Kurs:Modellierung und Numerische Methoden von Finanzderivaten/4 Das Black-Scholes-Modell

4.1 Black-Scholes-Formeln

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Unter Verwendung der Vorbereitungen zur stochastischen Analysis und zum Ito-Kalkül können wir die formale Herleitung der Black-Scholes-Gleichung und elementarer Lösungen skizzieren. Es sei der Kurs eines Basiswertes durch eine Zufallsvariable   beschrieben. Den Wiener-Prozess bezeichnen wir mit   und mit   den Wert einer bestimmten Option. Die wesentliche Voraussetzung ist, dass   einer geometrischen Brownschen Bewegung (beschrieben in Kapitel 3) entspricht, d.h. es gilt

 

mit Drift   und Volatilität   (beide gegeben). Wir behaupten, dass   ein stochastischer Prozess ist: Schreiben wir nämlich

 

so ist auch   ein Ito-Prozess. Aus dem Lemma von Ito für   und   folgt wegen

 

die stochastische Differentialgleichung

 

oder

(4.1)  

Eine heuristische Interpretation der Gleichung (4.1) lässt sich wie folgt vornehmen. Es sei   der Kurs des Basiswertes zur Zeit   und   der Kurs zur Zeit  . Die relative Änderung des Kurses   ist durch einen deterministischen Anteil   und durch einen zufälligen Anteil   gegeben. Der Term   modelliert die Zufälligkeit der Kurswerte. Wir nehmen an, dass die zufälligen Schwankungen durch die Brownsche Bewegung   modelliert werde.

Folgende vereinfachende Modellannahmen für den Finanzmarkt werden getroffen:

Der Aktienkurs   genüge der stochastischen Differentialgleichung
 
mit konstanten Parametern   und  .
Für Geldanlagen und für Kredite wird derselbe und vorgegebene konstante Zinssatz   verwendet. Der entsprechende Bond erfüllt die Gleichung Bond
(4.2)  
Es werden keine Dividendenzahlungen auf den Basiswert geleistet.
Der Markt ist arbitragefrei und friktionslos, d.h. es gibt keine Transaktionskosten, Steuern usw.
Der Basiswert kann kontinuierlich, d.h. nicht nur zu diskreten Zeitpunkten, gehandelt werden und ist beliebig teilbar (es können also auch Bruchteile gehandelt werden). Leerverkäufe (short selling) sind erlaubt; d.h. es können bzw. dürfen Derivate verkaufen, die wir zum Zeitpunkt des Verkaufs noch gar nicht besitzen.
Alle betrachteten stochastischen Prozesse sind stetig, die Modellierung eines Börsen-Crashs ist unmöglich.

Sei   der Wert der Option zum Zeitpunkt  . Wir betrachten das folgende Portfolio, das aus   Anteilen eines Bonds, aus   Anteilen des Basiswertes und aus einer verkauften Option (vgl. Kap. 2.1) besteht:

 

Aus dem Erlös des Optionsverkaufs können die Bond- und Basiswertanteile finanziert werden (daher das Minuszeichen vor  ). Wir treffen folgende zusätzlichen Annahmen:

Annahme 1:

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Das Portfolio   unterliegt keinen zufälligen Schwankungen, d.h. es ist ein risikofreies Portfolio. Die Änderung ist dann
 

Annahme 2:

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Das Portfolio   erfüllt die stochastische Differentialgleichung
(4.4)  
Das bedeutet, dass die Änderung von   zur Zeit   gleich den Änderungen der Bond- und Basiswertanteile und des Optionswertes ist.

