Mathematik/Einführender Text/Quadratur des Kreises/Vortrag
Häufig hört man Leute sagen, vor allem wenn sie vor großen Schwierigkeiten stehen, so was wie „hier wird die Quadratur des Kreises versucht“.
Was ist mit dieser Redewendung gemeint? Irgendwie soll man aus einem Kreis ein Quadrat machen, und aus irgendeinem Grund soll das schwierig oder gar unmöglich sein. Nicht gemeint ist jedenfalls sowas wie
das wäre zu einfach. Gemeint ist vielmehr folgendes
Problem: Gegeben sei ein Kreis. Aufgabe: Konstruiere dazu ein Quadrat mit dem gleichen Flächeninhalt wie der Kreis.
Ein Kreis ist bestimmt durch seinen Mittelpunkt und seinen Radius, also den Abstand von Mittelpunkt zu einem Punkt des Kreisbogens. Bezeichnen wir den Radius mit . Dann wissen wir aus der Schule oder vom Hörensagen, dass der Flächeninhalt des Kreises gleich
ist, wobei die Kreiszahl bezeichnet. Wenn wir im Taschenrechner eingeben, erhalten wir
Wenn wir einen besseren Taschenrechner haben, so erhalten wir mehr Nachkommastellen. Der Flächeninhalt eines Quadrates ist einfach zu berechnen, er ist einfach das Quadrat einer Seite . Ein flächengleiches Quadrat muss also die Seitenlänge exakt
besitzen. Es ist
Da haben wir das zu konstruierende Quadrat also schon gefunden, zumindest wissen wir, wie groß es sein muss. Doch bleiben zwei Fragen offen: Was ist der exakte Wert für , und welche Methoden sind in der Konstruktion erlaubt?
Problem: Gegeben sei ein Kreis. Aufgabe: Konstruiere dazu nur mit Zirkel und Lineal ein Quadrat mit dem exakt gleichen Flächeninhalt wie der Kreis.
Dieses Problem ist klassisch und wurde bereits im antiken Griechenland betrachtet.
Mit Zirkel und Lineal kann man folgende drei Konstruktionen durchführen
- Durch zwei gegebene Punkte darf man mit dem Lineal eine
- Zu zwei gegebenen Punkten kann man den Kreis zeichnen, der den einen Punkt als Mittelpunkt besitzt und durch den anderen Punkt läuft.
- Wenn sich zwei Geraden oder zwei Kreise oder eine Gerade und ein Kreis schneiden, so darf man die Schnittpunkte markieren
All diese Operationen sind idealistisch zu verstehen, d.h. man geht davon aus, dass man sie vollkommen exakt durchführen kann. Wichtig ist von daher nicht die „wirkliche zeichnerische Durchführung“, sondern die mathematische Berechnung der Schnittpunkte.
Damit kann man schon erstaunlich viele Punkte in der Ebene markieren. Man braucht natürlich mindestens zwei vorgegebene Startpunkte, um überhaupt loslegen zu können. Ein vorgegebener Kreis, gegeben durch den Mittelpunkt und einen Punkt der Peripherie, entspricht genau zwei vorgegebenen Punkten. Wir nennen den Mittelpunkt und den andern Punkt (das ist nur eine Normierung).
Wir können dann die Gerade durch und zeichnen und den Kreis mit Mittelpunkt durch und umgekehrt, den Kreis mit Mittelpunkt durch . Diese Gerade nennen wir von nun an die -Achse. Es ergeben sich vier neue Schnittpunkte: auf der Gerade ergeben sich die Punkte und . Welche Koordinaten haben die beiden Schnittpunkte der Kreise? Wegen der Symmetrie der Situation ist die -Koordinate gleich , die -Koordinate ergibt sich aus dem Satz des Pythagoras zu
Damit ist der Punkt konstruierbar. Es treten also schon sehr früh Zahlen auf, die nicht rational sind.
Mit den soeben konstruierten Punkten kann man jetzt weitermachen. Unsere Frage können wir jetzt so formulieren:
Frage: Treten bei diesem Verfahren irgendwann zwei Punkte auf, die zueinander exakt den Abstand besitzen?
Wie gesagt, es geht um eine exakte Darstellung von . Es lässt sich nämlich einfach zeigen, dass jede beliebige Approximation von konstruierbar ist. Betrachten wir etwa unsere Taschenrechnerapproximation
die sehr nahe an liegt. Wie kann man diesen Abstand mit Zirkel und Lineal realisieren? Ganz einfach: Man konstruiert auf der positiven -Achse einen Kreis nach dem anderen, in dem man den jeweils neuen Schnittpunkt mit der Achse als Mittelpunkt nimmt und den vorhergehenden Punkt als Peripheriepunkt. So kann man alle natürlichen Zahlen konstruieren. Nach Kreisen hat man dann die Zahl konstruiert (das kann man abkürzen!). Jetzt konstruiert man mit dem gleichen Verfahren auf der -Achse die Zahl , und zeichnet die Verbindungsgerade der beiden Punkte. Zu dieser Geraden zeichnet man die parallele Gerade durch den Punkt (auf der -Achse). Die Steigung (bzw. das Gefälle) der beiden parallelen Geraden ist gleich, daher ist der Schnittpunkt der zweiten Geraden mit der -Achse gleich , wie gewünscht.
