Kurs Diskussion:Exerzitien unter der Straße/Deutscher Rassismus
Allgemein
Bearbeitenvgl. Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland
vgl. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF; englisch group-focused enmity)
ZITAT DES TAGES: "Es ist doch keine alarmierende Zahl, wenn es zwei-, dreitausend Fälle pro Jahr sind." Boris Pistorius (SPD), Innenminister von Niedersachsen, am Mittwoch im Deutschlandfunk zur möglichen Dunkelziffer rassistischer Polizeikontrollen in der BRD
Junge Welt vom 11. Juni 2020
vgl. Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands: Die Rolle Eberts, Noskes und Scheidemanns während der Monate der Novemberrevolution und ihrer Niederschlagung führte zum Vorwurf verschiedener parlamentarisch und vor allem außerparlamentarisch aktiver linker Gruppen und Parteien an die SPD, die Revolution und damit zu einem großen Teil gerade ihre eigenen Anhänger verraten zu haben („Wer hat uns verraten? - Sozialdemokraten!“). Aus dem Spartakusbund und weiteren linksrevolutionären Gruppierungen wurde bis zum 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gegründet. Damit war es zur endgültigen Trennung zwischen dem revolutionären und reformistischen Flügel der Sozialdemokratie gekommen.
--Methodios (Diskussion) 19:11, 11. Jun. 2020 (CEST)
ZITAT DES TAGES. Im Grunde sehen wir uns selbst immer als Menschenrechtsorganisation. Bremens Polizeivizepräsident Dirk Fasse in einem am Donnerstag online veröffentlichten Interview mit dem Lokalmagazin »Buten un binnen« von Radio Bremen.
Junge Welt vom 12. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 08:53, 12. Jun. 2020 (CEST)
Entsprechend groß war das mediale Interesse an einer Pressekonferenz, auf der am Dienstag in Berlin der Jahresbericht 2019 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vorgestellt wurde – einer Behörde, die der breiten Öffentlichkeit wohl eher unbekannt ist. Was ihr kommissarischer Leiter, Bernhard Franke, erklärte, kann nicht überraschen: Rassismus und Diskriminierung gehören auch in der BRD zum Alltag. 2019 gingen bei der Stelle erneut mehr Hilferufe wegen rassistischer Diskriminierung ein als im Jahr zuvor. Die Bundesrepublik habe »ein anhaltendes Problem mit rassistischer Diskriminierung und unterstützt Betroffene nicht konsequent genug bei der Rechtsdurchsetzung«, sagte Franke. Das Gefühl, »mit einer Ungerechtigkeit allein gelassen zu werden«, habe auf Dauer fatale Folgen, die auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdeten. »Diskriminierung zermürbt«, so der der Leiter der Bundesbehörde. RASSISMUS IN DER BRD. »Anhaltendes Problem«. Antidiskriminierungsstelle des Bundes legt Jahresbericht 2019 vor. Mehr Fälle rassistisch motivierter Ungleichbehandlung Junge Welt vom 10. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 08:04, 10. Jun. 2020 (CEST)
24 Jahre Recherche und Dokumentation des staatlichen & gesellschaftlichen Rassismus (1993 bis 2016)
- Sowohl in den Flüchtlingslagern und Massenunterkünften als auch auf der Straße sind Schutzsuchende besonderen Gewaltverhältnissen ausgesetzt. Es gelingt bestimmten Teilen der Bevölkerung mit rassistischen Beleidigungen oder blankem Haß und direkten tätlichen Angriffen, den Menschen das Leben in Deutschland permanent streitig zu machen und sie weiter zu traumatisieren.
- Unabhängig vom Alter der Betroffenen sind die Zahlen der von RassistInnen verletzten Geflüchteten auf der Straße weiterhin deutlich angestiegen: von 2014 (72) auf 2015 (242) um mehr als das Dreifache und von 2015 auf 2016 (505) auf das Doppelte.
- Durch fehlenden Schutz der Privatsphäre in den Flüchtlingsunterkunften, durch Agressionen und Übergriffe des Bewachungspersonals oder von Mitbewohnern einerseits und andererseits durch Angriffe von außen durch Brandstiftung, Werfen von Gegenständen, durch Schüsse oder Eindringen ins Gebäude finden viele geflüchtete Menschen gerade hier keine Sicherheit. Menschen, die ohnehin durch die restriktiven Asylgesetze, durch Familientrennung und nicht erlaubten Familien-Nachzug, durch die Fluchtgründe (Verfolgung, Krieg, Hunger) und durch die Flucht selbst oft psychisch schwer angeschlagen sind, werden weiter destabilisiert. So ist die Anzahl der Suizidversuche bzw. Selbstverletzungen von geflüchteten Menschen im Jahre 2016 die höchste, die seit 1993 von uns dokumentiert ist: mit 239 Geschehnissen 70 % höher als im Vorjahr (152 Selbstverletzungen). Daß dies nur ein Schatten der tatsächlichen Zahl von Verzweiflungstaten sein kann, zeigt die Antwort des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen auf eine Anfrage der Fraktion PIRATEN: in den ersten elf Monaten des Jahres 2016 war es zu 111 versuchten und 6 vollendeten Suiziden in Gemeinschafts- und Notunterkünften gekommen. Auch aus dem Innenministerium von Niedersachsen wurde vor kurzem bekannt gegeben, daß die Anzahl der Selbstverletzungen deutlich angestiegen ist. Da offizielle Statistiken in vielen Bundesländern gar nicht erst geführt oder nicht veröffentlicht werden, ist von einer Vervielfachung der bekannt werdenden Zahlen auszugehen.
--Methodios (Diskussion) 21:14, 8. Jun. 2020 (CEST)
- Recherche zu Todesfällen in Gewahrsam in Deutschland bekräftigt: „Auch in Deutschland tötet institutioneller Rassismus!“
- Die bundesweite Kampagne „Death in Custody – Aufklärung von Tod in Gewahrsam jetzt!" veröffentlicht – anlässlich der Ermordung von George Floyd in Minneapolis – ihre bisherigen Rechercheergebnisse zu Todesfällen von Schwarzen Menschen und Menschen of Color in Gewahrsamssituationen in Deutschland seit 1990. Muster institutionellen Rassismus werden hierbei erkennbar.
- Berlin, den 8. Juni 2020. Immer wieder sterben auch in Deutschland Schwarze und People of Color in Gewahrsam von Polizei und anderen staatlichen Institutionen. Eine der Hauptursachen ist institutioneller Rassismus. Die Todesfälle in der letzten Zeit – Hussam Fadl, Amad Ahmad, Matiullah Jabarkhil, Rooble Warsame, William Tonou-Mbobda, Aman A., Adel B. legen nahe, dass Schwarze Menschen und Menschen of Color auch in Deutschland in besonderem Maße gefährdet sind, in staatlicher „Obhut" ihr Leben zu verlieren oder durch die Polizei getötet zu werden. Allein zwischen 1990 und 2020 hat die Kampagne bislang 159 Fälle in der BRD recherchiert (Stand Juni 2020). Diese Fälle umfassen u.a. Todesfälle durch Polizeischüsse, durch unterlassene Hilfeleistungen und Todesfälle in Gewahrsam, die von den Behörden als „Suizid" angegeben werden. Die Kampagne wertet auch diese Fälle als „death in custody", da unserer Auffassung nach in einer totalen Institution kein freier Wille zur Beendigung des eigenen Lebens gebildet werden kann; außerdem zeigen z.B. die Todesumstände von Oury Jalloh, dass dem behördlichen Narrativ der Selbsttötung nicht ohne Weiteres geglaubt werden darf.
--Methodios (Diskussion) 17:27, 8. Jun. 2020 (CEST)
Der Kieler Bundestagsabgeordnete Lorenz Gösta Beutin (Die Linke) erklärte am Montag zu rassistischer Polizeigewalt: Rassistische Polizeigewalt ist ein globales Problem, nur auf die USA zu blicken, ist falsch. Auch in Deutschland gibt es immer wieder schwerwiegende Fälle von rassistischer Gewalt durch Polizistinnen und Polizisten, die selten zur Anzeige kommen, und noch seltener kommt es danach zu Verurteilungen. (…) Wenn wir verhindern wollen, dass falschverstandener Corpsgeist und eine Voreingenommenheit der Ermittlungsbehörden zugunsten der Polizistinnen und Polizisten zu einem Klima der Schutzlosigkeit für Oper rassistischer Übergriffe durch die Polizei führen, müssen unabhängige Beobachtungsstellen für Polizeigewalt eingerichtet werden, muss Aufklärung gegen den falschen Corpsgeist stattfinden und muss die strukturelle Bevorzugung von Mitgliedern der Polizei durch Ermittlungsbehörden und Justiz ein Ende haben. Rassistische Polizeigewalt ist ein globales Problem Junge Welt vom 9. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 07:46, 9. Jun. 2020 (CEST)
Vertreter der Black Community sprachen bei der Gedenkfeier am Donnerstag in Dessau als erste. Doch vorher legten die Anwesenden eine Schweigeminute für den in Mosambik geborenen Alberto Adriano ein. Ihn hatten an diesem Ort vor 20 Jahren drei Neonazis so brutal geschlagen und getreten, dass Adriano wenig später an den Verletzungen starb. Nach der Schweigeminute stellte ein Mitglied der Community in seinem Redebeitrag klar: »Wir schwarzen Menschen wollen nicht mehr weinen, wir wollen hinsehen und nie vergessen, was unseren Schwestern und Brüdern Tag für Tag überall in der Welt seit langem angetan wird«. Rassistische Unterdrückung sei seit Jahrhunderten fester Bestandteil des globalen Systems, mahnte er. »Da ist immer diese Angst in uns, es gibt keine Ruhe, keine Sicherheit, nicht in meiner Heimat, nicht hier – nirgendwo.«
[Tag des Erinnerns in Sachsen-Anhalt. »Es gibt diese Bewegung«. Sachsen-Anhalt: Antifaschisten erinnern an Alberto Adriano und weitere Opfer rechter Gewalt. Kritik an bürgerlicher »Show des Antirassismus«] Von Susan Bonath, Dessau, Junge Welt vom 13. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 10:25, 13. Jun. 2020 (CEST)
Dass ermittelt wurde, dürfe aber nicht vom institutionellen Rassismus durch die Politik, den Staat und seine Behörden ablenken, mahnte er und kritisierte »die bürgerliche Show des Antirassismus« als »Teil des Problems«. Dessau sei ein »Hotspot für Morde an Menschen, die institutionell für minderwertig erachtet werden«, erläuterte Ndindah. Dazu gehörten die an Oury Jalloh im Polizeirevier 2005 und an Yangie Li durch einen Polizistensohn 2016. Aber auch die im Polizeirevier mutmaßlich zu Tode geprügelten Opfer Hans-Jürgen Rose (1997) und Mario Bichtemann (2002) sowie der 2008 auf einer Dessauer Parkbank erschlagene Hans-Joachim Sbrzesny müssten dazugezählt werden. In Dessau zeige sich, »wie sie sich hinter einem sogenannten Aufstand der Anständigen verstecken«, so der Aktivist. Tatsächlich aber würden Umstände schöngeredet und Taten verdeckt. Das Elend in Massenunterkünften, die repressive Politik gegen Geflüchtete, die Tode im Mittelmeer, die Folter in Lagern würden verleugnet. »Wenn sie sich als Anständige darstellen: Machen wir dann etwa einen Aufstand der Unanständigen?« fragte Ndindah.
