Projekt:Menschenrechtsprobleme/Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten
Pressemitteilung Bundesverfassungsgericht 20. Mai 2021
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Nr. 31/2021 vom 20.05.2021
Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zur Verfassungsmäßigkeit des BAföG-Bedarfssatzes für Studierende
Die Regelung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG), nach der im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 ein monatlicher Bedarf für Studierende in Höhe von 373 Euro galt (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG), verstößt nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts gegen den aus dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf chancengleichen Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten folgenden Anspruch auf Gewährleistung des ausbildungsbezogenen Existenzminimums (Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG - in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG). Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Vereinbarkeit des Bedarfssatzes mit den genannten Bestimmungen des Grundgesetzes zur Entscheidung vorzulegen.
Die Klägerin studierte im Wintersemester 2014/2015 an einer staatlichen Hochschule in Deutschland. Sie erhielt für den Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 unter Anrechnung elterlichen Einkommens Ausbildungsförderung nach Maßgabe der Bestimmungen des BAföG. Die entsprechenden Förderungsbescheide griff die Klägerin mit der Begründung an, der für den fraglichen Zeitraum geltende Bedarfssatz für Studierende sei in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen. Ihre auf höhere BAföG-Leistungen gerichtete Klage blieb vor den Verwaltungsgerichten in erster und zweiter Instanz erfolglos.
Nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Festlegung des Bedarfssatzes im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 mit dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten (Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) nicht vereinbar.
Dieses Teilhaberecht verpflichtet den Gesetzgeber, für die Wahrung gleicher Bildungschancen Sorge zu tragen und im Rahmen der staatlich geschaffenen Ausbildungskapazitäten allen entsprechend Qualifizierten eine (Hochschul-) Ausbildung in einer Weise zu ermöglichen, die den Zugang zur Ausbildung nicht von den Besitzverhältnissen der Eltern abhängig macht, sondern ihn so gestaltet, dass soziale Gegensätze hinreichend ausgeglichen werden und soziale Durchlässigkeit gewährleistet wird.
Obgleich dem Gesetzgeber dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, ist eine den Mindestanforderungen gerecht werdende Förderung verfassungsrechtlich geboten, die verhindert, dass das tatsächliche Gebrauchmachen von dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht nicht an einer unzureichenden finanziellen Ausstattung von Ausbildungswilligen scheitert.
Weil dies voraussetzt, dass die materiellen Anforderungen für die Durchführung der Ausbildung gesichert sind, folgt aus dem Teilhaberecht ein Anspruch auf staatliche Förderung für diejenigen, die ihr ausbildungsbezogenes Existenzminimum nicht aus eigenen oder von Seiten Dritter (Eltern etc.) zur Verfügung gestellten Mitteln bestreiten können und deren Zugang zur Ausbildung, obgleich sie die subjektiven Zugangsvoraussetzungen erfüllen, ohne eine entsprechende staatliche Unterstützung aus tatsächlichen Gründen vereitelt oder unzumutbar erschwert würde.
Dem ist der Gesetzgeber mit der Zielsetzung, Chancengleichheit zu ermöglichen, zwar in der Weise nachgekommen, dass er einen Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nach Maßgabe des Gesetzes einräumt, der den Lebensunterhalt und den Ausbildungsbedarf des Studierenden decken soll (§ 1, § 11 Abs. 1 BAföG).
Allerdings ist er nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts mit der konkreten Festlegung des hier im Streit stehenden Bedarfssatzes hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährleistung eines ausbildungsbezogenen Existenzminimums für den von ihm als förderungswürdig und -bedürftig ausgewiesenen Personenkreis zurückgeblieben.
Die Ermittlung des Bedarfssatzes unterliegt der Prüfung, ob der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat.
