Kurs:Modellierung und Numerische Methoden von Finanzderivaten/2 Binomialmethode

2.1 Binomialbäume Bearbeiten

Wir betrachten einen sehr einfachen Finanzmarkt, in dem mit einem Bond, einer Aktie oder einer (europäischen) Call-Option nur zu den Zeitpunkten   und   gehandelt werden kann. Dabei werden folgende Annahmen gemacht:

  • Der Bond   habe zur Zeit   den Wert  . Der risikofreie Zinssatz betrage   für Guthaben und für Kredite; es werde kontinuierlich verzinst, d.h.  .
  • Die Aktie habe zur Zeit   den Wert  . Zur Zeit   gebe es zwei Möglichkeiten:
    • Der Kurs der Aktie betrage mit Wahrscheinlichkeit  :   (  steht für einen ”up”-Zustand) bzw.
    • Der Kurs betrage mit Wahrscheinlichkeit  :   (  steht für ”down”-Zustand). Es sei  .
  • Die Call-Option habe den Ausübungspreis   und die Verfallszeit  .
  • Der Finanzmarkt sei arbitragefrei und erlaube Aktienleerverkäufe (sog. short selling). Das bedeutet, dass man Aktien noch nicht besitzen muss, sondern später liefern kann. Weiter fallen keine Transaktionskosten für Kauf/Verkauf von Wertpapieren an. Es erfolgen zwischenzeitlich keine Dividendenzahlungen.

Die vierte Voraussetzung impliziert  . Gilt nämlich  , so kann der Kauf von Bonds durch Aktienleerverkäufe finanziert und Arbitrage erzielt werden. Falls aber   ist, so besteht eine Arbitrage-Möglichkeit durch den Kauf von Aktien, der durch Kredite finanziert wird.

Zur Zeit   beträgt der Wert   der Call-Option entweder   oder  . Wir wollen den Wert   der Call-Option zur Zeit   bestimmen. Dazu verwenden wir das Duplikationsprinzip. Wir sichern die Call-Option dadurch ab, dass wir   Anteile des Bonds und   Anteile der Aktie kaufen bzw. verkaufen. Wir suchen also ein zur Call-Option äquivalentes Portfolio, so dass gilt

  bzw.  .

Die unbekannten Größen   bestimmen wir aus dieser Gleichung zum Zeitpunkt  :

 
 

Als Lösung ergibt sich

 

Wegen   folgt   und  , d. h. es muss zum Aktienkauf stets ein Kredit aufgenommen werden. Nunmehr können wir die Optionsprämie   bestimmen:

(2.1)   mit  .

Aus der Ungleichungskette   folgt  .

Die Optionsprämie kann als diskontierter Erwartungswert bzgl. der Wahrscheinlichkeit   interpretiert werden. Definieren wir nämlich den Erwartungswert einer Zufallsfunktion  , die nur die beiden (diskreten) Zustände   und   mit Wahrscheinlichkeit   bzw.   annehmen kann, durch

 

so lautet die Formel (2.1) einfach

 

Der Optionspreis hängt nicht von der Wahrscheinlichkeit   ab; dies ist verständlich, da wir alle Pfade im Binomialbaum betrachten. Wegen der Relation

 

können wir   als die risikoneutrale Wahrscheinlichkeit interpretieren, da der erwartete Kurs des Basiswertes mit der Wahrscheinlichkeit   des Up-Zustandes gleich dem Erlös aus dem risikofreien Bond ist.

Wir verallgemeinern nun diese Idee, indem wir einen  -Perioden-Finanzmarkt betrachten. In jeder Periode der Länge   kann sich der Aktienkurs mit der Wahrscheinlichkeit   um den Faktor   und mit Wahrscheinlichkeit   um den Faktor   ändern. Ein solches Preismodell heißt in der Literatur auch Ross-Rubinstein-Modell [2]. Seien also   und   die Verfallszeit. Dann ist   der Wert der Aktie zur Zeit   bei   Up-Zuständen und   Down-Zuständen.