[Tag des Erinnerns in Sachsen-Anhalt. »Es gibt diese Bewegung«. Sachsen-Anhalt: Antifaschisten erinnern an Alberto Adriano und weitere Opfer rechter Gewalt. Kritik an bürgerlicher »Show des Antirassismus«] Von Susan Bonath, Dessau, Junge Welt vom 13. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 10:30, 13. Jun. 2020 (CEST)
Das Bündnis »Dessau nazifrei« hatte ein großes Transparent mit den Namen von mehr als 180 Opfern rechter Gewalt alleine zwischen 1990 und 2011 in Deutschland aufgespannt. Ein Bündnissprecher erinnerte sich an die Zeit, als Adriano ermordet wurde: »Es gab damals fast niemanden – keine Polizei, keine Stadtverwaltung, keine Gewerkschaft –, der mit Antifaschisten was zu tun haben wollte, der auf unserer Seite stand.« Die vom Staat betriebene Politik gegen Migranten, Geflüchtete und Unterprivilegierte sei »ein Katalysator für Rassismus und Sozialdarwinismus und entspricht der kapitalistischen Verwertungslogik«. Doch er habe auch Hoffnung. Immer mehr junge Menschen würden die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Ausbeutung von Mensch und Umwelt, reflektieren. »Trotz allem: Es gibt diese Bewegung«, machte er Mut.
[Tag des Erinnerns in Sachsen-Anhalt. »Es gibt diese Bewegung«. Sachsen-Anhalt: Antifaschisten erinnern an Alberto Adriano und weitere Opfer rechter Gewalt. Kritik an bürgerlicher »Show des Antirassismus«] Von Susan Bonath, Dessau, Junge Welt vom 13. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 10:34, 13. Jun. 2020 (CEST)
Beispiel Polizeiaufgabengesetz: Das Polizeiaufgabengesetz in Bayern, das unter Eingeweihten als »härtestes Polizeigesetz seit 1945« gilt, ging am 15. Mai 2018 an den Start. Anderthalb Jahre später ließ sich feststellen, dass unter denjenigen, die nun wochen- und monatelang ohne Anklage und häufig ohne anwaltlichen Beistand inhaftiert wurden, fast ausschließlich Ausländer befinden. »Seit der Änderung des Gesetzes gilt: Um eine Person einzusperren, genügen bereits geringfügige Verstöße gegen die Rechtsordnung. Das sind beispielsweise Trunksucht verbunden mit Aggressivität und Zechbetrügereien.« »Dass von dem Präventivgewahrsam vor allem Ausländer:innen betroffen sind, ist jedoch keine Überraschung. Zwar ist die Formulierung offen gehalten, doch viele der weiteren neu eingeführten Regelungen im Polizeigesetz richten sich ganz explizit gegen Personen ohne europäischen Pass, etwa die Durchsuchung von Wohnheimen.« Das Polizeiaufgabengesetzt ermöglicht es Polizisten, Menschen wegen Nichtigkeiten wie »Zechbetrügereien« ohne Anwalt und Anklage unbegrenzt hinter Gitter zu stecken. Das Polizeiaufgabengesetz richtet sich ganz explizit besonders gegen Ausländer. Was soll das anderes sein als struktureller Rassismus?
Kommentare. Rassismus in der Polizei. Es hat sich was geändert - aber nicht zum Besseren. DER FEIND STEHT RECHTS: Der Rassismus bei der Polizei äußert sich vielfältig - und nicht erst seit gestern. Von Stephan Anpalagan. Neues Deutschland vom 17.Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 11:25, 18. Jun. 2020 (CEST)
Kann man es Duktus der Straße nennen? Oder die Sprache jener, die sich eigentlich nicht selbst zur Sprache bringen (dürfen)? Eine gewachsene Ausdrucksweise, die in sich Rassismus- und Ausschlusserfahrungen mittransportiert, um sich gleichzeitig in einem gegenseitigen Verstehen und Verständlichmachenkönnen zu solidarisieren? Diese neue deutsche Enzyklopädie ist vor allem: eine Verweigerung. Die »Encyclopaedia Almanica« verweigert sich in »Sprache, Rechtschreibung und Stil der gängigen Art des Verständlichmachens«, sie verweigert es auch, »sich dem deutschtümelnden Diskurs um Migration, Rassismus, Sexismus und Kapitalismus anzupassen«. Das »neue deutsche« vor Enzyklopädie steht hier für die Selbstverständlichkeit, Deutschland als eine Einwanderungsgesellschaft anzuerkennen. Lexika und Nachschlagewerke bieten Orientierung und bilden die Welt zwischen zwei Buchdeckeln ab. Oder etwa nicht? Wie viel Macht haben eigentlich diese Kategorisierungen der Wirklichkeit in Sprache? Jede Menge. Denn was aufgenommen wird in die Enzyklopädie, was darin stehen bleibt, wer daran arbeitet und wer kategorisch ausgeschlossen und somit unsichtbar bleibt, ist stets von Machstrukturen bestimmt. Nicht nur im Brockhaus, auch in der digitalen Variante, zum Beispiel bei der Freien Enzyklopädie Wikipedia, zeigt sich, dass Frauen, nichtbinäre oder Transpersonen und von Rassismus und Antisemitismus Betroffene und ihre Errungenschaften weniger Erwähnung finden als die ihrer normativen Mitbürger*innen. Lexika bilden nicht ab, sie schaffen einen voreingenommenen Ausschnitt der Wirklichkeit, den sie als allgemeingültig, seriös und immerwährend inszenieren. Genau deshalb ist dieses Genre in der Literatur auch schon öfter persifliert worden, sei es von Gustave Flaubert in seinem »Wörterbuch der Gemeinplätze« oder in »Des Teufels Wörterbuch« von Ambrose Bierce. Denn wenn jemand meint, alles besser zu wissen, bleibt er nicht lange vom Spott verschont. Vor allem nicht in Zeiten des Internets. Es gibt natürlich auch emanzipatorische Nachschlagewerke, online wie offline, etliche Wikis zu Genderthemen beispielsweise, das Glossar der Neuen deutschen Medienmacher*innen oder das Lexikon »(K)Erben des Kolonialismus. Wie Rassismus aus Wörtern spricht«. Sie versuchen einerseits eben die bisweilen beengte Wahrnehmung der Welt durch Kategorisierung und Katalogisierung zu reflektieren und andererseits durch neue Interpretationen dem Blick auf die Wirklichkeit einen zusätzlichen Spin zu geben. So auch die »Encyclopaedia Almanica« - eine »emanzipatorische Schrift mit Stimmen, die sonst nirgendwo gehört werden«. Stimmen, die zwar im Kurznachrichtendienst Twitter gelesen werden können, dort aber in regelmäßigen Abständen gelöscht oder blockiert werden, vor allem seitdem dank des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) rechte Trollbanden kritische Meinungen mundtot machen - und damit das genaue Gegenteil dessen bewirken, was dieses Gesetz eigentlich intendierte. Denn das NetzDG trifft auch Marginalisierte. Eigentlich für das Vorgehen gegen Volksverhetzung und Hasskommentare im Internet verabschiedet, nutzen es rechte Trollnetzwerke, um progressive Accounts stummzuschalten: Nutzer*innenkonten und und deren Inhalte werden gehäuft von so vielen anderen Accounts bei Twitter als vermeintlich rechtswidrig gemeldet, bis sie gesperrt werden. So wie das der Journalistin Nhi Le, als sie in einem Tweet darauf aufmerksam machte, dass es im Zuge der Gesundheitskrise um Covid-19 vermehrt zu rassistischen Vorfällen kam, vor allem gegen asiatisch gelesene Menschen. Durch dieses Stummschalten sind bereits »wichtige Inhalte im Kampf gegen Rassismus und Sexismus und für ein besseres Leben verloren gegangen«, schreibt Herausgeberin Amina Aziz im Vorwort. Indem die digitalen (Selbst)Gespräche analog in der Enzyklopädie archiviert werden, stellt Aziz sicher, dass sie lesbar bleiben, obwohl sie im Netz verschwinden - und macht sie so auch einer breiteren Öffentlichkeit jenseits sozialer Medien zugänglich. Textfragmente der Journalist*innen Ayesha Khan, Bahar Sheikh und Hengameh Yaghoobifarah finden sich darin, aber auch unter Pseudonym verfasste Forderungen, Gedanken und Erlebnisse von Bloggerinnen und Aktivistinnen wie Ferraeterin, Zugezugenovic oder Hrmpfm. Sie bevorzugen Anonymität - auch im Print. Die gedruckte Wiedergabe von Online-Diskussionen wirkt zwar erst befremdlich: so ganz aus dem Kontext gerissen und losgelöst von den Debatten und gesellschaftlichen Umständen, während derer sie entstanden sind. Gleichzeitig aber übt dieses Lexikon damit auch Kritik an gesellschaftlichen und politischen Diskussionen, die jene ausschließen, die keinen Hochschulabschluss haben, die nicht aus einer Familie kommen, in der Verwandte Doktortitel tragen oder deren Muttersprache nicht (nur) Deutsch ist. Es ist eine Kritik an Alman-Verhältnissen. Wer oder was sind die Almans? Das sind weiße Deutsche mit Migrationsdefizit, die denken, vorgeben zu können, was eine »deutsche Leitkultur« sei, die sich herausnehmen, einzuordnen, wer dazugehört und wer exotisch bleibt - und die entscheiden, wer Innenminister wird und wer in einer Polizeizelle stirbt. Am 29. November 2016 schreibt Hrmpfm: »Es kommt nicht von ungefähr, dass BpoC Angst haben. Je gesellschaftsfähiger Rassismus wird, desto weniger Hemmungen haben Menschen. Je weniger Hemmungen sie haben, desto wahrscheinlicher werden körperliche Angriffe. … Nicht etwa, weil ich empfindlich wär, sondern weil ich Erfahrungen gemacht habe & die Geschichte mir zeigt, dass ich Angst haben sollte.« Im Gegensatz zu standardisierten Lexika gibt es hier Zeitangaben: Wann wurde der Tweet gesetzt? Was geschah in diesen Wochen? Die Enzyklopädie ist damit nicht nur Archiv, sondern Chronik der Verhältnisse. Eingebettet in die Geschehnisse entspinnt sich ein gesamtgesellschaftliches Gespräch. »Das größte Problem ist dass Almans denken Nazis wären eine isolierte mystische Sekte mit der sie nix zu tun haben dabei sind das alles deren Bekannte, Freund*innen, Kolleg*innen, Familie«, schreibt Zugezugenovic am 7. Mai 2018. Yaghoobifarah führt dies weiter aus: »Von ›davon haben wir nix gewusst‹ und ›mein nazi-opa definiert mich nicht‹ will ich nix mehr hören. deutschland ist ein kollektives täter_innenland, dessen kontinuität mord ist. diese kontinuität wird nicht mal eben unterbrochen. Da müsst ihr schon in aktion treten« (11.07.2018). 11. Juli 2018, da verkündete der Senat das Urteil im NSU-Prozess. Die Akten werden für mehr als ein Jahrhundert weggesperrt. »deutschland riskiert lieber noch mehr morde an migrantisierten für die nächsten 120 jahre als seinen ruf, als ob es da noch was zu retten gäbe. keinschlussstrich« - so Yaghoobifarahs Einschätzung des Urteils. Wenige Monate später wird ein rechtes Netzwerk innerhalb der Bundeswehr enttarnt. Kurz darauf verübt ein rechter Terrorist einen Anschlag auf eine Synagoge und tötet zwei Menschen in Halle. Vier Monate später werden zehn Menschen in Hanau ermordet. Twitter wäre aber nicht Twitter ohne die Shitpostings, Memes und billigen Witze. Auch das neue deutsche Lexikon ist mehrdimensional: Ja, es geht darin um rassistische Übergriffe, aber auch um Freundschaften, um Depressionen sowie um feministisches Empowerment; philosophische Tiefgänge treffen darin auf Wortfrotzelei: »Wie unbeschwert sich Almans freuen wenn Kinder ins Polizeiauto vom Karussell steigen«, beobachtet Ferraeterin beispielsweise. Das Internet kann manchmal auch zu einem Ort der Verbundenheit werden, um gemeinsam diskriminierende Erfahrungen zu verarbeiten, sich zu vernetzen und zu solidarisieren. Durch die jüngsten Ereignisse in der Debatte um Polizeigewalt, in der Journalist*innen mit juristischen Konsequenzen bedroht werden, hat sich noch einmal stärker gezeigt, wie wertvoll diese Enzyklopädie ist. Hoffen wir, dass Ferraeterin mit ihrem Verdacht nicht recht behalten wird: »Was Almanlinke sagen: Nazis klatschen Was Almanlinke tun würden: Nazis klatschen mit denen sie nicht verwandt oder befreundet sind Was Almanlinke tun: nichts«. Amina Aziz (Hg.): Encyclopaedia Almanica. Edition Assemblage, 96 S., br., 9,80 €.