Dieser Prüfung hält der streitige Bedarfssatz nicht stand. Eine den vorgenannten Anforderungen gerecht werdende Festsetzung kann unter anderem deshalb nicht nachvollzogen werden, weil das gewählte Berechnungsverfahren im Unklaren lässt, zu welchen Anteilen der Pauschalbetrag auf den Lebensunterhalt einerseits und die Ausbildungskosten andererseits entfällt und diese abdecken soll. Zudem fehlt es an der im Hinblick auf die Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten gebotenen zeitnahen Ermittlung des entsprechenden studentischen Bedarfs. Hier lag der Festsetzung aus dem Jahre 2010, die bis 2016 galt, eine Erhebung aus dem Jahr 2006 zugrunde.
Weil das Bundesverwaltungsgericht als Fachgericht nicht befugt ist, die Verfassungswidrigkeit eines Parlamentsgesetzes selbst festzustellen, hat es das Revisionsverfahren ausgesetzt und die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
BVerwG 5 C 11.18 - Beschluss vom 20. Mai 2021
Vorinstanzen:
OVG Lüneburg, 4 LC 392/16 - Beschluss vom 27. November 2018 -
VG Osnabrück, 4 A 87/15 - Beschluss vom 17. November 2016 -
Grundgesetz-Artikel
BearbeitenWortlaut
BearbeitenArtikel 12 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
Artikel 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Artikel 20 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
Problemstellung
BearbeitenBAföG-Satz verfassungswidrig? BVerwG wendet sich an das BVerfG
Erschienen am 26.05.2021
BAföG-Satz verfassungswidrig? BVerwG wendet sich an das BVerfG
Hat der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraum ein zur Bemessung taugliches Berechnungsverfahren gewählt?
Ist der BAföG-Satz verfassungswidrig? Eine Studentin klagte erfolglos vor dem LG und dem OVG. Doch das BVerwG ist von der Verfassungswidrigkeit überzeugt. Nun ist das BVerfG gefragt.
Worum geht es?
„Liebe Studierende, Ihnen steht die Welt offen.“ Mit diesen Worten werden Studierende auf der Seite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung begrüßt, wenn sie sich für BAföG interessieren. Unter der Abkürzung für das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist die staatliche finanzielle Förderung für die Ausbildung zu verstehen. Der monatliche Höchstsatz beträgt 861 Euro, der Bedarfssatz für Student:innen, die noch bei den Eltern wohnen, liegt bei 427 Euro monatlich.
Doch der Bedarfssatz war mal niedriger und gab einer Psychologie-Studentin aus Osnabrück Anlass, dagegen zu klagen. Mittlerweile hat ihre Klage das BVerwG erreicht und sorgt für Spannung: Die Leipziger Richter:innen sind davon überzeugt, dass eine Regelung aus dem BAföG verfassungswidrig sei – und wendet sich an das BVerfG.
Verletzung des verfassungsrechtlichen Teilhaberechts?
Im betroffenen Wintersemester 2014/2015 bekam die Studentin, die zu diesem Zeitpunkt bei ihren Eltern wohnte, einen BAföG-Satz in Höhe von 373 Euro. Diese Höhe war in § 13 I Nr. 2 BAföG vorgesehen. Diese Förderung wurde unter Anrechnung des elterlichen Einkommens bestimmt. Gegen die Förderungsbescheide zog die Klägerin vor Gericht, der Bedarfssatz für Studierende sei in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen. Vor den Verwaltungsgerichten hatte sie in erster und zweiter Instanz allerdings keinen Erfolg.
