Kurs:Organisationslehre/Systemdenken


Das Ganze ist mehr als nur die Summe aller Teile. Im Gegensatz zum linearen Denken, welches Ursache und Wirkung hinterfragt, will das Systemdenken das Gesamtsystem verstehen um auch für komplexe Problemstellungen Lösungsansätze finden zu können. (Sherwood 2011, S. 36) Ziel ist nicht nur alle Elemente des Systems zu kennen, sondern auch die Wechselbeziehung und -wirkung zwischen diesen. Die Art und Weise der Betrachtung zu steuern und am Ende ein Gesamtbild des Systems zu erhalten.[1]

Systemdenken besagt im Grunde, dass man einzelne Probleme nicht isoliert betrachten kann, weil sich Probleme normalerweise nicht an fachspezifische Grenzen halten. Ein System ist ein dynamischer Prozess mit sich gegenseitig beeinflussenden internen und externen Grössen (Variablen). Systemdenken versucht unter Verwendung weniger relavanter Schlüsselparameter, darunter auch so genannte weiche Fakten, ein grobes, aber aussagekräftiges Modell zu erstellen. Da abgeschlossene Systeme recht selten sind, ist eine geeignete Abgrenzung des betrachteten Systems vorzunehmen.

Beim systemischen Denken wir der Fokus nicht nur auf die einzelnen Elemente gelegt, sondern auch auf die Beziehung zwischen diesen. Anstelle des gewohnten Blickwinkels, entsteht ein komplett anderer. Die Wechselbeziehungen zwischen Elementen können nicht nur linear, sprich Ursache und Wirkung, betrachtet werden. Vielmehr laufen diese meist über mehrere Glieder hinweg und haben somit viele Bedingungen als Einflussgrößen auf das System.[2]


Systemdenken - Denken in Prozessen, nicht in Zuständen

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„Die Zustände in der Welt werden sich nicht durch Genveränderungen verbessern, sondern nur durch mehr Hirn.“ Manfred Eigen

Systemdenken soll uns dabei unterstützen, die Methoden des Denkens bewusst zu werden und diese gezielt zu steuern. Um dies zu erreichen ist es notwendig unsere Denkweise zu erfassen und bei der Erstellung eines Modells darauf zu achten, trotz voreingenommener Denkweise, ganzheitlich zu denken. Nur so kann einmöglichst vollständiges Modell unter Einbeziehung der externen Einflussfaktoren gestaltet werden. Da ein System ein ständiger Prozess und daher aus sich heraus dynamisch und in permanentem Wandel ist, müssen auch die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Einflussfaktoren ständig beobachtet und gegebenenfalls neu bewertet werden. Wichtig ist dabei ein wesentliches Augenmerkmal darauf zu werfen, wie die einzelnen Wechselwirkungen sich hinsichtlich Stärke, Art und Richtung wirken. Kausalitäten verlieren teils ihre festgelegte Richtung, weil Ursachen und Wirkungen verschmelzen und im Kreisprozess ihre Rollen vertauschen. (Vester, 2002, S.157-159) Somit ist eine vollständige Erfassung aller Einzelfaktoren eine Utopie und nur in geschlossenen Systemen denkbar (Vester, 2002, S.54). Daher ist das Abgrenzen in einem Sinnvollen Maß unabdingbar und das Auseinandersetzen mit den Grundgedanken von "Problemlösung und Entscheidungsfindung" zielführend.
Da jedes System unterschiedliche Subsysteme beinhaltet oder ein Teil eines übergeordneten Systems ist, müssen diese Grenzen sorgfältig gesetzt werden. Je nachdem, ob das beschriebene System von innen oder von außen steuerbar ist, wird es entweder als autark oder als abhängig (dependent) bezeichnet (Vester, 2002, S.222). Geeignete Grenzen in einem System findet man dann, wenn von einer übergeordneten Beobachtungsposition nur noch wenige Vernetzungspfade zu anderen, dichter vernetzten Strukturen erkennbar sind. Veranschaulichung: die Verkehrssysteme weisen unterschiedliche Stufen der Vernetzung auf: dichte, niederrangige Systeme einzelner Städte oder auch Agglomerationen sind jeweils durch wenige, hochrangige Verkehrswege (Venetzungspfade) miteinander verbunden. Man kann nun je nach Bedarf das System selbst begrenzen: eine einzelne Gemeinde, eine Agglomeration, ein Land oder ein Kontinent. Wichtig ist in jedem Fall, dass jedes betrachtete System aber nicht abgeschlossen ist.