A wie Alman. Die »Encyclopaedia Almanica« ist ein Archiv, das ständig bedroht wird. Von Samuela Nickel. ND vom 17. September 2020.
--Methodios (Diskussion) 22:59, 17. Sep. 2020 (CEST)
Berlin. Nach der Aufdeckung rechtsextremistischer Chatgruppen bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen hat der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thüringens Ressortchef Georg Maier (SPD), eine Studie zu Rassismus in der Polizei in den SPD-regierten Ländern in Aussicht gestellt. »Es ist unerträglich, dass solche Netzwerke existieren«, sagte Maier dem »RedaktionsNetzwerk Deutschland«: »Wir müssen jetzt kompromisslos und konsequent dagegen vorgehen.« Dazu gehöre, alle strafrechtlichen und disziplinarischen Möglichkeiten auszuschöpfen, so der Sozialdemokrat. »Es darf nicht der Hauch eines Zweifels daran bestehen, dass sich Polizistinnen und Polizisten auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen«, fügte er hinzu. Die SPD-Innenminister seien sich einig, dass sie eine Studie zum Vorwurf des Rassismus in der Polizei durchführen wollen - und das notfalls auch allein. »Die schiere Zahl von Einzelfällen wird langsam mal zu viel«, sagte Maier. Im Sommer hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) angesichts der von den USA ausgehenden Black-Lives-Matter-Bewegung eine Studie zu Fremdenfeindlichkeit bei der deutschen Polizei abgelehnt. Auch seine Ressortkollegen aus der Union in den Bundesländern weisen Forderungen nach einer Rassismus-Studie überwiegend zurück. Der »Süddeutschen Zeitung« (Freitag) sagte Seehofer: »Dieser Vorgang bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen tut weh.« Er sei aber überzeugt, dass die überwältigende Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten in Deutschland »zweifelsfrei zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung« stehen. epd/nd
SPD-Bundesländer halten an Studie zu Rassismus in der Polizei fest. Thüringens Innenminister Maier: »Es ist unerträglich, dass solche Netzwerke existieren« ND vom 18. September 2020.
Deutscher Rassismus: Kleinmachen, kleinreden, kleinkriegen ...
BearbeitenZwanzig Minuten dauerte es laut H. dann, bis die Polizei schließlich vor Ort war. Doch statt die Anzeige aufzunehmen, wegen der sie diese eigentlich gerufen hatte, hätten auch die Beamten sie beleidigt: «Der Polizist sagte, es ist alles meine Schuld», erklärt H. Es sei das erste gewesen, was er zu ihr sagte, berichtet die junge Frau. «Wie kann es sein, dass diejenige, die die Anzeige machen will, von der Polizei runtergemacht und am Ende der weißen Person geglaubt wird, gegen die die Anzeige aufgegeben werden sollte?», fragt H. H.s «Glück im Unglück» könnte es gewesen sein, dass der Berliner Politiker Hakan Tas (Linke) «zufällig auf dem Weg zu einem Termin auf den rassistischen Vorfall aufmerksam wurde», wie er dem «nd» erzählt. «Ich habe mich vor der Tür mit der jungen Frau unterhalten, um herauszufinden, was passiert ist», erklärt Tas. Etwa dreißig bis vierzig umstehende Personen hätten ihm die Geschehnisse bestätigt, so der Linken-Politiker. Auch mit der Polizei habe er das Gespräch gesucht, sagt Tas. «Die hat aber nur blockiert und auf die laufenden Ermittlungen hingewiesen.» Er habe die Umstehenden daraufhin dazu aufgefordert, Telefonnummern mit der jungen Frau auszutauschen, um als Zeugen aussagen zu können. «Das Wichtigste ist, dass wir Opfer bei solchen rassistischen Vorfällen nicht alleine lassen, sondern lautstark unterstützen», meint Tas. Vermutlich war es genau Tas' Aufmerksamkeit und der Druck der umstehenden Menschen, die die Polizisten dazu brachten, am Ende doch noch eine Anzeige aufzunehmen.
--Methodios (Diskussion) 20:00, 11. Jun. 2020 (CEST)
Die Proteste gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt haben auch die BRD erreicht. Um was geht es bei der Kampagne »Death in Custody – Aufklärung von Tod in Gewahrsam jetzt«? Die Kampagne wurde anlässlich des »Black Lives Matter«-Monats im Juni 2019 ins Leben gerufen, um der schwarzen Menschen und People of Color zu gedenken, die in »Gewahrsam« von Behörden ums Leben kamen. Wir wollen verhindern, dass dies weiterhin passiert. Ein wichtiges Anliegen dabei ist die bundesweite Vernetzung von Betroffenengruppen und solidarischen Initiativen.
Tod in Gewahrsam: »Opfer werden als gefährlich dargestellt«. Institutioneller Rassismus: Schwarze Menschen sind auch in der BRD von polizeilichem Handeln bedroht. Ein Gespräch mit Céline Barry. Interview: Henning von Stoltzenberg Junge Welt vom 13. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 08:57, 13. Jun. 2020 (CEST)
Nach der Ermordung von George Floyd in Minneapolis haben Sie die bisherigen Rechercheergebnisse zu Todesfällen in Gewahrsamssituationen hierzulande seit 1990 veröffentlicht. Zeigt sich dabei ein Muster von institutionellem Rassismus? Zunächst handelt es sich dabei um vorläufige Ergebnisse. Es ist davon auszugehen, dass es viele Fälle gibt, die in unserer Chronik noch nicht enthalten sind. Das liegt daran, dass die Datenlage insgesamt sehr schlecht ist. Durch die Recherche soll auch gezeigt werden, dass es hier einen blinden Fleck gibt, der es den Behörden einfach macht, Probleme mit Rassismus zu vertuschen. Trotzdem gehen wir davon aus, dass schwarze Menschen und People of Color ein besonders hohes Risiko haben, in staatlicher »Obhut« ums Leben zu kommen. Zum Beispiel sind sie häufiger von Polizeimaßnahmen betroffen, Stichwort »Racial Profiling«. Solche rassistischen Kontrollen führen oft dazu, dass Menschen willkürlich mit zur Polizeiwache genommen werden, die sie schlimmstenfalls nicht mehr lebend verlassen. Ein weiteres Argument lautet, dass manche Haftformen nur Menschen ohne deutschen Pass betreffen. So gibt es in unserer Chronik sehr viele Todesfälle in Abschiebehaft. Und in drei Fällen wurden Menschen während einer Abschiebung getötet.
Tod in Gewahrsam: »Opfer werden als gefährlich dargestellt«. Institutioneller Rassismus: Schwarze Menschen sind auch in der BRD von polizeilichem Handeln bedroht. Ein Gespräch mit Céline Barry. Interview: Henning von Stoltzenberg Junge Welt vom 13. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 10:03, 13. Jun. 2020 (CEST)
Ihre Kampagne hat bislang 159 Todesfälle recherchiert.
Das Spektrum ist recht breit. Besonders wichtig sind zwei große Blöcke. Zum einen Tod durch Polizeischüsse beziehungsweise physische Gewaltanwendung der Beamten wie das Zu-Tode-Prügeln, Ersticken oder die Brechmittelfolter. Diese Fälle machen etwa ein Drittel aus. Im Zusammenhang mit den Niedergeschossenen fällt auf, dass die Opfer im nachhinein in der Regel als gefährlich dargestellt werden, um die Gewaltanwendung gegen sie zu rechtfertigen. Der andere wichtige Block sind Todesfälle in Haft beziehungsweise in Abschiebehaft. Das macht etwa die Hälfte der Fälle aus. Bei einem Großteil davon wird als Todesursache Suizid angegeben. Wir gehen aber davon aus, dass es in einer Institution wie dem Knast, die das ganze Leben bestimmt, keine Entscheidung zum »Freitod« geben kann. Die Haftumstände sorgen dafür, dass den Gefangenen systematisch der Lebenswille genommen wird. Deswegen nehmen wir diese Fälle mit auf. Ein weiterer Grund ist, dass man den Angaben der Behörden nicht trauen kann. Auch bei Oury Jalloh wurde von offizieller Seite immer behauptet, dass er sich selbst angezündet habe. Mittlerweile wissen wir aber durch hartnäckige Recherchearbeit, dass er von Polizisten ermordet und verbrannt wurde.
Tod in Gewahrsam: »Opfer werden als gefährlich dargestellt«. Institutioneller Rassismus: Schwarze Menschen sind auch in der BRD von polizeilichem Handeln bedroht. Ein Gespräch mit Céline Barry. Interview: Henning von Stoltzenberg Junge Welt vom 13. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 10:06, 13. Jun. 2020 (CEST)
In wie vielen Fällen wurde strafrechtlich gegen Beamte vorgegangen? Das haben wir noch nicht systematisch ausgewertet. Generell können wir aber sagen, dass es äußerst selten ist, dass überhaupt gegen Verantwortliche Anklage erhoben wird. Verurteilungen sind noch viel seltener und fallen zudem in der Regel mild aus. Was verlangen Sie angesichts der Rechercheergebnisse und der laufenden öffentlichen Diskussion? Von Staat und Justiz fordern wir Aufklärung, Rechenschaft und die Etablierung von effektiven Schutzmechanismen, um Tod in Gewahrsam zu verhindern. Wir wollen eine Stärkung der Rechte der Betroffenen und wirksame Konsequenzen gegen Rassismus auf allen gesellschaftlichen Ebenen erreichen. Besonders wichtig ist uns die Solidarität mit allen Betroffenen rassistischer Gewalt und deren Angehörigen. Mit der Täter-Opfer-Umkehr muss endlich Schluss sein.
Tod in Gewahrsam: »Opfer werden als gefährlich dargestellt«. Institutioneller Rassismus: Schwarze Menschen sind auch in der BRD von polizeilichem Handeln bedroht. Ein Gespräch mit Céline Barry. Interview: Henning von Stoltzenberg Junge Welt vom 13. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 10:08, 13. Jun. 2020 (CEST)
- Ein Notfallarzt berichtet davon, wie er immer häufiger Opfer von Polizeigewalt versorgen muss. - Journalist*innen erzählen, wie sie gezielt und brutal von der Dokumentation polizeilicher Gewalt zurückgedrängt werden. - Opfer der meisten Übergriffe sind Ausländer. Ein Schwarzer wird von Polizisten als »Negersau« bezeichnet, er solle Deutschland verlassen. Ein anderer Schwarzer wird von zwei Polizisten verprügelt, weil er eine Mütze trug auf der »Gebt Nazis keine Chance« stand. Die Konsequenzen für die Polizeibeamten: jahrelang keine. Bis die Skandale derart überhand nehmen, dass ein ganzer Einsatzzug entlassen wird. Bezeichnend: Während ein Zivilgericht Polizeibeamte verurteilt und dem Opfer der Polizeigewalt Recht zuspricht, stellt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen im selben Fall ein.