Sei zunächst  . Dann berechnet sich der Optionspreis zur Zeit   analog zum Ein-Perioden-Modell aus

 

wobei   und   gegeben sind durch

 

und   und   sind gegeben. Daher ergibt sich im Zwei-Perioden-Modell

 

Nun kann auf die Verallgemeinerung von   Perioden geschlossen werden:

(2.2)  

Unter Verwendung der Binomialkoeffizienten

 

und dem Erwartungswert einer Zufallsfunktion  , die mit Wahrscheinlichkeit

 

den Wert   annehmen kann, durch

(2.3)  

so erhalten wir die Beziehung

 

Der Wert

 

ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Aktienkurs zur Zeit   den Wert   besitzt.

Wir können die Formel (2.3) auch anders interpretieren. Mit dem minimalen Index

 

können wir (2.3) schreiben als

 

Sei  . Dann folgt aus der Definition von   die Beziehung   oder   und daher

(2.4)  
(2.5)  

wobei   die Verteilungsfunktion der Binomialverteilung ist:

 

Die Gleichung (2.5) kann als diskrete Black-Scholes-Formel interpretiert werden (s.u.).

2.2 Die Binomial-Optionspreis-Berechnung mit Mathematica Bearbeiten

Wir bestimmen den auf der Binomial-Methode beruhenden Optionspreis mit dem Formelmanipulationssystem Mathemtica und wählen als Beispiel für den Aktien-Basispreis  . Wir nehmen an, dass der Aktienpreis in der kommenden Periode entweder um 10% steigt oder um 3% fällt; Der (feste) Zinssatz sei  . Aus diesen Werten bestimmen wir die Wahrscheinlichkeiten und schließlich den Optionspreis der Aktie.

Solve[{55*p + 48.5*q == 50, p + q == 1/1.06}, {p, q}]
a = Simplify[Solve[{p*up + q*down == 1, p + q == 1/R}, {p, q}]]

Weiter bestimmen wir den (Zustands-) Optionspreis über   Perioden:

Clear[statePrices]
statePrices[up_, down_, R_] := Solve[{p*up + q*down == 1, p + q == 1/R}, {p, q}]1
Clear[binomialCall]
binomialCall[s_, x_, n_] := Sum[p^j*q^(n - j)*Binomial[n, j]*Max[s*p^j*down^(n - j) - x, 0], {j, 0, n}]
statePrices[up, down, R];

Nun sind die Parameter der Binomial-Verteilung für ein  -Perioden-Modell zu bestimmen. Dabei verwenden wir die asymptotische Beziehung und setzen für   die entsprechenden Werte ein:

(2.6)  
 
(2.7)  
(2.8)  

Die Beziehung für die Varianz folgt aus der Tatsache, dass in jeder Periode die Gleichung

 

gilt. Damit gelten für den Erwartungswert   und für die Varianz (Volatilität)   die beiden Gleichungen

 

Wir realisieren die Formeln in Mathematica und erhalten mit der Anweisungsfolge zunächst allgemeine Formeln, in die konkrete Werte eingesetzt werden: Somit sind folgende Anweisungen zu realisieren:

Clear[u, d, mu]
a = Solve[{(p*Log[u/d] + Log[d])*n == mu, n*p*(1 - p)*Log[u/d]^2 == var}/.p->1/2, {u, d}]
a4/.(mu->0.12, var->0.2^2, p->0.5, n->100)

Die Werte   (d.h. var),   liefern folgenden Plot:

p = 0.5; 
mu = 0.12;
var = 0.2^2;
n = 100;
aa = 
 ListPlot[
  Table[{u^j*d^(n - j), p^j*(1 - p)^(n - j)*Binomial[n, j]}, {j, 0, n}]/.a4, 
  Joined->True, PlotRange->A11]

Bemerkung: Bearbeiten

Das ist nicht die einzige Lösungsmenge, die gegen die Log-Normal-Verteilung konvergiert. Cox, Ross, Rubinstein [2] benutzen die Werte

 

Diese Werte lösen die Gleichungen zwar nicht exakt, sie konvergieren aber für   gegen die exakten Werte.

2.3 Brownsche Bewegung und ein Aktienkursmodell Bearbeiten

Wir stellen zunächst einige Begriffe aus der Stochastik zusammen.