Anders ist es nun beim BVerwG: Das in Leipzig sitzende Bundesgericht ist davon überzeugt, dass § 13 I Nr. 2 BAföG verfassungswidrig sei. Die Norm verstoße gegen den aus dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf chancengleichen Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten folgenden Anspruch auf Gewährleistung des ausbildungsbezogenen Existenzminimums, heißt es in einer Mitteilung. Ein solcher Anspruch sei verfassungsrechtlich garantiert und ergebe sich aus mehreren Grundrechten, namentlich aus Art. 12 I, Art. 3 I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 I GG. Das Teilhaberecht nehme den Gesetzgeber in die Pflicht, für die Wahrung gleicher Bildungschancen Sorge zu tragen. Allen entsprechend Qualifizierten müsse eine Ausbildung ermöglicht werden, deren Zugang nicht von den Besitzverhältnissen der Eltern abhängig gemacht werde. Dem Gesetzgeber komme dabei zwar ein weiter Gestaltungsspielraum zu, doch dieser müsse so gestaltet sein, dass soziale Unterschiede hinreichend ausgeglichen werden.
Sozialstaatsprinzip, Art. 20 I GG
Dass der Bedarfssatz im Wintersemester 2014/2015 mit 373 Euro festgelegt war, sei mit dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten nicht vereinbar – und somit nach Auffassung der Leipziger Richter:innen verfassungswidrig. Der Gesetzgeber sei mit dieser Höhe der finanziellen Unterstützung hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährleistung eines ausbildungsbezogenen Existenzminimums zurückgeblieben.
Gericht kritisiert Berechnungsverfahren
Insbesondere bemängelte der Leipziger Senat das Berechnungsverfahren, sprich: Wie kam der Gesetzgeber auf die Summe der Förderungsmittel? Das BVerwG stellt beginnend klar:
Die Ermittlung des Bedarfssatz unterliegt der Prüfung, ob der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraum ein zur Bemessung taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat.
Dabei müsse berücksichtigt werden, ob sich der Gesetzgeber „mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk“ innerhalb des Berechnungsverfahren bewegt habe. Dies sei im vorliegenden Verfahren für das BVerwG nicht erkennbar. Aus dem gewählten Berechnungsverfahren für die Höhe des Satzes lasse sich nicht nachvollziehen, zu welchen Anteilen der Pauschalbetrag auf den Lebensunterhalt einerseits und die Ausbildungskosten andererseits entfalle und welche er abdecken soll. Außerdem seien die Zahlen, die die Grundlage für die Berechnung bilden, veraltet. Die Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten werden dabei an dem studentischen Bedarf gemessen. Für das Wintersemester 2014/2015 wurden diese allerdings anhand von Daten aus dem Jahr 2006 berechnet. Dies stößt bei dem BVerwG auf Kritik.
BVerwG wendet sich an BVerfG
Das Anliegen der Studentin geht damit in die nächste Runde: Nachdem sie beim VG Osnabrück und das OVG Lüneburg erfolglos war, spricht die Entscheidung des BVerwG eine andere Sprache. Es wird sehr deutlich, dass die Richter:innen von der Verfassungswidrigkeit der BAföG-Höhe überzeugt seien.
Allerdings hat das BVerwG nicht die Kompetenz, die Verfassungswidrigkeit des Parlamentsgesetzes selbst festzustellen. Aus diesem Grund hat es das Revisionsverfahren ausgesetzt und die Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Gemäß § 31 II BVerfGG haben bestimmte Entscheidungen des Karlsruher Gerichts Gesetzeskraft, wozu insbesondere die Entscheidungen bezüglich der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm zählen.
Und diese Entscheidung wird mit Spannung erwartet: Zwar richtet sich die Klage der Studentin „nur“ gegen die damalige Förderung, die mittlerweile erhöht wurde. Es ist aber durchaus möglich, dass die Verfassungsrichter:innen die Möglichkeit nutzen und Grundsätzliches zur Berechnungsweise und Höhe des BAföGs sagen.