Kommentare. Rassismus in der Polizei. Es hat sich was geändert - aber nicht zum Besseren. DER FEIND STEHT RECHTS: Der Rassismus bei der Polizei äußert sich vielfältig - und nicht erst seit gestern. Von Stephan Anpalagan. Neues Deutschland vom 17.Juni 2020
Deutscher Rassismus: Oury Jalloh
Bearbeitenvgl. Oury Jalloh
--Methodios (Diskussion) 19:52, 8. Jun. 2020 (CEST)
Die Recherchen führen in eine Gemengelage, wie es sie zum Zeitpunkt der Tat nicht nur in Sachsen-Anhalt gab: Brutale Polizeitraditionen aus Vopo Zeiten gepaart mit offenem Alltagsrassismus und gewaltbereitem Rechtsradikalismus – verharmlost von Spitzen der Verwaltung und Politik. Manches davon wurde inzwischen zu einem bundesweiten Problem.
Oury Jalloh und die Toten des Polizeireviers Dessau. Von Margot Overath WDR 5, Sonntag, 17. Mai bis 14. Juni 2020, 08.04 – 08.35 Uhr, Wiederholungen 22.30 – 23.00 Uhr
--Methodios (Diskussion) 21:59, 8. Jun. 2020 (CEST)
Unter der Oberfläche brodelt zuweilen ein Sumpf. In Sachsen-Anhalt gehört dazu der »Oury-Jalloh-Komplex«. Alle Indizien sprechen dafür, dass Polizeibeamte den 36jährigen Geflüchteten aus Sierra Leone im Dessauer Revier im Januar 2005 schwer misshandelt und anschließend verbrannt haben. In den Jahren zuvor starben im selben Revier Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtemann, ebenfalls 36jährig, mutmaßlich durch Beihilfe von Beamten. Verschweigen, verschleppen, vertuschen lautet seither die Devise. Auch Oberstaatsanwältin Heike Geyer hielt den Deckel fest geschlossen. Obwohl Gutachter einen Selbstmord längst ausgeschlossen hatten, stellte sie die Ermittlungen im Fall Oury Jalloh vor drei Jahren im Hauruckverfahren ein. Ihre Rechnung ist wohl aufgegangen: Sie soll einem Onlinebericht der Mitteldeutschen Zeitung (MZ) vom 10. Juni zufolge demnächst zur neuen Generalstaatsanwältin von Sachsen-Anhalt ernannt werden.
Justizkarriere in Sachsen-Anhalt. Sumpf brodelt weiter. Ministerpräsident Sachsen-Anhalts will neue Generalstaatsanwältin ernennen. Kandidatin spielt zweifelhafte Rolle im Fall Oury Jalloh Von Susan Bonath. Junge Welt vom 16. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 08:59, 16. Jun. 2020 (CEST)
Demnach hat Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) die derzeitige Leitende Oberstaatsanwältin in Halle für den Posten vorgeschlagen. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) habe bereits zugestimmt. Gegenüber der MZ begründete Haseloff, es sei »an der Zeit, dass die Justiz ein ostdeutsches Profil bekommt«. Geyer stammt aus Sachsen-Anhalt, ihre beiden Vorgänger kamen aus dem Westen. Nun würden die Mitbewerber informiert, dass der Posten vergeben sei, berichtete die Zeitung.
Justizkarriere in Sachsen-Anhalt. Sumpf brodelt weiter. Ministerpräsident Sachsen-Anhalts will neue Generalstaatsanwältin ernennen. Kandidatin spielt zweifelhafte Rolle im Fall Oury Jalloh Von Susan Bonath. Junge Welt vom 16. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 09:03, 16. Jun. 2020 (CEST)
Die Landtagsfraktion von Die Linke hatte Keding 2017 politische Einflussnahme auf die Ermittlungen im Fall Jalloh vorgeworfen. Die Vermutung liegt nahe: Mehr als zehn Jahre lang hatte die Staatsanwaltschaft Dessau unter dem damaligen Oberstaatsanwalt Folker Bittmann zunächst ins Leere geforscht. Es verschwanden zahlreiche Beweise, wie Polizeijournale, Aufnahmen vom Tatort, ein Fahrtenbuch, Dienstpläne, Matratzenkaufbelege und eine Handfessel. In einem von der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh veranlassten Gutachten widerlegte der Brandexperte Maksim Smirnou 2013 die Selbstmordthese. Bittmann geriet unter Druck, zog selbst Brandgutachter, Mediziner und Chemiker hinzu. Deren Ergebnis: Das Opfer kann sich aufgrund rechtsmedizinischer Befunde nicht selbst angezündet haben. Außerdem sei das Ausmaß des Feuers in der Zelle nicht ohne Brandbeschleuniger erklärbar.
Justizkarriere in Sachsen-Anhalt. Sumpf brodelt weiter. Ministerpräsident Sachsen-Anhalts will neue Generalstaatsanwältin ernennen. Kandidatin spielt zweifelhafte Rolle im Fall Oury Jalloh Von Susan Bonath. Junge Welt vom 16. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 09:04, 16. Jun. 2020 (CEST)
Daraufhin revidierte Bittmann seine Ansicht. Sich auf die Gutachter berufend, formulierte er Anfang 2017 einen Mordverdacht gegen mehrere Polizeibeamte. Er wollte den Generalbundesanwalt einschalten. Der lehnte die Übernahme des Verfahrens ab. Die Konsequenz: Sachsen-Anhalts Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad entzog Bittmann den Fall, übertrug ihn an die Staatsanwaltschaft Halle. Dort lag nur zweieinhalb Monate später die Einstellungsverfügung vor. Gegenteilige Beweise ignorierend, hieß es darin, man könne nach wie vor nicht sicher ausschließen, dass Jalloh das Feuer selbst gelegt habe. Etwa zur selben Zeit, im August 2017, wurde Geyer zur Behördenleiterin der Staatsanwaltschaft Halle befördert.
Justizkarriere in Sachsen-Anhalt. Sumpf brodelt weiter. Ministerpräsident Sachsen-Anhalts will neue Generalstaatsanwältin ernennen. Kandidatin spielt zweifelhafte Rolle im Fall Oury Jalloh Von Susan Bonath. Junge Welt vom 16. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 09:12, 16. Jun. 2020 (CEST)
Keding bestritt wenig später in einer öffentlichen Sondersitzung des Rechtsausschusses im Magdeburger Landtag, das Verfahren beeinflusst zu haben. Auch Geyer und Konrad wiesen jede Kritik zurück. Es seien keine weiteren Ergebnisse zu erwarten, da schon alle involvierten Polizisten mehrfach befragt worden seien, erklärten sie. Die Beschwerde der Hinterbliebenen gegen die Einstellung bügelte Konrad ein Jahr später ab, das Oberlandesgericht Naumburg wies den Antrag auf Klageerzwingung Ende 2019 zurück. Nun hat das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, ob der Fall wieder aufgerollt werden muss.
Justizkarriere in Sachsen-Anhalt. Sumpf brodelt weiter. Ministerpräsident Sachsen-Anhalts will neue Generalstaatsanwältin ernennen. Kandidatin spielt zweifelhafte Rolle im Fall Oury Jalloh Von Susan Bonath. Junge Welt vom 16. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 09:15, 16. Jun. 2020 (CEST)
Von junge Welt zur kritischen Personalie Geyer befragt, äußerten sich die Staatskanzlei und das Justizministerium am Montag bis Redaktionsschluss nicht. Klaus Tewes, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, erklärte auf jW-Anfrage: Der vakante Chefposten in seinem Haus sei ausgeschrieben worden. Wer ihn bekommt, habe Ministerpräsident Haseloff zu entscheiden. Den MZ-Bericht habe Tewes zwar zur Kenntnis genommen. »Über den Kreis der Bewerberinnen habe ich aber keine Informationen«, beteuerte er. Mit Geyer dürfte die Landesregierung zumindest sicher gehen: Der Sumpf wird nicht trockengelegt.
Justizkarriere in Sachsen-Anhalt. Sumpf brodelt weiter. Ministerpräsident Sachsen-Anhalts will neue Generalstaatsanwältin ernennen. Kandidatin spielt zweifelhafte Rolle im Fall Oury Jalloh Von Susan Bonath. Junge Welt vom 16. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 09:17, 16. Jun. 2020 (CEST)
Haben Dessauer Polizisten drei Menschen aus niederen Beweggründen getötet? Hat ein ganzer juristischer und politischer Apparat daran mitgewirkt, dies über Jahre zu vertuschen? Die Akten zu den ungeklärten Todesfällen von Oury Jalloh, Mario Bichtemann und Hans-Jürgen Rose, die jW vorliegen, sind eine Aneinanderreihung von Skandalen – von Beweismittelvernichtung über Falschaussagen bis hin zu abstrusen Erfindungen möglicher Abläufe –, die einfache behördliche Versäumnisse ausschließen und genau genannten Verdacht nahelegen. Doch auch die beiden juristischen Sonderberater des Landtags von Sachsen-Anhalt, Manfred Nötzel und Jerzy Montag, wollten nicht ans Eingemachte gehen. Die widerlegte Selbstverbrennungsthese im Fall Jalloh bezeichnen sie in ihrem vergangene Woche vorgestellten Bericht als »im Sinne einer objektiven Wahrheit richtig«. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie die Akten in diesen acht Monaten überhaupt gelesen haben«, kommentierte die Rechtsanwältin der Familie Jalloh, Gabriele Heinecke, das Berichtsergebnis im Gespräch mit jW. Zu den verschwundenen Beweismitteln führen die Juristen zwar aus, dass es »Versäumnisse« bei der Sicherung gegeben habe. Sie stellen richtigerweise fest, dass der Hausmeister des Reviers »auf Anweisung von oben« ausgerechnet die Fessel vernichtete, mit der Jallohs rechte Hand angekettet war; das Opfer soll aber mit ihr das Feuer gelegt haben. Sie nennen das verspätet aufgetauchte Feuerzeug, die verschwundenen Fahrtenbücher, Polizeijournale und Videoaufnahmen vom Tatort. Aber alle Ungereimtheiten, so konstatieren sie, ließen »unter Berücksichtigung des sonstigen Beweisergebnisses nicht den Schluss zu, dass sie bewusst erfolgt sind, um eine vorsätzliche Tat insbesondere eines Polizeibeamten im Zusammenhang mit der Brandlegung in der Zelle zu vertuschen«. Sie begründen ihre Einschätzung unter anderem damit, dass mehrere Staatsanwaltschaften bis auf Bundesebene Strafanzeigen gegen involvierte Beamte nicht gefolgt waren. Schließlich habe das Oberlandesgericht (OLG) Sachsen-Anhalt auch einen Klageerzwingungsantrag der Hinterbliebenen Jallohs abgewiesen. Im Anschluss loben die Berater die »verfassungsrechtlich verbürgte Gewaltenteilung zwischen der Legislative, der Exekutive und der Judikative«. Die verfassungsrechtlich geschützte Unabhängigkeit der Gerichte verbiete es dem Landtag von Sachsen-Anhalt im übrigen, so Nötzel und Montag, die Urteile der Landgerichte Dessau und Magdeburg sowie des Bundesgerichtshofs und des OLG inhaltlich zu bewerten. An anderer Stelle führen sie aus, dass rechtskräftig ermittelte »Tatsachen« auch von ihnen nicht in Frage gestellt werden dürften. Dies decke der an sie ergangene Auftrag nicht. Ferner führen die Berater aus, Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) habe den Landtag im Jahr 2017 nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Halle mehrfach falsch informiert. Ähnlich hätten Sachsen-Anhalts Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad und Halles Oberstaatsanwältin Heike Geyer gehandelt. Zudem habe der damalige Justizstaatssekretär Hubert Böning (CDU) Geyer im Juni 2017 um ein Gespräch »zur weiteren strategischen Ausrichtung der Ermittlungen« ersucht. Das war, kurz nachdem Konrad die Ermittlungen aus Dessau abgezogen und nach Halle übertragen hatte. Zuvor hatte Dessaus Chefermittler Folker Bittmann einen Mordverdacht erhoben und den Generalbundesanwalt in Karlsruhe vergeblich ersucht, selbst zu ermitteln. Geyer habe Böning geantwortet, ein solches Gespräch sei im Juli sinnvoll. Kurz darauf, am 30. August, fertigte Staatsanwalt Hendrik Weber in Halle den Einstellungsbeschluss. Zwischendurch war Geyer, die heute als Konrads Nachfolgerin gehandelt wird, zur Behördenleiterin in Halle befördert worden. Geyer und Konrad selbst verweigerten dazu mit Rückendeckung des Justizministeriums jegliche Gespräche mit den Sonderberatern. Böning erklärte den beiden laut Bericht, sich an nichts erinnern zu können. Dies sei zumindest ein Hinweis auf den Versuch einer politischen Einflussnahme, konstatierten Nötzel und Montag. Einen direkten Beweis gebe es aber nicht. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh kritisierte den Bericht der beiden scharf. Der Auftrag der Landesregierung an die Berater sei von vornherein darauf ausgelegt gewesen, an der jahrelang gepflegten, aber längst widerlegten Version vom Selbstmord Jallohs festzuhalten. Auch die beiden mutmaßlichen Tötungsverbrechen im Polizeirevier Dessau an Hans-Jürgen Rose und Mario Bichtemann, zu welchen den Beratern ebenfalls Akten vorlagen, haben letztere unter der Rubrik »Versäumnisse« abgefertigt. Mit erhobenem moralischen Zeigefinger kommentierten Nötzel und Montag auch rassistische Ausfälle innerhalb der Polizei gegenüber Oury Jalloh am Tattag und später während der Ermittlungen. Ein Polizeioberrat habe bei einer Besprechung einen Monat nach der Tat etwa geäußert: »Schwarze brennen eben mal länger.« Trotzdem, so die Initiative, hätten die Berater selbst rassistische Ressentiments bedient. So schreiben sie etwa gleich zu Beginn in ihrer Vorbemerkung, dass Jalloh »kein besonders gesetzestreuer Mensch« gewesen sei, »mehrfach gegen Strafgesetze verstoßen« habe, wegen dieser Drogendelikte »mehrfach im polizeilichen Gewahrsam« gesessen habe. Außerdem sei er »erheblich alkoholisiert« gewesen und habe über »keinen legalen Aufenthaltstitel« verfügt. Doch, so Nötzel und Montag, sei er ja Träger von Grundrechten gewesen, »die zu schützen die staatlichen Organe in Sachsen-Anhalt nicht vermochten«. Damit hätten die Juristen das Opfer und seine Angehörigen »wiederholt gedemütigt«, resümierte die Initiative. Dies diene offenbar dem Zweck, »die grausame Folter durch Polizeibeamte in rechtskonservativer Manier nachträglich zu legitimieren«.
