Projekt:Eine queerfeministische Kritik der GND
Diese Seite beschreibt ein Projekt zu Systemen der Erschließung, durchegführt von einer Studentischen Hilfskraft im Studiengang Informationsmanagement an der Hochschule Hannover.
Im Projekt wurde die Terminologie und Systematik der Gemeinsamen Normdatei zu Themen von Gender und Sexualität analysieren, und Lernmaterial erstellen, um Studierenden der Informationswissenschaft an kritische Betrachtung der Erschließung heranzuführen.
Hintergründe
BearbeitenLiteratur ist global und divers. Die Systeme zur Katalogisierung dieser Werke, wie sie in wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken angewendet werden, sind jedoch vorrangig aus der Perspektive von weißen cis hetero Männern mit akademischem Hintergrund entstanden, die in Institutionen westlicher Kolonialmächte arbeiteten. So zum Beispiel die international verwendeten Library of Congress Subject Headings (LCSH), die im späten 19. Jahrhundert in den USA entstanden, und, obwohl einige der Begriffe in späteren Jahren durch weniger anstößige ersetzt wurden, immer noch durch ihre Struktur problematische Hierarchien schaffen, die zum Beispiel Homosexualität und Sexualstraftaten auf die gleichen Regale sortieren, und weiße Menschen als den Standard setzen, dem alle Anderen als Sonderkategorie untergeordnet sind.
Einerseits können Inhalte nicht angemessen facettiert klassifiziert werden, beispielsweise queer-feministische Literatur, andererseits werden Inhalte verzerrt repräsentiert, beispielsweise durch post-kolonialistische Perspektiven. Im Hinblick auf Knowledge Equity braucht es daher eine neue Auseinandersetzung mit den überholten Systemen, eine kritische Betrachtung überkommener Katalogisierungs-Strukturen und die Integration marginalisierter Perspektiven, um zu erweitern, wie Literatur gesamtgesellschaftlich kategorisiert und navigiert werden kann.
Das Projekt
BearbeitenAnstoß zu dem Projekt gab eine Session auf der 30. Ausgabe der internationalen Konferenz BOBCATSSS im Jahr 2023 in Oslo. Dort wurde das Profil einer Queer-Community-Bibliothek in Deutschland vorgestellt, sowie einige der Probleme und Herausforderungen für verschiedene Mitglieder der Community hinsichtlich des Inhalts und der Organisation der Bibliothekssammlung. Thema war insbesondere das Klassifizierungssystem der Bibliothek, das auf einem identitätsbasierten System basierte, das von der jüngeren Generation der Nutzer als altmodisch und unintuitiv angesehen wurde und oft zu einer inkonsistenten Klassifizierung von Medien führte, die auf der individuellen Voreingenommenheit von Bibliothekaren beruhte, insbesondere wenn es um Belletristik ging.
Dazu auch die Erfahrung im Studium des Informationsmanagements, in dem sich eher wenig mit kritischen und theoretischen Hintergründen der Erschließungssystemen und dem Bibliothelkswesen generell beschäftigt wurde.
Was ist die GND?
BearbeitenDie Gemeinsame Normdatei (GND) ist eine kooperativ erstellte Sammlung von Normen für die einheitliche Beschreibung von Personen, Körperschaften, Konferenzen, Geografika, Sachbegriffen und Werken, um die Auffindbarkeit und Vernetzug von Informationen möglich zu machen. Sie wird von Bibliotheken im deutschsprachigem Raum für die Erschließung und Katalogisierug verwendet. Damit werden Sucheinstiege bereitgestellt, die es möglich machen, ausführliche Information zu einer Vielzahl an Themen zu finden. (für mehr Information, die Info-Seiten der GND: https://gnd.network/Webs/gnd/DE/UeberGND/ueberGND_node.html) In diesem Projekt werden besonders die Sachbegriffe, aber auch einige Personen und Werk-Datensätze beachtet.
Warum Kritik an der GND?
