Prädikatenlogik/Axiomensysteme/Textabschnitt

Grundsätzlich gibt es zwei Bedeutungen von Axiomensystemen. Einerseits wird ein Axiomensystem aufgestellt, um eine in einem gewissen Sinn vertraute Struktur präzise zu erfassen und ihre Eigenschaften aus den fixierten Grundeigenschaften zu folgern. Man spricht von einem intendierten Modell, das durch das Aufstellen eines Axiomensystems mathematisch beschrieben werden soll. Die Axiome selbst werden dann durch die Gültigkeit im intendierten Modell gerechtfertigt und können nicht weiter hinterfragt werden. In diesem Sinne gibt es in der Geometrie die euklidische Axiome für die Ebene bzw. den Raum, oder die Dedekind-Peano-Axiome für die natürlichen Zahlen, oder die Axiome für die reellen Zahlen, die man in der Analysis I einführt, oder die Axiome für die Mengenlehre (typischerweise Zermelo-Fraenkel mit Auswahlaxiom), die eine Festlegung für den mengentheoretischen Rahmen der gesamten Mathematik bilden. Eine wichtige Fragestellung hierbei ist, ob die Axiome die Struktur eindeutig festlegen.

Andererseits kann man jede willkürliche Vorgabe einer Menge von Ausdrücken als ein Axiomensystem ansehen. Es gibt dann jeweils mehrere verschiedene Strukturen, die diese Axiome erfüllen. Ein Axiomensystem in diesem Sinn will nicht ein bestimmtes Modell charakterisieren, sondern abstrakte Eigenschaft, die in unterschiedlichen Kontexten auftreten, bereitstellen. Eigenschaften, die man aus den Axiomen erschließen kann, gelten dann für sämtliche Modelle, die die Axiome erfüllen. Die Ökonomie dieses mathematischen Ansatzes liegt eben darin, dass man Schlüsse nicht am Objekt durchführt, sondern abstrakt und allgemein. Wichtige Axiomensysteme in diesem zweiten Sinn sind die Axiome für Gruppen, Ringe, Körper, angeordnete Körper, Vektorräume, metrische Räume, topologische Räume, Maßräume, Mannigfaltigkeiten.

Wichtige Bewertungskriterien für beide Arten von Axiomensystemen sind.

  1. Die Axiome sollen möglichst einfach formuliert sein.
  2. Die Axiome sollen möglichst einfach (in einem Modell) überprüfbar sein.
  3. Die Axiome sollen reichhaltige Folgerungen erlauben.
  4. Die Axiome eines Systems sollen untereinander unabhängig sein; es darf kein Axiom redundant sein.

Für uns stehen zunächst Axiomensysteme im zweiten Sinne im Mittelpunkt; grundsätzlich kann man jede Ausdrucksmenge als ein Axiomensystem auffassen. Als Beispiele betrachten wir aber nur mathematisch relevante Axiomensysteme. Um ein Axiomensystem prädikatenlogisch zu repräsentieren, muss man zuerst das Symbolalphabet und anschließend die Axiome festlegen. Betrachten wir beispielsweise die mathematische Definition einer Gruppe.


Eine Menge mit einem ausgezeichneten Element und mit einer Verknüpfung

heißt Gruppe, wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind.

  1. Die Verknüpfung ist assoziativ, d.h. für alle gilt
  2. Das Element ist ein neutrales Element, d.h. für alle gilt
  3. Zu jedem gibt es ein inverses Element, d.h. es gibt ein mit

In formal-prädikatenlogischer Formulierung besteht das Symbolalphabet (neben den Variablen) aus einer Konstanten und aus einem zweistelligen Funktionssymbol . Die in der Gruppendefinition auftretenden Axiome (die Gruppenaxiome, also die drei auftretenden Bedingungen) kann man mit diesen Symbolen einfach schreiben als

Nennen wir diese drei Ausdrücke zusammen . Dann ist eine Gruppe eine Menge mit einer Interpretation für und für , d.h. es muss ein ausgezeichnetes Element (häufig schreibt man oder ) geben und eine zweistellige Funktion auf (eine Verknüpfung), derart, dass gilt. Eine Gruppe ist also ein Modell für .