Schaue Dir hier die (prüfungs-) relevanten Lerninhalte oder weiterführenden Beiträge zu diesem Thema an:
Konkrete Normenkontrolle, Art. 100 GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG
Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 I GG
Berufsfreiheit, Art. 12 I GG
Sozialstaatsprinzip, Art. 20 I GG
Relevante Lerneinheiten
Staatszielbestimmungen, Art. 20, 20a GG
Konkrete Normenkontrolle, Art. 100 GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG
Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 I GG
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Konkrete Normenkontrolle Art. 100 GG
BearbeitenAufbau der Prüfung - Konkrete Normenkontrolle, Art. 100 GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG
Die konkrete Normenkontrolle gehört zu den staatsorganisationsrechtlichen Verfahrensarten vor dem Bundeverfassungsgericht. Die konkrete Normenkontrolle betrifft die Überprüfung einer Norm anlässlich eines konkreten Rechtsstreits und ist in Art. 100 GG und in den §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG geregelt. Beispiel: A wird Adressat einer Abrissverfügung und klagt gegen diese. A ist der Auffassung, dass die streitentscheidenden Normen, die der Landesbauordnung, verfassungswidrig sind. Auch die Prüfung der konkreten Normenkontrolle gliedert sich in deren Zulässigkeit und Begründetheit.
A. Zulässigkeit
I. Zuständigkeit
In der Zulässigkeit setzt die konkrete Normenkontrolle zunächst die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts voraus. Diese folgt aus Art. 100 GG und den §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG.
II. Vorlageberechtigung, Art. 100 GG
Weiterhin verlangt die konkrete Normenkontrolle eine Vorlageberechtigung. Vorlageberechtigt ist gemäß Art. 100 GG das Gericht. Mithin legt im Rahmen der konkreten Normenkontrolle das Gericht dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob das streitentscheidende Gesetz, verfassungswidrig ist.
III. Antragsgegenstand, Art. 100 GG
Ferner fordert die konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 GG einen Antragsgegenstand. Danach sind tauglicher Antragsgegenstand Bundesgesetze und Landesgesetze, wobei für diese Gesetze gilt, dass es formelle nachkonstitutionelle Gesetze sein müssen.
Formelle Gesetze sind solche, die in einem parlamentarischen Verfahren zustande gekommen sind. Gegenbegriff hierzu sind Gesetze im nur materiellen Sinne. Beispiel: Rechtsverordnungen. Nachkonstitutionelle Gesetze sind solche Gesetze, die nach Inkrafttreten des Grundgesetzes in Kraft getreten sind, also nach dem 23.05.1949. Das BGB ist am 01.01.1900 in Kraft getreten. Damit wäre es eigentlich ein vorkonstitutionelles Gesetz und könnte nicht zum Gegenstand einer konkreten Normenkontrolle gemacht werden. Allerdings hat der nachkonstitutionelle Gesetzgeber das BGB dadurch übernommen, indem er daran immer wieder Änderungen vorgenommen hat. Daher bezieht sich die konkrete Normenkontrolle auch auf das BGB. Als Argument für diese Einschränkung wird der Sinn und Zweck der konkreten Normenkontrolle angeführt. Die konkrete Normenkontrolle diene dem Schutz der Würde des Bundestags. Bei rein materiellen Gesetzen und vorkonstitutionellen Gesetzen sei die Würde des Bundestages nicht betroffen, da dieser diese Gesetze nicht beschlossen hat. Solche Gesetze könnten daher auch von einem einfachen Richter für verfassungswidrig erklärt werden.
IV. Antragsbefugnis, Art. 100 GG
Darüber hinaus erfordert die konkrete Normenkontrolle gemäß Art. 100 GG eine Antragsbefugnis. Hiernach muss das Gericht das Gesetz für verfassungswidrig halten, also von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt sein. Beispiel: Teilt der Richter die Auffassung des A, muss er die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Teilt er die Meinung des A nicht, trifft ihn keine Vorlagepflicht. Allerdings kann A weiter durch alle Instanzen klagen und dann im Zweifel Verfassungsbeschwerde erheben.
V. Form, §§ 80 II, 23 BVerfGG
§ 80 II BVerfGG sieht für die konkrete Normenkontrolle einige Besonderheiten im Rahmen der Form vor. Im Übrigen gilt jedoch § 23 BVerfGG.
