Kurs Diskussion:Alte Dresden-Literatur/Carl Adlers Buchhandlung
https://nsraubgut.slub-dresden.de/fileadmin/groups/provenienz/Odessa-Buch_Zeitstrahl.pdf Bibliophile, nummerierte Faust-Ausgabe, Paris 1885, auf China-Papier
Für mich stellt das Buch von Ingo Schulze eine Ehrverletzung von Hans Georg Kühnel dar. Ob sich der Autor dessen bewußt ist, mag ich bezweifeln, wenn er laut seinem Interview mit dem Sonntag "nur ein, zwei Mal dort" [in Kühnels Antiquariat] war. Im Sommer 1979 zog mein Vater durch Wohnungstausch nach Dresden (er hatte sein Mecklenburger Mühlengrundstück, die Klinkermühle zwischen Raduhn und Klinken, dafür verkauft). Seit 1958 hatte er versucht, nach Dresden zu gelangen, wurde aber durch Zuzugssperren daran gehindert. Seine Adresse war Niederwaldstraße. Im gleichen Hinterhof befand sich auch Carl Adlers Buchhandlung (damals Brucknerstraße 28). Der schwerkranke Inhaber Hans Georg Kühnel (geb. 1926) suchte schon damals einen Nachfolger, weswegen mein Vater sich anbot. Mein Vater, Jahrgang 1940 und ebenfalls schon schwerkrank (er sollte sogar noch zwei Jahre vor Kühnel sterben) kam jedoch nicht in Frage. Da brachte er mich ins Spiel. Ich war im Juni 1979 von der Hochschule für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft in Bernburg-Strenzfeld nicht wie versprochen in der Hochschulbibliothek angestellt worden, sondern in der Reprotechnik, da ich als Pazifist und Wehrdienstverweigerer aus politischen Gründen nicht für die Öffentlichkeitsarbeit tragbar war. Mein Vater war bereits 1970 ebenfalls aus politischen Gründen aus dem Volksbuchhandel (Bernburg) entlassen und schon 1969 aus der Stadt- und Kreisbibliothek Bernburg hinausgedrängt worden. Noch im Sommer 1979 erfolgte ein Bewerbungsgespräch, bei welchem ich mich hervorragend präsentieren konnte. Hans Georg Kühnel übertrug mir zunächst die nebenberufliche Aufgabe, den Verlag Carl Adler wieder zu aktivieren. Hierzu liefen auch Gespräche mit der Sächsischen Landesbibliothek, da die Firma Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat erhebliche Kriegsverluste insbesondere beim Verlagsarchiv erlitten hatte. Nach einem Einführungsgespräch zusammen mit Hans Georg Kühnel und dem damaligen Bibliotheksdirektor lief meine Zusammenarbeit mit der Sächsischen Landesbibliothek hervorragend. Neben der Wiederauflage
trug Hans Georg Kühnel das Anliegen an mich heran, daß ich Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat übernehmen sollte. Dieses hat sich aus politischen Gründen zerschlagen (ich bekam als Totalkriegsdienstverweigerer u.a. keine Zulassung zur Fachschule des Buchhandels in Leipzig, wo mir Kühnel einen Platz besorgt hatte). Hans Georg Kühnel schätze ich als einen der Allerallerletzten ein, welche für politische Propaganda empfänglich gewesen wären. Aber von derartiger Abstrusität und grottenschlechter "Qualität" wie "Die rechtschaffenen Mörder" ist offenbar moderne "Literatur".
Handelsregister
BearbeitenCarl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche
Amtsgericht Dresden HRA 356
Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche
Brucknerstr. 28
01324 Dresden
Firmenbeschreibung:
Die Firma Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche wird im Handelsregister beim Amtsgericht Dresden unter der Handelsregister-Nummer HRA 356 geführt.
Die Firma Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche kann schriftlich über die Firmenadresse Brucknerstr. 28, 01324 Dresden erreicht werden.
Handelsregister Löschungen vom 14.10.2010
Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche, Dresden, Brucknerstr. 28, 01324 Dresden.Die Firma ist erloschen.
--Methodios (Diskussion) 21:25, 8. Nov. 2020 (CET)
Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche
Dresden Buchhandlung
Brucknerstr. 28, 01324 Dresden, Deutschland
Dezember 1990 begonnen. Norbert Nitzsche, Buchhändler in Dresden, ist in das Geschäft als persönlich haftender Gesellschafter eingetreten. Der bisherige
Frühere Geschäftsführung: Norbert Nitzsche, Hans-Georg Kühnel
Managementwechsel: Norbert Nitzsche <-- Hans-Georg Kühnel
Handelsregisterbekanntmachung von 26.03.1992:
Kommanditgesellschaft. Die Gesellschaft hat am 31. Dezember 1990 begonnen
Handelsregisterbekanntmachung von 09.05.1992:
Die Gesellschaft ist aufgelöst. Der bisherige persönlich haftende Gesellschafter
Handelsregisterbekanntmachung von 14.10.2010: Löschung
--Methodios (Diskussion) 12:14, 8. Nov. 2020 (CET)
Hans-Georg Kühnel aus Dresden - Manager-Profil
Nachfolgend finden Sie das Manager-Profil von Hans-Georg Kühnel aus Dresden:
Hans-Georg Kühnel
Früher Geschäftsführer - Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche
Handelsregisterbekanntmachungen
Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche KG, Dresden 26.03.1992 - Dresden. Kommanditgesellschaft. Die Gesellschaft hat am 31. Dezember 1990 begonnen. Norbert Nitzsche, Buchhändler in Dresden, ist in das Geschäft als persönlich haftender Gesellschafter eingetreten. Der bisherige…
Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche
25. März 1992 bis 13. Oktober 2010 - 18 Jahre, 6 Monate, 18 Tage
https://www.companyhouse.de/Hans-Georg-Kuehnel-Dresden
--Methodios (Diskussion) 12:22, 8. Nov. 2020 (CET)
Norbert Nitzsche aus Brucknerstr - Manager-Profil Nachfolgend finden Sie das Manager-Profil von Norbert Nitzsche aus Brucknerstr:
Norbert Nitzsche
Früher Inhaber - Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche
Frühere Tätigkeit
Inhaber - Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche
Handelsregisterbekanntmachungen
Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche, Dresden
- 14.10.2010 - Dresden, Brucknerstr. 28, 01324 Dresden. Die Firma ist erloschen.
- 09.05.1992 - Dresden. Die Gesellschaft ist aufgelöst. Der bisherige persönlich haftende Gesellschafter Norbert Nitzsche, Buchhändler in Dresden, ist nunmehr Alleininhaber. Die Firma ist geändert.
Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat Inhaber Norbert Nitzsche
8. Mai 1992 bis 14. Oktober 2010 - 18 Jahre 5 Monate 5 Tage
https://www.companyhouse.de/Norbert-Nitzsche-Brucknerstr
--Methodios (Diskussion) 12:28, 8. Nov. 2020 (CET)
Dietze
BearbeitenAster, Karl Heinrich: Die Kriegsereignisse zwischen Peterswalde, Pirna, Königstein und Priesten im ...; Dresden 1845 [Adler u. Dietze]
Bose, Hugo von : Handbuch der Geographie, Statistik und Topographie des Königreiches Sachsen - 1847 | Verlag: Adler u. Dietze - https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10709505_00005.html
Bose, Hugo von: Handbuch der Geographie, Statistik und Topographie des Königreiches Sachsen Dresden | Erscheinungsjahr: 1847 | Verlag: Adler u. Dietze - 2. vermehrte Aufl. + Ortsverzeichnis - https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10018672_00005.html
Ungewitter, F. H.: Neueste Erdbeschreibung und Staatenkunde, oder geographisch-statistisch-historisches Handbuch : zugleich als Leitfaden beim Gebrauche der neuesten Atlasse von Sohr, Stieler, Weiland, Stein, Streit, Vogel, Meyer, Glaser, Hoffmann u. A. m. Dresden | Erscheinungsjahr: 1848 | Verlag: Adler und Dietze - 1. Band: https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10709499_00005.html - 2. Band https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10709500_00005.html - 2. vermehrte Aufl. 2. Band - https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10430155_00007.html
Röckel, August ; Klüber, Johann Ludwig ; Röckel, August ; Klüber, Johann Ludwig: Die Organisation der Volksbewaffnung in Deutschland, mit besonderem Bezuge auf Sachsen : eine Denkschrift an die Deutsche Nationalversammlung zu Frankfurt und an alle deutsche Regierungen ; Auf Grund der Berathungen einer vom Deutschen Vaterlandsvereine zu Dresden berufenen Commission - Dresden | Erscheinungsjahr: 1848 | Verlag: Adler u. Diezte - https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10560849_00005.html
1850 https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10135257_00003.html
Hammer, H. G.: Die Magnet-Electricität in ihren Wirkungen auf den kranken menschlichen ...; Dresden 1851 [Adler u. Dietze]
Basold, C. F. : Anweisung zum Gebrauch der Kubik- Tafel für geschritten oder vierkantig bearbeitete Hölzer : Auch m. d. Titel. Tafel zur Bestimmung des Kubik- Inhaltes aller Gattungen geschnittener oder vierkantiger Hölzer, Nebst einer Gebrauchsanweisung - Dresden | Erscheinungsjahr: 1851 | Verlag: Adler u. Dietze - 2. Aufl. https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10081424_00003.html
Peters, Adolf: Die symmetrischen Gleichungen mit zwei Unbekannten : Ein Methodensystem aus der höheren Algebra Dresden | Erscheinungsjahr: 1851 | Verlag: Adler u. Dietze - https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10082565_00005.html
Die Mühlstein-Fabrication in La Ferté-sous-Jouarre : übersichtlich dargestellt in Bezug auf das neuere Mahlsystem Verlagsort: Dresden | Erscheinungsjahr: 1851 | Verlag: Adler u. Dietze - https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10059628_00005.html
Helbig, Carl Gustav: Der Kaiser Ferdinand und der Herzog von Friedland ...Während d. Winters 1633-1634. Nach hs. Quellen d. Kgl. Sächs. Haupt-Staats-Archivs u. m. kritischer Berücks. d. gedr. Berichte dargest. ; Dresden 1852 [Adler & Dietze]
Ungewitter, Franz Heinrich: Neueste Erdbeschreibung und Staatenkunde, oder geographisch-statistisch-historisches Handbuch ...zugleich als Leitfaden beim Gebrauche der neuesten Atlasse von Stieler, Weiland, Stein, Woerl, Sohr, Vogel, Meyer, Glaser, Sydow, Kiepert, Hoffmann u. A. m. ; Dresden 1854 [Adler u. Dietze] - 3. vermehrte Aufl. - 2. Band - https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10430440_00007.html
Die Unmöglichkeit des Newton'schen Systems : Das Grundgesetz ein Grundirrthum. Vom Verfasser der soeben erschienenen Schrift: Elektromagnetismus u. Rotation der Himmelskörper Verlagsort: Dresden | Erscheinungsjahr: 1854 | Verlag: Dresden bei Adler u. Dietze - 5 Ngr. - https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10135290_00003.html
Böttger, Gustav: Die Jubelfeier des Augsburger Religionsfriedens in den Jahren 1655 ...; Dresden 1855 [Adler & Dietze]
Hammer, H. G.: Die Electricität als fortlaufend bildende und erhaltende Kraft, von ...; Dresden 1855 [Adler & Dietze]
Herrmann, Paul: Giftmappe oder die hauptsächlich in Deutschland wachsenden giftigen u. ...Mit 152 naturgetreuen colorirten Abbildungen. Mit einem Vorw. von L. Reichenbach ; Dresden 1855 [Adler u. Dietze]
Manitius, Heinrich August: Weihe der Poesie auf dem Altare der Religion ...; Dresden 1855 [Adler u. Dietze]
Rätzsch, Heinrich: Bericht über die bei der feierlichen Sitzung der allgemeinen Versammlung Gabelsberger scher Stenographen ... 1857 ... gehaltenen Vorträge; Dresden 1857 [Adler & Dietze] https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10431257_00005.html
Bericht über die bei der feierlichen Sitzung der allgemeinen Versammlung Gabelsberger scher Stenographen am 3. August 1857 zu Dresden gehaltenen Vorträge. Dresden Verlag von Adler und Dietze. https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10431495_00005.html
Neumann, Carl: Ueber die möglichen Ursachen der Corona und Protuberanzen während einer totalen Sonnenfinsterniss : eine kurze populär-wissenschaftliche Abhandlung Dresden | Erscheinungsjahr: 1861 | Verlag: Adler & Dietze - https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10060608_00005.html
https://www.digitale-sammlungen.de/index.html?c=orte_werke&ab=Dresden%20&%20Leipzig&l=de
Carl Adler
BearbeitenLindgren, J. G.: Ueber monumentale Baustile mit Bezug auf Religion und Staat - Dresden | Erscheinungsjahr: 1863 | Verlag: Dresden, bei Carl Adler - https://reader.digitale-sammlungen.de//de/fs1/object/display/bsb10059438_00005.html
Alwin Huhle
BearbeitenHR 1687: Carl Adler´s Buchhandlung Alwin Huhle, Dresden (umgeschrieben nach A 323)
Archivale im Bestand
11045 Amtsgericht Dresden
Archivaliensignatur 1255
Datierung 1868 - 1937
Handelsregister (Bd. 13: Bl. 1579 - 1724)
https://archiv.sachsen.de/archiv/bestand.jsp?guid=40d4f250-3b5c-4449-9809-1670bcdd7ef7
--Methodios (Diskussion) 22:04, 8. Nov. 2020 (CET)
Regeln und Wörterverzeichnis für die deutsche Rechtschreibung zum Gebrauch in den sächsischen Schulen. Im Auftrage des Königl. Ministeriums des Kultus und öffentlichen Unterrichts herausgegeben. (Generalverordnung vom 9. Oktober 1880.) (Dresden, Verlag von Alwin Huhle (Carl Adlers Buchhandlung), 1880)
--Methodios (Diskussion) 22:06, 8. Nov. 2020 (CET)
Kleine Schulgeographie von Sachsen von Friedemann, Hugo
Dresden Verlag von Alwin Huhle Carl Adlers Buchhandlung 1900
http://gei-digital.gei.de/viewer/resolver?urn=urn%3Anbn%3Ade%3A0220-gd-8504010
--Methodios (Diskussion) 22:30, 8. Nov. 2020 (CET)
Carl Adlers Buchhandlung Alwin Huhle in Dresden
- Dr. Gustav Sommerfeldt: Streifzüge durch das Rödertal Fortsetzung = Skizzen zur Geschichte des Wesenitzgebietes und seiner Nachbarschaft - Dresden C. Adler in Komm. 1926 (68 S.)