Mit diesen Voraussetzungen können wir die Black-Scholes-Gleichung herleiten. Nach dem Lemma von Ito erfüllt   die stochastische Differentialgleichung

(4.5)  

Setzen wir noch die stochastischen Differentialgleichungen für   und für   in (4.4) ein, so erhalten wir

(4.6)  

Die Annahme 1 des Portfolio ohne zufällige Schwankungen führt auf die Forderung

 

denn mit dieser Wahl verschwindet der Koeffizient vor  . Da das Portfolio   risikolos sein soll, folgt aus der Arbitrage-Freiheit

(4.7)  

Setzen wir (4.6) und (4.7) gleich, so folgt wegen der Wahl von  :

 

Setzen wir die Koeffizienten gleich, so ergibt sich für die Funktion  

(4.8)  

Diese Gleichung heißt Black-Scholes Gleichung.

Üblicherweise werden die partiellen Ableitungen mit Indizes bezeichnet, wir schreiben folglich

 

Man beachte, dass die Ableitung   nicht mit dem Wert der stochastischen Funktion   verwechselt werden darf; die Gefahr besteht allerdings deshalb kaum, weil nach der Herleitung hier   eine deterministische Funktion und keine Zufallsvariable ist.

Einordnung und Typbestimmung der Black-Scholes-Gleichung:

Es handelt sich um eine parabolische, partielle Differentialgleichung 2. Ordnung. Diese Einteilung wird aus dem sog. Hauptteil der Gleichung, d.h. aus allen Termen mit zweiten partiellen Ableitungen gefolgert. Allgemeiner heißt eine Differentialgleichung in den Variablen   der Form

 

mit von   und   abhängigen Koeffizientenfunktionen und der rechten Seite parabolisch, wenn die Gleichung

 

erfüllt ist. In unserem Falle gilt für (4.8)  , d.h. die Differentialgleichung ist parabolisch oder vom parabolischen Typ.

Bemerkung:

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(1) In obiger Herleitung konnte der Driftterm   durch die Wahl von   vollständig eliminiert werden. Damit hängt das Black-Scholes-Modell nicht von der Driftrate   ab. Das ist sehr vorteilhaft, da die Bestimmung des Parameters   nicht einfach ist. Allerdings enthält (4.8) noch die Volatilität  , die nur aus Marktdaten bestimmt werden kann. Der verbleibende Parameter, die Zinsrate  , ist aus Marktdaten relativ einfach zu bestimmen und über längere Zeitabschnitte konstant.

(2) Die Bond- und Basiswertanteile für ein selbstfinanzierendes Portfolio (d.h. für  ) lauten gemäß obigem Beweis

 

Wir werden noch zeigen, dass für europäische Optionen der Call-Optionspreis   eine strikt konvexe Funktion in   ist. Falls   gilt, ist es sinnvoll,   anzunehmen. Dann folgt

 

d. h., der Bondanteil   ist negativ.

Jedes Derivat, dessen Preis nur vom gegenwärtigen Kurs   und der Zeit   abhängt und das zur Zeit   bezahlt werden muss, erfüllt unter den obigen Voraussetzungen die Black-Scholes-Gleichung (4.8). Diese Aussage gilt insbesondere für europäische Optionen. Amerikanische und exotische Optionen betrachten wir etwas später genauer.

Die Differentialgleichung (4.8) ist über der Menge   zu lösen. Wir benötigen Rand- und Endbedingungen (letztere anstelle der sonst üblichen Anfangsbedingungen), um eine eindeutige Lösbarkeit zu gewährleisten. Als Endbedingung zur Zeit   (dem Verfallstag der Option) wählen wir

(4.9)  

wobei   für europäische Calls und   für europäische Puts steht. Da   im Intervall   liegt, schreiben wir Randbedingungen für   und für   vor.