(VI. Rechtsschutzbedürfnis)
Zuletzt setzt auch die konkrete Normenkontrolle im Rahmen der Zulässigkeit das Rechtsschutzbedürfnis voraus. Es darf folglich keine einfachere, zumutbare Möglichkeit des Rechtsschutzes geben.
B. Begründetheit
Letztlich ist die konkrete Normenkontrolle begründet, wenn das Gesetz verfassungswidrig ist.
Allgemeiner Gleichheitssatz Art. 3 I GG
BearbeitenAufbau der Prüfung - Allgemeiner Gleichheitssatz, Art. 3 I GG
Der allgemeine Gleichheitssatz ist in Art. 3 I GG normiert. Der allgemeine Gleichheitssatz wird in drei Schritten geprüft.
I. Vergleichspaar
Zunächst setzt der allgemeine Gleichheitssatz ein Vergleichspaar voraus. Dies bedeutet, dass ein genus proximum und ein tertium comparationis vorliegen muss. Das genus proximum ist der nächste Oberbegriff und das tertium comparationis ist das vergleichbare Dritte. Beispiel 1: Äpfel und Birnen. Der nächste Oberbegriff ist hier das Obst. Ausgehend vom Apfel ist die Birne ein anderes (tertium), aber insofern vergleichbar (comparationis), weil es unter denselben Oberbegriff fällt. Beispiel 2: Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten. Oberbegriff ist die Aufhebung von Verwaltungsakten. Ausgehend von der Rücknahme ist der Widerruf ein tertium comparationis, da er etwas anderes darstellt, jedoch unter den gleichen Oberbegriff fällt. Beispiel und Übertreibung zugleich: Sören und Kaffeetasse. Oberbegriff wäre hier die Zusammensetzung aus Atomen. Die Kaffeetasse wäre im Hinblick auf Sören etwas anderes, fällt jedoch unter den gleichen Oberbegriff. Beschwert sich Sören darüber, dass er Steuern zahlen muss und die Kaffeetasse nicht, könnte Art. 3 I GG in Betracht kommen. Hier kann bereits der Oberbegriff verneint oder in der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung ausgestiegen werden.
II. Ungleichbehandlung
Weiterhin verlangt der allgemeine Gleichheitssatz eine Ungleichbehandlung. Diese ist üblicherweise unproblematisch.
III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Zuletzt erfordert auch der allgemeine Gleichheitssatz eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Hier setzt der allgemeine Gleichheitssatz eine zwei- bzw. dreistufige Prüfung voraus.
1. Verfassungsmäßigkeit des Zwecks
Zunächst verlangt der allgemeine Gleichheitssatz die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Zwecks.
2. Verfassungsmäßigkeit des Mittels
Dann fordert der allgemeine Gleichheitssatz die Erörterung der Verfassungsmäßigkeit des Mittels.
3. Verfassungsmäßigkeit der Zweck-Mittel-Relation
Im Einzelfall kann der allgemeine Gleichheitssatz auch die Verfassungsmäßigkeit der Zweck-Mittel-Relation erfordern. Hier geht es um eine engmaschige Verhältnismäßigkeitsprüfung, wie man sie aus der Prüfung eines Freiheitsgrundrechts kennt. Voraussetzung dafür, dass man diesen dritten Punkt prüfen darf, ist eine hohe Belastungsintensität. Ist diese nicht gegeben, ist die Zweck-Mittel-Relation nicht zu prüfen. Diese Prüfung wird auch „Neue Formel“ des Bundesverfassungsgerichts genannt, denn früher wurden nur die ersten beiden Prüfungspunkte erörtert. Eine hohe Belastungsintensität ist indiziert, wenn zugleich Freiheitsgrundrechte betroffen sind und wenn im Übrigen die Betroffenen keinen Einfluss auf die Umstände haben. Letztes Indiz ist die personenbezogene Anknüpfung. Je mehr Indizien vorliegen und je schwerwiegender der jeweilige Aspekt, je eher wird man von einer hohen Belastungsintensität ausgehen können.
