Kurs:Meißen im Mittelalter/Die Gründung der Burg Misni

929: Gründung der Burg Misni durch König Heinrich I. den Vogeler

Bearbeiten
 
Glomaci (Daleminzien) um das Jahr 1000.

Im Frühjahr 929 schlugen deutsche Truppen unter König Heinrich I. den Vogeler die elbslawischen Glomaci (deutsch: Daleminzier) und belagern ihre Hauptburg Gana in der Nähe des Hauptheiligtums Glomuci.

  • „Glomaci ist eine Quelle, die ... nicht weiter als zwei Meilen von der Elbe entfernt ... Sie speist einen See, der nach der Versicherung der Einheimischen und Bestätigung vieler Augenzeugen häufig wunderbare Erscheinungen hervorbringt.“ (Thietmar von Merseburg (* 25. Juli 975 oder 976; † 1. Dezember 1018) Zizat!

Die Glomaci siedelten in der heutigen Lommatzscher Pflege, der Großenhainer Pflege und dem Meißner Land bis hin nach Döbeln und Mügeln.

Gana konnte sich 20 Tage lang halten, dann eroberten, plünderten und brandschatzten Heinrichs Truppen mit ihren berüchtigten Panzerreitern diese Hauptburg.

  • „Die Beute aus der Burg überließ Heinrich I. den Kriegern, alle Erwachsenen wurden niedergemacht, die Knaben und Mädchen behielten ihr Leben für die Gefangenschaft.“ Widukind von Corvey (* um 925 oder 933/35; † 3. Februar nach 973) Zitat!

Heinrichs ausgesprochene Härte gegen Fremde (extranei) wird von Widukind der Milde gegen innere Rebellen gegenübergestellt.[1] Q

Möglicherweise sollte das Daleminzierland als Ausgangsbasis für die Ungarnzüge schon im Vorfeld geschwächt werden.[2] Q

Heinrich soll es dabei auch um den Schutz seiner Hausgüter in Merseburg gegangen sein.[3] Q


Während der Zeit des Friedensabkommens mit den Ungarn führte Heinrich sein Heer in mehreren Feldzügen gegen die Slawen. Die Intensivierung militärischer Aktionen gegen die Slawen stand nach Widukind im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Ungarnkampf.[4] Q

Das Verhältnis der Slawen zu den Sachsen war durch gegenseitige Rache- und Beutezüge geprägt. Von den Sachsen sind keine Bestrebungen überliefert, die heidnischen Stämme der Slawen in das ostfränkische Reich einzugliedern und zum christlichen Glauben zu zwingen.[5] Q

Als erste Maßnahme griff Heinrich die Heveller an. Das militärische Unternehmen wurde mit dem Winterfeldzug 928/29 und der Eroberung des Hauptortes Brennaborg/Brandenburg abgeschlossen. Q

Erst anschließend griff Heinrich die Daleminzier an. Nach Zerstörung ihrer Hauptburg Gana suchte König Heinrich I. der Vogeler nach einem geeigneten Standort für eine neue Burg.


Diesen fand er zwischen der Elbe, der Triebisch und der Meisa. Der emporragende Felsen, auf dem die spätere Burg namens Misni (Meißen) erbaut wurde, eignete sich ausgezeichnet für die Beherrschung des Landes. Wegen ihrer Lage über der Elbe wird die Burg auch „sächsische Akropolis“ genannt. Dem Bericht des Chronisten Thietmar von Merseburg ist zu entnehmen, König Heinrich I. der Vogeler habe einen bewaldeten Hügel vorgefunden. Die Burg Heinrichs bestand aus einer Anzahl von hölzernen Bauten, die mit einer Holz-Erde-Mauer umgeben waren. Der Name der Burg Misni bezieht sich auf den kleinen Bach Misni (Meisa, siehe Meisatal), der etwas unterhalb des Burgberges in die Elbe mündet. q

Im Anschluss zog Heinrich mit Unterstützung des bayerischen Herzogs Arnulf in Richtung Böhmen weiter. Herzog Wenzel, der sich nach Prag zurückgezogen hatte, unterwarf sich ohne größere Gegenwehr und verpflichtete sich zu regelmäßigen Tributzahlungen. Wenzel wurde am 28. September 935 von seinem Bruder Boleslaw ermordet. Erst unter Heinrichs Sohn Otto gelang es im Sommer 950, Boleslaw zur Unterwerfung und Heeresfolge zu zwingen. Q