Dabei haben wir folgende Konstruktionen verwendet, die in der Tat mit Zirkel und Lineal durchführbar sind:
- Eine Senkrechte zu einem gegebenen Punkt auf einer Geraden
(für die -Achse).
- Die parallele Gerade zu einer gegebenen Geraden durch einen gegebenen Punkt.
Das ist beides möglich. Eine Mittelsenkrechte ergibt sich wie im folgenden Bild (wenn die Senkrechte durch einen vorgegebenen Punkt auf der Geraden gehen soll, so schlägt man zuerst den Kreis durch den Punkt mit einem beliebigen Radius, um die beiden Punkte und zu erhalten). Für die Konstruktion braucht man dann einen Radius, der mindestens so groß wie die Hälfte des Abstandes von nach ist (am besten nimmt man, nicht wie im Bild, den Abstand von nach direkt als Radius).
Das oben beschriebene Verfahren kann man für jede beliebige Approximation durchführen, man kann also stets Quadrate konstruieren, deren Flächeninhalte beliebig nahe beim Flächeninhalt des Kreises sind. In der reinen Mathematik wollen wir es aber ganz genau wissen: nicht, ob es eine beliebig gute Approximation gibt (was es gibt und was für alle praktischen Zwecke ausreicht), sondern ob es eine exakte Konstruktion gibt, was ein theoretisches Problem darstellt. Die Frage, ob exakt mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist, kann grundsätzlich nur auf zwei Arten beantwortet werden.
- Jemand findet eine Konstruktion mit Zirkel und Lineal, die genau ergibt (wobei im Nachweis, dass wirklich vorliegt, alles erlaubt ist; grundsätzlich könnte es auch einen reinen Existenzbeweis geben, ohne dass eine konkrete Konstruktion angegeben wird). Das wurde über 2000 Jahre lang versucht, ohne Erfolg.
- Man gelangt irgendwie zu einer Übersicht über alle möglichen Konstruktionen, z.B. eine Eigenschaft, die alle konstruierbaren Koordinaten erfüllen müssen, und zeigt daraus, dass nicht konstruierbar ist.
In der Tat führte der unter (2) benannte Weg im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts zum Erfolg. Wir haben oben gesehen, dass konstruierbar ist, Quadratwurzeln tauchen also auf. Damit treten auch Quadratwurzeln aus Quadratwurzeln und ähnliche Ausdrücke auf, z. B.
Wenn man die erlaubten drei Konstruktionsschritte betrachtet, so sieht man, dass, wenn die beteiligten Koordinaten, die die Geraden und Kreise definieren, gegeben sind, die Koordinaten der Schnittpunkte lineare oder quadratische Gleichungen erfüllen, in denen die vorgegebenen Koordinaten als Koeffizienten auftreten. Jeder Punkt, der also ausgehend von und konstruierbar ist, erfüllt demnach eine (ziemlich wild) verschachtelte Folge von quadratischen Gleichungen. Insbesondere erfüllt jede konstruierbare Koordinate eine sogenannte algebraische Gleichung über den ganzen Zahlen, d.h. ist die Nullstelle eines Polynoms mit ganzzahligen Koeffizienten:
Die Zahlen, für die es eine solche algebraische Gleichung gibt, nennt man auch algebraische Zahlen. Das Gegenteil, also diejenigen Zahlen, für die es keine derartige Gleichung gibt, nennt man transzendent.
Die Lösung zu unserem Problem wurde auf diesem Weg 1882 von Ferdinand von Lindemann entschieden. Er bewies den
Satz: Die Kreiszahl ist nicht algebraisch. Damit ist auch nicht algebraisch und insbesondere nicht mit Zirkel und Lineal konstruierbar. Es folgt, dass die Quadratur des Kreises nicht möglich ist.
Der Beweis dieses Satz ist nicht geometrisch, hat aber die geometrische Konsequenz, dass ein zu einem Kreis flächengleiches Quadrat nicht mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist. Dennoch versuchen „Hobbymathematiker“ bis heute, eine solche Lösung zu finden.
Andere Konstruktionen
BearbeitenNeben der Frage nach der Quadratur des Kreises gibt es noch eine Reihe weiterer Fragen, was man mit Zirkel und Lineal konstruieren kann und was nicht. Es ist zum Beispiel einfach zu zeigen, dass man einen gegebenen Winkel, repräsentiert durch zwei sich schneidende Geraden, stets halbieren kann. Dagegen kann man einen beliebig vorgegebenen Winkel nicht im allgemeinen dreiteilen, also in drei gleichgroße Winkel zerteilen. Den Winkel kann man konstruieren, d.h. den Gesamtkreis kann man winkeldreiteilen, aber kann man selbst nicht dreiteilen, der Winkel ist nicht konstruierbar. Man kann also einen Kuchen nicht mit Zirkel und Lineal in gleichgroße Stücke unterteilen. In wie viele Stücke ist es möglich? Dafür gibt es eine exakte Charakterisierung, für ist die Unterteilung eines Kuchens in gleichgroße Stücke - man spricht von der Konstruktion des regelmäßigen -Ecks - möglich für
und nicht möglich für
Eine Konstruktion des regelmäßigen Fünfecks sieht folgendermaßen aus.