Projekt:FE Auswerteverfahren 1/Schnee/Methoden/Optische Verfahren/SCIAMACHY

SCIAMACHY Bearbeiten

Ein wesentliches Problem in der Fernerkundungsforschung ist die Unterscheidung von Wolken und Schnee- bzw. Eisoberflächen, da diese ähnliche Reflexionseigenschaften im sichtbaren Licht aufweisen. Hier wird eine Methode vorgestellt, die neben der Wolkenbestimmung auch eine Differenzierung von Wolken und Schnee / Eis mit so genannten SCIAMACHY-Messungen erlaubt.

Spektrometer SCIAMACHY Bearbeiten

SCIAMACHY („SCanning Imaging Absorption SpectroMeter for Atmospheric ChartographY“) ist ein Deutsch-Niederländisch-Belgisches Instrument an Bord des ESA-Satelliten ENVISAT, welcher am 1. März 2002 startete und seitdem in einer polaren sonnensynchronen Umlaufbahn in 800 km Höhe die Erde umkreist. SCIAMACHY dient primär der Messung von verschiedenen Spurengasen (z.B. Kohlendioxid, Stickstoff, Methan) in der Troposphäre. Weiterhin registriert SCIAMACHY reflektiertes und zurückgestrahltes Sonnenlicht in 8 Kanälen zwischen 240 und 2380 nm bei einer spektralen Auflösung von 0,2 – 1,5 nm (Kanäle 1 – 6: 240 – 1750 nm; IR-Kanäle 7 und 8: 1940 – 2040 nm und 2265 – 2380 nm). Jedoch können insbesondere Wolken und Verunreinigungen in der Atmosphäre wie z.B. Aerosole bei der Erfassung der Gase hinderlich sein und machen Messdaten demzufolge unbrauchbar. Zur Lösung des Problems werden daher verschiedene Wolkenerkennungs-Algorithmen verwendet.

Der Vorgänger von SCIAMACHY, das „Global Ozone Monitoring Experiment“ (GOME) an Bord des europäischen Forschungssatelliten ERS-2, erfasst Messdaten im Wellenlängenbereich von 240 – 790 nm bei einer spektralen Auflösung von 0,2 – 0,4. Dieser Bereich im Spektrum reicht jedoch nicht aus, um eine hinreichende Differenzierung von Wolken und Schnee zu ermöglichen. SCIAMACHY Messungen arbeiten deshalb in einem größeren Wellenlängenbereich von 450 nm bis 1600 nm, welcher die Unterscheidung von Wolken und Schnee zulässt.

SCIAMACHY ist ein hoch polarisationsempfindliches Instrument. Deshalb misst SCIAMACHY die Polarisation von reflektiertem Licht mit Hilfe von 7 Breitband-Detektoren, die man als „Polarisation Measurement Devices“ (PMD) bezeichnet. PMDs besitzen eine höhere räumliche Auflösung als herkömmliche Spektrometer und sind in der Lage, vermehrt räumliche Details von Wolken und Schnee / Eis zu erfassen.

PMD
Wellenlänge [nm]
1
310–365
2
455-515
3
610-690
4
800-900
5
1500-1635
6
2280-2400
7
800-900

(U-sensitiv)

SPICI-Methode Bearbeiten

Die zur Bestimmung von Wolken und Schnee / Eis auch genannte „SCIAMACHY PMD Identification of Clouds and Ice / Snow“ - Methode (SPICI) besteht aus mehreren verschiedenen Wolkenerkennungs-Algorithmen und nutzt den Wellenlängenbereich von 1,6 μm, in welchem Schnee- und Eisoberflächen eine deutlich geringere Reflexion aufweisen als Wolken. Durch diesen spektralen Unterschied im Reflexionsvermögen ist eine Differenzierung realisierbar.

Algorithmus Bearbeiten

Der hier angewendete Algorithmus besteht aus 2 Arbeitsschritten:

1. Schritt Bearbeiten

Im ersten Schritt werden nur die PMDs 2, 3 und 4 genutzt, die das Vorkommen einer weißen Fläche im sichtbaren Licht erfassen. Dies können Wolken, aber auch Schnee- und Eisoberflächen sein. Wolken erscheinen im sichtbaren Spektrum weiß, da die Wasser- bzw. Eispartikel einer Wolke viel größer sind als die Wellenlänge der Strahlung. Schnee und Eis besitzen Kristalle, die das gesamte Lichtspektrum der einfallenden Strahlung in alle Richtungen reflektieren. Somit erscheinen sie ebenfalls weiß. Dieser so genannte „Weißgrad“ wird vorläufig für die Wolkenerkennung verwendet.

Die PMD-Signale sind wie folgt gewichtet:

  • W4 = SPMD4 / Ar
  • W3 = SPMD3 / Ag
  • W2 = SPMD2 / Ab

Ar, Ag, Ab sind dabei die gewichteten Faktoren mit den Werten 0.795, 1.000 und 0.750 und W der gewichtete PMD-Output. Aufgrund der hohen Polarisationsempfindlichkeit wird PMD 1 hierbei nicht verwendet.