BearbeitenEs lohnt sich immer, ein Werkzeug, das man benutzt, auch zu verstehen. Wenn das Ziel der Erschließung ist, Information bzw. Medien auffindbar zu machen, ist es wichtig, dass Begriffe einheitlich angewandt werden, *und* dass sie nicht veraltet und dadurch missverständlich sind.
Die Regeln und Normen der Erschließung vermitteln den Zugriff auf das Wissen und haben dadurch Einfluss darauf, wie dieses Wissen aufgenommen wird. Der Kontext in dem Konzepte präsentiert werden ist ein Ausdruck von historisch gewachsenen Assoziationen und Einordnungen. Dabei erscheinen einige davon relativ Wertneutral: der Sachbegriff Sonne ist unter „Astronomie, Weltraumforschung“ systematisiert, mit Verbindungen zu Begriffen wie „Himmelskörper“ und „Sonnenfinsternis“. Selbst hier aber findet man allerdings auch andere Interpretationen des Begriffs Sonne, die davon nicht ganz akkurat dargestellt sind, so wie z.B. Werke der Astrologie. Suchende, die sich beim Stöbern im virtuellen Regal mit der Aufschrift „Sonne“ befinden, werden also mit allen diesen Assoziationen der Sonne durchmischt konfrontiert. Vielleicht sind dadurch sowohl die mit astrologischem als auch solche mit astronomischem Interesse irritiert. Beim Betrachten der Systematik könnte sich die Astronomin erleichtern fühlen, dass ihr Fach ernst genommen wird, der Astrologe allerdings gekränkt, dass das gesellschaftliche Vorurteil gegen sein Handwerk abgebildet ist.
Es soll jeder Person freigestellt sein, welche (Vor)Urteile über die Studie von Himmelskörpern sie für gerechtfertigt hällt. Wenn wir als Gesellschaft allerdings Vorurteile über Menschengruppen als nicht mehr wünschenswert halten, sollten wir dies auch in unseren Bibliotheken und Wissenssystemen zum Ausdruck bringen. Denn schließlich beeinflusst die Art und Weise, wie Wissen aufgefunden und erlangt wird auch das neue Wissen, was daraus geschaffen werden kann: wenn nur bestimmte Schemen und Assoziationen aufgezeigt werden, ist es um einiges schwieriger, neue Bahnen für Möglich zu halten.
Das Beispiel Queer
BearbeitenDiese Kritik kann in viele Richtungen verfolgt werden, und wird auch. [further reading] In diesem Projekt widme ich mich den Begriffen, die für LGBT+ Menschen und Thematik verwendet werden. Die Wahl der Begriffe selber, die Systematik, de Relationen zwischen den Begriffen, und auch die tatsächliche Anwendung bei der Katalogisierung von Werken.
Es gibt einige Aspekte, die im Betracht auf diese Thematik immer wieder vorkommen, und die es sich lohnt etwas zu erörtern.
Das Verständnis von (sowohl Selbstverständnis als auch Interpretation von Außerhalb) und die Begriffe für queere Identitäten haben sich in den Letten 100 Jahren oft geändert, und tuen es noch immer. Das Wort ‚queer‘ als Oberbegriff, und auch als Fachbereich wie in „queer studies“ ist seit ca. den 1980er Jahren in diesem Sinne existent. In englischsprachigen Ländern wurde bis vor kurzem „gay“ nicht nur für schwule Männer sondern für alle nicht-heterosexuellen Personen angewandt. In der Mitte des 20. Jahrhundert wurden Menschen, die sich heute vielleicht trans* nennen würden als Transvestiten bezeichnet.
Damit einher geht die Entwicklung des Verständnisses, was für eine Art von Konzept „quere-sein“ ist. Kurz und einfach gefasst, hat sich die Auffassung von Queerness (sowohl im Sinne von gleichgeschlechtlichen Beziehungen als auch Geschlechtsausdruck und -identität außerhalb der Gesellschaftsnormen) in der westlichen Welt von einer Sünde, zu einem Sexualverbrechen, zu einer Krankheit entwickelt hat. Mittlerweile ist Homosexualität nicht mehr als psychiatrische Diagnose aufgeführt, aber Transgeschlechtlichkeit befindet sich noch immer in den Diagnosehandbüchern.