Wir bezeichnen mit   einen Wahrscheinlichkeitsraum.   bezeichnet hier im einfachsten Fall eine endliche (oder - etwas komplizierter - eine abzählbare) Menge, die Menge der Elementarereignisse,   ist die Klasse aller Teilmengen von   (d.h. die Klasse von Ereignissen),   wird die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses   genannt.

Bemerkung: Bearbeiten

(a) Die Klasse   ist eine  -Algebra, d.h.

  1.   impliziert  ,
  2.   impliziert   und  .

(b) Die numerische, auf   definierte Funktion   ist

  1. positiv semidefinit, d.h.  ,
  2. normalisiert, d.h.  ,
  3.  -additiv, d.h.   für  , paarweise disjunkt.

Im allgemeinen Fall, wo   z. B. überabzählbar ist, gilt die Forderung, dass die Klasse   eine  -Algebra ist, ebenfalls. Zur Definition und für Beispiele informiere man sich in Grundlagenwerken der Stochastik, siehe z. B. [10], oder man vgl. die Aussagen im Kurs Stochastik.

Definition 2.1 Bearbeiten

(1) Ein Wahrscheinlichkeitsraum ist ein Tripel  , bestehend aus einer Menge  , einer  -Algebra   und einem Wahrscheinlichkeitsmaß  .
(2) Eine Funktion   auf einem Wahrscheinlichkeitsraum   heißt Zufallsvariable genau dann, wenn für alle Borelmengen   gilt:  .

Bemerkung: Bearbeiten

Die Menge   aller Borelmengen ist die kleinste  -Algebra, die alle offenen Mengen von   enthält.

Definition 2.2 Bearbeiten

Sei   ein Wahrscheinlichkeitsraum. Die Zufallsvariablen   heißen unabhängig, falls   gilt
 

Wir gehen nun zu stetigen Zufallsvariablen über. Unter gewissen Voraussetzungen können Erwartungswert und Varianz mittels eines Riemann-Integrals berechnet werden.

Definition 2.3 Bearbeiten

1. Sei   ein Wahrscheinlichkeitsraum und   eine Zufallsvariable. Dann ist der Erwartungswert   definiert durch
 
(Das ist das Lebesgue-Integral der summierbaren Funktion   bzgl. des Maßes  .)
2. Die Varianz   ist definiert durch
 
falls die entsprechenden Integrale existieren. Die Standardabweichung ist gegeben durch  .
3. Die Kovarianz zweier Zufallsvariabler X, Y</math> ist definiert durch
 
falls   und   existieren.

Für unabhängige Zufallsvariable   und   gilt   und insbesondere  . Daher kann die Kovarianz als ein Maß für die Abhängigkeit von   und   betrachtet werden. Eine weitere Konsequenz aus der Unabhängigkeit von   und   ist die Additivität der Varianzen:

 

Die Integrale werden i. a. über ihre Darstellung der Zufallsvariablen mittels charakteristischer Funktionen definiert. Sind die Funktionen Riemann-integrabel, so erhalten wir folgende Darstellungen:

Definition 2.4 Bearbeiten

Sei   eine Zufallsvariable auf einem Wahrscheinlichkeitsraum  .
1. Die Verteilungsfunktion   von   ist definiert durch
 
Die Dichtefunktion   von   (falls sie existiert) ist gegeben durch
  oder  .
2. Der Erwartungswert und die Varianz einer Zufallsvariablen  , die eine Dichtefunktion besitzt, sind gegeben durch
 
falls die entsprechenden Integrale existieren.

Wir geben folgende Beispiele an:

(1) Betrachten   und  . Eine Zufallsvariable   mit der Dichtefunktion

 

heißt normalverteilt oder  -verteilt. Der Erwartungswert und die Varianz lauten   und  . Eine  -verteilte Zufallsvariable nennen wir standardnormalverteilt. Für die Verteilungsfunktion   einer standardnormalverteilten Zufallsvariable schreiben wir auch

 

Eine Zufallsvariable  , deren Logarithmus normalverteilt ist, d. h. für die gilt, dass   normalvertelit ist, heißt lognormalverteilt.