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.12.1925
--Methodios (Diskussion) 22:38, 8. Nov. 2020 (CET)
Allgemein
BearbeitenBismarck - Thiene, Ernst (Schriftltr.)
Titel: Unser Reichsbaumeister. Gedenkbuch für die deutsche Jugend zum Jahrhunderttage von Bismarcks Geburt: Bilder aus seinem Leben und Schaffen. Herausgeber: Dresdner Lehrerverein und Sächsischer Pestalozzi-Verein.
Schriftleiter: Ernst Thiene
Gewicht: 250 g
Verlag: Dresden: Carl Adlers Buchhandlung (Curt Holze)
Auflage: 3. Auflage.
Erschienen: 1915.
60 Seiten mit einem Frontispiz mit 6 einfarbigen Abbildungen im Text und mit 12 s/w-Fototafeln. 210 x 165 mm, einfarbig illustrierter Original-Kartoneinband mit Deckeltite
--Methodios (Diskussion) 22:25, 8. Nov. 2020 (CET)
Lange-Diercke Sächsischer Schulatlas Ausgabe für Dresden A, 1938
Herausgegeben unter der Mitwirkung des Dresdner Lehrervereins. Henry Lange und Carl Diercke Sächsischer Schulatlas Ausgabe für Dresden, Carl Adlers Buchhandlung 1938.
Verlag: Carl Adlers, Dresden A 1938
Autor: Henry Lange und Carl Diercke
Art: in Halbleinen gebunden / 37 Seiten
Maße: ca. 24,5 cm x 30,5 cm
--Methodios (Diskussion) 22:11, 8. Nov. 2020 (CET)
Eger, Gerhart:: Helgas erstes Kriegsjahr. Eine Erzählung - Verlag Carl Adlers Buchhandlung, Dresden, 1943, EA, Pappe, 106 S., Mit einigen Zeichnungen.
--Methodios (Diskussion) 22:09, 8. Nov. 2020 (CET)
Pirckheimer-Gesellschaft
BearbeitenHans-Georg Kühnel (1927 - 1994) Mitglieder
Der am 17.2.1927 in Eisenach Geborene war Buchhändler und Antiquar und zudem ein Sammler aus Leidenschaft und langjähriges aktives Mitglied der Dresdener Gruppe der Pirckheimer-Gesellschaft. Er erwarb die 1833 gegründete Carl Adlers Buchhandlung und baute in ihr ein wissenschaftliches Antiquariat auf. Zu den Sternstunden seines Berufslebens zählte der Ankauf der Mühlenbibliothek Bienert in Dresden-Plauen sowie der Erwerb der Restbestände des Verlages der Frommannschen Buchhandlung Jena und des Verlegers Erich Röth, Eisenach. Die Adlersche Buchhandlung in der Brucknerstraße war auch Ziel vieler Maler. So konnte man dort Otto Dix genauso treffen wie Wilhelm Rudolph oder Hermann Glöckner. Hans-Georg Kühnel hinterließ einen Privatdruck in Kleinstauflage: Aus meinem Leben und Wirken als Buchhändler. Darin erwähnt er auch einige Pirckheimer-Freunde: »Stets gern gesehene Gäste in der Brucknerstraße waren Lothar Lang und Franz Fühmann
http://www.pirckheimer.org/members/public/hkuehnel.htm
--Methodios (Diskussion) 17:22, 8. Nov. 2020 (CET)
List & Francke
Bearbeiten1796: Der Privatgelehrte Renatus Gotthelf Löbel (1767–1799) gab zusammen mit dem Advokaten Christian Wilhelm Franke (1765–1831) das Conversationslexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten heraus. Löbels und Frankes Conversationslexikon ist das erste Lexikon, bei dem die Bezeichnung „Konversationslexikon“ als selbständiges Titelwort erscheint. Das Werk erschien 1796–1808 in Leipzig in sechs Bänden bei verschiedenen Verlagen: F. A. Leupold (1796–1800), J. C. Werther (1806). Der letzte Band ist unvollständig geblieben. Friedrich Arnold Brockhaus kaufte das Werk auf der Leipziger Buchhändlermesse 1808 auf und ließ es in den folgenden Jahren vollständig umarbeiten; es bildete das Fundament des 1805 in Amsterdam als Verlagsbuchhandlung gegründeten Verlages F. A. Brockhaus. w:de:Konversationslexikon
2. Januar 1862: Felix List (1824-1892) und Hermann Richard Francke (1822-1898, Sohn von Christian Wilhelm) gründen eine Antiquariatsbuchhandlung mit Auktionsinstitut und Verlag
Oktober 1869 bis Frühjahr 1873: Lehre von w:de:Karl Wilhelm Hiersemann in der Firma
7. Oktober 1887: Friedrich Wilhelm Hendel wird in Dresden geboren
8. Juli 1888: Elsbeth Hendel (geb. Reinelt) wird in Breslau geboren. Sie wird von 1947 bis 1977 Inhaberin von List & Francke sein.
- [1919 übernahm Hendel das 1874 gegründete Antiquariat Carl Milde in Leipzig - w:de:Friedrich Wilhelm Hendel]
2. März 1924: Verlag F. W. Hendel in Leipzig gegründet
- [weitere Firmensitze in Meersburg am Bodensee (von 1925 bis 1937) und in Naunhof bei Leipzig (von 1937 bis 1974) - w:de:Friedrich Wilhelm Hendel]
- [1925 erwarb er den Firmenmantel des Verlags und Antiquariats „List & Francke“, das von Felix List und Richard Hermann Francke 1862 in Leipzig gegründet worden war. - w:de:Friedrich Wilhelm Hendel]
- [List & Francke fungiert als Buchhandlung des F. W. Hendel Verlages]
- [1935: Firma in Meersburg]
- [1937: Firma in Naunhof bei Leipzig - Schillerstraße 18]
20. Mai 1947: Friedrich Wilhelm Hendel stirbt im 60. Lebensjahr in Leipzig
28. März 1954: Christian Lenhardt wird in Naunhof bei Leipzig geboren. Er wird 1977 Hauptgesellschafter und 1982 Alleininhaber von LIST & FRANCKE werden
- [1969: erzwungene Auflösung der Firma - Carl Adlers Buchhandlung fungiert als Transformationsfirma nach Westdeutschland - einziges privates (Export)Antiquariat in der DDR]
- [Der Aufbau des Bereiches KoKo war bis 1969 abgeschlossen und in den folgenden Jahren wurden seine Befugnisse schrittweise erweitert. Im Juli 1969 wurde eine Art Zwangsvertretersystem etabliert, die sogenannte Organisation staatlicher Handelsvertreter. Dies bedeutet, dass die KoKo nun im Besitz des Anfragemonopols war und somit die zuvor an westliche Handelsvertreter und Vertreterfirmen geflossenen Provisionen selbst kassieren konnte. Der hierfür zuständige Außenhandelsbetrieb Transinter nahm in den späten achtziger Jahren dadurch jährlich ca. 350 Millionen DM ein. Doch das Ziel, alle nichtstaatlichen Handelsvertretungen vom Markt zu verdrängen, konnte nicht erreicht werden. w:de:Kommerzielle Koordinierung#Auf- und Ausbau]
- [1974: erzwungene Auflösung der Firma beendet - Elsbeth Hendel siedelt mit 86 Jahren zu Verwandten nach Friedberg über]
- [1977: Christian Lehnhardt (Hauptgesellschafter) - Wiederbeginn in Meersburg am Bodensee]
- 1978: Übergabe an Christian Lenhardt
10. Oktober 1978: LIST & FRANCKE eröffnet ein Ladengeschäft mit Sortiment und Antiquariat in Überlingen am Bodensee
- [1982: Christian Lenhardt Alleininhaber]
24. Februar 1984: Elsbeth Hendel stirbt im 96. Lebensjahr in Friedrichshafen am Bodensee
- [1985: Firma von Überlingen nach Meersburg verlegt, Auflösung des Barsortiments]
2. Januar 1987: 125-Jahrfeier des Antiquariats LIST & FRANCKE
http://www.listundfrancke.de/geschichte/firma/geschichtliche-und-kulturgeschichtliche-zeittafel/
zwischen März 1990 und Juni 1992 Versuche in Leipzig, darunter mit der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung
1994 erscheint Katalog 512 ... Hans Georg Kühnel (1927-1994), der dem Haus Jahrzehnte freundschaftlich verbunden war
Frühjahr 2000: Kerry Bookhaven http://www.listundfrancke.de/geschichte/firma/zeittafel/
--Methodios (Diskussion) 19:24, 8. Nov. 2020 (CET)
Elbhang Kurier
BearbeitenMai 2020
Blasewitz: Der Antiquar Hans-Georg Kühnel
- Hans-Georg Kühnel: Mit Literatur das Kriegstrauma überwunden
https://elbhangkurier.de/2020/05/elbhang-kurier-mai-2020/
--Methodios (Diskussion) 18:18, 8. Nov. 2020 (CET)
Wir erinnern… … und gratulieen am 26. Mai der aus dem Anhaltischen kommenden, an der Burg Giebichenstein ausgebildeten Grafik-Designerin und Gebrauchsgrafikerin Heide Siegemund zum 80. Geburtstag. Seit 1970 in Blasewitz wohnend, diente sie zunächst dem dortigen Wissenschaftsverlag Theodor Steinkopff (damals bereits »Zulieferer« der immer noch aktuellen Carl Adlers Buchhandlung / s. S. 24) und ab 1976 dem unvergessenen Neumann-Verlag Radebeul viele Jahre als Buchgestalterin. Die offenbar bei »Neumann« vermittelte Nähe und Liebe zum Garten bewog sie schließlich, 1999 gemeinsam mit ihrem Ehemann, Wachwitz zum Wohnsitz zu erwählen – auch der »Elbhang« hat davon nachhaltig profitiert.
https://elbhangkurier.de/2020/05/wir-erinnern-35/
--Methodios (Diskussion) 22:20, 8. Nov. 2020 (CET)
Forum
Bearbeiten42er Autoren
Buchstadt Leipzig:
unübertroffen Antiquariat List und Francke (in Personalunion mit dem bibliophilen Verlag Friedrich Wilhelm Hendel), welches aber leider 1974 als größtes Exportantiquariat der DDR schließen mußte (immerhin zwei Jahre nach der Generalhatz Honeckers auf kleine selbständige Betriebe) und 1977 in Meersburg am Bodensee in bescheidenem Rahmen wiedereröffnete
Kunststadt Dresden:
unübertroffen Carl Adlers Buchhandlung unter der Leitung von Hans-Georg Kühnel am Standort Brucknerstraße (etwa bis zur "Wende") - in den 70ern und 80ern zeitweilig zweitgrößtes Exportantiquariat der DDR (nach dem Zentral-Antiquariat in Leipzig)- die 1833 gegründete Buchhandlung wurde leider vor wenigen Jahren durch den Nachfolger ruiniert, "Carl Adlers Buch- und Graphikkabinett" auf der Theresienstraße hat damit nichts zu tun, sondern reflektiert lediglich den alten, mittlerweile ungeschützten Firmennamen des 19. Jahrhunderts
Zu Hans-Georg Kühnel aus der "Pirckheimer Gesellschaft"
"Der am 17.2.1927 in Eisenach Geborene war Buchhändler und Antiquar und zudem ein Sammler aus Leidenschaft und langjähriges aktives Mitglied der Dresdener Gruppe der Pirckheimer-Gesellschaft. Er erwarb die 1833 gegründete Carl Adlers Buchhandlung und baute in ihr ein wissenschaftliches Antiquariat auf. Zu den Sternstunden seines Berufslebens zählte der Ankauf der Mühlenbibliothek Bienert in Dresden-Plauen sowie der Erwerb der Restbestände des Verlages der Frommannschen Buchhandlung Jena und des Verlegers Erich Röth, Eisenach. Die Adlersche Buchhandlung in der Brucknerstraße war auch Ziel vieler Maler. So konnte man dort Otto Dix genauso treffen wie Wilhelm Rudolph oder Hermann Glöckner. Hans-Georg Kühnel hinterließ einen Privatdruck in Kleinstauflage: Aus meinem Leben und Wirken als Buchhändler. Darin erwähnt er auch einige Pirckheimer-Freunde: »Stets gern gesehene Gäste in der Brucknerstraße waren Lothar Lang und Franz Fühmann."