Call:  : Ist der Kurs des Basiswerte  , so ist der Wert des Calls ebenfalls Null, da das Recht, einen wertlosen Basiswert zu kaufen, ebenfalls wertlos ist. Ist dagegen der Kurs des Basiswertes sehr hoch, so ist es nahezu sicher, dass die Call-Option eingelöst wird. Damit wird der Wert des Calls näherungsweise   sein. Für sehr großes   kann der Ausübungspreis   vernachlässigt werden und es folgt
  für  .
Diese Schreibweise bedeutet, dass
  für   und  
gilt.
Put:  : Ist der Basiswert sehr groß, wird die Option voraussichtlich nicht eingelöst, d. h.
  für  .
Für   verwenden wir die Put-Call-Parität
 

Zusammenfassend gelten die Randbedingungen im Falle europäischer Optionen:

(4.10) Europ. Call:  
(4.11) Europ. Put:  

Somit ist der Wert einer europäischen Call- (einer europäischen Put-) Option   gegeben durch die Lösung der partiellen Differentialgleichung (4.8) mit der Endbedingung (4.9), wobei   (bzw.  ) und die Randbedingungen (4.10) (bzw. (4.11)) gelten.

Die Black-Scholes-Gleichung (4.8) mit obigen Rand- und Endbedingungen kann explizit gelöst werden. Wir betrachten zuerst den Fall einer europäischen Call-Option.

Satz 4.1 Black-Scholes-Formel für Call-Optionen

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Die Black-Scholes-Gleichung (4.8) mit den Randbedingungen (4.10) und der Endbedingung (4.9) mit   besitzt die Lösung
(4.12)  
mit der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung
(4.13)  
und
(4.14)  

Man beachte, dass die Lösung (4.12) mit   gleich dem Call-Preis aus dem Binomialmodell im Grenzfall   ist.

Man könnte den Satz beweisen, indem man verifiziert, dass Formel (4.12) die Differentialgleichung und die Rand- und Endbedingungen erfüllt. Ein zweiter Weg ist die schrittweise Transformation auf eine reine Diffusions- (Wärmeleitungs-) Gleichung der Form

 

Folgende Schritte sind erforderlich:

1. Elimination der nicht-konstanten Koeffizienten durch eine Variablentransformation:

 .

Man beachte hier  . Folglich ist   und  .

2. Elimination der  - und  -Terme durch

 

Man erhält Bedingungen an die Wahl von   und  .

3. Schließlich bestimmt man die analytische Lösung des entstandenen Problems

(4.15)  

mit der Anfangsbedingung

(4.16)  

Diese lautet

 

Eine Vereinfachung dieses Integrals erhält man mit der Transformation  :

(4.17)  

4. Die analytische Lösung der Wärmeleitungsgleichung wird nun in die ursprünglichen Variablen zurück transformiert.

5. Im letzten Schritt überprüfen wir die Rand- und Endbedingungen.

Nach Ausführung aller Schritte ist der Satz vollständig bewiesen.

q.e.d.

Bemerkung:

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Die als Zwischenschritt entstehende Formel (4.17) gestattet es, den Optionspreis als diskontierten Erwartungswert

(4.18)  

zu interpretieren. Wir führen zu diesem Zweck die Rücktransformation aus Gleichung (4.17) durch. Dann folgt nach einiger Rechnung mit der Transformation  :

Fehler beim Parsen (Syntaxfehler): {\displaystyle V(S, t) = \frac{K}{\sqrt{2\pi}} e^{-(k-1) x/2 - (k+1)^2 \tau/4} \int\limits_{\mathbb{R}} u_0 \left( \sqrt{2\tau} y + x \right) e^{-y^2/2}\, dy= \frac{1}{\sqrt{2\pi}} \int\limits_\mathbb{R} e^{-(k+1)^2 \tau/4 + (k-1) \sqrt{2\tau} y/2 - y^2/2 \left( e^{\sqrt{2\tau} y} S - K \right)^+\, dy = e^{-\tau (T-t)} E(V_0(S)),}

wobei

 

der Erwartungswert von   bzgl. der Dichtefunktion

 

der sog. Lognormalverteilung ist. Damit sind zwei verschiedene Darstellungsformen des Optionspreises gefunden:

  • eine Lösung der partiellen Differentialgleichung (4.8),
  • ein Erwartungswert nach (4.18).

Der Zusammenhang wird im sog. Feynman-Kac-Formalismus behandelt.