Im Angloamerikanischen Sprachraum wird der Begriff Systems thinking verwendet, ein älterer und verwandter Begriff, quasi ein Vorläufer, ist System Dynamics.

Nur der Vollständigkeit halber finden Sie nachfolgend die Links zu den Wikipedia-Artikeln Systemdenken und Systemtheorie.

Systemdenken/Vernetztes Denken - Die Realität ist immer interdisziplinär

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Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwieweit sich die Begriffe "Systemdenken" und "vernetztes Denken" inhaltlich konvergieren. Nach der Lektüre von "Die Kunst venetzt zu denken" (Vester, 2002) bleibt die Erkenntnis, dass diese zwei Begriffe wohl weitestgehend austauschbar sind. <br\> Die zwei nachfolgenden Beispiele sollen erkennbar machen, dass die beiden Begriffe den identischen Inhaltlichen Sinn wiedergeben.

Beispiel 1: "Komplexe Systeme verhalten sich nun mal anders als die Summe ihrer Teile" (Vester, 2002, S.25) vs. "Ein System zeigt übergeordnete Eigenschaften, die sich aus den Relationen zwischen den relevanten Einflussgrößen ergeben" (Wilms, 2011, Vorlesungsskript, S.29) und

Beispiel 2: "Zu Beginn steht die künstliche Auftrennung der Wirklichkeit in Fächer, Fakultäten und Ressorts, und damit in dem schon erwähnten Manko unserer Ausbildung, die ein "vernetztes Denken" in keiner Weise favorisiert" (Vester, 2002, S.40) vs. "Mit Systemdenken kann man alle Theorien zu Rate ziehen, Problemlösungen halten sich nicht an Fachdisziplinen" (Wilms, 2011, Vorlesung vom 07.10.2011)

System + Denken = Systemdenken

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„Ein System (griechisch: systema (syn + histanai)= Zusammenstellung, geordnetes Ganzes) ist ein nach einer bestimmten Ordnung gefügtes, in sich einheitliches Ganzes.“(Matthies 2002, S. 12)

Systeme müssen funktionsorientiert und nicht produktorientiert arbeiten (Vester, 2002, S.162).

+

Denken stellt eine psychische Funktion dar, mit der jeder Mensch seine eigenen Erfahrungen macht.“(Moussa; Werner 2010, S. 10)

=

Systemdenken bedeutet, sich die Methoden und Mechanismen des Denkens bewusst zu machen, um diese gezielt zu steuern.“(Furrer 2002, S. 11)

Denken in Modellen

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Unter einem Modell, welches gleichbedeutend einem gedachten System ist, versteht man eine vereinfachte gedankliche Abbildung der Wirklichkeit – dabei entspricht die Abbildung niemals vollständig der Realität. Es werden Teilaspekte abhängig von der menschlichen Vorstellungskraft und Voreinstellung ergänzt oder entfernt, wobei auch Interpretationen, Vermutungen, Spekulationen, Hoffnungen und Illusionen Einfluss nehmen. Die Tauglichkeit eines Modells sollte daher immer hinterfragt werden, bevor es verwendet wird. (Furrer 2002, S. 19)

Allerdings lässt man sich leicht dazu verführen, zurückliegende Entwicklungen in die Zukunft zu extrapolieren und das Ergebnis als Entscheidungshilfe zu nutzen. Hochrechnungen sind für komplexe Systeme aber nur unter bestimmten Umständen und für bestimmte Zeiträume aussagekräftig. Voraussagen sollten sich weniger darauf beziehen, welche Ereignisse wann eintreten, als darauf, wie sich das System verhält und wie es auf bestimmte Eingriffe reagiert. (Vester, 2002, S.96 und 185ff).

Das von Vester vorgeschlagene "Sensitivitätsmodell" (Vester, 2002, S.186ff) umfasst folgende neun Arbeitsschritte:

1.) Systembeschreibung

2.) Erfassung der Einflussgrössen

3.) Prüfung auf Systemrelevanz

4.) Hinterfragung der Wechselwirkungen

5.) Bestimmung der Rolle im System

6.) Untersuchung der Gesamtvenetzung

7.) Kybernetik einzelner Szenarien

8.) Wenn-Dann-Prognosen und Policy-Tests

9.) Systembewertung und Strategie

Es bleibt festzuhalten, dass dieses Modell zwar selbst keine Antworten gibt, aber auf neuartige Weise helfen wird, die Antworten zu finden. Zur Systembeschreibung sind 18 Kriterien und etwa 20-40 Variablensätze notwendig.