(Anmerkung: nur die persönliche Bekanntschaft Kühnels mit Erich Honecker aus der Frühzeit der FDJ rettete die Buchhandlung vor der Privatisierung - außerdem war er auch der Buchhändler für Manfred von Ardenne, der ihn als unverzichtbar bezeichnete - Walter Hilton).
Karl-Marx-Stadt Chemnitz:
Klein aber fein - evangelische Buchhandlung mit angeschlossenem (benachbarten) Antiquariat Max Müller (Reitbahnstraße 19 und 21) - seit 1974 geführt durch Gottfried Müller, der das Antiquariat mit 50.000 Titeln aus Altersgründen (89jährig) vor zwei Jahren an ein Onlin-Antiquariat abgeben mußte.
--Methodios (Diskussion) 20:52, 8. Nov. 2020 (CET)
Barbara Lange
BearbeitenBarbara Lange (Dresden 1939–2004), literaturwissenschaftlerin, Buchhändlerin und Antiquarin, war die Tochter des aus Konstanz stammenden Buchhändlers Wilhelm Schweizer, der in Dresden die im Krieg ausgebombte Buchhandlung Holze & Pahl in der Waisenhausstrasse übernommen hatte.
Nach dem Kriege führte W. Schweizer Buchhandlung und Antiquariat am Körnerplatz weiter. Der große Freundeskreis der Familie Schweizer, dem auch zahlreiche Künstler angehörten, ermöglichte Barbara lange ein unbeschwertes Leben zwischen Büchern und Musik, so daß sie nach dem Abitur die Liebhaberei zu einem Berufswunsch machte und eine Buchhändlerlehre in der von Hans-Georg Kühnel geleiteten Carl Adlers Buchhandlung begann. Später wechselte sie zum Dresdner Antiquariat, besuchte die Fachschule für Buchhändler in Leipzig und nahm ein Studium der Asthetik und Literaturwissenschaft auf, das sie mit dem Staatsexamen abschloß.
Im Dresdner Antiquariat in der Bautzner Strasse, das seit 1962 ihr späterer Ehemann Wolfgang Lange leitete, wurde Barbara 1967 stellvertretende Leiterin, nachdem sich ihr Bemühen, das elterliche Geschäft zu übernehmen, aus politischen Gründen zerschlagen hatte.
Das ‚Dresdner Antiquariat‘ gehörte dank der kenntnisreichen und engagierten Leitung von Barbara und Wolfgang lange zu den umsatzstärksten Buchhandelsfirmen der DDR und war nicht nur für ostdeutsche Sammler eine interessante und wertvolle Adresse.
Wir haben Ende der 70er Jahre Barbara und Wolfgang Lange in Dresden kennengelernt, woraus sich eine bis heute herzliche Freundschaft erhalten hat. So haben wir auch unmittelbar erlebt, wie die beiden leidenschaftlich dem Beruf ergebenen Antiquare sich gezwungen fühlten, das Antiquariat zu verlassen, um dem massiven Druck der Staatssicherheit zu entgehen, ihnen als Informanten dienen zu müssen. In der Mitteilung an ihre Freunde zum Ausscheiden aus dem Dresdner Antiquariat zitierten sie Friedrich Rückerts 1837 erschienenes gedicht ‚Ungebundenheit‘:
„Es ist bei Gott nicht wohlgetan, im Schwanken dieser Zeiten um etwas, das dich fesseln kann, als um ein Gut zu streiten. Sei frei, in jedem Augenblick dein Bündelein zu schnüren, und dreh nicht selber dir den Strick, daran man dich kann führen“.
Barbara Lange gelang es, die Leitung der Buchhandlung der sächsischen Haupt-Bibelgesellschaft zu übernehmen – eine Aufgabe, die sie mit höchst engagiertem Einsatz bis zu ihrer Pensionierung ausübte.
Bekannt waren ihre Abende zur Geschichte des Kinderbuches, wo sie mit ihrem großem Wissen und ihrer von Herzen kommenden Fröhlichkeit Bücher aus ihrer Sammlung vorstellte.
Barbara Langes Kinderbuchsammlung spiegelt ihre Leidenschaft für das klassische Kinder- und Bilderbuch wider, ihre Freude an biedermeierlicher Farbigkeit und dem Interesse an der Zeit des Übergangs zur Illustrationskunst des 20. Jahrhunderts. Barbara war keine bibliophile Sammlerin – sie ließ sich eher von Text und Bildkunst leiten. Die Erhaltungszustände der Bücher waren ihr nicht so wichtig, was wohl auch den begrenzten Einkaufsmöglichkeiten in der DDR geschuldet war. Bedeutung hatte für sie vor allem das Biedermeier in seiner belehrenden und vor allem auch religiösen Sprachgewalt und Farbigkeit. Die Künstler und Autoren ihrer Heimat Sachsen und Dresden und die klassischen Bilderbücher der Jahrhundertwende gehörten zu den Begleitern ihrer Jugend und fanden dementsprechend Einzug in ihre Sammlung. Wir wünschen Ihnen Finderglück und Freude beim lesen des Kataloges. Renate und Winfried Geisenheyner
KINDERBÜCHER
Bilderbücher
Märchen und Sagen
Sammlung
Barbara Lange
Dresden
XXXVII
Katalog 81
Sommer 2013
ANTIQUARIAT WINFRIED GEISENHEYNER
48165 Münster-Hiltrup · Roseneck 6
https://www.geisenheyner.de/site/pdf/katalog_81.pdf
--Methodios (Diskussion) 21:10, 8. Nov. 2020 (CET)
Kunst
BearbeitenSchmidt Kunstauktionen Dresden OHG Bautzner Str. 99 | 01099 Dresden (66. Kunstauktion 05. Dezember 2020)
17. Kunstauktion | 20. September 2008
036 Siegfried Donndorf, Flußlandschaft. 1931.
Siegfried Donndorf 1900 Salbke bei Magdeburg – 1957 Dresden
Öl auf Leinwand. Signiert u.li. "Siegfried Donndorf" und datiert. Gerahmt in profilierter Holzleiste. Mehrere Bruchstellen und Retuschen in der Malschicht. Provenienz: Aus dem Privatbesitz des Dresdner Antiquars Hans-Georg Kühnel (Carl Adlers Buchhandlung Dresden).
58,5 x 78 cm, Ra. 97 x 76 cm.
500 € Zuschlag 400 €
https://schmidt-auktionen.de/12_katalog_online.php?kue=1514
--Methodios (Diskussion) 18:12, 8. Nov. 2020 (CET)
Oschatzer Straße
BearbeitenCarl Adlers Buchhandlung + Antiquariat - Inhaber: Norbert Nitzsche
Oschatzer Strasse 8
01127 Dresden
Telefon: +49 (0351) 8495244
Fax : +49 (0351) 840071
Quelle: http://www.firmendb.de/firmen/5738914.php
--Methodios (Diskussion) 21:17, 8. Nov. 2020 (CET)
Nach der Flut die Dürre?
51 Buchhandlungen sind in Not, einigen droht das Ende
Von Ulrich Greiner
29. August 2002Quelle: DIE ZEIT, 36/2002
51 Buchhandlungen sind in Not, einigen droht das Ende. ... Dresden: Carl Adlers Buchhandlung, telefonisch nicht erreichbar. - Der kleine Buchladen, nicht ...
https://www.zeit.de/2002/36/Nach_der_Flut_die_Duerre_
Carl Adlers Buch- und Graphikkabinett
BearbeitenHarry Ralf Herrling Theresienstraße 19 - 01097 Dresden
Telefon: +4935181130413
E-Mail: info@carladlers.de
UID / VAT: DE 173748377
--Methodios (Diskussion) 21:15, 8. Nov. 2020 (CET)
Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder
BearbeitenIngo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder. Fischer, Frankfurt am Main 2020, ISBN 978-3-10-390001-9.
Süddeutsche-Rezension
Bearbeiten6. März 2020, 18:58 Uhr Neuer Roman von Ingo Schulze
Freiheit im Abseits Ingo Schulzes Roman "Die rechtschaffenen Mörder" über einen Dresdner Eigenbrötler.
Der erste Satz schafft die Atmosphäre und lässt noch alles offen. Er ist die Tür in eine unbekannte Welt. Bei Ingo Schulze klingt der erste Satz wie der einer Novelle von Heinrich von Kleist: "Im Dresdner Stadtteil Blasewitz lebte einst ein Antiquar, der wegen seiner Bücher, seiner Kenntnisse und seiner geringen Neigung, sich von den Erwartungen seiner Zeit beeindrucken zu lassen, einen unvergleichlichen Ruf genoss."
Ort und Zeit sind damit vorgegeben. "Einst", das ist "Es war einmal" und zugleich die DDR als Raum, in dem die Zeit stillstand. Blasewitz liegt an der Elbe, wo die blaue Brücke hinüberführt nach Loschwitz und von dort zum Weißen Hirsch, dem literarischen Terrain von Uwe Tellkamp. Es ist kein Zufall, dass Ingo Schulze seine Geschichte in dieser Nachbarschaft ansiedelt, spürt er doch der Frage nach, woher die Aggressionen, die Ängste und die Ausländerfeindlichkeit der Gegenwart stammen und wie es sein kann, dass gerade das ostdeutsche Bildungsbürgertum, wie Tellkamp es in seinem Roman "Der Turm" geschildert hat, auf politische Abwege geraten ist und sich mit den Ressentiments der Pegida-Demonstranten vermählt. Schützt Bildung denn vor gar nichts?
Das Antiquariat als verwunschener Ort ist per se schon aus der Zeit gefallen, sodass man diesen Roman betritt wie die "Unendliche Geschichte" von Michael Ende. Doch wenn dort der emphatische Leser ein Junge ist, der mit einem gestohlenen Buch ins Reich Phantásien aufbricht, so ist der Leser hier der Antiquar selbst, Norbert Paulini, ein Mann, der weder jung noch alt zu sein scheint und von dem sich niemand vorstellen kann, dass er jemals anders ausgesehen haben könnte als heute. Das Setting ist absolut bestsellerverdächtig. Man braucht für einen Bestseller einen verschrobenen, aus der Zeit gefallenen Helden mit Überraschungspotenzial und am besten einen Leser oder eine Leserin wie in "Sophies Welt", in der "Unendlichen Geschichte" oder in "Der Vorleser". Lesende lesen gerne von Lesern und greifen vorzugsweise zu Büchern, in denen Bücher vorkommen. Davon gibt es in "Die rechtschaffenen Mörder" mehr als genug.
Paulini hat seine Welt verloren, muss man sich wundern, dass er auf Abwege gerät? Bestsellerverdächtig ist auch der behäbige, konventionelle Tonfall, den Ingo Schulze anschlägt und der auch vor Binsenweisheiten nicht zurückschreckt: "Nur der uneigennützige Leser, der sich einem Buch vorbehaltlos und ganz und gar zu öffnen vermag, kann es in seiner Differenziertheit und Komplexität erfassen." Brav und bieder entfaltet er die Lebensgeschichte seines Antiquars, oder vielmehr lässt er einen Ich-Erzähler, der sich immer mal wieder zwischen den Zeilen zu erkennen gibt, davon berichten, allerdings so, dass man sich fragen muss: Woher weiß dieser Biograf das alles, wenn er aus der Kindheit berichtet, von den Bücherbergen der Mutter, den Wanderungen mit dem Vater im Riesengebirge, Schul- und Armeezeit, und immer und überall von den Büchern. Seine Bestimmung und seinen Lebensort fand Norbert Paulini, als Kind eher Außenseiter und Eigenbrötler, schließlich in seinem Antiquariat, das, 1977 eröffnet, zu einem Zufluchtsort für dissidentische Geister wurde, die dort Werkausgaben von Benn, Jünger, Kafka oder Bloch finden konnten und sich regelmäßig zu einer Samstagsrunde trafen, an der auch der merkwürdig indifferente Ich-Erzähler teilgenommen hat.