Die Black-Scholes-Formel für europäische Put-Optionen folgt aus der Put-Call-Parität und Satz 4.1.

Satz 4.2 Black-Scholes-Formel für Put-Optionen

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Die Black-Scholes-Gleichung (4.8) mit den Randbedingungen (4.11) und der Endbedingung (4.9) mit   besitzt die Lösung
(4.19)  
mit der Verteilungsfunktion   und   entsprechend (4.13) bzw. (4.14).

Unter Verwendung der Notation   und von Satz 4.1 mit   für alle   ergibt sich

 

q.e.d.

% Berechnung einer europaeischen Call-Option
function result = call(S,t,K,r,sigma,T)
 d1 = (log(S/K)+(r+0.5*sigma^2)*(T−t))/(sigma*sqrt(T−t));
 d2 = d1 − sigma*sqrt(T−t);
 n1 = 0.5*(1+erf (d1/sqrt(2)));
 n2 = 0.5*(1+erf (d2/sqrt(2)));
 result = S*n1 − K*exp(r*(t−T))*n2;

Die numerische Auswertung der Black-Scholes-Formeln erfordert die Berechnung der Werte der Verteilungsfunktion  . Wegen   und

 

ist dies äquivalent zur Aufgabe, das Gaußsche Fehlerintegral

 

zu berechnen. Diese Funktion ist tabelliert und auch in Matlab (oder in anderen Systemen) implementiert. Die Abbildungen sind mittels der Fehlerfunktion ’erf’ und den folgenden Matlab-Programmen erzeugt worden.

% Auswertung der Black-Scholes-Formeln
% Initialisierung
K = 100; T = 1; r = 0.1; sigma = 0.4;
compute_call = 1;
    % compute ’Call’, if compute_call = 1, else ’Put’
t = 0;
hold on, box on
% Berechnung der Optionspreise mittels der Black-Scholes-Formel
for t=0:0.2:1
  for S=1:1:200 10
    C(S) = call(S,t,K,r,sigma,T); 
    P(S) = put (S,t,K,r,sigma,T);
  end
  if compute call
    figure(1)
    plot(C)
    axis([0 200 0 120])
    title(’European Call’,’FontSize’,15)
    xlabel(’Basiswert’), ylabel(’Optionswert’)
    text(110,50,[’t=0’],’FontSize’,12), text(130,20,[’t=1’],’FontSize’,12) 20
  else
    figure(2)
    plot(P)
    axis([0 200 0 100])
    title(’European Put’,’FontSize’,15)
    xlabel(’Basiswert’), ylabel(’Optionswert’)
    text(40,30,[’t=0’],’FontSize’,12), text(50,70,[’t=1’],’FontSize’,12)
  end
end
% Berechnung einer europaeischen Put-Option
function result = put(S,t,K,r,sigma,T)
 d1 = (log(S/K)+(r+0.5*sigma^2)*(T−t))/(sigma*sqrt(T−t));
 d2 = d1 − sigma*sqrt(T−t);
 n1 = 0.5*(1+erf (−d1/sqrt(2)));
 n2 = 0.5*(1+erf (−d2/sqrt(2)));
 result = K*exp(−r*(T−t))*n2 − S*n1;

4.2 Numerische Auswertung der Black-Scholes-Formeln

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Um die Formeln (4.12) und (4.19) auszuwerten, muss die Verteilungsfunktion

 

berechnet werden. Wir geben im folgenden zwei Methoden an, um dies effizient zu tun. Wegen

 

genügt es, das Fehlerintegral

 

für beliebige   zu berechnen. Hierzu gibt es

  • spezielle Approximationsformeln, die es erlauben, die Funktion   mit hoher Genauigkeit zu berechnen. Diese Formeln sind recht aufwändig und in der Auswertung langsam (man vgl. etwa die Implementierung in Matlab);
  • rationale Bestapproximationen, die zwar nur eine geringe Genauigkeit liefern (ca. 4 Dezimalstellen), dafür aber leicht implementierbar sind;
  • den kubischen Interpolationsansatz, der auf einer Tabelle von wenigen hochgenauen  -Auswertungen beruht.