Diese Veränderung der Begrifflichkeiten bereitet ein Problem für die Katalogisieren, da ältere Werke durch die Veränderung des Erfassungsvokabulars leicht in den falschen Bezügen landen können, und somit für Forschende unauffindbar werden.
Ein anderer Aspekt, der eine Rolle spielt ist die Benennung des Norms, und das othering das dadurch geschieht. Was bedeutet es, wenn es Schlagwörter für queere Leben gibt, aber nicht das heterosexuelle? Werke über queere Menschen werden markiert, queere Menschen werden also als Objekt der Wissenschaft designiert. Heterosexuelle Leben allerdings wird durch die Nichtbenennung als „normal“ als nicht weiter beachtenswert oder der Erforschung nötig gemacht— wobei sowohl die Heterosexualität für die Wissenschaft interessant zu erforschen wäre, als auch queere Menschen Respekt als mehr als ein wissenschaftliches Objekt zusteht. Das drückt sich auch in der Systematik stark aus: besonders Intergeschlechtlichkeit ist nur unter medizinischen Katogieren zu finden, nicht unter gesellschaftlichen oder kulturellen. Inter* Menschen sehen ihre Identität nur als Krankheitsbild repräsentiert.
Verlauf des Projekts
BearbeitenZiele
BearbeitenUrsprünglich war geplant, mit dem Projekt zwei Ziele zu verfolgen: einmal die Analyse der GND selbst, wie diese mit queeren Themen, Sexualität und Geschlecht umgeht, und dann die Nachverfolgung des historischen Diskurses über die Entwicklung der GND, wie Entscheidungen über das Vokabular getroffen wurden und wie es sich mit der Zeit veränderte. Leider war letzteres aus Zeitgründen (noch) nicht möglich.
Methodik
Bearbeiten- Sammlung und Analyse der Begriffe in der GND
- was ist das Vokabular, welche Begriffe werden verwendet, was ist markiert und was nicht
- was ist die Systematik der Begriffe, ist Pathologisierung vorhanden
- historischer Diskurs zur GND
- wie ist der heutige Zustand gewachsen?
- Anwendungen der Begriffe
- mit was für Werken und Personen werden die Begriffe verbunden
Hauptwerkzeig der Analyse war der Explorer der GND, der es möglich macht, Begriffe und ihre Verbindungen sehr anschaulich darzustellen und die Verbindungen zwischen ihnen sichtbar zu machen. Hier zum Beispiel der Begriff LGBT und seine Relationen. Mithilfe dieses Tools und mit Stichwortsuchen wurde eine <Liste von Begriffen> angefertigt. Dazu wurde auch die Systematik und die unmittelbaren hierarchischen Verbindungen festgehalten. Auch verwendet wurde der Onlinekatalog der Deutschen Nationalbibliothek, in dem nach den Schlagwörtern aus der GND gesucht werden kann.