Dieses intellektuelle Nischendasein geht im Herbst 1989 mit der Wende verloren. Mit dem Markt bricht auch die Zeit in dieses schöne, abseitige Utopia ein; Bücher sind auf einmal nichts mehr wert. Sie sind nicht einmal mehr Ramsch, sondern Müll, der bei Paulini ausgekippt wird, weil die Kartons kostbarer sind als ihr Inhalt. Die Kunden bleiben aus, das Antiquariat geht in Konkurs und Paulinis Ehe in die Brüche, als sich herausstellt, dass seine Frau der Stasi über die Samstagrunden Bericht erstattet hat. Ingo Schulze zeigt, dass sich der Umbruch mit seinen wirtschaftlichen Verwerfungen und politischen Erregungen tatsächlich als Büchergeschichte schreiben lässt. Aus dem Antiquar wird, nach einer Episode als Kassierer im Supermarkt, schließlich ein Nachtportier, weil das eine Tätigkeit ist, die zu lesen erlaubt.
Aber Paulini hat seine Welt verloren, seinen Ort, seine Mitte, sein Leben. Muss man sich also wundern, wenn er auf Abwege gerät? In der Wendezeit hat er sich noch politisch abstinent verhalten. Seine Politik ist die Literatur, alles andere wäre Zeitverschwendung. Doch plötzlich gilt das nicht mehr. Er, der Zeitabgewandte, beginnt, sich einzumischen und mit Pegida zu sympathisieren. Man darf Schulzes "Die rechtschaffenen Mörder" jedoch nicht als schlichte Erklärung dieses spezifischen Dresdner Wutbürgertums lesen. Stattdessen dringt er zu der Erkenntnis vor, dass es "in unserer Welt schwer geworden ist, immer die Ursache für eine Wirkung zu finden." Einfache Antworten helfen schon gar nicht. Über die Wendezeit heißt es: "Alles war da wie eh und je, nur war es nicht mehr verwunschen, sondern erlöst." Von diesem Gefühl der Entzauberung der Welt ausgehend, gelingt es Schulze, die Sensibilität für die Verluste zu schärfen und zu begreifen, was die neue Zeit mit den Menschen anrichtet.
Es sind seit der Wende ja nicht nur romantische Illusionen auf der Strecke geblieben, sondern die Lebenssubstanz an Unmittelbarkeit und einer - wenn auch stasiüberwachten - Unantastbarkeit, die die Menschen als Freiheit erleben konnten, während die mediale Übermacht der Gegenwart ihnen als übergriffige Daueragitation erscheint. Freiheit ist nicht einfach nur eine Systemfrage, sondern ein Lebensgefühl, das sich auch innerhalb einer Diktatur im Abseits einigeln kann. Das lässt sich am Lebensweg von Ingo Schulzes Antiquar ablesen. Da geht es längst nicht mehr um den Osten, sondern um "die Bücher überhaupt, deren Wertschätzung und Unersetzlichkeit". So werden aus den Dissidenten des Sozialismus die Dissidenten der Gegenwart, die das verteidigen, was sie liebten: ihre Nischenexistenz.
Schulze macht mehr aus seinen Möglichkeiten, als Schultze es gekonnt hätte Soweit wäre der Roman aber immer noch eine zwar rechtschaffene und kluge, aber doch literarisch wenig aufregende Angelegenheit. Interessant wird das Buch erst im zweiten und im kurzen dritten Teil, wo die Erzählperspektive wechselt. Im zweiten Teil gibt sich der Ich-Erzähler zu erkennen und rekapituliert die Geschichte noch einmal aus seiner eigenen Perspektive. Das liest sich wie ein Kommentar zum ersten Teil, indem der fiktive Autor jetzt seine Absichten offenlegt. Dieser Schultze - mit tz - ist ein Schriftsteller aus der DDR, der nach der Wende einigermaßen erfolgreich wurde und schon lange die Biografie des Antiquars schreiben wollte. Dass er ein schlechterer Schriftsteller ist als Ingo Schulze, ist gewollt, bleibt aber doch ein Problem des Romans. Angetrieben wird er von einer Obsession: Er liebt die Frau, die die rechte Hand Paulinis im Antiquariat ist, und von der er fürchtet, sie sei auch dessen Geliebte. So hat er, während sie zwischen ihm in Berlin und Paulini in Sachsen hin- und herpendelt, keine ruhige Minute mehr. Das Schreiben ist seine Ausflucht, schreibend beruhigt er sich und macht sich die Welt so zurecht, dass sie erträglich bleibt.
Die Biografie des Antiquars - der Hauptteil des Romans - wird nun als Schultzes Werk deutlich und kippt damit aus dem Rahmen der Konventionalität, denn diesem Autor ist nicht zu trauen. Ingo Schulze liebt derlei literarische Spiele; schon in seinem großen Wenderoman "Neue Leben" hat er mit einem fiktiven Herausgeber gearbeitet. Seinem Schultze gibt er dazu noch autobiografische Erfahrungen mit, wenn er ihn nach der Wende ein Anzeigenblatt in Altenburg gründen lässt. Auch davon handelte bereits "Neue Leben". Es gibt also nicht nur den Autor, der über sein Schreiben und die Fragwürdigkeit biografischen Erzählens nachdenkt, nicht nur den Roman im Roman, sondern die literarischen Querverweise, bei denen man Ingo Schulze hinter diesem Schultze leise kichern hört. Aus dem Bildungsroman wird damit ein Künstlerroman, in dem ein ostdeutscher Schriftsteller über die Bedingungen seines Schreibens und seinen Ort im kapitalistischen Literaturbetrieb nachdenkt. Ihm ist durchaus bewusst, dass er mit seinem Vorhaben, dem Dresdner Antiquar ein Denkmal zu setzen und sich der eigenen Ost-Herkunft zu vergewissern, gescheitert ist. Er erkennt, dass das, was er an Paulini einst bewundert hatte, seinen Helden "zum Herrschaftswahn, zur Überhebung, zum Blick von oben herab prädestinierte", ein Besser-Ossitum, das auch eine Erklärung für die dortige Weltwut wäre. Aber das gilt ebenso für Schultze selbst, wenn er beklagt, einer Hybris erlegen zu sein, einer "Selbstüberhebung und Anmaßung", die darin besteht, das eigene Schreiben "für etwas einsetzen, für etwas benutzen zu können, auch wenn dieses etwas die Liebe war".
Doch damit nicht genug. Im abschließenden dritten Teil, der von der Schultzes Manuskript betreuenden Verlagslektorin erzählt wird, verwandelt sich die Künstlergeschichte in einen Kriminalroman und erfährt eine weitere, überraschende Wendung. So macht die raffinierte Anlage aus einer konventionellen, biografischen Erzählung ein höchst verblüffendes Unternehmen, bei dem am Ende nichts mehr so ist, wie es anfangs scheint, wo jede Figur fragwürdig geworden ist und sich unter dem kunstvoll eingezogenen doppelten Boden noch ein Abgrund öffnet. Ingo Schulze macht auf diese Weise mehr aus seinen literarischen Möglichkeiten, als eine plane Erzählung ihm erlaubt hätte, mehr auch, als dieser Schultze alleine vermocht hätte. Es wäre ein Wunder, wenn aus diesem trickreichen Roman, gestützt auch durch die Nominierung für den Leipziger Buchpreis, nicht ein Bestseller werden würde.
https://www.sueddeutsche.de/kultur/neuer-roman-von-ingo-schulze-freiheit-im-abseits-1.4834448
--Methodios (Diskussion) 17:18, 8. Nov. 2020 (CET)
Zeit-Rezension
BearbeitenIngo Schulze
Es war einmal die DDR
In seinem neuen Roman "Die rechtschaffenen Mörder" versucht Ingo Schulze, den Rechtsruck in Ostdeutschland zu deuten.
Eine Rezension von Christoph Möllers
4. März 2020
AUS DER ZEIT NR. 11/2020
Es war einmal die DDR
Nach wie vor bezieht der moderne Roman seine Attraktivität auch aus dem Versprechen, Gesellschaft zwar nicht erklären, aber doch so beschreiben zu können, dass sie anschaulich wird. Wir greifen zu Tolstoi, um über das russische 19. Jahrhundert, zu Fallada, um über den deutschen Nationalsozialismus, oder zu Vargas Llosa, um über eine Diktatur in Peru zu lernen. Für die deutsche Teilung, ihr Ende und den Übergang in ein vereinigtes Deutschland hat Ingo Schulze die Rolle eines poetischen Erklärers in vielen, ganz unterschiedlichen Büchern übernommen. Seine Kunst besteht darin, eine Gesellschaftsbeschreibung mit starken ästhetischen Mitteln zu liefern, die gar nicht erst so tut, als würde sie bloß abbilden. Nicht naturalistisch, sondern mit literarischer Verfremdung und erzählerischer Konstruktion arbeiten seine Romane und Erzählungen. Es sind Schelmengeschichten, Märchensammlungen oder Briefromane, die eine exotische Welt erwecken, die es tatsächlich gegeben hat. Kann dieses literarische Verfahren uns helfen, die gegenwärtige politische Entwicklung im Osten besser zu verstehen? Dies jedenfalls suggerieren Aufmachung und Titel seines neuen Buchs Die rechtschaffenen Mörder.
CHRISTOPH MÖLLERS ist Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin.
"Im Dresdner Stadtteil Blasewitz lebte einst ein Antiquar ...", die Geschichte hebt an wie im Märchen. Der Erzähler berichtet in diesem Ton vom Leben des Norbert Paulini, eines Dresdner Bürgers, der über das Erbe seiner früh verstorbenen Mutter die Liebe zum antiquarischen Buchhandel entdeckt. Paulinis Antiquariat wird zur Zeit der späten DDR zu einem kleinen Zentrum literarischer Kultur, einem Sammelpunkt für Lesende und Schreibende. Nach der Wende beuteln verschiedenste Anfechtungen Paulini und sein Geschäft. Schließlich zieht er sich mit dem, was ihm von seinen Buchbeständen geblieben ist, in die Sächsische Schweiz zurück, wo er mit seiner Freundin unter erst ganz am Ende aufgeklärten Umständen eines gewaltsamen Todes stirbt.
Diese einfache Geschichte wird von Schulze in einen komplizierten Erzählrahmen gesetzt. Der erste und längste Teil des Buches erzählt Paulinis Leben aus der Sicht eines kaum in Erscheinung tretenden Ich-Erzählers. Dieser Erzähler entpuppt sich im zweiten Teil als Schriftsteller namens "Schultze", ein jüngerer Wegbegleiter Paulinis, der im Westen erfolgreich wird, zwischenzeitlich den Kontakt zu ihm verliert, aber am Ende mit ihm in ein amouröses Konkurrenzverhältnis verstrickt ist. Auch in diesem zweiten Teil behält "Schultze" seine nun ausdrücklich werdende Erzählerrolle, in der er in tagebuchhaftem Stil über seine Beziehung zu und sein Leiden an Paulini berichtet. Denn der äußerlich gescheiterte Paulini ist nicht allein ein erotischer Nebenbuhler des Erzählers, vielmehr schaffen Kompromisslosigkeit und Anpassungsverweigerung seines Lebensweges auch ein am Erzähler nagendes Gefühl biografischer Unterlegenheit. Dieses kann er noch nicht einmal dadurch überwinden, dass er Paulini zum Objekt eines eigenen Romans macht. Dass nämlich der erste Teil ein Romanfragment des Erzählers "Schultze" ist, erfahren wir im dritten und letzten Teil des Buchs aus der Perspektive seiner nunmehr als Erzählerin eingesetzten, sachlich berichtenden westdeutschen Lektorin. Auf der Suche nach der Lebenswelt hinter dem abgebrochenen Werk ihres Autors, damit auf der Suche nach dem verstorbenen Paulini, löst sie auf den letzten Seiten des Buches eher zufällig dessen Todesumstände auf.