Um komplexe dynamische Modelle verstehen zu können, werden die Werkzeuge aus Mustererkennung, wie bspw. "Fuzzy Logic" und "künstliche neuronale Netze" verwendet. Diese ermöglichen es, ein selbstlernendes -dynamisches- System mit unscharfen Grenzen -komplex- anhand weniger Schlüsseldaten und Komponenten zu beschreiben. Damit mit der Erfassung dieser wenigen Komponenten aber eine grobe Darstellung der Wirklichkeit auch richtig wiedergegeben wird, müssen:

- die richtigen Komponenten ausgewählt,

- die Beziehungen zwischen den Komponenten erfasst, und

- diese zu einem Muster miteinander vernetzt

werden. Ein "Klassifizierungs-Universum" wird somit zum "Relations-Universum". Das Relations-Universum ist nicht gegenstands- sondern ereignisorientiert. (Vester, 2002, S.173ff).


Ein weiteres Modell, das benutzt wird, um komplexe Systeme zu beschreiben ist das OSTO Systemmodell
OSTO ist ein Akronym und steht für die betrachteten Aspekte des Systems: Offen, Sozial, Technisch und Oekonomisch.

Aufgaben und Systemdenken

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Aufgaben sind immer mit einem System verbunden. Es spielen Einflussgrößen, Abhängigkeiten und Verhaltensstrukturen eine Rolle. Beim Systemdenken wird zur Lösung der Aufgabe das System in Form eines Modells abgebildet, welches die Zusammenhänge und Einflussgrößen deutlich sichtbar macht. Dadurch kann die Aufgabe auf das Wesentliche reduziert gelöst werden. (Wilms 2000, S. 55-62)

Datei:Systemmodell.jpg
Abbildung 1: System Modell zum Beispiel

Um das zu veranschaulichen, hier ein Beispiel:
Ein Vater überlegt sich, was für einen Baum er zur Geburt seines Kindes kaufen und einpflanzen soll. Um die Aufgabe für sich deutlicher zu machen, zeichnet er sich ein Modell des damit verbundenen Systems. Siehe Abbildung 1

Die außerhalb der Systemsgrenzen liegenden Punkte sind Einflussgrößen, die in geringem Zusammenhang mit der Aufgabe stehen, deshalb abgegrenzt wurden, um die Entscheidung nicht zu beeinflussen. Innerhalb des Systems findet sich ein kleines Teilsystem (Geschmackabstimmung zwischen Vater und Mutter). Die Auswahl des Baumes kann anhand des System Modells gut bedacht getroffen werden und es ist bereits vorab eine Abschätzung der Auswirkungen möglich.

Das Systemdenken soll die Zusammenhänge und Abhängigkeiten des Gesamtsystems verstehen und in seinen Entscheidungen berücksichtigen, um so eine langfristig orientierte und folgenbewusste Handlungsstrategie zu entwickeln. Dieser Satz wäre eigentlich als Definition für "Nachhaltigkeit" recht brauchbar. Der englische Beitrag zu Sustainability liefert hier ein vollständigeres Bild.

Gemeinsamkeiten vs. Unterschiede

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Es gibt im Allgemeinen zwei Grundtypen des Denkens. Das Denken in Gemeinsamkeiten und das Denken in Unterschieden. (Lehner; Wilms 2002, S. 27-28) Um dies besser verständlich zu machen, was unter den beiden Grundtypen zu verstehen ist, hier ein kleines Beispiel: Zwei Freunde sitzen in einem Kaffee. Der eine bestellt: „Kaffee warm und groß“ der andere: „Eiskaffee kalt und groß". Der Kellner kann daraus nun folgende Schlüsse ziehen, je nachdem, wie er denkt:

Denken in Gemeinsamkeiten

  • Der Kellner denkt sich, ja eigentlich denken die Freunde ziemlich gleich, sie wollen ja beide einen Großen Kaffee.

Denken in Unterschieden

  • Der Kellner denkt sich, ja eigentlich denken die Freunde ziemlich unterschiedlich, der eine will was heißes, der andere was Kaltes zu trinken.