Begriffe in der GND
BearbeitenBegriff | Direkte Oberbegriffe | Systematik |
---|---|---|
Abweichendes Sexualverhalten | Sexualverhalten | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie; 27.18 Sexualmedizin |
Analerotik | Erotik | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie |
Analverkehr | Sexualverhalten | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie; 5.3 Sozial-, Kultur- und Völkerpsychologie; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Androgynie <Medizin> | Intersexualität | 27.18 Sexualmedizin ; 27.9d Urologie, Nephrologie, Andrologie; 27.11 Gynäkologie, Geburtshilfe |
Aromantik | Sexuelle Orientierung | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Asexualität | Sexuelle Orientierung | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Barebacking | Analverkehr | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 5.3 Sozial-, Kultur- und Völkerpsychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Bisexualität | Sexuelle Orientierung | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Bisexuelle Frau | - | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Bisexueller | - | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Crossdresser | - | 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Cunnilingus | Sexualverhalten; Oralerotik | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 5.3 Sozial-, Kultur- und Völkerpsychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Cybersex | Sexualverhalten | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 5.3 Sozial-, Kultur- und Völkerpsychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten ; 30 Informatik, Datenverarbeitung |
Drag King | Travestie | 15.2 Kabarett, Zirkus, Varieté |
Drag Queen | Travestie | 15.2 Kabarett, Zirkus, Varieté |
Drittes Geschlecht | Geschlechtsidentität | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Fellatio | Sexualverhalten; Oralerotik | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 5.3 Sozial-, Kultur- und Völkerpsychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Flirt | Sexualverhalten | 5.5 Angewandte Psychologie, Psychohygiene ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Frauenforschung | Geschlechterforschung | 9.2a Sozialwissenschaften allgemein, Soziologische Theorien |
Gender | Geschlechterforschung | 9.2a Sozialwissenschaften allgemein, Soziologische Theorien ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten ; 6.1b Geistes- und Kulturgeschichte |
Generatives Verhalten | Sexualverhalten | 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Geschlechterforschung | Forschung | 9.2a Sozialwissenschaften allgemein, Soziologische Theorien |
Geschlechtsidentität | Identität | 5.1a Psychologie (Allgemeines), Experimentelle Psychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Gynandrie | Intersexualität | 27.9d Urologie, Nephrologie, Andrologie ; 27.18 Sexualmedizin ; 27.11 Gynäkologie, Geburtshilfe ; 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie |
Heterosexualität | Sexuelle Orientierung | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie |
Homosexualität | Sexuelle Orientierung, Homotropie | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Homosexueller | - | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Homotropie | - | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie |
Intersexualität | - | 27.18 Sexualmedizin ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Kothi | Drittes Geschlecht | 17.1 Volkskunde, Völkerkunde (Allgemeines) ; 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Lesbe | - | 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Lesbische Orientierung | Sexuelle Orientierung | 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten ; 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie |
LGBT | Sexuelle Orientierung; Geschlechtsidentität | 23.1a Biologie allgemein ; 27.3e Harn- und Geschlechtsorgane ; 5.3 Sozial-, Kultur- und Völkerpsychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Männerforschung | Geschlechterforschung | 6.5 Wissenschaft ; 9.2a Sozialwissenschaften allgemein, Soziologische Theorien |
Nichtbinäre Geschlechtsidentität | Geschlechtsidentität | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Oralerotik | Erotik | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie |
Päderastie | Homosexualität; Pädophilie | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Pansexualität | Sexuelle Orientierung | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie |
Psychofemininität | Intersexualität | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie |
Psychomaskulinität | Intersexualität | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie |
Sexualverhalten | Verhalten | 25.2b Tiersoziologie, Tierökologie, Tiergeografie, Verhaltensforschung ; 26 Anthropologie ; 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 5.3 Sozial-, Kultur- und Völkerpsychologie ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Sexuelle Orientierung | - | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie |
Transgender | - | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Transsexualität | Geschlechtsidentität | 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie ; 27.13 Neurologie, Psychiatrie ; 27.18 Sexualmedizin ; 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten |
Transsexuelle Frau | - | 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Transsexueller | - | 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Travestie | - | 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Verführer | - | 6.1b Geistes- und Kulturgeschichte |
Verführerin | - | 6.1b Geistes- und Kulturgeschichte |
Waria | Drittes Geschlecht; Crossdresser | 17.1 Volkskunde, Völkerkunde (Allgemeines) ; 9.3b Bevölkerung, Sozialstruktur, Soziale Situation, Soziale Bewegungen |
Analyse: Queerness in der GND
BearbeitenDie Begriffe
BearbeitenOben findet sich eine Tabelle der Sachbegriffe, die eim Rahmen dieses Projkets in der GND gefunden worden, mit ihren hierarchischen Assoziationen und der Systematik. Dabei wurde realtiv breit gedacht, und zum Vergleich auch Begriffe aufgenommen, die mit Sexualität und Geschlecht generell zu tun haben.
Es gibt relativ viele Begriffe für eine Diversität von Identitäten, was eine positive Einstellung für Inklusion andeutet. Auch Heterosexualität und Heteronormativität sind vorhanden. Es fehlen aber als Gegenstück zu Transgender und Transsexualität das Word Cisgender. Es ist auch nicht ganz klar, wie der Unterschied zwischen Transgender und Transsexualität definiert ist.