Das ist sehr viel Struktur für eine Geschichte, die einfach und geradlinig begann. Die Beschreibung von Paulinis Leben im ersten Teil des Buchs ist eine Abfolge kurzer, fast drehbuchhaft formulierter Szenen, die ihren eigenen Sog entwickeln. Paulini ist ein besessener Leser und Bücherkenner, dessen Verhältnis zur eigenen Obsession in einem nachvollziehbaren Halbdunkel bleibt, denn woher wissen wir schon, was die Getriebenen so antreibt? Im demonstrativen Verzicht auf Psychologie entsteht eine plausible Hauptfigur, deren distanziertes Verhältnis zu Ehefrau und Sohn gleichfalls in seiner Skizzenhaftigkeit überzeugt. Obwohl das ganze restliche Personal des Romans farblos bleibt (die Leser werden später zurückblättern müssen, um sich zu erinnern, welche dieser Figuren noch mal die spätere Geliebte Paulinis wird), gerät die Szenerie, in der diese Holzfiguren sich bewegen, märchenhaft lebendig. Schul(t)ze eröffnet uns die Welt einer kleinen lesewütigen Gesellschaft, die in ihrer unprätentiösen Skurrilität auch als liebenswürdiges Dresdner Gegenmodell zur emphatischen Bildungsbürgerlichkeit des Tellkampschen Turms dienen kann. Eingeführt wird eine Ansammlung seltsamer Typen, die sich im Schatten der DDR eine eigene ästhetische Welt bauen. Dabei bleiben alle in impliziter Opposition zu einer politischen Ordnung, die sie zugleich unterwandert und ermöglicht. Es ist eine gerechte kleine Welt, weil Neugier und Liebe zur Sache allein zur Teilhabe an ihr qualifizieren; es ist auch eine selbstgerechte, weil sie wenig anderes zu kennen scheint als sich selbst. Hier scheint in deutlicher Andeutung auf, worin die politische Gefährdung einer solchen Gemeinschaft liegen könnte. Dass diese mit der DDR endet, wird für die Leser kaum als Überraschung kommen, auch wenn dieses Ende im Roman auf bizarre Art überdeterminiert ist, weil nach 1989 wirklich alles zusammenkommt: eine Stasi-Verstrickung von Paulinis Frau, der finanzielle Ruin durch die Buch-Ignoranz des kapitalistischen Westens, fatale Rückgabeansprüche westdeutscher Alteigentümer gegenüber dem Blasewitzer Sitz des Antiquariats (unnötig zu sagen, dass das Haus nach der Rückgabe verfällt) und, als wäre das nicht genug, noch die Oderflut des Jahres 2002.
Die Erzählebenen führen nicht weit
Mit diesem Ende beginnen die Probleme des Buchs. Anschaulich wird eine Gesellschaft nur über eine exemplarische Geschichte, die gerade nicht alles, was die Leser mit einer Epoche verbinden, in die Handlung packt. Besonders unglücklich gelöst wird dieses Problem mit Blick auf Paulinis politische Entwicklung. Manches scheint darauf hinzudeuten, dass Paulini nach der Wende politisch weit nach rechts rückt. Seine Liebe zu einer slowakischen Reinigungsfrau und der Umstand, dass er sein Geschäft einem bosnischen Paar vererbt, mögen für den Leser am Ende dagegensprechen. Aber während die politische Anfälligkeit des Blasewitzer Kreises plausibel wird, wirkt sie für das Individuum Paulini konstruiert. Für sie wird ein Verdacht erst kreiert, dann widerlegt, ohne dass man etwas erfahren würde, was über die Romankonstruktion hinausginge. Während die Aufmachung des Romans (Umschlag: "Wie wird ein aufrechter Büchermensch zum Reaktionär – oder zum Revoluzzer?") große Erklärungen erwarten lässt, verzichtet das Buch in seinen besseren Teilen gerade auf diese. Aus einer einleuchtenden Milieustudie wird im Fortgang ein Buch, das weniger eine Geschichte erzählen, als bei den Lesern festgesetzte Geschichten korrigieren will. So wird aus einem ästhetischen ein pädagogisches Projekt.
Schließlich führt auch die kunstvolle Konstruktion der Erzählebenen die Handlung nicht weiter. Sie spielt mit den Vieldeutigkeiten ostdeutscher Identitäten, ein Spiel, für das der Schriftsteller Schulze zu Recht berühmt ist. Aber das Einfache und das Komplizierte finden in diesem Buch nicht zusammen. Dass der ostdeutsche Schriftsteller Ingo Schulze einen erfolgreichen ostdeutschen Schriftsteller fast gleichen Namens zu einem Erzähler einsetzt, der wiederum zum Nutznießer einer weiteren erfolglosen ostdeutschen Biografie wird, um an diesem Nutzen zugleich fatal zu leiden, mag eine Pointe über die Selbstwidersprüche des Ostens bringen, die aber eben doch sehr, sehr konstruiert wirkt. Die Darstellung von Paulinis eigensinnigem Milieu, das in seinem Bedürfnis nach unpolitischer Innerlichkeit politisch verführbar wird, hat die Leser genug gelehrt. Sie macht eine vergangene Welt durch suggestive Verfremdung lebendig. In ihr lässt der Erzähler Schultze den Schriftsteller Schulze hinter sich. Mehr hätte es nicht bedurft.
Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder. S. Fischer, Frankfurt a. M., 2020; 320 S., 21,– €, als E-Book 18,99 €
Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes war der Name Norbert Paulini irrtümlich mit dem Namen Peter Turrini vertauscht. Wir bitten, dies zu entschuldigen.
--Methodios (Diskussion) 17:19, 8. Nov. 2020 (CET)
Sonntag-Rezension
Bearbeiten»Das ist leider unausrottbar«
Der Schriftsteller Ingo Schulze über seinen neuen Roman die Anfälligkeit der Ostdeutschen für die AfD und die Corona-Krise (epd)
Ingo Schulzes neuer Roman Die rechtschaffenen Mörder Buchcover © S. Fischer
Ingo Schulzes neuer Roman "Die rechtschaffenen Mörder" schildert das Abdriften eines gebildeten Dresdners in die rechte Ecke. Trotz aller Aktualität ist das Werk für den Schriftsteller zunächst Literatur.
Der Schriftsteller Ingo Schulze hofft darauf, dass sich die Gesellschaft nach Corona solidarischer organisiert. "Dass das kapitalistische Wettbewerbsprinzip, wo es am Platz ist, eingesetzt wird, es aber nicht mehr als für jeden Lebensbereich anzuwendender geheiligter Mechanismus angesehen wird", sagte Schulze dem Evangelischen Pressedeinst (epd) in Erfurt. Im Gesundheitswesen zum Beispiel habe dieses Prinzip nichts zu suchen.
epd: Ausgefallene Buchmesse, abgesagte Lesungen: Hat das Coronavirus Sie um die Früchte Ihrer Arbeit - den neuen Roman "Die rechtschaffenen Mörder" – gebracht?
Schulze: Ich würde denken nein. Man kann es doch auch so sehen, dass viele Menschen jetzt plötzlich mehr Zeit zum Lesen haben. Es gibt keine Lesungen, die wenigsten Veranstalter können Ausfallhonorare zahlen. Und natürlich werden auch Bücher bei den Lesungen verkauft, was zusammengenommen gar nicht so wenige sind. Da will ich lieber nicht dran denken. Aber bisher gab es kein Buch von mir, auf das ich so viele und so schnelle Reaktionen erhielt. Es ist in dieser Woche ziemlich weit oben auf der Bestsellerliste, was mir auch noch nie passiert ist. Ich darf mich also nicht beklagen.
epd: Ihr Roman erzählt die Geschichte des Dresdener Antiquars Norbert Paulini, der schon in der DDR vor allem für seinen Beruf lebt. Später rutscht er immer weiter in die rechte Szene ab. Hatten sie schon einen Termin in ihrer Geburtsstadt?
Schulze: Ich hätte dort vergangene Woche lesen sollen. Diese Lesung ist bisher auch die einzige, für die es einen neuen Termin gibt, den 5. Juni. Ob es dazu kommen wird, steht tatsächlich in den Sternen. Ich bin in Dresden geboren und aufgewachsen. Seit vielen Jahren aber komme ich eigentlich nur noch in die Stadt, um Freunde zu besuchen oder zu Lesungen, ich bin also wirklich nur noch Gast. Aber Dresden als Ort hat in meinen Büchern Tradition: "Peter Holtz" spielt vor allem in Berlin, hat aber längere Dresdner Passagen, das gilt noch mehr für "Neue Leben".
epd: Warum nicht Jena, wo sie studierten?
Schulze: Grundsätzlich würde der Roman dort auch funktionieren. Jena ist eine Universitätsstadt und hat großartige Buchläden. Ich habe mir dort, vom Buchhändler Gunther Philler, erzählen lassen, wie es war zu DDR-Zeiten, während des Übergangs und danach. Es gab für den Roman so etwas wie einen Nukleus, ein Antiquariat in Dresden-Blasewitz. Das Antiquariat Carl Adler wurde von Hans-Georg Kühnel geführt. Ich selbst war nur ein, zwei Mal dort; es war auf medizinische Literatur spezialisiert. Jetzt las ich aber, dass etwa Franz Fühmann oder der Kunsthistoriker Lothar Lang dort ein- und ausgegangen sein müssen.
epd: Hat die Wahl Dresdens nicht doch damit zu tun, dass dort der rechte Zeitgeist gerade richtig erblüht?
Schulze: Naja, ich will die Handlung jetzt nicht gleich nach Schnellroda verlegen, aber man könnte sie auch auf dem Land in Thüringen spielen lassen. Nun ist Dresden schon lange so merkwürdig konservativ gewesen. Ich fand es bezeichnend, dass die Ost-CDU immer wieder für ihre Parteitage nach Dresden kam.
epd: Warum tun sich die Menschen mit der Fiktion so schwer und bestehen auf Historizität?
Schulze: Das ist leider unausrottbar. Im Interview mit dem "Spiegel" war das gerade auch wieder so; da hieß es, der ist doch dieser und der jener. Das ist diese merkwürdige Sehnsucht nach dem Schlüsselroman. Es ist aber immer zweifelhaft, Literatur vor allem inhaltlich zu definieren.
epd: Ihr Roman schildert das Abdriften eines gebildeten Menschen in die rechte Ecke. Wie erklären Sie den Erfolg der Rechtpopulisten gerade im Osten?
Schulze: Ich muss vorausschicken, dass man für den Versuch, gegenwärtige Prozesse zu verstehen, gar nicht weit genug in die Vergangenheit zurückgehen kann. Beispielsweise haben in den katholischen Gebieten Deutschlands 1933 sehr viel weniger Hitler gewählt als in nichtkatholischen. Trotzdem würde ich sagen, dass der demokratisch beschlossene Beitritt viel damit zu tun hat. Viele, die damals de Maizière oder Kohl gewählt haben, hatten keine Vorstellung, was passieren würde. Wobei jeder wissen konnte, was passiert, wenn man von heute auf morgen die D-Mark einführt.
epd: Was zählen Sie dazu?
Schulze: Das hat zu ökonomischen, sozialen aber natürlich auch biografischen Entwertungen geführt. Das eigene Selbstverständnis findet sich ausgerechnet in dem Moment, da man freie Medien hat, nicht mehr in der Öffentlichkeit wieder. Verwerfungen in dieser Form hat es im Westen nicht gegeben. Auch wenn die Städte und Dörfer in den östlichen Bundesländern inzwischen keinesfalls schlechter aussehen, sagt das nichts über die Besitzverhältnisse und Teilhabe aus. Das sind alles Fragen, die in größere Konfliktzusammenhänge gehören: Oben und unten spielt dabei immer eine Rolle. Aber auch: Wer sitzt an den Schalthebeln, welche Sozialisation haben diese Menschen erlebt?
epd: Aber warum gerade die extremen Rechten?
Schulze: Zum einen ist der Osten sehr bewusst von Rechtsextremen als neues Gebiet gewählt worden. Da steckt ein Plan und eine Logistik dahinter. Die maßgebenden Führungskräfte und das Geld kommen aus dem Westen. Wichtiger ist aber, dass Nationalisten und Rassisten den Osten positiv besetzen. Da wird viel mit Halbwahrheiten gearbeitet, Richtiges steht neben äußerst kruden Dingen – etwa, dass hier die Deutschen noch deutscher, unverdorben von der Internationalisierung sind. Unterm Strich kommt stets heraus: Der Osten ist besser als der Westen. Da aber sonst der Osten unentwegt problematisiert wird und sich rechtfertigen muss, horcht man da erst mal auf.
epd: Ganz erklärt das die Anfälligkeit des Ostens für die AfD aber nicht ...
Schulze: ... stimmt. Für mich zeigt sich in dieser Frage keine Folgerichtigkeit. Man kann es nicht wirklich erklären, aber man kann Dinge aufzählen, die es begünstigen. Wenn nur 1,7 Prozent der Führungskräfte aus dem Osten kommen, und sie selbst im Osten in der Minderheit sind, ist das eine Schieflage, die, das muss dazu gesagt werden, grundsätzlich erst mal nichts über den Einzelnen aussagt. Aber in der Gesamtheit sagt es eben doch etwas über das Land aus. Das ist natürlich kein Grund, sich mit der AfD einzulassen - ich finde überhaupt keine Gründe, warum man sie wählen sollte. Ein Erklärungsversuch sollte aber das West-Ost-Gefälle berücksichtigen.
epd: Wer Antworten sucht, findet sie vielleicht auf den gut 300 Seiten ihres Romans – denn davon handelt er doch?