OURY JALLOH. Wiederholt gedemütigt. Fall Oury Jalloh: Abschlussbericht der Sonderberater des Landtags Sachsen-Anhalt weiter in der Kritik. Von Susan Bonath. Junge Welt vom 4. September 2020.
--Methodios (Diskussion) 20:51, 3. Sep. 2020 (CEST)
Deutscher Rassismus: Mouctar Bah
BearbeitenBahs Hartnäckigkeit war vielen ein Dorn im Auge. Die NPD hetzte gegen ihn, Nachbarn seines Internet-Cafés klagten beim Ordnungsamt über „Zusammenrottungen von Schwarzafrikanern“ und den „Gestank von Negerpisse“. Eine antirassistische Initiative hatte den Laden einen „Ort, an dem sich afrikanische Menschen ein bisschen sicherer fühlen können als auf der Straße“ genannt. Das Ordnungsamt aber attestierte dem nicht vorbestraften Guineer „große charakterliche Mängel“ und entzog die Gewerbelizenz. Nun lebt er von Hartz IV, der Laden ist futsch. Das war eine Retourkutsche, ist Bah sicher, doch umso mehr Zeit bleibt nun für Politik. Es gibt neue Aufgaben: Viele Afrikaner seien in Asylbewerbeheimen rund um Dessau untergebracht, in Bernburg, Marke oder Möhlau. „Diese Heime sind schrecklich, verschimmelt, kaputt. Die Leute werden krank im Kopf, total deprimiert, wenn sie da leben müssen,“ berichtet Bah. Eine „Arbeitsgruppe“ baut er mit afrikanischen Aktivisten auf, „um zu gucken, was wir machen können.“
vgl. Carl-von-Ossietzky-Medaille
--Methodios (Diskussion) 19:57, 8. Jun. 2020 (CEST)
"In meinem Albtraum hätte ich mir nie vorgestellt, dass so etwas in Deutschland passieren könnte", sagt Bah Ende Oktober in einem Café am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg. ... "Ich hatte 100 Prozent Vertrauen in dieses System, diesen Rechtsstaat. Aber Deutschland ist genauso korrupt wie alle anderen Länder."
Bah fasste schnell Fuß, lebte erst in Berlin, zog dann nach Dessau. Er wollte sich selbständig machen und wusste, dass in Sachsen-Anhalt die Mieten günstiger sind. Sein Plan ging auf, er eröffnete ein Internetcafé, in dem er auch Waren aus Afrika verkaufte. Haargele, Süßkartoffeln oder Reis. Der Laden lief gut. Geflüchtete und Menschen, für die der Laden ein Stück Heimat bedeutete, kamen täglich zu ihm, um zu telefonieren, zu surfen, zu reden, sich auszutauschen. Bah sagt, er habe geholfen, wenn er konnte. Übersetzte Briefe vom Amt, vermittelte Kontakte, erklärte das Aufenthaltsrecht. Irgendwann stand auch Oury Jalloh vor ihm.
Beim Gespräch wirkt Bah müde, sein Haar wird langsam grau. Dass er sich seit Jahren für seinen Freund engagiert, hat ihn auch zur Zielscheibe für Anfeindungen gemacht. Bah erzählt: Polizisten durchsuchten seinen Laden nach Drogen, fanden nichts. Rechte drohten ihm, schmierten Hakenkreuze auf den Boden vor den Eingang seines Telecafés, verprügelten ihn. Das Ordnungsamt entzog ihm 2008 seine Gewerbelizenz.
"Ich wusste von Deutschland und seinem Problem mit Rassismus", sagt Bah. "Aber ich dachte, das wäre Vergangenheit." Dass er noch immer so tief in vielen Köpfen und offenbar auch in einigen Institutionen sitzt – er hätte es niemals für möglich gehalten.
Ob er nach Deutschland gekommen wäre, wenn er all das vorher gewusst hätte, frage ich ihn. Bah zieht den Kopf in einem kleinen Ruck zurück und antwortet schnell: "Um Gottes Willen, nein."
--Methodios (Diskussion) 20:22, 8. Jun. 2020 (CEST)
vgl.
--Methodios (Diskussion) 20:24, 8. Jun. 2020 (CEST)
Einst gehörte der Laden Mouctar Bah selbst, 2003 hat er ihn eröffnet. In sein Telecafé kamen vor allem Flüchtlinge, um die Familie in der Heimat anzurufen. Bah zeigt mit dem Finger auf die Kühltruhe und die Regale voller Saft und Bier. "Dort standen die Telefonkabinen. Die Computer gab es noch nicht, stattdessen ein kleines Büro." Hier beriet er seine Kunden auch in Asylfragen, übersetzte die Briefe der Ämter. Bah erledigte sogar Behördengänge. Sonntags kochte er für alle.
Besonders Mouctar Bah geriet immer wieder ins Visier der Behörden. Ende 2005 verlor er die Gewerbelizenz für sein Telecafé. Nachbarn hatten sich beim Ordnungsamt beschwert über die "Zusammenrottung von Schwarzafrikanern". Einige der Kunden würden mit Drogen handeln - Bah bestritt das schon damals nicht. Gleichzeitig, so erklärt er, habe er aber selbst mehrmals bei den Behörden auf das Problem aufmerksam gemacht. Hinzu kamen Anzeigen nach einer Auseinandersetzung mit einem rechtsextremen Nachbarn. Der hatte ihn nicht nur beschimpft, sondern auch geschlagen. Bah wehrte sich (Hier die genauen Zusammenhänge). Unter dem Vorwand einer Drogenrazzia stürmte die Polizei 2009 das Telecafé. Trotz Besitzerwechsel blieb es ein Treffpunkt, vor allem für die schwarze Community der Stadt. Alle Anwesenden, darunter auch Bah, mussten sich nackt ausziehen und auf den Boden legen. Der Polizeipräsident entschuldigte sich später für die Aktion. Es gibt eine lange Liste mit ähnlichen Vorfällen, nicht jeder lässt sich einzeln nachprüfen. Doch dass Mouctar Bah schikaniert und kriminalisiert wurde, davon ist nicht nur er selbst überzeugt, sondern auch Landtagsabgeordnete der Grünen und der Linken. Seit Oury Jallohs Tod ist das Leben von Mouctar Bah beeinträchtigt. Er hat seine Existenz verloren und beinahe auch die Liebe seiner Frau, die mit den fünf gemeinsamen Kindern in Berlin lebt.
Feuertod in Dessau. "Ich kann Oury Jalloh nicht loslassen" SZ vom 6. Januar 2018
--Methodios (Diskussion) 20:38, 8. Jun. 2020 (CEST)
Dannie Rubio Autor, T-Shirt: "Scheiße, Scheiße, Scheiße"
Nunja, was hat das heut noch fürnen Wert? Wie anders war das doch, als ich VoR VieRzig Jahren zu Heulnachten auf dem Anhalt-Bernburger Boulevard mit der flippigen Vera flanierte, 18 Jahre jung (ich war 21), sie ganz in gelb(em Ostfriesennerz - Jacke, Hose, Mütze, Handschuhe, Stiefel) als Konfrontation mit dieser bleiernen Zeit damals gedacht (die Mauer war noch zu). Und wie die dann ausgeflippt ist, immer wieder brüllte: "Alles große Scheiße" - und nach einer Weile nachlegte und immer wieder: "Alles ganz große Scheiße" etc. - Ich konnte sie erst nach den Feiertagen von den Vopos wieder loseisen, man hatte sie in eine Zelle im VPKA (Volkspolizeikreisamt) gesperrt, die sonst zur Ausnüchterung dient. Dort sind damals auch Leute umgekommen. Nach der Wende geht der Zirkus in Anhalt-Dessau sogar munter weiter - abgedeckt von der Landespolitik (wie früher auch). So ein Shirt - naja.