Zur rationalen Bestapproximation: Es wird das asymptotische Verhalten der Fehlerfunktion für   im Ansatz verwendet:

 
 

Hier ist   die erste Ableitung der Fehlerfunktion, die sich übrigens explizit berechnen lässt:

 

Wir suchen nun eine Funktion   mit der Eigenschaft, dass   ein Polynom in der Variablen   mit noch zu bestimmendem   ist, wobei dieser Quotient Für   (d. h.  ) verschwinden soll:

 

Approximieren wir bis zur dritten Potenz in \eta und machen wir den Ansatz

(4.20)  

so können die freien Parameter  , so gewählt werden, dass der maximale Fehler

 

für vorgegebenes   minimiert wird.

Einen historischen Lösungsvorschlag liefert Hastings [6]. Die Approximationsformeln werden iterativ durch sog. ”Best-Fits” verbessert:

(1) Wähle Stützstellen   und löse damit das nichtlineare Gleichungssystem
  für  
Dies liefert die Parameter  .
(2) Plotte die Fehlerkurve   zu den berechneten Parametern  . Daraus erkennt man Fehlermaxima in  .
(3) Man verteile die Fehler gewichtet auf vier der Extrema:
 
(4) Man löse das Ausgleichsproblem
 
Das ergibt neue Werte  . Damit kann ein weiterer Iterationsschritt ab Punkt (2) angefügt werden, um die Formel weiter zu verbessern.

Nach Hastings ergeben sich folgende Werte:

 
 
 
 

Als Matlab-Funktion kann man   folgendermaßen definieren:

% Berechnung der Fehlerfunktion mit ’BestFit’ nach Hastings
function result = erf1(x)
eta = 1/(1 + 0.47047*abs(x));
result = sign(x)*(1 − (((0.663422*eta−0.0860531)*eta ... + 0.308872)*eta)*1.128379*exp(−abs(x)^2));
return

Kubischer Interpolationsansatz: Die Idee des Ansatzes besteht darin, eine Approximation   durch Interpolation aus (sehr genau bekannten) Werten an einigen Stützstellen zu bestimmen. Die Vorgehensweise ist folgende:

(1) Vorgabe einer Fehlergröße   für die Approximation.
(2) Bestimmung einer Stützstelle   mit der Eigenschaft, dass   für alle   gilt. Diese Wahl ist immer möglich, da   monoton wachsend und   ist.
(3) Berechnung der Stützwerte an den Stellen  :
 
Durch Symmetriebetrachtungen folgt übrigens   und  .
(4) Abspeichern der dividierten Differenzen (siehe Numerik I):
 
und Berechnung des gesuchten Näherungswertes   über Steigungsspiegel und Horner-Schema.
Für   setzt man   und im Falle negativer Argumente benutzt an  .
(5) Den Fehler kann man abschätzen über
 
Hier bezeichnen   jeweils die Basis-Polynome,   die  -te Ableitung der Fehlerfunktion an der Stelle  .

4.3 Kennzahlen und Volatilität

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Um Optionsscheine untereinander vergleichen zu können, werden sog. statische und dynamische Kennzahlen verwendet. Statische Kennzahlen ermöglichen eine qualitative Beurteilung der Preise zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ihre Aussagekraft ist begrenzt.

Dynamische Kennzahlen erlauben eine zeitpunkt-bezogene Abschätzung von Preisentwicklungen von Optionen. Sie heißen auch ’Greeks’, da sie mit griechischen Buchstaben definiert werden.

Definition 4.1

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Sei   eine Call- oder eine Put-Option. Wir definieren
  • Delta:  ,
  • Gamma:  ,
  • Vega (Kappa):  ,
  • Theta:  ,
  • Rho:  .

Ist der Optionspreis durch die Black-Scholes-Formeln (4.12) bzw. (4.19) gegeben, können wir die partiellen Ableitungen entsprechend der Definition explizit ausrechnen.