Schulze: Naja. Ich antworte auf die Frage, worum es in meinen Bücher geht, stets mit Inbrunst: Es geht immer um alles. Es geht immer um Liebe und um die Frage, warum bin ich auf der Welt. Was ist mein Glück? Mein Unglück? Als Leser merke ich das schnell, wenn etwas fehlt. Wenn ich zum Beispiel nicht erfahre, wie eine Figur ihr Geld verdient, finde ich das unbefriedigend.
epd: Die besten Geschichten soll ja das Leben schreiben. Hätten sie sich solch dramatischen Veränderungen im Zuge der Corona-Krise nur vor wenigen Wochen vorstellen können?
epd: Das habe ich so nicht erwartet. Aber wir haben das doch 1989 erlebt, dass man sich nicht vorstellen konnte, nur ein gutes Jahr später Bundesrepublik zu sein. Die Finanzkrise kam ja noch schneller, von daher sollten wir schon immer mit einrechnen, dass sich sehr schnell etwas verändern kann. Was die besten Geschichten angeht: Ich bin der Meinung, dass das Leben die Literatur nachahmt.
epd: Sehen Sie auch eine Chance in der Krise?
Schulze: Bei dieser Frage muss man aufpassen, dass eine Antwort nicht zynisch klingt. Das Virus hat schon viele Menschleben gefordert, sie wird wohl viele berufliche Existenzen zerstören. Aber ich habe die grundsätzliche Hoffnung, dass sich die Gesellschaft nach Corona solidarischer organisiert. Dass das kapitalistische Wettbewerbsprinzip, wo es am Platz ist, eingesetzt wird, es aber nicht mehr als für jeden Lebensbereich anzuwendender geheiligter Mechanismus angesehen wird. Im Gesundheitswesen zum Beispiel hat es nichts zu suchen.
Information: Die Erfurter Lesung mit Ingo Schulze ist zu finden unter: youtu.be/Fg_DxAW8ZNA (Spamfilter wikiversity)
https://www.sonntag-sachsen.de/das-ist-leider-unausrottbar
--Methodios (Diskussion) 16:59, 8. Nov. 2020 (CET)
Wormser Rezension
Bearbeiten„Die rechtschaffenen Mörder“ von Ingo Schulze
Er misstraut Menschen, die ihm ihre Bücher verkaufen wollen: Ingo Schulze berichtet von einem charismatischen Antiquar und schiebt raffiniert die Erzählerfigur „Schultze“ ins Bild.
Von Johannes Breckner: Leiter Kulturredaktion Darmstadt
Schulze erzählt von Schultze: In seinem neuen Roman spielt der Autor mit autobiografischen Andeutungen. Foto: epd
Die Räume in der „Villa Kate“ sehen aus wie ein Antiquariat. Alte Bücher bis zur Decke, ein Regal am anderen. Aber eigentlich ist das „Antiquariat und Buchhandlung Dorothea Paulini, Inh. Norbert Paulini“ eine Kapelle für die Andacht der Bücherfreunde, ein Ort des stillen Einverständnisses, in dem nur die uneingeweihten Besucher den Mann im blaugrauen Schutzkittel für den Hausmeister halten. Es ist Norbert Paulini, der charismatische Antiquar, dessen Kinderbett schon auf den Bücherstapeln seiner Mutter stand, einer Frau aus dem siebenbürgischen Kronstadt, die den Bücherhandel der Familie begründet hatte. Für Norbert Paulini ist der Handel selbst erst einmal verdächtig. Er misstraut Menschen, die ihm ihre Bücher verkaufen wollen. Paulini selbst hat sich für ein Leben als Leser entschieden, und er verlangt Unvoreingenommenheit vor dem Buch: Erwartungen würden seine Größe auf das Maß des Lesers zurechtstutzen. Die gleichsam religiöse Bücherverehrung macht ihn unter Kennern zum bewunderten Außenseiter, aus der ganzen DDR kommen die Kunden nach Dresden in die Villa Kate, Paulinis Salons sind gesellschaftliche Ereignisse, in denen sich eine Parallelwelt zum real existierenden Sozialismus feiert.
Als politischer Mensch versteht Paulini sich ohnehin nicht, er nimmt nicht teil an den Demonstrationen, die den Staat zu Fall bringen werden. Nebenbei wird er erfahren, dass seine Frau bei den literarischen Treffen für die Stasi gespitzelt hat, aber das interessiert ihn wenig. Man kann Ingo Schulzes neuen Roman als Tragödie eines Intellektuellen lesen, als melancholische Biografie eines radikalen Büchernarren, der lange Zeit ziemlich sympathisch ist. Aber die Zeit verändert auch diesen Mann. Der Westen übernimmt, das Buch ist abgemeldet, er verliert die Frau, jobbt mit schmerzender Schulter an der Supermarktkasse. Erst kommt der Westen in Form der Alteigentümer, die ihn aus der Villa Kate vertreiben, dann kommt die Flut, die seine Bestände zerstört. Und Stück für Stück kann man beobachten, wie dieser Mann sich nun in eine andere Richtung radikalisiert und Ressentiments entwickelt gegen Fremde, die das deutsche Sozialsystem plündern.
AUTOR UND BUCH
Schulze über Schulze:
„Es ist immer zweifelhaft, Literatur vor allem inhaltlich zu definieren“, sagte Ingo Schulze im Gespräch über seinen Roman mit dem Evangelischen Pressedienst. „Ich antworte auf die Frage, worum es in meinen Büchern geht, stets mit Inbrunst: Es geht immer um alles. Es geht immer um Liebe und um die Frage, warum bin ich auf der Welt. Was ist mein Glück? Mein Unglück?“
Über die Verortung seines Romans sagte Schulze: „Es gab für den Roman so etwas wie einen Nukleus, ein Antiquariat in Dresden-Blasewitz. Das Antiquariat Carl Adler wurde von Hans-Georg Kühnel geführt. Ich selbst war nur ein, zwei Mal dort; es war auf medizinische Literatur spezialisiert. Jetzt las ich aber, dass etwa Franz Fühmann oder der Kunsthistoriker Lothar Lang dort ein- und ausgegangen sein müssen.“ (epd)
Das Buch:
Ingo Schulze
Die rechtschaffenen Mörder
Roman. Verlag S. Fischer, 272 Seiten, 21 Euro.
Aber Schulze hat keinen Roman zur Erklärung der Pegida-Proteste geschrieben. Mit seinen drei Teilen wird der Roman zum Vexierspiel, in dem die gemütliche Gewissheit der ersten Kapitel schnell unterhöhlt wird. Zwei, drei Mal schiebt sich irritierend der Erzähler selbst ins Bild, bevor er im zweiten Teil das Wort übernimmt, Schultze mit t heißt und viele biografische Parallelen zu Ingo Schulze aufweist. Schultze wird zum Rivalen Paulinis, und in ihrem letzten großen Streitgespräch formuliert der Antiquar die Wirkungsweise dieses Romans: „Sie haben bei mir als erstes gelernt, dass Literatur Eindeutigkeiten nicht mag. Wir reden hier von Literatur, nicht von Schmarrn, dass wir uns da richtig verstehen.“ Und Schmarrn hat auch der Schulze ohne t nicht geschrieben, sondern einen glänzend erzählten Roman, in dem alle Gewissheiten demontiert werden und dem erst am Schluss ein wenig die Spannung abhanden kommt, wenn im dritten Teil die Lektorin des Ganzen die Beziehung zwischen Schultze und Paulini analysiert. Da ist die Frage, ob Paulini wirklich einer der sich rechtschaffen fühlenden Mörder ist, hinter den mehrfachen Brechungen des Themas verschwunden.
--Methodios (Diskussion) 18:25, 8. Nov. 2020 (CET)
Udo Geithner
BearbeitenBei Hans Kühnel zu Gast mit Ingo Schulze
Autor: Von Udo Geithner
Beitragsdatum: 6. April 2020
Vieles wurde über das im Frühjahr 2020 erschienene Buch „Die rechtschaffenen Mörder“ von Ingo Schulze gesagt und geschrieben. Ingo Schulze war für den Leipziger Buchpreis nominiert. Viele große Zeitungen; darunter die FAZ, die Süddeutsche oder Die Zeit haben sehr ausführliche und gute Kritiken geschrieben.
Auch zum politischen Standpunkt des Autors, des Erzählers und der Figuren wurde vieles gesagt, vieles interpretiert und auf aktuelle Deutsche, Ostdeutsche und Dresdner Verhältnisse bezogen.
Das alles soll heute nicht mein Thema sein. Ich habe „Die rechtschaffenen Mörder“ gerade auch deswegen gern gelesen, weil es eine Erzählung über das Lesen, die Bücher und den Leser ist.
Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder
"Vor allem aber wollte ich auch eine Liebeserklärung an das Papierbuch schreiben." Ingo Schulze im Klappentext zu „Die rechtschaffenen Mörder“
Es gibt Dinge, die soll man nicht vermischen: das Lyrische Ich mit dem Autoren oder den Autoren mit dem Erzähler. Oder einen Roman mit einer Biographie. Aber ein bisschen spekulieren und spinnen ist erlaubt. Schlagen wir also das erste Kapitel auf und gehen mit Ingo Schulze auf einen Spaziergang durch Dresden:
"Im Dresdner Stadtteil Blasewitz lebte einst ein Antiquar, der wegen seiner Bücher, seiner Kenntnisse und seiner geringen Neigung, sich von den Erwartungen seiner Zeit beeindrucken zu lassen, einen unvergleichlichen Ruf genoss. […] Wer nach Dresden-Blasewitz in die Brucknerstraße kam, das eiserne Gartentor aufschob, an Hecken und Mülltonnen vorbei die Haustür erreichte, […] über die Sandsteinstufen in den ersten Stock stieg und endlich die aluminiumhelle Klingel […] betätigte, erstrebte mehr, nämlich Einlass in das Reich des berühmten Antiquars Norbert Paulini."
Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder; S. Fischer Verlag Frankfurt 2020; S. 9 f
Bild: Brucknerstraße in Dresden Blasewitz
Unter den Kennern, den Alteingesessenen, den Buchliebhabern und Dresdner Urgesteinen hat es sich nach Lektüre des Romans schon bald herumgesprochen: Man betritt hier das Reich von Hans-Georg Kühnel. Seine Buchhandlung und Antiquariat „Carl Adlers und Nachf.“ auf der Brucknerstraße 28 war das einzige Privatantiquariat der DDR.
In der Wochenzeitung „Der Sonntag Sachsen“ vom 27.03. sagt Ingo Schulze dann auch „Es gab für den Roman so etwas wie einen Nukleus, ein Antiquariat in Dresden-Blasewitz. Das Antiquariat Carl Adler wurde von Hans-Georg Kühnel geführt. Ich selbst war nur ein, zwei Mal dort …“ (epd)
Meine kleine Spurensuche nach Hans Kühnel beginnt bei Claus Kunze – DEM Antiquar in Dresden. Und schon sitzen wir in seinem kleinen „Büro“ bei Pfeife und Rotwein und blättern in Mario Brändels autobiographischen Fragmenten „Wenn es ans Leben geht“. Das Buch erschien posthum 2014, herausgegeben von seinen Eltern, in einem kleinen Privatdruck von 100 Exemplaren.
Und genauso liebevoll, wie sich der Erzähler in Schulzes Roman an Norbert Paulini, den Antiquar seiner Jugend, erinnert, schreibt Mario Brändel in seinen Buch über den Antiquar Hans-Georg Kühnel:
"Hans-Georg Kühnel war ein etwa mittelgroßer schmaler Herr, der stets in einer Art grauen oder blauen, schon recht verschossenen Arbeitskittel gewandet war und den Kunden auf Klingelzeichen hin an der Tür der ersten Etage empfing. Unbekannte wurden nach knapper Begrüßung stets sehr konkret nach ihrem Anliegen gefragt, ungenaue und vage Antworten nicht gern gehört. Die Aussage „man wolle sich umschauen“ führten nicht gerade zu Weiterungen der Herzlichkeit. […] So sehe ich ihn im Arbeitskittel neben dem wuchtigen Schreibtisch stehen, eine Flügeltüre offen und er legt mir zwei oder drei für mich bestimmte Titel vor: „Da habe ich wieder etwas für Sie“. Meinem Interesse und Geschmack war der erfahrene Buchhändler recht bald auf die Spur gekommen und bediente mich in liebenswürdigster Weise. „Dies ist und bleibt ein Haus der Versuchungen“ war ein gern gebrauchter Spruch des Hausherrn."
Mario Brändel: Wenn es ans Leben geht. Autobiographische Fragmente; Privatdruck; S. 41 ff
Bild: Mario Brändel. Mitte der 1970er Jahre; aus „Wenn es ans Leben geht“
Über die Biographie des Autors dieser schönen Zeilen gibt das Nachwort und ein Artikel aus den „Dresdner Neusten Nachrichten“ vom 14.08.2014 Auskunft.