Haltungen der Menschen

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Ein wichtiger Teil des Systemdenkens sind die Haltungen der Menschen. Kontinuierlicher Perspektivenwechsel, neue Blickwinkel, der Blick auf das Ganze sowie die Suche nach den richtigen Blickwinkeln um das System zu verstehen. Ein Schritt zurück lässt einen meist mehr sehen als zuvor. Alte Gewohnheiten ablegen, Denkmuster aufbrechen und sich diese bewusst zu machen. Mehr zu sehen als vorher.[3] Es geht um das Gesamtsystem. Die Konzentration wird nicht nur auf den eigenen Ausschnitt im System gelegt. Eine Verbesserung im eigenen System zieht möglicherweise eine Verschlechterung des Gesamtsystems nach sich, was es zu verhindern gilt.[4]

Statement (Systemdenken im Alltag)

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Systemdenken ist zwar kein einfaches aber sicherlich ein alltagtaugliches Werkzeug, welches zur Problemlösung herangezogen werden kann, denn es hilft uns, die Denkweise unseres Umfeldes besser zu verstehen und diesem mit mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber zu treten. Ein kontinuierlicher Perspektiven wechsel, neue Blickwinkel, der Blick auf das Ganze sowie die Suche nach den richtigen Blickwinkeln um das System zu verstehen sowie Ein Schritt zurück lässt einen meist mehr sehen als zuvor. Alte Gewohnheiten ablegen, Denkmuster aufbrechen und sich diese bewusst zu machen um mehr zu sehen als vorher. Es geht um das Gesamtsystem und nicht nur um die Konzentration auf den eigenen Ausschnitt im System. Eine Verbesserung im eigenen System zieht möglicherweise eine Verschlechterung des Gesamtsystems nach sich, was es zu verhindern gilt. Wieder beginnen in grösseren Zeitabschnitten zu denken. Zum Beispiel das Denken in Quartalen (Quartalsabschlüsse, -ziele) bringt nur kurzfristige Erfolge, langfristig sind diese meist fraglich.


Systemdenken respektive venetztes Denken ist heutzutage unerlässlich, da man keine Aufgabe und kein Problem als von äusseren Einflüssen unabhängig betrachten kann. Somit müssen in der Problemlösung jeweils auch die kolligativen Eigenschaften (Rückkopplungseffekte, Schwellenwerte, Selbstregulation, Umkippeffekte und Regelkreise) beachtet werden. Eine Fixierung auf Teilbereiche, eine getrennte Betrachtung von Systemteilen und der dadurch bedingten Ignorierung von Rückkopplungen und Regelkreisen ist nutzlos (Vester, 2002, S.29-32, 39)

Literatur

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Furrer, Werner (2002): System-Denken. Eine Anleitung mit Übungen. 3. Aufl. Rüegger

Kuster, Jürg (2011): Handbuch Projektmanagement (Heidelberg Dortrecht London New York: Springer DE)

Lehner, Martin; Wilms, Falko E. P. (2002): Systemisch denken - klipp und klar. 1. Aufl. Orell Füssli

Matthies, Michael (2002): Einführung in die Systemwissenschaft o. J.

Moussa, Svetlana; Werner, Dirk (2010): Definition von Denken und Problemlösen o. J.

Sherwood, Dennis (2011): Einfacher Managen: Mit Systemischem Denken Zum Erfolg (Weinheim: Wiley VCH Verlag GmbH)

Vester, Frederic (2002): Die Kunst venetzt zu denken - Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität; ISBN 978-3-423-33077-0

Wilms, Falko E. P. (2000): Systemorientiertes Management. 1. Aufl. Vahlen

  1. Jürg Kuster u. a., Handbuch Projektmanagement (Heidelberg Dortrecht London New York: Springer DE, 2011), S. 12.
  2. Falko E. P. Wilms, Systemorientiertes Management (München: Vahlen Franz GmbH, 2001), S. 61.
  3. Was ist System-Denken?, 2011, Zugriff: 08.01.13, 00:11 Uhr, http://www.youtube.com/watch?v=DueV2gcO2I4&feature=youtube_gdata_player.
  4. Fredmund Malik, Strategie des Managements komplexer Systeme (Bern . Stuttgart . Wien: Haupt, 2006), S. 21.