Proposition 4.1

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Sei der Preis einer europäischen Call-Option durch (4.12) gegeben. Dann gilt:
 
 
 
 
 
wobei   und   gilt.

Übungsaufgabe. Man beginne mit  .

Folgerung 4.1

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Zwischen den Kennzahlen   und   besteht folgender Zusammenhang:
 

Die Behauptung folgt unmittelbar aus der Black-Scholes-Gleichung (4.8) und aus der Definition 4.1.

Weitere Bemerkungen zu Greeks: (d.h. zu Kennzahlen von Optionen)

Vorzeichen:

 
 

 : Optionspreis,  : Preis des Underlyings
Basispreis steigt um 1,–€, Optionspreis steigt um  

 

 : Optionspreis,  : Restlaufzeit
Restlaufzeitverkürzung um 1 Tag, Optionspreisänderung um  

 

 : Optionspreis,  : Volatilität
Volatilität steigt um 1 Prozentpunkt, Optionspreis steigt um Vega Prozentpunkte

 

 : Optionspreis,  : (risikoloser) Zinssatz

Zur Bestimmung der Optionsprämie eines Calls muss die Volatilität   bekannt sein. Nun gibt   die durchschnittlichen Kursschwankungen des Basiswertes an, die nur für die Vergangenheit vorliegen. In die Black-Scholes-Gleichung müssen jedoch die Werte der Volatilität für zukünftige Zeiten   eingesetzt werden. Um möglichst präzise Werte für die Optionspreise zu erhalten, ist eine gute Schätzung der Volatilität notwendig.

Folgende zwei Ansätze werden benutzt:

Historische Volatilität: Die historische Volatilität   ist durch die Kurswerte des Basiswertes aus der Vergangenheit gegeben. Mathematisch gesehen ist   die annullierte Standardabweichung der logarithmischen Kursänderungen. Seien die Kurse   eines Basiswertes gegeben und definiere

 

Dann ist die historische Volatilität definiert durch

 

wobei   die durchschnittliche Anzahl der Börsentage ist. Diese Definition ist nicht eindeutig. Man kann z. B. Kurswerte aus der jüngeren Vergangenheit stärker wichten als ältere Werte. Nimmt man an, dass sich die Kursschwankungen des Basiswertes in der Zukunft ähnlich verhalten wie in der Vergangenheit, so ist die Wahl  e in der Black-Scholes-Gleichung ein möglicher Ansatz.

Implizite Volatilität: Ist der Optionspreis   zur Zeit   bekannt, so kann die Volatilität   aus der Black-Scholes-Formel berechnet werden, sofern die anderen Parameter bekannt sind. Die so bestimmte Volatilität wird implizite Volatilität genannt.

Es bleibt zu klären, ob diese Berechnung ein eindeutiges Ergebnis liefert. Die Black-Scholes-Formel (4.12) für Call-Optionen zeigt, dass die Parameter   von   abhängen, d. h.   und

 

Wir suchen  , so dass   erfüllt ist.

Dieses Problem hat eine eindeutige Lösung, da   stets positiv, d. h.   streng monoton wachsend ist. Die so erhaltene Volatilität   kann als Orientierung zukünftiger Werte von \sigma verwendet werden.

Das Problem   kann mit dem Newton-Verfahren gelöst werden. Man findet die (eindeutig bestimmte) Nullstelle der Funktion   durch Iteration; die Folge   konvergiert gegen   für  .

Beispiel:

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Wir betrachten eine europäische Call-Option auf den DAX-Index mit

  Monate,  .

Es gelte   zur Zeit   (DAX-Index am 01.09.2003). Wir nehmen an, dass   an diesem Tag galt (Tageszinssatz am 01.11.03 ist 2.5 %). Wir erhalten mit Hilfe des folgenden Matlab-Programms die Werte

C = 146.555948, sigma = 0.242140
C = 106.425553, sigma = 0.241518
C = 106.000076, sigma = 0.241518
C = 106.000000, sigma = 0.241518

Die implizite Volatilität beträgt  .