Beispiel: Im Transsexuellengesetz gibt es die große Lösung (mit Operation) und die kleine Lösung (nur Namensänderung). Für die große Lösung gibt es keine Altersgrenze. Es ist lediglich die Einholung eines psychologischen Gutachtens erforderlich. Für die kleine Lösung ist das Erreichen der Altersgrenze von 25 Jahren sowie die Einholung eines psychologischen Gutachtens erforderlich. A ist Klaus, wäre aber lieber Susanne. A hat das Alter von 25 Jahren noch nicht erreicht, möchte aber dennoch seinen Namen ändern. A erblickt in dem Transsexuellengesetz eine Ungleichbehandlung. Es wird somit der allgemeine Gleichheitsgrundsatz geprüft. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz setzt zunächst ein Vergleichspaar voraus. Der nächste Oberbegriff ist hier „Personen, die lediglich ihren Namen ändern wollen“. Dabei gibt es die Personen, die unter 25 Jahre alt sind, wie Klaus, und diejenigen, die über 25 Jahre alt sind. Weiterhin erfordert der allgemeine Gleichheitssatz eine Ungleichbehandlung. Diese ist vorliegend gegeben, denn die Personen, die 25 Jahre und älter sind, dürfen ihren Namen ändern, die anderen nicht. Ferner fordert der allgemeine Gleichheitssatz die Erörterung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Ein legitimer Zweck ist gegeben, da die Regelung vor Übereilung einer weitreichenden Entscheidung schützen soll. Der Zweck ist somit für sich genommen nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für das Mittel. Hier wurde eine Altersgrenze gewählt. Das Grundgesetz kennt an verschiedenen Stellen Altersgrenzen, die als probates Mittel verwendet werden. Fraglich ist, ob auch die Zweck-Mittel-Relation verfassungsgemäß ist, ob es also verhältnismäßig war, für diesen Zweck dieses Mittel einzusetzen. Dies ist nur zu prüfen, wenn eine hohe Belastungsintensität vorliegt. Diese ist indiziert, wenn zugleich Freiheitsgrundrechte betroffen sind, kein Einfluss der Betroffenen besteht und personenbezogene Anknüpfung vorgenommen wird. Hier ist das Recht am eigenen Namen betroffen als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das ist zumindest betroffen, wenn man keinen Einfluss auf den eigenen Namen nehmen kann. Zudem wird an das Alter und somit an die Person angeknüpft. Eine hohe Belastungsintensität ist somit indiziert. An dieser Stelle sieht der allgemeine Gleichheitssatz nach der neuen Formel eine engmaschige Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Der Zweck ist, wie bereits erörtert, legitim. Das Mittel ist auch geeignet den erstrebten Zweck zu erreichen, nämlich durch eine Altersgrenze vor Übereilung zu schützen. Zudem müsste die Regelung auch erforderlich sein, es dürfte somit kein milderes Mittel gleicher Eignung vorliegen. Hier hätte man eine niedrigere Altersgrenze wählen oder ganz auf diese verzichten können. Damit wäre die Gefahr der Übereilung jedoch nicht gebannt, sodass keine gleiche Eignung vorliegt. Zuletzt müsste die Regelung auch angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Hier ist zu beachten, dass derjenige, der unbedingt seinen Namen ändern möchte, wegen des Verbotes womöglich eine noch weitergehende Entscheidung treffen und die große Lösung mit Operation wählen wird. Dies ist kontraproduktiv, sodass die Angemessenheit zumindest zweifelhaft ist.
https://jura-online.de/lernen/allgemeiner-gleichheitssatz-art-3-i-gg/309/excursus/
Berufsfreiheit Art. 12 I GG
BearbeitenAufbau der Prüfung - Berufsfreiheit, Art. 12 I GG
Die Berufsfreiheit ist in Art. 12 I GG geregelt. Die Berufsfreiheit wird wie üblich in drei Schritten geprüft: Schutzbereich, Eingriff, verfassungsrechtliche Rechtfertigung.
