Versuche und mathematische Betrachtungen am (Mira-) Spiegel


Vorgeschichte

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Es ist ein paar Semester her, da durfte ich einer Bewerbungs- Vorlesung beiwohnen. Der Dozent behandelte das Thema „Dynamik im Geometrieunterricht“. Eine seiner Methoden war die Verwendung eines Mira-Spiegels, um geometrische Figuren, die auf Arbeitsblättern abgebildet waren, auf eine andere Stelle zu „projizieren“, um zum Beispiel die Kongruenz von Dreiecken zu überprüfen. Er stellte noch weitere schülergerechte Aufgaben vor.

Eine der Betrachtungen stellte heraus, dass der Abstand Figur – Abbildung immer doppelt so groß ist, wie der Abstand Figur – Spiegel.

Nun ist die Abbildung aber kein reelles, sondern ein virtuelles Bild. Man sieht nur Bildpunkte auf dem Spiegel, auf dem Papier ist nichts. Also betrachtete ich die Abbildung auf dem Spiegel etwas genauer, und stellte fest, dass sie mit zunehmenden Abstand Figur – Spiegel zunächst auf diesem „hoch rutschte“, dann aber kaum noch veränderte, obwohl sich der Abstand Figur – Abbildung weiterhin wie oben beschrieben verhielt. Ich stellte dem Dozenten die Frage, wie dieses Phänomen zu erklären sei. Aus dem Stehgreif konnte er meine Frage (verständlicherweise) nicht beantworten. Er hielt es aber für eine sehr interessante Frage, der ich selbst einmal nachgehen sollte.

Also machte ich mich daran, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich stellte einige Überlegungen an. Probierte ein wenig mit Spiegeln herum. Rechnete verschiedenes, erstellte eine Excel-Grafik, die mir verschiedene Grafen für verschiedene Ausgangssituationen lieferte, und war zunächst zufrieden mit meinen Ergebnissen. Dann verschwand das Projekt in der Schublade. Bis zu diesem Seminar.

Was ist ein Mira-Spiegel

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Der MIRA-Spiegel (Zauberspiegel) ist ein halbdurchlässiger Spiegel, der es ermöglicht, das Spiegelbild und Objekte hinter dem Spiegel in Beziehung zu setzen. Eine abgeschrägte Zeichenkante verhindert, dass das Spiegelbild versetzt wird. Sie gestattet dadurch ein genaues Abzeichnen des Spiegelbilds. (aus: http://www.didaktik.mathematik.uni-wuerzburg.de/roth/dynageo/mira_spiegel/index.html)

Der Mira-Spiegel ist physikalisch gesehen ein ganz normaler Spiegel. Seine reflektierenden Eigenschaften lassen sich mit der Reflexion von Licht an ebenen Flächen erklären. Der einzige Unterschied zu einem nicht durchlässigen Spiegel ist eben seine Halbdurchlässigkeit.

Für das hier zu beobachtende Phänomen ist es nicht nötig durch den Spiegel hindurchschauen zu können. Deshalb verwende ich für die Versuche ganz normale undurchlässige Spiegel. Da mir dieses Phänomen aber beim Umgang mit einem Mira-Spiegel aufgefallen ist, spreche ich im Weiteren meist vom (Mira-) Spiegel.

Aufgaben für die Seminarteilnehmer

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Versuche mit dem (Mira-) Spiegel
Um zu verstehen, was überhaupt mit „rutschenden“ Bildpunkten gemeint ist, muss man das Phänomen gesehen haben. So sollten die Studenten und Studentinnen die Höhe der Bildpunkte durch Messen bestimmen. Insgesamt gibt es fünf grundlegende Ausgangssituationen, in der der Spiegel, das Objekt und die Augenebene in Beziehung stehen. Für diese Fünf Ausgangssituationen wurde jeweils eine Messung durchgeführt. Zu Details der Messungen siehe Anhang.

erwartete Ergebnisse
Selbstverständlich hatte ich Probemessungen an den Tischen durchgeführt, an denen Die Studentinnen und Studenten während des Seminars die Messungen durchführen sollten. Im Folgenden sind die Ergebnisse abgebildet. So oder wenigstens so ähnlich sollten die Messergebnisse aussehen.

  Hier sind einmal die benötigten Materialien zu sehen. Zum einen natürlich ein Spiegel mit Zentimetermaß. Dieser sollte justierbar sein, um ihn möglichst exakt in die Senkrechte zur Unterlage bringen zu können. Eine Augenebene (Trichterloch Visier) mit feststehender Augenhöhe, und natürlich ein Objekt. Ein an einer Seite abgeschrägtes und geschwärztes Holzstück.

 
 

Im Versuch ermittelte Ergebnisse
 
 

Mathematische Betrachtung

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Ermittlung der die Grafen beschreibenden Funktionen
Messungen allein reichen natürlich noch nicht aus, um Aussagen über den Verlauf eines Grafen anzustellen. Hierzu bedarf es eines geeigneten Modells, um die geeigneten Funktionen formulieren zu können. Als Modell wird folgendes verwendet:
 
Hier noch einmal eine Skizze des Modells, in dem der „Strahlengang“ mit abgebildet ist.
 