"Mario Brändel, am 17. September 1959 in Dresden geboren, war lange Teil der Subkultur – ein wenig anarchistisch und aufmüpfig, Langhaarigkeit ist Protest – man liest viel, diskutiert viel, trinkt viel und gedenkt der Dichter, die nicht unbedingt DDR Bestseller sind. Besonders diese Zeit beschreibt er in seinen autobiographischen Fragmenten. 1984 darf er die DDR verlassen. Ab 1994 betreibt er in München ein Antiquariat. Mario Brändel starb am 26. Januar 2011. Seine Eltern haben das Erscheinen dieses lesenswerten und sympathischen Buches möglich gemacht."
Zurück zum Antiquar Hans Kühnel. Die Pirckheimer-Gesellschaft schreibt über ihr 1994 verstorbenes Mitglied: „Der am 17.2.1927 in Eisenach Geborene war Buchhändler und Antiquar und zudem ein Sammler aus Leidenschaft. […] Er erwarb die 1833 gegründete Carl Adlers Buchhandlung und baute in ihr ein wissenschaftliches Antiquariat auf. […] Die Adlersche Buchhandlung in der Brucknerstraße war auch Ziel vieler Maler. So konnte man dort Otto Dix genauso treffen wie Wilhelm Rudolph oder Hermann Glöckner.“
Weitere schriftliche Berichte und Quellen sind leider Mangelware. Im Katalog 512 des Antiquariats List & Francke aus Meersburg am Bodensee wurde 1994 seine Handbibliothek angeboten. Dort war außerdem Kühnels Text „Aus meinem Leben und Wirken als Buchhändler“ ganz oder in Auszügen abgedruckt. Der Text soll ebenfalls als Privatdruck in Kleinstauflage erschienen sein. Eine Autopsie des Katalogs oder des Drucks war mir bisher leider nicht möglich. Für Hinweise bin ich dankbar.
Bild: Inhaltsverzeichnis des Kataloges 512 von List & Francke, 1994; darin große Teile der Handbibliothek des Antiquars Hans-Georg Kühnel
Dies ist der erste Teil der Betrachtungen zum Roman „Die rechtschaffenen Mörder“. Den zweiten Text „Joseph Roth lesen mit Ingo Schulze“ gibt es hier.
BIBLIOGRAPHIE
INGO SCHULZE: Die rechtschaffenen Mörder; S. Fischer Verlag Frankfurt am Main; 2020
MARIO BRÄNDEL: Wenn es ans Leben geht. Autobiographische Fragmente; Herausgeber Dr. G. und S. Dinger; Privatdruck, Neu-Ulm 2014; Auflage 100 Exemplare
Online:
- https://www.sonntag-sachsen.de/das-ist-leider-unausrottbar
- http://www.loschwitzer-antiquariat.de/
- [Loschwitzer Antiquariat CLAUS KUNZE Pillnitzer Landstraße 18, 01326 Dresden Telefon: 0351 2640090 (0351 2682593 nach 18:30 Uhr) ⇒ Termine für Ankäufe nur nach telefonischer Absprache während der Öffnungszeiten E-Mail: info(at)loschwitzer-antiquariat.de Öffnungszeiten: Montag geschlossen, Dienstag bis Freitag 14 bis 18 Uhr Samstag von 10 bis 13 Uhr]
- http://www.pirckheimer.org/members/public/hkuehnel.htm
- http://swbplus.bsz-bw.de/bsz352913312inh.pdf;jsessionid=9291CC935D7E04B927026A829233C97E?1432680948320
- [Inhaltsverzeichnis Katalog 512 von List & Francke] [Umschlag zeigt Hans-Georg Kühnel in seinem Arbeitszimmer in der Brucknerstraße 28 in Dresden. Es wurde in der Zeit der »Wende« 1989/90 aufgenommen.]
- http://swb2.bsz-bw.de/DB=2.1/PPNSET?PPN=1422913317&INDEXSET=21
- [Buchwesen : (darin große Teile der Handbibliothek des Antiquars Hans-Georg Kühnel, Carl Adlers Buchhandlung in Dresden) Erschienen: Meersburg : List & Francke, [1994] Umfang: 208 S. : Ill. Schriftenreihe: Antiquariatskatalog / List & Francke ; 512]
https://lauterliteraten.wordpress.com/2020/04/06/bei-hans-kuhnel-zu-gast-mit-ingo-schulze/
--Methodios (Diskussion) 17:17, 8. Nov. 2020 (CET)
Joseph Roth lesen mit Ingo Schulze
Autor: Von Udo Geithner
Beitragsdatum: 12. April 2020
Wenn es einen Schriftsteller gab, den Ingo Schulze während des Schreibens seinen Buches „Der rechtschaffenen Mörder“ im Ohr hatte, dann muss das Joseph Roth sein. Schauen wir uns den jeweils ersten Satz von Schulzes „Mörder“ und Roths „Leviathan“ an.
"Im Dresdner Stadtteil Blasewitz lebte einst ein Antiquar, der wegen seiner Bücher, seiner Kenntnisse und seiner geringen Neigung, sich von den Erwartungen seiner Zeit beeindrucken zu lassen, einen unvergleichlichen Ruf genoss."
Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder; S. Fischer Verlag Frankfurt 2020; S. 9
Welche schöne Hommage an den großen Joseph Roth!
"In dem kleinen Städtchen Progrody lebte einst ein Korallenhändler, der wegen seiner Redlichkeit und wegen seiner guten, zuverlässigen Ware weit und breit in der Umgebung bekannt war."
Joseph Roth: Der Leviathan; S. 5
Bild: Joseph Roth: Der Leviathan; zweite Auflage 1947; mit Schutzumschlag
Der direkte Hinweis auf Joseph Roth folgt dann später. Wir befinden uns wieder im Antiquariat des Norbert Paulini:
"Einer seiner ersten Besucher, der Archäologe Scheffel, drückte eine leicht ausgebleichte, aber noch erkennbar korallenrote Erstausgabe des „Leviathan“ von Joseph Roth an die Brust. Scheffel war noch immer perplex, dieses edle Exemplar, erschienen bei Querido in Amsterdam, in den Händen zu halten. „Solch ein ein schmaler kleiner Band“ rief er und lachte, „was das bedeutet! Das muss man sich mal vorstellen, was das heißt, 1940 in Holland ein deutsches Buch zu drucken!“"
Ingo Schulze: Die rechtschaffenen Mörder; S. Fischer Verlag Frankfurt 2020; S. 72 f
Bild: Joseph Roth: Der Leviathan ohne Schutzumschlag
Dann beschreibt Paulini die Entstehungsgeschichte des Leviathan, die ich hier ergänzen will:
Das erste Kapitel des Leviathan erscheint bereits am 22. Dezember 1934 in „Das neue Tagebuch“ unter dem Titel „Der Korallenhändler“. 1936 verkauft Joseph Roth seine Novelle für fl. 200,- (holländische Gulden) an den Exil Verlag Querido in Amsterdam. 1940 wird der Leviathan gedruckt; aber erst 1945, also fünf Jahre später, ausgeliefert. Grund dafür war der deutsche Überfall auf Holland 1940. Die bereits gedruckten Bogen bewahrte die Druckerei, trotz des großen Risikos auf, sodass sie 1945 gebunden werden konnten. (siehe dazu Joseph Roth: Geschäft ist Geschäft; S. 76)
Dies ist der zweite Teil der Betrachtungen zum Roman „Die rechtschaffenen Mörder“. Den ersten Teil „Zu Gast bei Hans Kühnel mit Ingo Schulze“ gibt es hier.
BIBLIOGRAPHIE
INGO SCHULZE: Die rechtschaffenen Mörder; S. Fischer Verlag Frankfurt am Main; 2020
JOSEPH ROTH: Der Leviathan; Querido Verlag N.V. Amsterdam 1947; Zweite Auflage
JOSEPH ROTH: Geschäft ist Geschäft. Seien Sie mir Privat nicht böse, ich brauche Geld. Der Briefwechsel zwischen Joseph Roth und den Exilverlagen Allert de Lange und Querido 1933 – 1939; Herausgegeben von Madeleine Rietra; Kiepenheuer & Witsch Köln 2005
WEITERLESEN
… Joseph Roth als großer Journalist und Romancier
- JOSEPH ROTH: Werke in 6 Bänden; Herausgegeben von Fritz Hackert; Ungekürzte Lizenzausgabe für Bertelsmann Club Gütersloh; ohne Jahr (um 1990)
… Joseph Roth im Exil
- JOSEPH ROTH: Aber das Leben marschiert weiter und nimmt uns mit. Der Briefwechsel zwischen Joseph Roth und dem Verlag de Gemeenschap 1936 – 1939; Herausgegeben von Theo Bijvoet und Madeleine Rietra; Kiepenheuer & Witsch Köln 1991
… Joseph Roth in der Kneipe
- GEZA VON CZIFFRA: Der heilige Trinker. Erinnerungen an Joseph Roth; Berenberg Verlag Berlin 2006
… Schriftsteller und ihre Veröffentlichungen im Exil
- WILHELM STERNFELD & EVA TIEDEMANN: Deutsche Exil-Literatur 1933 – 1945. Eine Bio-Bibliographie; Verlag Lambert Schneider Heidelberg 1970; Zweite, verbesserte und stark erweiterte Auflage
https://lauterliteraten.wordpress.com/2020/04/12/joseph-roth-lesen-mit-ingo-schulze/
Marginalien
Bearbeiten30 Peter Richter Bücher als Lebensbegleiter – ein Rückblick auf meine Antiquare in und um Dresden Die Berührung mit Büchern in meiner Kindheit war durch den reizvollen Umgang mit Verboten geprägt. Auf dem Boden der Scheune im Valtental bei Neukirch/Lausitz, wo ich aufwuchs, fand ich versteckt unter Stroh zwei Koffer voller Bücher. Kriegsliteratur der Nazizeit, die 1950 erst wenige Jahre zurücklag. Ich verschlang das alles und lernte dabei schnell Lesen: Udets Fliegerleben, den UBoot-Held von Scapa Flow, Günther Prien, den Jagdfl eger Mölders und viele andere, die noch Ghostwriter in den ersten Kriegsjahren fanden. Es waren aber auch zehn in kostbares rotes Leinen gebundene Bände von Werken Alexandre Dumas’ dabei. Diese Bücher musste ich heimlich lesen. Ganz anders war der Austausch der begehrten, aber heute kaum noch gelesenen Bücher von Karl May, Hans Dominik und Ernst Löhndorff unter uns Jungen. Bestie Ich in Mexiko über den Befreiungskampf der Yaqui-Indianer unter General Pancho Villa 1914 in der Mexikanischen Revolution war eines meiner Lieblingsbücher. Als Erziehungsmaßnahme meiner Familie kam ich 1957 in die letzte Privatpension der DDR zu Margarete Urban auf die Martin-Hoop-Straße in Bautzen. Diese Erziehungskur mussten meine größeren Geschwister bereits im Krieg absolvieren. Vier Jahre besuchte ich die Erweiterte Oberschule in Bautzen bis zum Abitur 1961. Hier hatte ich meine erste prägende Begegnung mit einem Buchhändler – Rudolf Kretschmar (1908–1976). Er gründete seine Buchhandlung 1929 auf der Tuchmacherstraße in Bautzen. Großzügig ließ er mich in seinen antiquarischen Beständen stöbern. Das schmale, hohe Haus war für mich ein Eldorado inmitten einer Schulwelt, die geprägt war von der Lektüre über den jugendlichen Helden Pawel Kortschagin in Nikolai Ostrowskis Wie der Stahl gehärtet wurde und von Anton Makarenkos Flaggen auf den Türmen. Ich durfte auf dem Oberboden, auf schwankenden Brettern laufend, in alten staubigen Zeitschriften wühlen und mir zum Makulaturpreis Ausgaben der Satirezeitung Simplicissimus und der Zeitschrift Der Querschnitt heraussuchen. Unvergessen bleibt mir, wie ich nach dem Abitur im Herbst 1961, in meinem praktischen Jahr als Vorimmatrikulierter beim VEB Erntebergungsmaschinenbau Fortschritt arbeitend, an einem Sonnabend in der Buchhandlung Kretschmar einen Schatz erwerben konnte: die elf Bände einer in dunkles Leinen gebundenen Ausgabe von Jacob Burckhardt, eben bei Rütten & 31 Loening als Lizenzausgabe erschienen. In einem Rucksack auf dem Moped transportierte ich die schweren Bücher 15 Kilometer nach Neukirch. Sie stehen noch heute bei mir, immer wieder gelesen, vor allem der schmale Band Weltgeschichtliche Betrachtungen von 1905. In diesem praktischen Jahr vor dem Studium in Dresden lernte ich im Kirchenchor des Dorfs den Lehrer Karl Sohr (1901–1981) kennen, der neben mir Bassisten als Tenor sang. Er gehörte der Lehrergeneration an, die in der sowjetischen Besatzungszone nach 1945 aus dem Schuldienst entfernt wurde, einige Jahre in der Produktion arbeiten musste – er als Büroangestellter in der Bleistiftfabrik Knobloch in Ringenhain – bis er Anfang der 1950er Jahre wieder eingestellt wurde. Seine Schüler und Schülerinnen erinnern sich seines pädagogischen Engagements noch heute. Ich besuchte ihn zu Hause in seiner kleinen Wohnung, die voller Bücher stand. Dort eröffnete sich mir eine gänzlich unbekannte Welt konservativromantischen Denkens. Seine Jugend war durch die WandervogelBewegung geprägt. Durch ihn wurde ich