(2) Wir betrachten den Kurs einer Aktie in einem zeit-diskreten Finanzmarkt. Damit kann der Aktienkurs um einen konstanten Faktor mit Wahrscheinlichkeit   steigen (”up”) und mit Wahrscheinlichkeit   fallen (”down”). Die Zufallsvariable   beschreibe die Anzahl der ”up”-Zustände in einem  -Perioden-Finanzmarkt. Dann ist der Wertebereich von   die Menge  , und die Wahrscheinlichkeit, dass der Aktienkurs  -mal steigt, beträgt

 

Wir sagen, dass   binomialverteilt oder  -verteilt ist. Der Aktienkurs lautet dann (in den gleichen Notationen, wie im 1. Teil angegeben)

 

Die Verteilungsfunktion ist dann gegeben durch

 

Ersetzen wir in der Definition der Verteilungsfunktion das Integral durch eine Summe, so erkennen wir, dass die Dichtefunktion gerade   ist. Damit sind der Erwartungswert und die Varianz gegeben durch

 

Damit können wir die diskrete Formel (2.5) zur Berechnung der Optionsprämie   in der folgenden Form schreiben:

 

wobei   bzw.   jetzt  - bzw.  -verteilte Zufallsvariablen sind.

Stochastische Prozesse und Brownsche Bewegung. Der zeitstetige Aktienkurs   ist eine Zufallsvariable, d.h. wir sollten eigentlich   schreiben, wobei   ein Element des zugrundeliegenden Wahrscheinlichkeitsraumes ist. Man lässt jedoch i. a. das Argument   weg. Die Funktion   ist eine Zufallsvariable für festes  . Welche Regularität besitzt nun   für festes  ? Die Klärung dieses Zusammenhangs führt auf den Begriff des stochastischen Prozesses.

Definition 2.5 Bearbeiten

Ein (stetiger) stochastischer Prozess  , ist eine Familie von Zufallsvariablen  , wobei   stetig ist für (fast alle)  .
Wir schreiben  , d.h.   ist eine Zufallsvariable.

Ein stochastischer Prozess ist also eine funktionenwertige Zufallsvariable. Ein spezieller stochastischer Prozess ist durch die sog. Brownsche Bewegung gegeben:
Sei   eine Folge von unabhängigen Zufallsvariablen, die mit jeweils mit Wahrscheinlichkeit   die Werte   oder   annehmen und es sei weiter

 , wobei  

ist. Dann gilt für alle   für Erwartungswert und Varianz   und wegen (2.9)

 

Man kann zeigen, dass   für   (und damit für  , so dass   gilt) konvergiert. Den Grenzwert nennen wir die Brownsche Bewegung  .

Satz 2.1 (Wiener) Bearbeiten

Es gibt einen stetigen stochastischen Prozess   mit den folgenden Eigenschaften:
  1.  
  2. Für alle   gilt:   ist  -verteilt.
  3. Für alle   gilt: W_t - W_s</math> und   sind unabhängig.

Der stochastische Prozess   aus Satz 2.1 wird Wiener Prozess oder Brownsche Bewegung genannt. Aus Satz 2.1, (2) folgt unmittelbar, dass    -verteilt ist und dass gilt

(2.10)  

Der Beweis von Satz 2.1 ist aufwändig.

Ein Aktienkursmodell. Mit Hilfe des Wiener-Prozesses können wir ein Modell für die Entwicklung von Aktienkursen angeben. Wir betrachten zunächst einen Bond   mit dem risikofreien Zinssatz  . Dann gilt   oder

 

Das legt den folgenden Ansatz für den Aktienkurs   nahe:

 

Da in einem arbitragefreien Markt die Anlage einer Aktie die gleiche Rendite wie ein Bond bringen soll, ersetzen wir   durch  . ein solches Verhalten kann dem (längerfristigen) Verlauf von Aktienkursen entnommen werden. Er verändert sich mit dem Driftterm und wird durch zufällige Schwankungen überlagert.

Für den Zufall nehmen wir an, dass er ohne Tendenz ist, d.h. der Erwartungswert der (zufälligen) Schwankungen sei Null; er hänge jedoch von der Zeit ab. Das wird durch den Ansatz

 

erfüllt. Man definiert üblicherweise  , das impliziert

(2.11)  

Der Aktienkurs ist dann gegeben durch

(2.12)  

Man nennt   eine geometrische Brownsche Bewegung;   ist lognormalverteilt. Bei der Analyse der Black-Scholes-Formel kommen wir auf die Beziehungen zurück.