Es gibt auch verschiedene Personenbezeichnungen, sowohl für Männer (z.B. "Homosexueller", "Bisexueller") als auch für Frauen ("Lesbe", "Bisexuelle Frau"). Dazu mehr unten unter Anwendung. Für manche der Angegebenen Identitäten sind Personenbezeichnungen nicht vorhanden.
Interessant ist der Begriff "Travestie", unter dem sich Drag Queen und Drag King befinden, der aber auch doppelten Dienst als die Bezeichnung für das Literaturgenre macht.
Systematik
BearbeitenDie Systematik der GND kann auf den Webseite der DNB nachgelesen werden: GND Systematik.
Am offensten vertreten sind in Kategorie 5 „Psychologie, Esoterik“ der Unterpunkt 5.2 Entwicklungspsychologie, Vergleichende Psychologie und in 9 „Soziologie, Gesellschaft, Arbeit, Sozialgeschichte“ den Punkt. 9.3d Sozialisation, Sozialverhalten.
Bei Begriffen, bei denen es um Sexualverhalten geht (z.B. "Analverkehr", "Flirt") auch 5.3 Sozial-, Kultur- und Völkerpsychologie und 5.5 Angewandte Psychologie, Psychohygiene.
Wir sehen die Pathologisierung der Intergeschlechtlichkeit darin, dass nur in ihren Unterbegriffen 27 „Medizin“ vertreten ist, in den Kategorien 27.9d Urologie, Nephrologie, Andrologie, 27.18 Sexualmedizin, und 27.11 Gynäkologie, Geburtshilfe“.
Anwendung
BearbeitenPersonen
BearbeitenBei der Betrachtung der Personenbezeichnungen im GND Explorer viel auf, dass der Begriff Transexueller eine Verknüpfung als Beruf von Veronica Friedman angegeben ist. Friedman war eine US-amerikanische trans* Frau, deren Nachlass im Archiv der GLBT Historical Society in Kalifornien liegt. (https://oac.cdlib.org/findaid/ark:/13030/c85m66bh/) Als Quelle für die Metadaten in der GND ist die Library of Congress angegeben, die in der Tat einen Personendatensatz für Friedman enthält: Friedman, Veronica M., 1945-1986. Berufsbezeichnungen sind darin aber nicht enthalten, wurden also nicht einfach übernommen.
Es ergeben sich hier zwei problematische Aspekte. Einmal wurde hier Misgendering (also das Verwenden des falschen Geschlechts) begangen: es sollte, da sowohl „Transexueller“ als auch „Trasexuelle Frau“ als Sachbegriffe verfügbar sind, der korrekte, weibliche Begriff verwendet werden.
Die gewählte Relation macht auch stutzig. Berufe und Tätigkeitsbereiche dienen in der GND dazu, Personen zu individualisieren (als charakteristische Berufs- oder Tätigkeitsbezeichnung ist bei Friedman „Historische Persönlichkeit“) verzeichnet, aber eine Person so auf ihre Geschlechtsidentität zu reduzieren, dass diese als Tätigkeit aufgeführt wird, ist wieder eine Instanz von Othering. Die Begriffe Frau und Mann sind bei keiner Person als Berufe aufgeführt, sondern als thematischer Bezug, wenn sich ihre Werke mit dem Thema beschäftigen.
Der Sachbegriff Transgender (wohlgemerkt: ein Adjektiv) ist mit 28 Personen mit einer thematischen Relation verbunden, einmal, mit Christine Beynon als charakteristischer Beruf (und damit ausschlaggebender zur Individualisierung als ihre als weiterer Beruf aufgeführte Tätigkeit der Fotografin), und zweimal als Beruf, bei Kitt Thomas und Kitana Kiki Rodriguez.
Vermutlich wurden diese Datensätze im Zuge der Erschließung der Werke dieser Personen erstellt. Die Uneinigkeiten in der Anwendung zeigen das fehlende Wissen und Bewusstsein der Erschließenden.