Deutscher Rassismus: Christy Schwundeck
BearbeitenIm Jobcenter Gallus an der Mainzer Landstraße erschießt eine Polizistin die Nigerianerin Christy Schwundeck. Die 40-Jährige hatte zuvor erfolglos von ihrem Sachbearbeiter zehn Euro gefordert, weil sie seit Tagen kein Bargeld mehr hatte. Als die Polizei eintrifft, verletzt Schwundeck einen Beamten mit einem Messer. Gegen die Schützin wird nie Anklage erhoben, die Staatsanwaltschaft hält ihre Schüsse für Notwehr. Bekannte Todesfälle FR, zuletzt aktualisiert am 2. Juni 2019
--Methodios (Diskussion) 15:49, 8. Jun. 2020 (CEST)
Im Münzenberg-Saal des nd-Gebäudes hängen zahlreiche Fotos. Sie zeigen die Gesichter von Christy Schwundeck, Ousyman Sey und Oury Jalloh. Darunter, die Daten ihres Todes. Es handelte sich um Menschen ohne deutschen Pass und ohne weiße Hautfarbe. Alle sind in den letzten Jahren durch Schüsse aus Polizeipistolen oder in Polizeigewahrsam umgekommen. ... Vertreter von Flüchtlingsorganisationen sahen den Tod von Jalloh als Beispiel für die Fortdauer kolonialistischer Gewalt und zogen Parallelen zu anderen Fällen. So erinnerte ein Aktivist aus Frankfurt am Main an den Tod der in Afrika geborenen Christy Schwundeck, die vor mehr als einem Jahr in einem Jobcenter von einer Polizistin erschossen wurde. Obwohl sie mehr als zwei Meter entfernt stand, wurde auf Notwehr erkannt. Anklage wurde nicht erhoben. Peter Nowak: Oury Jalloh: Rassismus mit Todesfolge (Schlagwort: Christy Schwundeck)
Oury Jalloh: Rassismus mit Todesfolge. Konferenz zum Feuertod des Asylbewerbers ND vom 30. Juli 2012
--Methodios (Diskussion) 15:58, 8. Jun. 2020 (CEST)
Am 19.Mai 2011 starb Christy Schwundeck, eine deutsche Staatsbürgerin nigerianischer Herkunft, an einer Schussverletzung in einen Jobcenter in Frankfurt/Main an einer Schussverletzung. Das tödliche Projektil kam aus der Waffe einer Polizistin. Schwundeck, die auf Hartz IV angewiesen war, hatte zuvor vergeblich einen kleinen finanziellen Vorschuss verlangt, weil sie mittellos und ihr Antrag noch nicht bearbeitet war. Nachdem der zuständige Fallmanager eine Barauszahlung verweigert hatte und darauf bestand, dass das Geld nur auf ein Konto überwiesen werden kann, protestierte Schwundeck heftig. Nachdem darauf die Polizei gerufen wurde, eskalierte die Situation weiter. Peter Nowak: Tod im Jobcenter bleibt ohne juristische Folgen (Schlagwort: Christy Schwundeck)
Tod im Jobcenter bleibt ohne juristische Folgen. Das Verfahren gegen eine Polizistin, die vor einem Jahr eine Hartz-IV-Empfängerin erschossen hat, wird eingestellt ND vom 22. Februar 2012
--Methodios (Diskussion) 16:03, 8. Jun. 2020 (CEST)
Initiative Christy Schwundeck
Bearbeitenhttp://initiative-christy-schwundeck.blogspot.com/p/startseite.html
http://initiative-christy-schwundeck.blogspot.com/p/unsere-unterstutzer.html
Dresdner Sozialwacht
DIE DRESDNER SOZIALWACHT STELLT SICH VOR - STEHT AUF UND KÄMPFT
http://www.youtube.com/watch?v=PNmCtgCF8WQ
--Methodios (Diskussion) 22:04, 8. Jun. 2020 (CEST)
Empört über die Einstellung des Verfahrens zeigte sich die „Initiative Christy Schwundeck“, in der sich Erwerbslosengruppen und Aktivisten aus antirassistischen Zusammenhängen zusammengeschlossen hatten. „Wir fordern nach wie vor, dass es zu einem Gerichtsverfahren kommt und unterstützen den Bruder von Christy Schwundeck bei weiteren rechtlichen Schritten“, erklärte ein Sprecher der Initiative gegenüber ND. Auch die Gewerkschaftliche Arbeitsloseninitiative Darmstadt (Galida) wehrt sich dagegen, dass der Tod im Frankfurter Jobcenter ohne juristische Folgen bleiben soll. „Unserer Überzeugung ist die Einstellung ein falscher und fataler Entschluss, der dem berechtigten und nötigen Interesse an einer restlosen und zweifelsfreien Aufklärung der Geschehnisse zuwider läuft und das Vertrauen auch in unser Rechtssystem weiter untergräbt, erklärt Galida-Aktivist Thomas Rindt gegenüber Nd. Er stellt auch an das Jobcenter kritische Fragen zu dem Umgang mit den Erwerbsosen. Schließlich sei Schwundeck mit der Verzweiflung über „die Aussicht auf ein Wochenende ohne jegliche Geldmittel“ nicht allein. Peter Nowak: Tod im Jobcenter bleibt ohne juristische Folgen (Schlagwort: Christy Schwundeck)
Tod im Jobcenter bleibt ohne juristische Folgen. Das Verfahren gegen eine Polizistin, die vor einem Jahr eine Hartz-IV-Empfängerin erschossen hat, wird eingestellt ND vom 22. Februar 2012
Deutscher Rassismus: Mareame N´deye Sarr
BearbeitenMareame N´deye Sarr wurde am 14. Juli 2001 zum Opfer polizeilicher Gewalt in Aschaffenburg. Photo Bundeszentrale für politische Bildung
--Methodios (Diskussion) 16:36, 8. Jun. 2020 (CEST)
Ein weiterer Fall, der Fall Maraeme Sarr, zeigt, wie weit rassifizierte Vorstellungen den Aufbau eines Feindbildes unterstützen und von den zuständigen strafrechtlichen Institutionen unkritisch übernommen werden. Die Afrikanerin M. Sarr wurde am 14. Juli 2002 von einem Polizisten im Haus ihres Ex-Ehemannes – in angeblicher Notwehr – erschossen. Obwohl M. Sarr während des Vorfalls die einzige Frau unter drei Männern war (ihr Ex-Ehemann und zwei Polizeibeamte), wird sie in der veröffentlichten Meinung keinmal als "Opfer" gesehen. Vielmehr wird sie dämonisiert und auf eine Mördermaschine reduziert. Die Aktivierung rassistischer Ideologien und Vorurteile scheint in den kurz angesprochenen Fällen immanent zu sein. Ein junger Afrikaner wird ohne großes Zögern als Drogendealer identifiziert und bekommt eine Injektion, um die vermuteten "Drogenkügelchen" zu erbrechen. Eine junge Afrikanerin wird als gefährliche Frau beschrieben, der nur noch durch eine Kugel Einhalt geboten werden kann. Durch die unkritische Akzeptanz rassistischer Stereotype entsteht ein verzerrtes Bild der eigentlichen Geschehnisse und folglich eine Fehleinschätzung des handelnden Beamten. ... Die Liste der Vorfälle ist lang und unvollständig, da die meisten Ereignisse nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Der Tod Schwarzer Menschen durch die Hände des Gesetzes interessiert die Mehrheit der Bevölkerung nicht und ist der Presse oft nicht einmal eine Meldung wert.
Der Ex-Ehemann hatte aufgrund einer Auseinandersetzung über das Sorgerecht die Polizei gerufen. Einer der Polizisten erschoss M. Sarr, als diese sich mit einem Brotmesser gegen den Abtransport zur Wehr setzte. Der polizeiliche Schütze erklärte sein Handeln mit Notwehr. Das oberste Landesgericht Aschaffenburg sprach den Polizisten frei. Eine angemeldete Protestbewegung von Afrikanern in Aschaffenburg endete mit einer Anzeige gegen die Organisatoren aufgrund eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und wegen Verleumdung von Beamten (einige der Plakate hatten die Beschriftung: "Police, why did you kill Maraeme?").
Nana Odoi: Die Farbe der Gerechtigkeit ist weiß.Institutioneller Rassismus im deutschen Strafrechtssystem. Rassismus ist in den Strukturen öffentlicher und privater Institutionen verankert. Anhand ausgewählter Beispiele soll aufgezeigt werden, wie stark das deutsche Strafrechtssystem davon betroffen ist und wie jeder Einzelne diese Entwicklung verändern kann. Bundeszentrale für politische Bildung 10. August 2004
Deutscher Rassismus: Laya-Alama Condé
BearbeitenDeutscher Rassismus: Achidi John
Bearbeiten--Methodios (Diskussion) 17:00, 8. Jun. 2020 (CEST)
Deutscher Rassismus: Kola Bankole
Bearbeitenvgl. Kola Bankole
--Methodios (Diskussion) 18:04, 8. Jun. 2020 (CEST)
Deutscher Rassismus: Samuel Yeboah
BearbeitenAm 19. September 1991 kam Samuel Yeboah aus Ghana nach einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis-Fraulautern (Saarland) ums Leben. Der aus Ghana Geflüchtete hatte zuvor noch mehrere Bewohner*innen gerettet. Dabei erlitt der 27-Jährige selbst so schwere Verletzungen, dass er noch in derselben Nacht im Krankenhaus starb. Die Umstände wurden nie aufgeklärt. Das Strafverfahren wurde im August 1992 eingestellt, weil sich keine Täter*innen ermitteln ließen. Fast 29 Jahre später wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Weil es sich um eine politisch motivierte Tat handeln könnte, hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen übernommen. Sie stützt sich auf neue Erkenntnisse. Details zu diesen wollen die Behörden aus ermittlungstaktischen Gründen nicht geben. Samuel Yeboah wird bis heute offiziell nicht zu den Opfern rechter Gewalt gezählt. Die Polizei hatte betont, sie ermittle in alle Richtungen und wollte auch eine Beziehungstat nicht ausschließen. Dabei sprach der Tathergang von Anfang an für einen rassistischen Hintergrund. Unbekannte hatten damals Benzin in das Treppenhaus des ehemaligen Hotels gegossen, in dem 19 Geflüchtete untergebracht waren. Das Gebäude brannte völlig aus. Yeboah starb, zwei weitere Bewohner zogen sich schwere Verletzungen zu, als sie auf der Flucht vor den Flammen aus dem Fenster sprangen. Nur zwei Tage vor dem Anschlag hatten die pogromartigen Ausschreitungen vor einer Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Hoyerswerda bundesweit für Entsetzen gesorgt. Während rassistische Angriffe auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bis heute im Gedächtnis geblieben sind, war der Anschlag in Saarlouis außerhalb der Stadt bald vergessen. Dabei hatten wenige Tage nach dem Anschlag im Saarland Tausende gegen Rassismus demonstriert. Der Liedermacher Wolf Maahn widmete den Song »Samuel« dem Opfer des Anschlags von Saarlouis. Jahrelang forderten antirassistische Initiativen im Saarland, dass der Anschlag aufgeklärt wird. Zu dessen zehntem Jahrestag hatte das »Antifaschistische Bündnis Saar« am 19. September 2001 in Saarlouis eine Gedenkkundgebung unter dem Motto »Kein Opfer ist vergessen« veranstaltet. Im Anschluss wurde an der Rathausfassade der Stadt ein Gedenkstein für Samuel Yeboah angebracht. Die Stadtverwaltung ließ ihn umgehend abmontieren und strengte ein Verfahren wegen Sachbeschädigung gegen den Anmelder der Kundgebung an. Nach mehrjährigem juristischen Streit wurde er zu einer Schadenersatzzahlung von 134,50 Euro an die Stadt Saarlouis verurteilt. Fast 30 Jahre später könnte die Forderung der Antifa Saarlouis, dass der rechte Hintergrund der Tat anerkannt und ein offizieller Gedenkort für Samuel Yeboah eingerichtet wird, doch noch umgesetzt werden. Bisher erinnert nur ein kleiner Gedenkstein auf dem Friedhof »Neue Welt« an ihn.
Politik. Rassismus. Hoffnung auf Gerechtigkeit. Fast 29 Jahre nach Brandanschlag auf Flüchtlingsheim in Saarlouis hat die Bundesanwaltschaft neue Ermittlungen aufgenommen. Von Peter Nowak.ND vom 7. September 2020.
Deutscher Rassismus: Hamburger Polizeiskandal
Bearbeiten--Methodios (Diskussion) 17:02, 8. Jun. 2020 (CEST)
vgl. Geschönte Protokolle. Im Hamburger Polizeiskandal berichten neue Zeugen von brutalen Übergriffen der Beamten. Der Spiegel vom 27. März 1995
Deutscher Rassismus: Essener Polizei
BearbeitenEine Kundgebung, die bereits letzte Woche Dienstag vor dem Uniklinikum in Essen stattfand, erhitzt noch immer die Gemüter. Zu besagtem Protest hatten die Verdi-Vertrauensleute der Klinik eingeladen, um ein deutliches Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt zu setzen. In ihrem Redebeitrag hatte Vertrauensleutesprecherin Ursula Gerster darauf hingewiesen, dass es nicht ausreiche, die Situation in den USA zu kritisieren. Vielmehr sei es notwendig, sich auch mit rassistischen Tendenzen in der deutschen Polizei auseinanderzusetzen. Zur Unterstützung ihrer Aussage führte sie verschiedene Beispielfälle aus der Vergangenheit an. Hintergrund waren Aussagen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, denen zufolge rassistische Polizeimaßnahmen auch in der BRD weit verbreitet seien.
