Projekt:Dresdner Glossar/Roß-Arzney-Schule

Nasenausfluss, Fieber, Atemnot, Schwellung der Lymphknoten sind Symptome der hochansteckenden und, vor allem früher, oft tödlichen Pferdekrankheit „Druse“. An „Druse“ erkrankten Mitte des 18. Jahrhunderts die Pferde im kurfürstlichen Marstall. Dies bereitete Heinrich Graf von Lindenau, Oberstallmeister des Marstalls, Sorgen. Gut ausgebildete Tierärzte wurden gebraucht. Da Frankreich 1761 in Lyon die erste und 1765 in Alfort die zweite „Tierarzneischule“ eröffnet hatte, schickte von Lindenau den „Hofchirurigus“ Christoph Friedrich Weber zusammen mit dem Schmied Johann Gottlob Hirsch nach Frankreich. Nach ihrer Rückkehr, dies war so um 1768, besaß der Marstall dann zwei ausgebildete „Ross-Ärzte“.


Doch in Dresden gab es natürlich mehr Pferde als die des Königs, und auch das Vieh in den Höfen um Dresden erkrankte an den verschiedensten Seuchen. Außerdem hatten Weber und Hirsch wohl in höchsten Lobestönen von den französischen tierärztlichen Bildungseinrichtungen gesprochen. Wie auch immer, Graf v. Lindenau unterbreitete 1772 seinem Landesherren den Vorschlag, eine staatliche Tierarztschule zu gründen. Erfolglos, es fehlte wohl an Geld, da aus der Geschichte bekannt ist, dass der damals regierende König Albert sonst offen für Neues war.

Oberross-Arzt Christoph Friedrich Weber wollte sich mit der Absage aber nicht abfinden und eröffnete 1774 eine private „Roß-Arzney-Schule“. Leider wurde der Mann nur 34 Jahre und starb schon 1778. Zum Glück ließ Oberstallmeister v. Lindenau nicht zu, dass der Tod des Gründers auch der Tod der Schule war. Er sorgte dafür, dass die Landesregierung Webers Erben die Schule mit allem Zubehör abkaufte. Am 7. Oktober 1780, so vermeldet es die Chronik, begann in der jetzt Staatlichen Tierarzneischule zu Dresden der Unterricht. Allerdings lauschten anfangs nur 20 bis 30 Schüler den Vorträgen. Auch muss das Klima an der Schule alles andere als lernfördernd gewesen sein. So gab es, als die Brüder Reutter die Schule leiteten, sogar eine Anzeige, weil diese Schulleiter die Schule als Privatanstalt betrachteten und mächtig in die eigene Tasche wirtschafteten. Eine ordentliche Schulstruktur entwickelte sich erst ab 1817 nach der Angliederung der Staatlichen Tierarzneischule an die Medizinisch-Chirurgische Akademie Dresden. Die Ausbildung dauerte jetzt zwei Jahre, war aber mehr oder weniger „Anhängsel“ der humanmedizinischen Ausbildung. Um dies zu ändern, übernahm 1856 eine „Commission für das Veterinärwesen“ die Oberaufsicht über die Tierarzneischule. In den folgenden Jahren wurden jeweils zwei naturwissenschaftliche und veterinärmedizinische Lehrstühle errichtet. Der Unterrichtsplan legte die Dauer des Studiums auf sieben Semester fest. Außerdem wurde das „Primat eines Gymnasiums“ für ein Studium nötig.

Die Zahl der Studenten stieg auf 200 und auch die Zahl der berufenen Professoren und Dozenten nahm zu. Den Aufschwung belegte außerdem das Baugeschehen an der Zirkusstraße, dem Standort der Schule. Und im Rahmen der 800-Jahr-Feier des Hauses Wettin erhielt die Schule 1889 durch Kabinettsorder des regierenden sächsischen Königs Albert endlich den Status „Königlich Sächsische Thierärztliche Hochschule“.

Jetzt verließ mancher Student als Doktor die Schule. Der Lehrplan wies neue Fächer aus, darunter Kunst-, Literatur-, Kulturgeschichte und Rechtskunde. Neue Lehrstühle und Institute wurden eingerichtet, das Forschungsprogramm erweitert.

Dies und der nun gute Ruf der Hochschule, es lernten hier Studenten selbst aus Übersee, führte zu Platzmangel. Für notwendige Erweiterungsbauten fehlte auf dem Hochschulgelände Pillnitzer/Zirkusstraße aber der Platz. So wurden 1911 erste Stimmen laut, die vorschlugen die Dresdner Hochschule der Leipziger Landesuniversität anzuschließen. Zunächst kämpften die Stadtverordneten und der Rat der Stadt für den Verbleib der Hochschule in Dresden. Noch 1912 hielt Oberbürgermeister Gustav Otto Beutler einen „Vortrag über die Erhaltung der nach der Hochschule in Dresden und die Errichtung einer Universität selbst“. Doch alle Bemühungen verhindern nicht, dass 1914 beschlossen wurde, die „Thierärztliche Hochschule zu Dresden“ nach Leipzig zu verlegen. Es war die kostengünstigste Lösung. Durch den Ersten Weltkrieg verzögert, begann dann im Wintersemester 1923/24 der Lehrbetrieb an der neuen Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig. In das verwaiste Hochschulgebäude in Dresden zogen neue Mieter ein, beispielsweise die Deutsche Fotothek.

11. Dresdner Geschichtsmarkt mit dem Thema „Die Geschichte von Bildung und Wissenschaft in Dresden“, 28. Februar, 10 bis 17 Uhr, 1. März, 10 bis 15 Uhr, TU-Veranstaltungsgebäude, Nöthnitzer Straße 46

Dresdens Hochschule für Pferdedoktoren. Kranke Rösser führten zur Gründung einer tierärztlichen Bildungseinrichtung. Sie bestand bis 1914.] SZ vom 14. Februar 2015