Für den Erwartungswert und die Varianz von   gelten nun folgende Aussagen:

Lemma 2.1 Bearbeiten

Sei   eine geometrische Brownsche Bewegung. Dann gilt
(2.13)  
(2.14)  

Beweis: Bearbeiten

Wir verwenden die Eigenschaft, dass für eine normalverteilte Zufallsgröße   gilt, dass   logarithmisch normalverteilt ( -normalverteilt) ist. Da    -verteilt ist, folgt

 

also

 

und

 

q.e.d.

Der Aktienkurs ist nach Gleichung (2.14) ein Produkt aus dem mittleren Kurs   und einer zufälligen Schwankung   um diesen mittleren Kurs. Die Formeln (2.14) benötigen wir für die Betrachtungen der Binomialmethode im nächsten Abschnitt.

2.4 Der Algorithmus der Binomialmethode Bearbeiten

Wir sind nun in der Lage, einen ersten numerischen Algorithmus vorzustellen, um den Preis einer europäischen oder einer amerikanischen Option approximativ zu bestimmen:
Wir zerlegen das Zeitintervall   in   Zeitschritte der Länge   und suchen Approximationen   von   zu den Zeitpunkten  . Wir treffen folgende Annahmen:

Der Kurs   nimmt nach Ablauf der Zeit   entweder mit Wahrscheinlichkeit   den Wert   (”up”) oder mit Wahrscheinlichkeit   den Wert   (”down”) an.
Die erwartete Rendite im Zeitraum   entspricht dem risikolosen Zinssatz, d. h. wir setzen   in (2.14):
(2.15)  
Für den Optionspreis   gelte analog
(2.16)  
Für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren fallen keine Transaktionskosten an, es erfolgen keine Dividendenzahlungen.

Die Parameter   sind (zunächst) unbekannt.

Die Grundidee der Binomialmethode ist es, die Erwartungswerte und Varianzen des (zeit-)kontinuierlichen und des (zeit-)diskreten Modells gleichzusetzen. Für das diskrete Modell gilt

(2.17)  
(2.18)  
(2.19)  

Ersetzen wir in (2.15)   durch die Approximation   und verwenden wir (2.19), so erhalten wir

 
 

Die erste Gleichung ist äquivalent zu

(2.20)  

Wir setzen diese Beziehung in die zweite Gleichung ein und erhalten

 

oder die dazu äquivalente Gleichung

(2.21)  

Damit haben wir mit (2.20) und (2.21) zwei Gleichungen für die drei Unbekannten  . Wir wählen zusätzlich dazu eine Symmetriebeziehung für einen Kursanstieg bzw. einen Kursabfall:

(2.22)  

Die Wahl von   wäre auch möglich. Damit ist noch das nichtlineare Gleichungssystem (2.20) bis (2.22) zu lösen:

 

wobei für   gilt

 

Die Binomialmethode wird nun in drei Schritten realisiert:
Sei   der Aktienkurs zur Zeit   und seien   für   und   die möglichen Aktienkurse zur Zeit  .

1. Schritt: Initialisierung des Binomialbaumes. Berechne (für den Fall europäischer oder amerikanischer Optionen)  :
 
2. Schritt: Berechne die Optionswerte  . Für   ist   durch die Endbedingung bekannt. Zu berechnen ist folglich für  :
 
Bei amerikanischen Optionen ist hier zu überprüfen, ob ein vorzeitiger Kauf/Verkauf günstiger ist.

Den dritten Schritt der Berechnung der Optionspreise   nehmen wir wie folgt vor:
Wir können (2.20) mit Hilfe der Definition von   auch in der Form

 

schreiben. Ersetzen wir in (2.16) den zeit-kontinuierlichen Optionspreis durch den zeitdiskreten, d. h.  , so folgt für den Aktienkurs die Gleichung

 
3. Schritt: (Rückwärtsiteration)
Für alle   und für   bestimme man im Falle europäischer Optionen
 
und im Falle amerikanischer Optionen
 
 

Der Wert   ist eine Approximation der Optionsprämie  .