Antirassismus. Tötet den Boten. Verdi-Bezirksvertreterin erhebt schwere Vorwürfe gegen Essener Polizei und wird zur Zielscheibe. Von Markus Bernhardt. Junge Welt vom 16. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 11:14, 16. Jun. 2020 (CEST)
Dies sorgte für Empörung bei der Essener Polizei, allen voran beim früheren Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und heutigen Polizeipräsidenten der Stadt, Frank Richter. Gerster solle, so der Vorwurf der Polizei, bei der besagten Kundgebung geäußert haben, dass der im Juni letzten Jahres durch einen Polizeischuss in Essen getötete Adel B. aus rassistischen Motiven umgebracht worden sei. Tatsächlich mehren sich in der jüngsten Vergangenheit Vorwürfe gegen die Essener Beamtinnen und Beamten, denen in mindestens drei Fällen rassistisch motivierte Gewalt vorgeworfen werden.
Antirassismus. Tötet den Boten. Verdi-Bezirksvertreterin erhebt schwere Vorwürfe gegen Essener Polizei und wird zur Zielscheibe. Von Markus Bernhardt. Junge Welt vom 16. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 11:19, 16. Jun. 2020 (CEST)
In einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Interview, das der Polizeipräsident der Funke-Mediengruppe gab, weist dieser die erhobenen Vorwürfe entschieden zurück. »Nach allem, was ich weiß, kann ich in allen drei Fällen rassistische Motive bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausschließen«, behauptet Richter dort. »Dem tragischen Tod des Adel B.« liege »eine eindeutige Notwehrhandlung der Polizei zugrunde«, was bis hin »zur Generalstaatsanwaltschaft mehrfach geprüft worden« sei. »Hier von einem Mord durch die Polizei Essen zu sprechen, die auch noch rassistisch motiviert sein soll, ist für mich als Behördenleiter unerträglich. Jeder, der hier von Mord redet, stellt somit unser komplettes Rechtssystem in Frage«, so Richter.
Antirassismus. Tötet den Boten. Verdi-Bezirksvertreterin erhebt schwere Vorwürfe gegen Essener Polizei und wird zur Zielscheibe. Von Markus Bernhardt. Junge Welt vom 16. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 11:20, 16. Jun. 2020 (CEST)
Zuvor hatte es der Verdi-Bezirk Ruhr-West noch mit einer zurückhaltenden Position versucht. »Wir freuen uns über viele engagierte Mitglieder in unseren Reihen, die ihrer Empörung über die Vorkommnisse in den USA und die Sorge über die Rechtsentwicklung auch in unserem Lande teilen und dagegen protestieren«, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Pressemitteilung. Die klare Positionierung gegen rechts sei »auf allen Ebenen in Verdi durch Beschlussfassungen gedeckt«. »Wir sind aber, ebenso wie unsere Vertrauensleute am Klinikum, weit davon entfernt, unsere Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei unter Verdacht zu stellen«, betonte der Bezirk.
Antirassismus. Tötet den Boten. Verdi-Bezirksvertreterin erhebt schwere Vorwürfe gegen Essener Polizei und wird zur Zielscheibe. Von Markus Bernhardt. Junge Welt vom 16. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 11:24, 16. Jun. 2020 (CEST)
Unter Generalverdacht gestellt wird hingegen mittlerweile Verdi-Vertrauensleutesprecherin Gerster selbst. So versuchen der örtliche Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) und der lokale CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer die engagierte Gewerkschafterin für ihre Vorwürfe zu diffamieren. Auch Jörg Uhlenbruch, Vorsitzender der Essener CDU-Fraktion, legte nach und bezeichnete Gersters Vorwürfe als »nicht nur geschmacklos«, sondern als »Skandal, den wir aufs schärfste verurteilen«. »Solche pauschalen Vorwürfe und Vergleiche zu den Zuständen in der USA sind absolut unbegründet und verunglimpfend«, behauptete der Lokalpolitiker.
Antirassismus. Tötet den Boten. Verdi-Bezirksvertreterin erhebt schwere Vorwürfe gegen Essener Polizei und wird zur Zielscheibe. Von Markus Bernhardt. Junge Welt vom 16. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 11:27, 16. Jun. 2020 (CEST)
Rassismus und Polizeigewalt hat System Wenn Betroffene ihrer Wut auf dieses rassistische Vorgehen Luft machen und das Verhalten der Polizei entlarven, hagelt es Lügen von der Polizei, Verleumdungen von der Presse und Verfahren von der Staatsanwaltschaft. Auf der anderen Seite verlaufen die „Ermittlungen“ gegen Polizeibeamte immer wieder im Sand und werden ganz systematisch unter den Teppich gekehrt, wie der Fall von Oury Jalloh es gezeigt hat. Mit so einer Rückendeckung können Polizisten ungehindert Menschen schlagen oder auch erschießen. Eine Strafe müssen sie nicht befürchten. Ganze Stadtteile wie Altendorf wurden zu Gefahrengebieten erklärt, dass bedeutet unter anderem „anlasslose“ oder „verdachtsunabhängige“ Personenkontrollen. Ziel der Kontrollen sind junge Menschen mit Migrationshintergrund. Unter dem Deckmantel der Kriminalitätsbekämpfung wird der Polizei erlaubt migrantische Teile der Bevölkerung einzuschüchtern und öffentlich wie medial zu kriminalisieren, allen voran die „WAZ“.
Polizist erschießt Mann in Essen: Initiative demonstriert Radio Essen vom 25. Oktober 2019
--Methodios (Diskussion) 11:58, 16. Jun. 2020 (CEST)
Das alles ist notwendiger Teil des Imperialismus. Wir sollen in „Deutsche“ und „Migranten“ unterschiedlicher Herkunftsländer gespalten werden, damit wir uns gegenseitig statt die bestehenden Verhältnisse bekämpfen. So dient der Rassismus in diesem Land als Vorwand einen großen Teil der arbeitenden Menschen stärkerer Ausbeutung und Unterdrückung auszusetzen und ebnet den Weg für Angriffskriege überall auf der Welt. Für uns muss eins klar sein: Wir dürfen dieses Spiel nicht mitspielen und uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. Es liegt an uns für Veränderung zu sorgen Wir wollen uns die Schikane nicht mehr gefallen lassen. Immer wieder werden Menschen mit Migrationshintergrund angegriffen und kriminalisiert. Es trifft uns, unsere Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunde und Verwandte. Deshalb rufen wir zu einer Demonstration auf. Wir wollen unsere Wut gemeinsam mit euch auf die Straße tragen. Niemand steht allein. Gerechtigkeit für Adel und alle Opfer von Polizeigewalt! Kommt zur Demonstration, berichtet über die Übergriffe die ihr erlebt und mobilisiert mit! Schickt uns Videos in denen ihr von euren Erlebnissen mit Polizeigewalt berichtet. Ehrenzeller Platz Essen-Altendorf 20.06.2020 15:00 Uhr.
Polizist erschießt Mann in Essen: Initiative demonstriert Radio Essen vom 25. Oktober 2019
--Methodios (Diskussion) 12:02, 16. Jun. 2020 (CEST)
Deutscher Rassismus: Adel B.
Bearbeiten"Gerechtigkeit für Adel" heißt die Initiative von Bekannten und Aktivisten. Sie fordert, dass die Ermittlungen gegen den Polizisten wieder aufgenommen werden. Letztlich soll es einen Prozess geben. Die Initiative spricht von verdrehten Tatsachen und erfundenen Ausreden. "Es kann nicht sein, dass Menschen, die psychische Probleme und Erkrankungen haben von der Polizei erschossen werden, statt die ihnen angemessene Hilfe zukommen zu lassen", heißt es. Die Initiative will heute mit Reden und Plakaten vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft an der Zweigertstraße demonstrieren. Sie erwartet bis zu 150 Teilnehmer.
Polizist erschießt Mann in Essen: Initiative demonstriert Radio Essen vom 25. Oktober 2019
--Methodios (Diskussion) 11:59, 16. Jun. 2020 (CEST)
So auch letztes Jahr am 18. Juni. An diesem Tag wurde Adel B. von der Polizei durch die geschlossene Tür seines Hausflures erschossen. Zuvor hatte Adel sich an den Notruf gewandt und, mit dem Ziel psychologische Hilfe zu erhalten, gedroht, sich umzubringen. Adel hatte bereits in der Woche zuvor beim Notruf angerufen, damals wurde ein Seelsorger geschickt, und Adel hat sich in psychiatrische Behandlung begeben. Aus dieser wurde er auf Bescheid des Richters wieder entlassen. Am Tag von Adels Tod wurde dann von der Notrufzentrale nicht erneut ein Seelsorger mitgeschickt, sondern lediglich Beamte der Essener Polizei, die Adel mit gezogener Waffe konfrontierten. Obwohl Adel mit ihnen diskutierte, zwischenzeitlich das Messer beiseite legte und sich am Ende auf den Weg nach Hause machte, wurde er letztendlich von der Polizei erschossen. Im Nachhinein wurde behauptet, Adel hätte die Polizisten mit einem Messer angegriffen. Videos, die zu dem Vorfall auftauchten, widerlegen die Lügen der Polizei.
Gerechtigkeit für Adel – Er ist kein Einzelfall / Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt in Essen AZ Wuppertal vom 15. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 11:43, 16. Jun. 2020 (CEST)
Deutscher Rassismus: Mikael Haile
BearbeitenAuch der aus Eritrea stammende Mikael Haile wurde 2017 in Essen von der Polizei erschossen. Die Polizei behauptete damals, aus Notwehr gehandelt zu haben, da Mikael sie angebliche mit einem Messer angegriffen haben soll. Dafür gibt es keine Beweise.
Gerechtigkeit für Adel – Er ist kein Einzelfall / Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt in Essen AZ Wuppertal vom 15. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 11:46, 16. Jun. 2020 (CEST)
Deutscher Rassismus: Familie Ayoub
BearbeitenSeit Anfang diesen Jahres haben Polizeiübergriffe in Essen noch weiter zugenommen: Der bekannteste Fall ist der der Familie Ayoub. Hier erschien die Polizei wegen einer angeblichen Ruhestörung. Unter diesem Vorwand wollten zwei Polizisten in das Haus der Familie Ayoub eindringen. Als Omar Ayoub sein Recht einforderte und einen Durchsuchungsbeschluss sehen wollte, wurden er und seine Familie von den Polizisten beleidigt und körperlich angegriffen. Im Nachhinein wird der Familie eine Verbindung zur organisierten Kriminalität angedichtet. Mit den Lügen soll erreicht werden, dass es keine Solidarisierung mit der Famile Ayoub gibt.
Gerechtigkeit für Adel – Er ist kein Einzelfall / Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt in Essen AZ Wuppertal vom 15. Juni 2020
--Methodios (Diskussion) 11:51, 16. Jun. 2020 (CEST)
Deutscher Rassismus: Ridvan Saado
BearbeitenDieser und andere Fälle, wie der von Ridvan Saado im Februar, welcher im Polizeirevier Altenessen zusammengeschlagen wurde, oder der Angriff auf eine Familie aus Mülheim, die von der Polizei im März durch die ganze Stadt gehetzt wurde, nach dem sie eine Anzeige in einer Wache aufgeben wollten zeigen, dass rassistisch motivierte Polizeiübergriffe in Essen kein Ausnahmefall sondern System sind.