Werke
BearbeitenPersonen werden relativ selten mit queeren Sachbegriffen verbunden: die Anwendung bei Werken kommt häufiger vor und ist wahrscheinlich auch öfter relevant: Nutzende in Bibliotheken werden meistens auf der Suche nach Werken sein. Im Laufe dieses Projekts wurden einige Sachbegriffe auf die mit ihnen erschlossenen Werke untersucht. Dazu wurden Suchen im Katalog der DNB durchgeführt. (Trefferzahlen sind alle Stand August 2024)
Heterosexualität und Homosexualität
BearbeitenWie werden die Schlagwörter für sexuelle Orientierung angewandt? Sehen wir hier das Othering von queeren Themen in ihrer Hervorhebung und Heterosexualität als unmarkiertes Norm?
Suche | Trefferzahl |
---|---|
Aromantik | 2 Werke |
Asexualität | 4 Werke |
Bisexualität | 74 Werke |
Heterosexualität | 28 Werke |
Homosexualität | 1733 Werke |
Lesbische Orientierung | 592 Werke |
LGBT | 201 Werke |
Pansexualität | 1 Werk |
In der Deutschen Nationalbibliothek sind 1733 Werke unter dem Thema Homosexualität katalogisiert. Und 592 unter Lesbische Orientierung. Für Heterosexualität sind es hingegen 28. Davon sind die Hälfte auch mit Homosexualität beschlagwortet. (Suche nach Heterosexualität NOT Homosexualität ergibt 14 Treffer). Aber sagt das etwas über die GND aus? Es ist vielleicht auch der Fall, dass Heterosexualität, da es immer noch als „normal“ angesehen wird, einfach wissenschaftlich weniger erforscht wird.
In der Belletristik sind 297 Bücher mit „Homosexualität“ verschlagwortet, und 314 mit „Lesbische Orientierung“ Die Suche nach „Heterosexualität“ in der Belletristik ergibt keine Treffer, obwohl nicht wenige heterosexuelle Liebesromane in der DNB katalogisiert sind.
Transgender, Transexualität etc.
BearbeitenZum Thema trans* enthält die GND sowohl den Begriff Transgender als auch Transsexualität. Ein Blick in die Metadaten zeigt, dass Transsexualität in 1988 zuerst erfasst wurde und Transgender in 2008 dazukam. Das passt zur Geschichte der Begriffe an sich, doch ist nicht klar, wie sie in der Erschließung voneinander abgegrenzt sein sollen. In der Systematik sieht man, dass die Transsexualität eher in medizinische und Transgender eher in soziale Kategorien eingeordnet ist, aber ein Blick über die Werke lässt keinen klaren Trend erkennen.
Transsexueller gibt es seit 1992, Transexuelle Frau aber erst seit 2013. Das erklärt bestimmt zum Teil, dass mit ersterem 49 Werke erschlossen sind, und mit „Transexuelle Frau“ nur 13 Werke. Allerdings finden sich unter „Transexueller“ auch noch Bücher, in denen es um trans* Frauen geht.
Es gibt auch einige Verschlagwortungen, die komplett fehlerhaft zu sein scheinen, wie z.B. das Buch Mein intersexuelles Kind, welches die Schlagwörter Transsexualität, Transsexueller, Kinderheilkunde, und Kinderkrankheit trägt, aber nicht das auch seit 1988 existierende Schlagwort Intersexualität.
Offene Fragen
BearbeitenEs gibt zum Thema Queerness in der GND noch viele offene Fragen. Besonders die geschichtliche Entwicklung der Begriffe und wie sich die Anwendung verändert hat könnte weiter erforscht werden. Eine umfassende Untersuchung des Katalogs der DNB zu den Werken, die mit verschiedenen Schlagwörtern erfasst sind, würde vielleicht noch interessante Trends aufzeigen. Der Eindruck, der am Ende dieses Projekts entsteht, ist dass eine gewisse Verwirrung oder ungleiche Auffassungen der Begriffe unter den Katalogisierenden besteht.
Literatur
BearbeitenEine Literaturliste findet sich auf Zotero: Projektbibliothek auf Zotero