Die angegebenen Schritte können mittels Mathematica realisiert werden. Wie bei dem nachfolgenden Matlab-Programm wählen wir den Basiswert  , die Zinsrate  , die Volatilität  , die Periodendauer   und greifen z. B. auf ein Fünf-Perioden-Modell zurück.

Wir realisieren die payoff-Funktion

 

in Mathematica durch die Funktionen

Clear[payoffCall, payoffPut];
payoffCall[s_] := Max[s - X, 0];
payoffPut[s_] := Max[X - s, 0];

in den benötigten Varianten für Call- und Put-Option. Das geschieht durch jeweiliges Vertauschen der beiden Summanden. Wir bilden weiter den Binomialbaum und berechnen mit Hilfe einer Prozedur die Optionswerte.

Clear[r, n, S0, h1, up, down, p]
{* up=1.1; down=0.95; *}
r = 0.04;
sigma = 0.3; 
n = 4; 
S0 = 5; 
h1 = 1/2*(Exp[-r/(n + 1)] + Exp[(r + sigma^2)/(n + 1)]);
up = h1 + Sqrt[h1^2 - 1];
down = 1/up;
p0 = (Exp[r/(n + 1)] - down)/(up - down);
Print["up = ", up]
Print["down = ", down]
stock = Table[5*up^(j - 1)*down^(i - j), {i, 1, 5}, {j, 1, i}];
MatrixForm[stock]

solution = Solve[{p*(1 + r) + q*(1 + r) == 1, up*p + down*q == 1}{p, q}]

Die Zinsrate gilt für jede Periode (was hier mit   zusammenfällt!). Der gesamte Baum für die errechneten Werte   und   hat dann folgende Gestalt:

n = 4;
p = solution1, 1, 2;
q = solution1, 2, 2;
statePrices = Table[p^(j - 1)*q^(i - j), {i, 1, n + 1}, {j, 1, i}];
MatrixForm[statePrices]

mit dem (aktuellen, d. h. dem gegenwärtigen) Optionspreis für   von

X = 6;
statePricesn + 1 . payoffPut /@ stockn + 1
statePricesn + 1 . Map[payoffPut, stockn + 1];
{* --> alternativer Befehl *}

Ein anderer Weg zur Berechnung des Optionspreises ist die Konstruktion eines intermediären Binomial-Baumes, wo auch Dividenden-Ausschüttungen, Änderungen von Zinssätzen oder Volatilitäten usw. eingebaut werden können, durch eine Prozedur, die sog. Europäische Optionen berücksichtigt.

N V(5,0) CPU-Zeit [sec]
10 1.096558 < 0.001
100 1.092326 0.06
500 1.094202 1.52
1000 1.094364 5.78
2000 1.094361 24.8

Die Übereinstimmung mit dem weiter unten durch eine MATLAB-Prozedur berechneten Put-Wert ist (bei Beachtung der jeweiligen Unterteilungszahl in Perioden) gegeben.

Als weiteres Beispiel ist ein Programm (in Matlab) zur Berechnung einer europäischen Put-Option mit   angegeben. Mit Hilfe der (weiter unten betrachteten) Black-Scholes-Gleichung erhält man als ”exakte” Lösung  ; für die Binomialmethode sind für verschiedene Zerlegungen N die zeit-diskreten Lösungen in der Tabelle oben angegeben.

Bemerkung: Bearbeiten

1. In Abschnitt 2.1 wurde begründet, dass die Arbitrage-Freiheit des Marktes die Ungleichungskette   nach sich zieht. Diese Ungleichungekette ist erfüllt, falls   ist, denn es gilt

 

Die letzte Ungleichung ist für alls   erfüllt, was in praktischen Fällen zutreffend ist.

2. Eine alternative Binomialmethode erhalten wir durch Lösung der Gleichungen (2.20), (2.21) und  . Dieses Vorgehen liefert (Man versuche, den Beweis selbständig zu führen!)

 

In diesem Fall können die Parameter   nicht beliebig sein, da sonst   möglich ist. Dies wird verhindert, wenn wir den Zeitschritt klein genug wählen, nämlich

 

Hier findet sich ein Stabilitätsproblem der Numerik wieder, das wir aber momentan nicht näher beleuchten wollen.

