehren nach Böhmen zurück. Ihr Anführer Wagio besetzt auf listige Art Meissen, gewinnt durch Überredung die Bewohner, lockt den Grafen Friedrich von Eilenburg, den Freund und Vasallen des Markgrafen Rigdag zu einer Unterredung aus der Stadt heraus in die Nikolaikirche und läßt dann den Burggrafen Rigdag meuchlings an der Tribische, einem Nebenfluß der Elbe, erschlagen." (nach Thietmar IV c. 5, S. 136) RI II,3 n. 956l2, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0984-06-00_1_0_2_3_0_61_956l2 (Abgerufen am 26. Oktober 2024).

↑ Johann Mehler: "Urspruͤngliche, chronologische Geschichte Boͤhmens." Prag 1806, S. 82.



Otto III. - RI II,3 n. 956l2

984 (Juni) ‒, Meissen

Die Truppen des böhmischen Herzogs trennen sich in Alt-Mügeln von Heinrich und kehren nach Böhmen zurück. Ihr Anführer Wagio besetzt auf listige Art Meissen, gewinnt durch Überredung die Bewohner, lockt den Grafen Friedrich von Eilenburg, den Freund und Vasallen des Markgrafen Rigdag zu einer Unterredung aus der Stadt heraus in die Nikolaikirche und läßt dann den Burggrafen Rigdag meuchlings an der Tribische, einem Nebenfluß der Elbe, erschlagen.

Überlieferung/Literatur

Thietmar IV c. 5, S. 136: Wagio vero miles Bolizlavi, ducis Boemiorum, qui Heinricum cum exercitu comitatur, cum ad Misni redeundo perveniret, cum habitatoribus eiusdem pauca locutus Frithericum, Rigdagi marchionis huic in Merseburg commorantis amicum et satellitem, ad aecclesiam extra urbem positam venire ac cum eo loqui per internuntium postulat. Hic ut egreditur, porta post eum clauditur, et Ricdagus, eiusdem civitatis custos et inclitus miles, iuxta fluvium, qui Tribisa dicitur, ab hiis dolose occiditur.

Kommentar

In Meißen gab es außer dem Markgrafen Rigdag noch einen Burggrafen gleichen Namens. Vgl. zu der Frage der Burggrafschaft in Meißen Rietschel, Burggrafenamt, 225 f., 237 f.; Geppert, Burgen, 228 f.; Riehme, Markgraf, Burggraf, 171 ff.; Eckhardt, Präfekt und Burggraf, ZRG. Germ. Abt. 46, 163 ff.; Otto, Kirchenvogtei (1933), 93 ff.; Holtzmann, Gunzelin von Meißen, Sachsen-Anhalt, 8, 110 ff. ‒ Über Friedrich von Eilenburg vgl. Reg. 956 u/1. ‒ Zur Mordtat vgl. Posse, Markgraf von Meißen, 29; Artler, Streitkräfte, 284; Rogge, Verbrechen des Mordes. 28 f. ‒ Die Angabe des Necrol. Luneburgense, das für den 11. Oktober den Tod eines Rigdag verzeichnet, (Wedekind, Noten z. einigen Geschichtsschreib. III. 76), bezieht sich schwerlich auf den Burggrafen von Meißen.


RI II,3 n. 956l2, in: Regesta Imperii Online,

URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0984-06-00_1_0_2_3_0_61_956l2

(Abgerufen am 27.10.2024).