Die Vorgehensweise zur Ermittlung der Funktionen ist im Prinzip recht einfach. Im Grunde genommen haben wir rechtwinkelige Dreiecke zu berechnen. Benötigt werden also Winkelfunktionen und Strahlensätze. Da wir den Verlauf von Bewegungen betrachten möchten, fügen wir ein ∆f hinzu, was eben dieses ausdrücken soll.


1. Fall
 
∆s2 = (∆a+∆f)/tanα = (∆a+∆f)/((∆b+∆a+2∆f)/ ∆e) = (∆a+∆f)*( ∆e/(∆b+∆a+2∆f))


2. Fall
 
∆s2 = (∆a+∆f)/tanα = (∆a+∆f)/((∆b+∆a+∆f)/ ∆e) = (∆a+∆f)*( ∆e/(∆b+∆a+∆f))


3. Fall
 
∆s2 = (∆a+∆f)/tanα = (∆a+∆f)/((∆b+∆a+2∆f)/ ∆e) = (∆a+∆f)*( ∆e/(∆b+∆a+2∆f))


4. Fall
 
∆s2 = (∆a+∆f)/tanα = (∆a+∆f)/((∆b+∆a+2∆f)/ ∆e) = (∆a+∆f)*( ∆e/(∆b+∆a+2∆f))


5. Fall
 
∆s2 = ∆a/tanα = ∆a/((∆b+∆a+∆f)/ ∆e) = ∆a*( ∆e/(∆b+∆a+∆f))


grafische Darstellung der gefundenen Funktionen
 
Die gefundenen Gleichungen habe ich in eine entsprechende Excel Tabelle implementiert und eine Grafik erstellt. Offensichtlich wurden Funktionen gefunden, welche die Bewegung der Bildpunkte auf dem Spiegel beschreiben. Erstaunlich ist, jedenfalls meiner Auffassung nach, dass die Grafen: 1. Fall, 3. Fall und 4. Fall durch die selbe Gleichung beschrieben werden. Alle drei Grafen wurden durch Verschiebung des Spiegels erzeugt. Lediglich die Ausgangssituationen waren verschieden. Diese drei Grafen lassen sich auch ineinander überführen, und laufen mit steigendem ∆f gegen ∆e/2, wie später noch zu betrachten ist.

Plausibilitätsbetrachtung der Grenzwerte
Theoretisch müssten die Grenzwerte durch eine mathematisch korrekte Grenzwertbetrachtung ermittelt werden. Ich beschränke mich hier aber auf eine Plausibilitätsbetrachtung, in dem ich die Schrittweite in der Excel-Tabelle auf 15cm einstelle. Damit werden die Grenzwerte der jeweiligen Grafen auch sehr deutlich.
 

Weitere Betrachtungen der entstandenen Grafen

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Symmetrie zweier Grafen
Auf den ersten Blick sind die Grafen 2. Fall und 5. Fall nicht so recht mit den übrigen Fällen in Verbindung zu bringen. Der Graf 2. Fall wird durch Verschiebung des Objektes erzeugt, der Graf 5. Fall durch Verschiebung der Augenebene. Setzt man bei beiden den Startwert ∆a und ∆b jeweils auf 20cm ergibt sich folgendes Bild:
 
Offenbar ist der Graf 4. Fall Symmetrieachse zu Graf 2. Fall und 5. Fall. Das müsste allerdings bewiesen werden. Beweisidee: Die Funktion 2. Fall liefert für ein bestimmtes ∆f das entsprechende ∆s. Nennen wir es P. Analog liefert Funktion 5. Fall ein Q. Die Funktion 4. Fall liefert ∆e/2 (für ∆f>0). Wenn nun P-∆e/2 den gleichen Betrag ergibt, wie ∆e/2-Q, die Funktionen also symmetrisch zum Grafen 4. Fall sind, müsste P-2(P-∆e/2)=Q ergeben.

P-2(P-∆e/2)=Q
P-(2P-2∆e/2)=Q
P-(2P-∆e)=Q
P-2P+∆e=Q
-P+∆e=Q

 
Auf diesem Wege ergibt sich tatsächlich die Funktionsgleichung für den Grafen 5. Fall. Die Grafen 2. Fall und 5. Fall sind somit symmetrisch. #

Betrachtung 4. Fall
Der Graf 4. Fall stellt eine kleine Besonderheit dar. Er ist als einziger Graf keine Kurve im klassischen Sinn, sondern eine Gerade mit f(∆f)= ∆e/2. Grafisch scheint das auch für ∆f=0 zu gelten. In unserer Betrachtung funktioniert das tatsächlich, da wir die Startwerte für ∆a und ∆b auf 20cm gesetzt haben. Wenn keine Verschiebung betrachtet wird, sondern nur eine explizite Situation, gilt die Gleichung:

∆s=∆a*(∆e/(∆b+∆a))

Setzen wir den Startwert für ∆a=0, muss auch ∆b=0 gesetzt werden, denn eine Bedingung heißt: ∆a=∆b. Damit haben wir sofort eine Division durch null, und die ist bekanntlich nicht definiert. Das entspricht der Situation: Augenebene und Objekt liegen am Spiegel direkt an. In dieser Situation existiert keine Abbildung auf dem Spiegel. Oder unendlich viele? Es ist eben nicht definiert.


Datei:Versuchsblatt-gesamt.pdf
Datei:Mathematische Betrachtung.pdf