3. Die beschriebene Binomialmethode basiert darauf, Erwartungswerte und Varianzen des zeit-kontinuierlichen und des zeit-diskreten Modells gleich zu setzen und weiter   oder   vorauszusetzen. Eine weitere Variante erhält man, indem nicht nur die Erwartungswerte und die Varianzen, sondern auch die dritten Momente, d. h. Ausdrücke  , gleichgesetzt werden. Das führt auf die Gleichungen (2.20), (2.21) und auf

 

Die Lösung lautet dann

 
 

In diesem Falle gilt   und   für alle  .

4. In dem Falle von Dividendenzahlungen auf den Basiswert (etwa zur Zeit  ), fällt der Kurs sprunghaft um den Ausschüttungsbetrag. Dies kann modelliert werden, indem die Werte von   im Binomialbaum zur Zeit   entsprechend vermindert werden.

5. Die Binomialmethode kann zur Trinomialmethode erweitert werden, indem zu jedem Zeitpunkt   drei Änderungsmöglichkeiten für den Kurs des Basiswertes mit Wahrscheinlichkeit   mit   zugelassen werden. Details findet man in [13].

% Binomialmethode fuer einen europäischen Put
% Input
K = 6; S0 = 5; r = 0.04; sigma = 0.3; T = 1; N = 99;
dt = T/(N+1);
beta = 0.5*(exp(-r*dt) + exp((r + sigma^2)*dt));
u = beta + sqrt(beta^2 - 1);
d = 1/u;
p = (exp(r*dt) - d)/(u - d);
% 1. Schritt
for j=1:N + 1
  S(j,N+1) = S0*u^(j - 1)*d^(N - j+1);
end
% 2. Schritt
for j=1:N + 1
  V(j,N+1) = max([K - S(j,N+1) 0]);
end
% 3. Schritt
e = exp(- r*dt);
for i=N - 1:1
  for j=1:i
    V(j,i) = e*(p*V(j + 1, i + 1) + (1 - p)*V(j, i + 1));
  end
end
% output
fprintf(’V(%f,0) = %f\n\n’, S0, V(1,1))

2.5 Ein Übergang vom Binomialbaum zur Black-Scholes-Formel Bearbeiten

In Abschnitt 2.1 wurde der Preis einer europäischen Call-Option zur Zeit   aus einem  -Perioden-Binomialbaum hergeleitet:

(2.24)  

wobei   und   binomialverteilte Zufallsgrößen mit   und   sind. Weiter ist   und

 

Wir wollen nun den Grenzwert von   für   untersuchen. Wir setzen dafür   und  . Weiter sei eine Zahl \sigma > 0 definiert durch

 

Der Grenzübergang beruht auf dem zentralen Grenzwertsatz, den wir in folgender Variante benutzen:

Satz 2.2 Bearbeiten

Sei   eine Folge  -verteilter Zufallsvariable auf einem Wahrscheinlichkeitsraum. Dann gilt
 

Wir beweisen, dass im zeit-kontinuierlichen Grenzfall   der diskrete Optionspreis (2.24) gegen die zeit-kontinuierliche Black-Scholes-Formel konvergiert.

Satz 2.3 Bearbeiten

Es gelte  . Dann folgt
 
wobei der Grenzwert   bei   gerade   entspricht und
 

Beweis: Bearbeiten

Es genügt zu zeigen, dass

 

Wir beweisen exemplarisch den zweiten Grenzwert. Wir zeigen zuerst, dass

(2.25)  
(2.26)  

Sowohl   als auch   hängen von   ab; somit ist auch   eine Funktion von  . Durch Anwendung der Regel von l’Hospital auf   folgt

 

Eine weitere Rechnung (- die etwas mühsam ist -) zeigt, dass

 

Wir schließen aus diesen beiden Beziehungen (2.25), denn

 
 

Um den zentralen Grenzwertsatz anwenden zu können, formulieren wir die Wahrscheinlichkeit für   um:

 

Nach Definition von   gilt

 

und es exisitiert eine Zahl  , so dass

 

Damit ergibt sich

 

Wegen (2.25) und   erhalten wir den Grenzwert für  

 

woraus wegen  

 

und damit die Behauptung folgt.

q.e.d.