% Berechnung der impliziten Volatilitaet mit dem Newton-Verfahren
S = 3607.71; t = 0; r = 0.025; T = 3/12; K = 3800; C = 106;
sigma = 0; sigma0 = 0.3; error = 1e−8;
while abs(sigma0 − sigma) > error
  sigma = sigma0;
  C0 = call(S,t,K,r,sigma,T);
  d1 = (log(S/K)+(r+0.5*sigma^2)*(T−t))/(sigma*sqrt(T−t));
  kappa = S*sqrt(T)*exp(−d1^2/2)/sqrt(2*pi);
  sigma0 = sigma − (C0 − C)/kappa;
  fprintf(’C = %f, sigma = %f\n’, C0, sigma0);
end

Beispiel:

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Wir wollen noch die implizite Volatilität für andere Calls auf den DAX-Index bestimmen, die Optionsprämien, Verfallsdaten und berechneten impliziten Volatilitäten sind unten angegeben. Die Werte gelten für den 01.09.2003, der DAX-Index zeichnete an diesem Tag mit 3607.71.

 

Die implizite Volatilität ist vom Ausübungspreis abhängig. Das deutet an, dass die Black-Scholes-Formel nicht perfekt modelliert. Zahlreiche Forschungsarbeiten beschäftigen sich derzeit mit Modellverbesserungen.

Literatur

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[1] Burrage, K., Burrage, P.M.: High strong order explicit Runge-Kutta methods for stochastic ordinary differential equations. Appl. Numer. Math. 22 (1996), 81-101.

[2] Cox, J., Ross, S., Rubinstein, M.: Option Pricing: A Simplified Approach. J. Financ. Econom. 7 (1979), 228 - 263.

[3] Edwards, F.R.: Hedge Funds and the Collapse of Long-Term Capital Management. Journal of Economic Perspectives, 1999.

[4] Fisz, M.: Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin. ISBN 3326000790

[5] Günther, M., Jüngel, A.: Finanzderivate mit MATLAB. Vieweg & Sohn, Wiesbaden 2003. ISBN 3528032049

[6] Hastings, C.: Approximations for Digital Computers. Princeton University Press, Princeton 1955. ISBN 0691079145

[7] Higham, D.: An algorithmic introduction to the numerical solution of stochastic differential equations. SIAM Review 43 (2001), 525-546.

[8] Higham, D.; Kloeden, P.: MAPLE and MATLAB for stochastic differential equations in finance. Preprint, 2002.

[9] Hull, J.C.: Options, Futures, and other Derivates. Prentice Hall 1997. ISBN 1405839724

[10] Klimov, G.: Probability Theory, Mir 1988. ISBN 0828532141

[11] Kloeden, P.; Platen, E.: Numerical Solution of Stochastic Differential Equations. Springer, Berlin, 1995. ISBN 3540540628

[12] Korn, R., Korn, E.: Optionsbewertung und Portfolio-Optimierung. Vieweg, Braunschweig 1999. ISBN 3528069821

[13] Kwok: Mathematical Models of Financial Derivatives. Springer, Singapur, 1998. ISBN 3540422889

[14] Löwenstein, R.: The Rise and Fall of Long-Term Capital Management. Random House, New York, 2000. ISBN 0375758259

[15] Øksendal, B.: Stochastic Differential Equations. Springer, Berlin 1998. ISBN 3540047581

[16] Seydel, R.: Einführung in die numerische Berechnung von Finanzderivaten, Springer, Berlin-Heidelberg-New York 2000. ISBN 3540668896

[17] Wilmott, P., Howison, S., Dewyenne, J.: The Mathematics of Financial Derivatives. Cambridge University Press, Cambridge 1996. ISBN 0521497892

[18] Zhang, P.: Exotic Options, World Scientific, Singapure 1997. ISBN 981022222X