mit dem Treffen auf dem Hohen Meißner 1913 in Hessen bekannt, auf dem die bündische Jugend ihre Friedensliebe und nationale Ehre hundert Jahre nach der Völkerschlacht bei Leipzig beschwor und sich doch zwölf Monate später in den Schützengräben wiederfand. Ich bekam von ihm Bücher der Festredner dieses Treffens zu lesen, von Ludwig Klages und Gustav Wynecken. Er machte mich mit dem Philosophen Eduard Spranger und dem Germanisten Ernst Bertram bekannt. Ich las dessen 1919 erschienene Nietzsche-Biografi . Der nationalistische Geist dieser Kulturrichtung war mir fremd, faszinierte mich aber zugleich. Vor allem Klages mit seinen psychologischgrafologischen Schriften interessierte mich als angehenden Psychologie-Studenten. Diese Welt, die mir der Lehrer Sohr in seiner Stube eröffnete, war ein willkommenes Gegengewicht zur täglichen monotonen, körperlich schweren Montage von Tränkebecken für die Kühe in der sozialistischen Massentierhaltung. Jordan Natscheff (1889–1983) – mein erster Dresdner Buchhändler und Antiquar Meine erste Unterkunft als Student der Psychologie an der damaligen Technischen Hochschule Dresden fand ich auf der Krenkelstraße. Nach einem Jahr zog ich auf die Anton-Graff-Straße 11. In der nahegelegenen Buchhandlung bekam ich einen Einblick in eine vergangene bürgerliche Welt, die so ganz im Widerspruch zu meiner sozialistischen Schulausbildung stand. Eher zufällig betrat ich auf der in meiner Nähe liegenden Borsbergstraße, eine der damals großen Einkaufsstraßen der noch in Trümmern liegenden Stadt, 32 neben einer Apotheke eine unscheinbare kleine Buchhandlung mit dem Namen »Die Letter – Internationale Buchhandlung«. Ein freundlicher alter Herr mit gepfle tem Bart, im Anzug mit Weste und Fliege begrüßte mich und fragte nach meinem Kaufbegehren. Ich suchte nichts Bestimmtes, wollte mich nur umsehen. Schaufenster und Tür bestimmten die Breite des Raums. Drei Stufen führten hinauf zu einem Nebenraum, den ich nie betrat, wo außer Jordan Natscheff noch zwei ältere weißhaarige Damen arbeiteten, die auch Kunden bedienten, aber wohl vor allem für das Wohl des alten Herren zuständig waren. Seine Wohnung befand sich im Haus über dem Geschäft. Er erkundete meine Leseinteressen, die dürftig ausfi len, eben die eines Jugendlichen vom Dorfe, den es in die Großstadt verschlagen hatte. Natscheff fi l ins Französische, wenn er beim Erzählen in Erregung kam. Er war Bulgare, hatte in Sofia Ingenieurwissenschaften studiert und lebte schon seit langer Zeit in Dresden, zunächst als Fremdsprachenkorrespondent und Vertreter der ausländischen Journalisten in Sachsen. Von den Nationalsozialisten aus dieser Funktion 1933 entfernt, betrieb er eine Bücherei und Leihbibliothek. Victor Klemperer schrieb in seinen Tagebüchern, wie er durch Natscheff heimlich Literatur erhielt, denn es war verboten, Juden mit Büchern zu versorgen. Natscheff wurde 1942 denunziert und wegen des Verstoßes gegen das »Gesetz betreffend böswilliger politischer Aktionen« zu einem Jahr Haft verurteilt. Seine Buchhandlung wurde für fünf Jahre geschlossen. Die bulgarische Gesandtschaft konnte seine Abschiebung nach Bulgarien verhindern. Jedoch musste er sich täglich bei der Polizei melden. Die Reste dieser Leihbibliothek bildeten nach dem Krieg den Grundstock seines Antiquariats. Ich kaufte damals bei ihm die ersten Bände der wunderschön in blaues Leinen, teilweise auch in rotes Leder gebundenen kleinen Oktavbücher von Honoré de Balzac aus dem Rowohlt-Verlag der späten 1920er Jahren. In denen stand ein mit Tinte geschriebenes »L.«, Bücher aus seiner alten Leihbibliothek. Natscheff wurde für mich 20-Jährigen zu einem verehrten, freundlichen Lehrmeister der Weltliteratur. Durch ihn lernte ich in den 1960er Jahren Schriftsteller wie Eugène Ionesco und Elias Canetti kennen. Er machte mich auf die frühe Lyrik von Johannes Bobrowski aufmerksam, dessen schmale Bändchen eben im Union Verlag erschienen. Und schließlich war es ein besonderer Vertrauensbeweis, dass er mir eines der seltenen Exemplare der Kafka-Ausgabe bei Rütten & Loening in einem Band aus dem Kabinettsraum holte. Bis kurz vor dem Ende der DDR war sie die einzige Kafka-Ausgabe nach der berühmten Kafka-Konferenz 33 von Eduard Goldstücker im Schloss Liblice. 1965 wurde sie nach jahrelangen Querelen und Widerständen vom Germanisten Klaus Hermsdorf in kleinster Aufl ge herausgegeben. Ich war überglücklich über dieses wertvolle Exemplar. Und schließlich erhielt ich von ihm als besondere Kostbarkeit die 1961 beim Insel-Verlag in Frankfurt am Main erschienene einbändige Ausgabe der Tagebücher 1918– 1937 von Harry Graf Kessler, die die Kultur und Politik der Zeit vor 1933 mit einer solch überwältigenden Weitsicht darstellte, dass diese Tagebücher mein durch Bertram, Klages und Spranger geprägtes Weltbild nachhaltig zurechtrückten. Lachend erzählte er mir einmal, dass er einer politisch sehr weit aufgestellten Familie entstamme. Seine Schwester sei als verehrte Kommunistin an der Kremlmauer begraben, ein Bruder wäre faschistischer General gewesen. Dieser große Antiquar hatte sich wohl schon in den späten 1960er Jahren aus Altersgründen zurückgezogen. Er lebte, von den beiden alten Damen noch lange betreut, in der Wohnung über dem Ladengeschäft. Heute erinnert nichts mehr auf der Borsbergstraße daran, dass hier einmal eine der bedeutenden Dresdner Buchhandlungen samt Antiquariat stand. Georg Leukroth (1899–2000) und die Buchhandlung undAntiquariat P. Dienemann Nachf. (vormals E. Rechenberger) Natscheff empfahl mir, mich mit meinen Interessen für klassische Philosophie wegen Büchern von Platon, Aristoteles und Kant an seinen Kollegen Georg Leukroth zu wenden, der die Buchhandlung und Antiquariat P. Dienemann Nachf. (vormals E. Rechenberger) in der Nähe des Neustädter Bahnhofs führte. Schon vor dem Krieg leitete er diese bekannte Buchhandlung, die sich bis zur Zerstörung Dresdens im Februar 1945 auf der König-Johann-Straße, der heutigen Wilsdruffer Straße, befand; etwa dort, wo in der DDR die gern besuchte ungarische Spezialitätengaststätte »Szeged« stand. Leukroth war schon ein Herr im Rentenalter, als ich ihn kennenlernte, immer im gepfle ten Anzug mit Weste. Die Buchhandlung befand sich in hohen Räumen im Hochparterre eines neoklassizistischen Hauses auf der Antonstraße. Ihm zur Seite stand seine Tochter, das »Fräulein Leukroth«, eine eigenwillige Frau mit ergrautem Haar. Man betrat im Hochparterre nach sorgfältiger Reinigung der Schuhe, darauf achtete Fräulein Leukroth mit Strenge, einen langen Flur, von dem links Türen abgingen. Durch die mittlere trat man in einen hohen Raum, dessen Wände bis zur Decke mit Büchern vollgestellt waren. Eine Verbindungstür führte in einen ebenso ausgestatteten Raum. Den rechter Hand befi dlichen Büroraum 34 des Antiquars durfte ich nie betreten. Das war sein persönliches Refugium, zu dem nur ein ausgewählter Kreis von Kunden Zutritt hatte. Man konnte ungestört stöbern, wenige Kunden betraten die Räume. Eine der Kostbarkeiten, die ich hier erwarb, war eine dreibändige Ausgabe der Schriften von Platon, Dünndruck in fl xiblem Leinen gebunden, im Verlag Lambert & Schneider (1940) erschienen. Das muss um 1965 gewesen sein. In meinem Freundeskreis, der mir aus der Evangelischen Studentengemeinde erwachsen war, bemühten wir uns gerade, Platon zu lesen Georg Leukroth 1986 mit seiner Tochter Brigitte und der Mitarbeiterin Ursula von Glasenapp. Foto: Ursula von Glasenapp. 35 und zu verstehen, angeregt durch den charismatischen Studentenpfarrer und späteren Oberlandeskirchenrat, Werner Tannert. Georg Leukroth erreichte mit 101 Jahren ein wahrhaft biblisches Alter. Das Ende der Buchhandlung kam schließlich nach 1990 mit der Forderung nach Rückübertragung der Immobilie durch die Erben des 1945 nach dem Westen gefl henen Elfenbeinhändlers, dem das Haus früher gehörte. Die Erben verkauften das Gebäude, das komplett saniert wurde. Heute befi det sich hier das Hotel Bayerischer Hof. Seinen 100. Geburtstag feierte Leukroth mit Familie und ehemaligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in diesem Hotel. In der Nähe des Schillerplatzes lag ein weiteres Antiquariat, das mir Natscheff empfahl, Carl Adlers Buchhandlung auf der Brucknerstraße – mit dem Hinweis, mich durch einen kühlen Empfang nicht abschrecken zu lassen. Hans Georg Kühnel (1927–1994) und Carl Adlers Buchhandlung und Antiquariat – der große Anreger in meiner Studienzeit Unter Hans Georg Kühnel entwickelte sich die Carl Adlers Buchhandlung zum wohl größten Privatantiquariat der DDR. Das wurde möglich durch den Vertrieb medizinischer Fachbücher und Fachzeitschriften, unter anderem aus den Georg Thieme und G. Fischer Medizin-Verlagen, an Polikliniken und kleine Krankenhäuser und wohl auch durch den Versand ins westliche Ausland. Die sogenannte »Desideraten«-Betreuung von Einzelpersonen, die Kühnel streng auswählte, war jedoch für viele meiner Generation der eigentliche Reiz dieser versteckten Buchhandlung in einem alten Haus auf der Brucknerstraße 28 im ersten und zweiten Stockwerk in DresdenBlasewitz. Man klingelte an der Tür im ersten Stock. Nach einiger Zeit hörte man leise Schritte. Die Tür wurde von einem Mann in einem blaugrauen Arbeitskittel geöffnet, der einen prüfend anschaute und nach dem Begehren fragte. Bestand man diese Prüfung nicht, drohte eine höfl ch-strenge Abweisung. Empfehlungen von Händlerkollegen oder Freunden des Hausherrn eröffneten am schnellsten den Zutritt zu den Räumen. Kühnel wurde für mich – und für viele andere Dresdner meiner Generation – zu einem entscheidenden Anreger für die geistige Bewältigung des Lebens im Sozialismus. Es waren nicht nur die Bücher, auf die er mich hinwies und die er mir zu äußerst kulanten Preisen verkaufte, es waren vor allem die gemeinsamen Wochenendausflüge nach Böhmen, die uns freundschaftlich näherbrachten. Seine Vorbereitungen dieser Ausflüge standen stets unter einem kulturgeschichtlichen Thema: die gotische Burg, die Form barocker Dachkonstruktionen, die böhmische Barockgotik des Johann Aichel-Santini. Kühnel 36 machte uns mit Adalbert Stifter und dem Böhmerwald vertraut und in Lyrikvorträgen mit den unterschiedlichen Balladenformen, etwa der Schicksalsballade (Die Füße im Feuer von C. F. Meyer) oder der Naturballade (Der Knabe im Moor von Annette von Droste-Hülshoff). Und schließlich als tiefes Leseerlebnis die großartige, bedrü- ckende Schwarze Spinne von Jeremias Gotthelf aus dem Jahre 1842, ein Stück kafkaesken Inhalts inmitten des stillen Biedermeiers im Werk dieses Schweizer Pastors. Hans Georg Kühnel an seiner Schreibmaschine. Foto: Norbert Nitzsche. Weiterlesen? Den kompletten Beitrag finden Sie in den Marginalien. Informationen gibt`s nach einem Klick.
https://pirckheimer-gesellschaft.org/sites/default/files/m_242_leseprobe_richter_antiquare.pdf