Gerechtigkeit für Adel – Er ist kein Einzelfall / Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt in Essen AZ Wuppertal vom 15. Juni 2020
Deutscher Rassismus: Hessische Polizei
BearbeitenHagen Kopp ist Gründungsmitglied der »Initiative 19. Februar Hanau«. In ihr haben sich Freiwillige und Angehörige zusammengeschlossen, um an die Opfer des rassistischen Anschlags zu erinnern. Die Mitglieder erneuern regelmäßig Blumen, Kerzen und Bilder an den beiden Tatorten und betreiben ein Ladengeschäft in der Hanauer Krämerstraße als Anlaufpunkt in der Stadt. Sechs Monate ist es her, dass ein Rassist in Hanau zehn Menschen ermordete. Der hessische CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier erklärte kürzlich, dass jetzt die oberste Priorität sei, die Familien der Opfer nicht alleine zu lassen. Bekommen die Angehörigen die Unterstützung, die sie brauchen? Ganz im Gegenteil - zumindest, wenn nach der hessischen Landesregierung gefragt wird. Die äußert zwar SCHÖNE WORTE, aber handelt nicht nach ihnen. Was meinen Sie? In Hanau gab es eine Kette behördlichen Versagens vor der Tat, in der Tatnacht und auch danach. Die Angehörigen erwarten hier eine Aufklärung. Von den zuständigen Ministern und Behörden gibt es aber bis heute keine ehrliche Auseinandersetzung mit allem, was schiefgelaufen ist. Die Familien fühlen sich verhöhnt. Der Landesinnenminister Peter Beuth hat es bis heute nicht geschafft, sich bei ihnen zu entschuldigen. Gab es dazu eine Möglichkeit? Als im Mai die Familien der Opfer im Landtag waren, wäre es einfach für ihn gewesen, die Überforderung der Beamten zuzugeben. »Bitte verzeihen Sie. Wir werden versuchen, die Tat aufzuklären und in Zukunft unsere Arbeit besser zu machen.« Solche Worte wären ein Anfang gewesen. Aber stattdessen alles schönzureden - im Wissen, was die Angehörigen durchmachen mussten - das geht nicht. Die Familien fordern den Rücktritt von Beuth. Wir halten ihn für unfähig. Wie ist es mit der materiellen Unterstützung? Wir fordern umfangreichere und schnellere sozialpolitische Maßnahmen. Die gesetzlichen Soforthilfen für die Angehörigen reichen nicht aus, da braucht es weitere unbürokratische Unterstützung. Auch bezüglich neuer Wohnungen müssen Kommune und Land zusammenarbeiten, damit praktikable Lösungen für die Menschen gefunden werden, die hier zwischen Täterhaus und Tatorten leben. In Hanau-Kesselstadt gibt es bei vielen betroffenen Familien ein großes Bedürfnis umzuziehen. Wie verhält sich die Stadtgesellschaft? Wir haben den Eindruck, dass die Demonstration am Samstag stark von den Hanauern aufgegriffen wird. Viele hängen Plakate in ihre Schaufenster, in der Lokalpresse wird ausführlich berichtet. Dazu führt unsere Initiative seit Mai am Heumarkt, nahe des ersten Tatorts, einen Laden als offene Anlaufstelle. Hier kommen sehr viele Menschen aus der Stadt vorbei, um Unterstützung anzubieten. SPD-Bürgermeister Claus Kaminsky, er wird auch auf der Demo sprechen, hat wiederum in der Erinnerungspolitik ein Zeichen gesetzt. Er ist bereit, den Angehörigen zuzuhören und aus der Vergangenheit zu lernen. Dieses Prinzip verteidigt er auch gegen lokale Stimmen von der CDU und Hanauer Bürgern, die meinen, dass es doch jetzt mal gut sein müsste mit der Erinnerung. Der CDU-Landtagsabgeordnete Heiko Kasseckert hatte jüngst gefordert, dass Hanau zur »Normalität« zurückkehren solle. Die Angehörigen der Opfer waren über diese Worte sehr aufgebracht. Zumal sie erst vor ein paar Wochen ein Gespräch mit dem Politiker geführt hatten. Da war schon klar geworden, dass es große Unterschiede bei der Wahrnehmung gibt. Dass der Abgeordnete ihnen dann nachträglich aber noch in den Rücken fällt und so eine Debatte eröffnet, ist einfach nur schändlich. Viele Menschen in der Stadt fanden das auch unmöglich, und selbst in der CDU gab es wohl Widerspruch. Was bedeutet der Ruf nach Normalität? Solch eine merkwürdige Normalität einzufordern, bedeutet letztlich, einfach weitermachen zu wollen wie bisher. Dem stellen wir uns entschieden entgegen. Wir werden auch dafür sorgen, dass das Denkmal am Brüder-Grimm-Denkmal als provisorische Mahnstätte erhalten bleibt, bis das Hauptdenkmal, vermutlich am Marktplatz, entsteht. Später soll es auch Gedenktafeln an den Tatorten und ein Dokumentationszentrum geben. Das erinnerungspolitische Konzept ist in Arbeit. Warum ist das Gedenken wichtig? Ein Slogan aus unserer Anlaufstelle lautet »Erinnern heißt verändern«. Es ist wichtig, die Namen der Todesopfer nicht zu vergessen und immer wieder zu sagen, was hier geschehen ist. Die Familien der Opfer wollen nicht, dass Hanau nur eine Zwischenstation bis zum nächsten rechten Anschlag ist - Veränderung kann es aber nur geben, wenn Konsequenzen gezogen werden. Der Bruder eines Ermordeten hatte es so formuliert: Als im Oktober 2019 der antisemitische Anschlag in Halle geschah, sagten Politiker, jetzt müsse endlich was passieren. Fakt ist aber, dass der Rassist in Hanau genau in dieser Zeit anfing, seine Tat zu planen. Die Behörden hätten es wissen müssen - wenn sie es nicht sogar wussten. Jetzt wiederholt sich das erneut. Irgendwo in Deutschland wird derzeit der nächste Anschlag vorbereitet. Wie geht es den Familien mit diesem Wissen? Das kann man nicht pauschal sagen, es sind sehr unterschiedliche Familien. Aber es beeindruckt mich doch sehr, wie sie alle immer wieder zusammenkommen, sich aufraffen und gegenseitig Halt geben. Sie versuchen irgendwie, mit dieser Katastrophe umzugehen. Ihre Entschlossenheit dabei ist bewundernswert. Viele verspüren aber auch Handlungsdrang und können noch gar nicht richtig trauern. Bis es soweit ist, kann es Monate oder Jahre dauern. Kann politisches Engagement bei der Verarbeitung helfen? Ja. Das gilt für die Opferfamilien im Besonderen, aber auch für mich als Unterstützer. Bei so einem wahnsinnigen Ereignis ist es wichtig, Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen. Über die Tat zu sprechen, die Wut zu formulieren, Forderungen aufzustellen, Neues zu lernen - und das alles auch als gesellschaftliche Aufgabe zu verstehen - das ist wichtig und gehört in den Prozess des Trauerns und Verarbeitens hinein. Nehmen wir die Familie von Vili Viorel Păun. Ihr Sohn war dem Täter hinterhergefahren und hatte sogar versucht, ihn zu stoppen. Er rief in der Nacht viermal bei der Polizei an, aber kam nicht durch. Dann wurde er schossen. Die Familie musste selber recherchieren, dass ihr Sohn eigentlich ein Held ist. So etwas herauszufinden schafft vielleicht keinen Trost - aber es hilft. Sie haben Erfahrungen mit der Polizei angesprochen. Können Angehörige und Freunde der Toten den Sicherheitsbehörden noch vertrauen? Gute Frage. Ich habe jüngst wieder mit einem der Überlebenden aus der Bar gesprochen. Er hatte seine Freunde verbluten gesehen und verließ dann das Gebäude, um die Polizei zu informieren. Er gab den Beamten das Autokennzeichen des Täters per Telefon, aber nichts geschah. Der Überlebende hat sich nun geschworen, nie mehr in seinem Leben mit der Polizei zu sprechen. Das sind Erfahrungen, die prägen - und die hier auch zu Wut und Entsetzen geführt haben. Wenn Politik und Behörden da Vertrauen zurückgewinnen wollen, müssen sie liefern. Eine Aufgabe, die sich nicht nur auf Hanau beschränkt. Das Versagen in Hanau reiht sich in das Versagen ein, das wir auch in Kassel rund um den Mord an Walter Lübcke erleben. Und an das, was wir jetzt wieder bezüglich der »NSU 2.0«-Drohschreiben sehen. Wenn wir dazu noch hören, dass die hessischen NSU-Akten auf 30 weitere Jahre weggeschlossen werden sollen, dann weiß man, woher der Wind im Land weht. Es ist ein umfassendes Problem. Was wäre zu tun? Es braucht einen anderen Umgang der Behörden mit Rassismus und eine bundesweite Entnazifizierung der Staatsapparate. Rechte Netzwerke dürfen nicht mehr weiter gedeckt werden. Nehmen wir den »NSU 2.0« in der hessischen Polizei. Klar ist es ein Problem, dass es diese Neonazis in der Behörde gibt, aber das vielleicht größere ist doch, dass alle Kollegen um sie herum schweigen. Das war auch schon im NSU-Komplex der Fall. Vermutlich haben Hunderte mitbekommen, was beim Verfassungsschutz ablief, aber niemand wagte es, den Mund aufzumachen. Da braucht es Druck auf allen Ebenen. Eine weitere Sache sind die Waffen. Es ist völlig unverständlich, dass der Mörder von Hanau noch im August 2019 seine Waffenerlaubnis verlängert bekam und seine Waffen sogar europaweit legal tragen durfte. Das ist doch unfassbar. Rassisten müssten bundesweit systematisch entwaffnet werden. Vieles davon wird auch auf der Samstagsdemonstration gefordert. Was erhoffen Sie sich konkret von dem Protest? Rückendeckung für die Familien der Opfer. Ihr Kampf steht symbolisch für eine große Auseinandersetzung, die derzeit in Deutschland stattfindet. Wir müssen aber auch darüber hinaus betrachten, wie es in Hanau weitergeht. Die Behörden werden möglicherweise bald die Akten zum Anschlag schließen, und es wird wohl auch keinen Prozess geben. Wir überlegen daher bereits, welche nächsten Schritte angebracht wären. So oder so wird es weitergehen. Diese Demonstration ist für uns im Prozess der Aufarbeitung aber ein zentraler Zwischenschritt.
Hanau. Nichts als schöne Worte. Hagen Kopp von der »Initiative 19. Februar Hanau« über die schwierige Aufarbeitung nach dem Anschlag. Von Interview: Sebastian Bähr. ND vom 22. August 2020
Deutscher Rassismus: Polizei erschießt Mann aus Guinea
BearbeitenWeiterer Toter in Twist. Am frühen Freitagmorgen starb laut Staatsanwaltschaft ein 23-Jähriger in einem Krankenhaus, der bei einem Polizeieinsatz in Twist (Kreis Emsland) durch einen Schuss in den Oberschenkel zunächst schwer verletzt worden war. Der Leichnam soll nun obduziert werden. Gegen den Beamten, der den Schuss abgab, wurde ein Verfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet. Es deute bislang aber nichts darauf hin, dass der Schuss unverhältnismäßig gewesen sei, sagte die Staatsanwaltschaft. Der Mann soll mit einem Messer bewaffnet mehrere Personen in einer Arztpraxis und einem Wohnhaus bedroht und angegriffen haben. Auch auf die herbeigerufenen Polizeibeamten sei der aus Guinea stammende Mann losgegangen. Er sei bereits wegen Gewaltdelikten vorbestraft gewesen.
Bremen und Twist. Zwei Tote bei Polizeieinsätzen. Bei zwei Einsätzen in Bremen und Twist haben Polizisten tödliche Schüsse abgegeben. Sie waren zuvor offenbar bedroht worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Zeit vom 19. Juni 2020