Heinrichs militärische Aktionen brachten Abodriten, Wilzen, Heveller, Daleminzier, Böhmen und Redarier in tributpflichtige Abhängigkeit. Auf die kriegerischen Ausgriffe der Sachsen antworteten die Slawen mit einem Vergeltungsschlag, indem sie die Burg Walsleben angriffen und alle Bewohner der Burg töteten. Der als Reaktion folgende Kriegszug gegen die Slawen führte am 4. September 929 bei Lenzen unter der Führung der sächsischen Grafen Bernhard und Thietmar zu einer verlustreichen Niederlage der Redarier. Alle Gefangenen wurden dabei getötet. Im Jahr 932 wurden die Lausitzer und Milzener und 934 die Ukranen tributpflichtig gemacht. Q

Unklar ist allerdings, ob Heinrich ein Gesamtkonzept für seine Politik gegenüber den Elbslawen entwickelt hatte, das über bloße Tributherrschaft hinausging.[6] Q

Eine direkte, organisierte Herrschaft haben die Ottonen gegenüber den Elbslawen nicht errichtet. Die militärischen Züge über die Elbe dienten zur Verteidigung der sächsisch-thüringischen Ostgrenze und waren eine sächsische Angelegenheit. Nie wurde dabei im 10. Jahrhundert ein Reichsheer aufgeboten. Die Beziehungen werden in den Quellen einerseits durch Repressalien und Vergeltungszüge von abschreckender Grausamkeit, andererseits aber durch Verhandlungen und Beziehungen von eher nachbarschaftlichem Charakter dargestellt.[7] Q

Nach Wolfgang Giese sollten die unterworfenen Slawengebiete auf Dauer Heinrichs herrschaftspolitischer Erfassung unterstellt werden. Im ostfränkischen Reich gab es für Heinrich nur wenige Möglichkeiten, das Ehr- und Besitzstreben des Adels zu stillen. Jenseits von Elbe und Saale bot sich dem Adel ein weites Betätigungsfeld: Kriege mussten geführt, Beute konnte gemacht werden, lukrative Ämterpositionen waren zu vergeben, und dem Erwerb von Grund und Boden waren kaum Grenzen gesetzt.[8] Q

Vor den Mauern des Grenzortes Merseburg siedelte Heinrich mit der Merseburger Schar (legio Mesaburionum) einen militärischen Verband aus Kriegern an, die wegen Raubes oder Totschlags aus ihrer Heimat verbannt waren. Ihnen wurde wegen ihrer Körperkraft und Kriegstauglichkeit ihre Strafe erlassen. Sie sollten von Merseburg aus bei Repressalien im Slawenland eingesetzt werden.[9] Q

Der Eroberungszug Heinrichs I. stellte den Beginn einer über viele Jahre dauernden Auseinandersetzung über die Herrschaft der Region dar. Nach vielen Feldzügen, die hauptsächlich vom Markgrafen Gero getragen wurden, war ca. 963 die herrschaftliche Durchdringung der Mark Meißen abgeschlossen.[10] Q

  1. Thomas Scharff: Der rächende Herrscher. Über den Umgang mit besiegten Feinden in der ottonischen Historiographie. In: Frühmittelalterliche Studien. Bd. 36, 2002, S. 241–253, hier: S. 242 ff. (online)
  2. Wolfgang Giese: Heinrich I. Begründer der ottonischen Herrschaft. Darmstadt 2008, S. 115.
  3. Christian Lübke: Die Erweiterung des östlichen Horizonts: Der Eintritt der Slaven in die europäische Geschichte im 10. Jahrhundert. In: Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter (Hrsg.): Ottonische Neuanfänge. Mainz 2001, S. 189–211, hier: S. 119.
  4. Widukind, Sachsengeschichte I, 38.
  5. Gerd Althoff: Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat. 2. erweiterte Auflage. Stuttgart u. a. 2005, S. 55.
  6. Christian Lübke: Die Ausdehnung ottonischer Herrschaft über die slawische Bevölkerung. In: Matthias Puhle (Hrsg.): Otto der Große, Magdeburg und Europa. Bd. 1, Mainz 2001, S. 65–74, hier: S. 69.
  7. Hagen Keller: Das 'Erbe' Ottos des Großen. Das ottonische Reich nach der Erweiterung zum Imperium. In: Frühmittelalterliche Studien. Bd. 41, 2007, S. 43–74, hier: S. 53.
  8. Wolfgang Giese: Heinrich I. Begründer der ottonischen Herrschaft. Darmstadt 2008, S. 171–172.
  9. Gerd Althoff, Hagen Keller: Spätantike bis zum Ende des Mittelalters. Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024. (Gebhardt – Handbuch der deutschen Geschichte, 10. völlig neu bearbeitete Auflage), Stuttgart 2008, S. 135. Zur legio Mesaburionum vgl. Widukind, Sachsengeschichte II, 3.
  10. Manfred Unger: Die Herausbildung des meißnisch-sächsischen Territorialkomplexes und seine sozialökonomischen Grundlagen, 10.-15. Jahrhundert. Sächsische Heimatblätter 1982, S. 208.