Die Sättigung bzw. der Weißgrad für jede Beobachtungsszene kann aus folgender Formel abgeleitet werden:

Saturation = (max(W4,W3,W2) − min(W4,W3,W2)) / (max(W4,W3,W2))

Max bedeutet dabei den höchsten, Min den jeweilig niedrigsten Wert von W4, W3, W2 für jede Messung. Die Sättigung kann daher Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Sie ist niedrig, wenn alle 3 PMDs gleich hell sind (=weiß) und hoch bei unterschiedlichem PMD-Output. Gebiete mit geringer Sättigung besitzen dementsprechend einen hohen Weißgrad, welcher auf Wolken bzw. Schneeoberflächen hindeutet. Die Festlegung eines Schwellenwertes erfolgt für alle Szenen, die als bewölkt (oder schneebedeckt) betrachtet werden, mit einem Sättigungswert unterhalb des Schwellenwertes. Für die Herleitung und Bestimmung der Sättigungs-Schwellenwerte von SCIAMACHY werden noch MODIS-Daten des Satelliten Terra herangezogen und miteinander verglichen. Der Vergleich liefert als Ergebnis einen Schwellenwert von 0,35 für die Sättigung. Über bzw. gleich 0,35 bedeutet wolkenfrei, unterhalb 0,35 deutet auf Wolken bzw. Schnee / Eis hin.

2. Schritt Bearbeiten

Da noch keine Unterscheidung zwischen Wolken und Schnee / Eis erfolgte, erfasst der zweite Schritt wolkenfreie Messungen über Schnee- und Eisdecken mit Hilfe von Infrarot-Messungen. Für die Differenzierung wird der PMD-Kanal 5 im Wellenlängenbereich von 1,6 μm verwendet. Im nahen Infrarot haben Wasser und Eis ein stark unterschiedliches Reflexions- bzw. Absorptionsvermögen, welches darauf zurück zu führen ist, das Schnee / Eisoberflächen bei 1,6 μm einen höheren Brechungsindex und einen größeren effektiven Partikelradius aufweisen. Auch sei hier auf das Problem von Eispartikeln in Wolken hinzuweisen, welche ähnliche Eigenschaften wie Eisdecken auf der Erdoberfläche besitzen und eine Unterscheidung beeinträchtigen können. Der kleinere effektive Partikelradius (15 μm zu 200 μm) und das geringere Absorptionsvermögen von Eiswolken lässt eine mögliche Differenzierung dennoch zu. Für den SPICI-Algorithmus wird somit der Unterschied der Absorption bei 1,6 μm für die Abgrenzung von Wasser / Eiswolken und Schnee / Eisoberflächen ausgenutzt.

Zur Verbesserung der Unterscheidung werden die PMD 5 mit PMD 4 im Wellenlängenbereich von 850 nm normalisiert. Der Reflexionsgrad von Schnee / Eisdecken ist bei 850 nm etwas größer als bei Wolken. Dabei wird das Verhältnis von PMD 5 und PMD 4 gebildet, das aus Messungen von SCIAMACHY und Vergleichen mit MODIS-Daten einen Schwellenwert von 0,16 hervorbringt. Dies verbessert eine Abgrenzung von Wolken und Schnee / Eis. Das Verhältnis SPMD 5 / SPMD 4 ≤ 0.16 schließt auf Schnee / Eis, ≥ 0.16 deutet auf Wolken hin. Für Beobachtungen über der Antarktis oder Studien, die weniger sensitiv zu Wolken sind, kann auch ein höherer Schwellenwert von 0,4 verwendet werden. Aufgrund des zu geringen Signal / Rausch-Verhältnisses sind Messungen mit PMD 6 ungeeignet.

Nachfolgend werden alle Parameter noch einmal zusammengefasst:

Wolkenfrei : Sat ≥ 0.35

Schnee / Eis  : Sat < 0.35 & SPMD 5 / SPMD 4 ≤ 0.16

Wolken : Sat < 0.35 & SPMD 5 / SPMD 4 ≥ 0.16

Validierung Bearbeiten

Da die SCIAMACHY PMDs radiometrisch unkalibriert sind, werden der SPICI-Algorithmus und die dazugehörigen Schwellenwerte ein letztes Mal mit den räumlich hoch auflösenden MODIS-Daten vom Erdbeobachtungssystem EOS-Terra verglichen. Diese Daten sind Beobachtungen über Grönland, Atlantischer Ozean und Ost-Kanada, welche mit bewölkten, wolkenlosen und Eis / Schnee-Szenen innerhalb des gleichen Orbits gegenübergestellt werden. Die folgende Tabelle stellt den quantitativen Vergleich zwischen SPICI und MODIS dar, die die Anzahl der Übereinstimmungen bzw. Fehlklassifikationen der Beobachtungen aufzeigt.

SPICI
MODIS
counts
All
All
7552
Cloud
Cloud
3479
Cloud
Clear
143
Cloud
Mixed
1781
Clear
Cloud
136
Clear
Clear
917
Clear
Mixed
1096

Insgesamt wurden 7552 Beobachtungen verglichen, wobei ca. 48% der Messungen bewölkt (Cloud), 14% wolkenlos (Clear) und 38% weder bewölkt noch wolkenlos (Mixed) waren. SPICI identifizierte hierbei 96% der von MODIS als bewölkt erfasst worden ebenfalls als bewölkt. Nur 4% wurden fehlklassifiziert. Des Weiteren ist eine Übereinstimmung der beiden Beobachtungen für wolkenlos mit 87% gegeben. Hier wurden nur 13% fehlerhaft erkannt. Dies zeigt die gute Übereinstimmung zwischen MODIS und SPICI.

Zusammenfassung Bearbeiten

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die SPICI-Methode durch eine einfache Anwendung mit nur wenigen erforderlichen Parameter-Einstellungen und Werten charakterisiert ist. Die Schwellenwerte sind meist von der Nutzung der Daten abhängig und können mühelos den notwendigen Kriterien angepasst werden.

(Krijger and Schrijver (2005))

--Emx 14:45, 30. Aug. 2007 (CEST)