I. Schutzbereich
1. Persönlich
In persönlicher Hinsicht ist die Berufsfreiheit ein Deutschen-Grundrecht. Dies bedeutet nicht, dass Ausländer nicht arbeiten dürfen, sie genießen lediglich nicht den Schutz des Art. 12 I GG.
2. Sachlich
In sachlicher Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass es sich bei der Berufsfreiheit um ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit handelt. Art. 12 I 1 und 2 GG stellen mithin nicht zwei verschiedene Grundrechte dar. Die Berufswahlfreiheit und Berufsausübungsfreiheit sind derart eng miteinander verknüpft, dass sich dies nicht trennen lässt. Denn übt jemand seinen Beruf aus, manifestiert er damit auch seine Wahl. Beruf ist jede auf Dauer angelegte Tätigkeit, die der Schaffung oder dem Erhalt einer Lebensgrundlage dient. An dieser Stelle kann sich die Frage stellen, ob die Tätigkeit auch erlaubt sein muss. Dies wird in einem gesonderten Exkurs erörtert. Im Einzelfall ist die Berufsfreiheit von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG abzugrenzen. Art. 12 GG schützt den Erwerb, Art. 14 GG schützt das bereits Erworbene.
II. Eingriff
Sodann ist zu prüfen, ob ein Eingriff in die Berufsfreiheit vorliegt. Dies ist im Zweifel jede Verkürzung des Schutzbereichs.
III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er Ausdruck der Schranke der Berufsfreiheit ist.
1. Bestimmung der Schranke
Auch im Rahmen der Berufsfreiheit hat an dieser Stelle die Bestimmung der Schranke zu erfolgen. Hier gilt ein einheitlicher, einfacher Gesetzesvorbehalt. Zwar ist der einfache Gesetzesvorbehalt nur in Art. 12 I 2 GG erwähnt. Er ist jedoch auf Art. 12 I 1 GG auszudehnen, sodass die Berufsfreiheit insgesamt einem einfachen Gesetzesvorbehalt unterliegt. Als Argument dient die Konsequenz aus dem bereits einheitlichen Verständnis des Schutzbereichs. Außerdem kann eine Korrektur über die Verhältnismäßigkeit erfolgen.
2. Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage
Ferner muss die formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage geprüft werden.
a) Formelle Verfassungsmäßigkeit
b) Materielle Verfassungsmäßigkeit
Im Rahmen der materiellen Verfassungsmäßigkeit entfällt das Erfordernis der schrankenspezifischen Anforderungen wegen des einfachen Gesetzesvorbehalts.
aa) Verhältnismäßigkeit
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung muss schließlich eine Gegensteuerung hinsichtlich des einheitlichen Schutzbereichs und Gesetzesvorbehalts stattfinden. Es müssen folglich höhere Anforderungen gestellt werden, je mehr das „Ob“ der Tätigkeit betroffen ist. Dies erfolgt institutionalisiert über die Drei-Stufen-Theorie, welche in einem gesonderten Exkurs erläutert wird.
(bb) Sonstige Anforderungen)
Anschließend ist gegebenenfalls auf die sonstige Anforderungen an die materielle Verfassungsmäßigkeit (Zitiergebot etc.) einzugehen.
3. Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes
Zuletzt ist die Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts zu prüfen, also zu erörtern, ob die Behörde von der verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage in verfassungsmäßiger Weise Gebrauch gemacht hat. Auch hier ist in der Regel nur die Verhältnismäßigkeit des Einzelaktes zu prüfen.
https://jura-online.de/lernen/berufsfreiheit-art-12-i-gg/298/excursus/
Sozialstaatsprinzip, Art. 20 I GG
BearbeitenAktuelle Verankerung des Ausbildungsrechts im Grundgesetz
BearbeitenII. Umfang der Gewährleistung des Art. 12 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip im Hinblick auf das Grundrecht auf einen Ausbildungsplatz
1. Aktuelle Verankerung des Ausbildungsrechts im Grundgesetz
Die ausdrücklichen Ausführungen des Grundgesetzes zum Grundrecht der Ausbildungsfreiheit sind knapp gehalten. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Der historisch von den Erfahrungen des 3. Reichs, insbesondere Zwangsarbeit, Arbeitsdienst und kriegswirtschaftlicher Arbeitszuweisung86, geprägte Wortlaut stellt den Abwehrcharakter des Grundrechts gegen Zwang und staatlichen Dirigismus in den Vordergrund.87
Die Freiheit der Wahl der Ausbildungsstätte wurde auf „Anregung aus studentischen Kreisen“ vom parlamentarischen Rat in die Formulierung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG aufgenommen, denen es in erster Linie um Freiheit der Wahl von Universität und Studiengang ging.88
Entsprechend ist davon auszugehen, dass auch bei der Ausbildungsfreiheit von den Verfasser/-innen des Grundgesetzes zunächst das Freiheits- bzw. Abwehrmoment betont wurde.89
Auch das BVerfG hat schon früh festgestellt, dass die Ausbildungsfreiheit in engem Zusammenhang mit der Berufsfreiheit steht und mit dieser einen einheitlichen Schutzbereich bildet.90
In der Regel ist die Ausbildung die Vorstufe einer Berufsaufnahme, beide sind Bestandteile eines zusammengehörenden Lebensvorganges. Entsprechend gehören zur Ordnung der beruflichen Betätigung auch Regelungen über die hierfür erforderliche Ausbildung.91
Denn insbesondere in Fällen, in welchen eine staatlich regulierte Ausbildung Voraussetzung für die Ergreifung eines Berufs ist, stellt die Regulierung der Ausbildung einen jedenfalls potentiellen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl dar. In der Diktion des BVerfG ist das Voraussetzen einer staatlich anerkannten Abschlussprüfung nichts anderes als das Setzen einer subjektiven Zulassungsvoraussetzung für die Berufswahl.
Die Feststellungen zum Regelungs- und Schutzbereich des Grundrechts auf Ausbildungsfreiheit gem. Art. 12 I GG zeigen, dass dieser mit der Einfügung eines Rechts auf einen Ausbildungsplatz lediglich ausdrücklich um einen positiven Aspekt ergänzt würde; der Schutzbereich an sich ist im Grundgesetz schon vorhanden. Hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung der Ausbildung vor dem Hintergrund der genannten weiteren Grundrechte ist auch kein erheblicher Streit in der Literatur erkennbar, sondern lediglich Nuancen der Betonung.
https://jugendsozialarbeit.de/media/raw/Studie___Fechner_komplett_web_neu.pdf
GEW
BearbeitenKommentar zu 50 Jahre BAföG
BearbeitenKommentar zu 50 Jahre BAföG
Zweifel an Verfassungsmäßigkeit
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hält die Feststellung der Bedarfssätze nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für nicht verfassungskonform. Dies geht aus einem Urteil des Leipziger Gerichts von Ende Mai hervor.
Das Bundesverwaltungsgericht hält die Festlegung der BAföG-Bedarfssätze für verfassungswidrig.
12.07.2021 - Andreas Keller, GEW-Vorstandsmitglied Hochschule und Forschung
Geklagt hatte eine Studentin. Die GEW sieht sich in ihrer Forderung nach einer BAföG-Reform bestärkt und rät zum Widerspruch gegen den letzten BAföG-Bescheid.
Nach Überzeugung des BVerwG ist die Festlegung des BAföG-Bedarfssatzes nicht mit dem „verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten“ vereinbar, heißt es in dem Urteil. Da das BVerwG selbst Gesetze nicht für verfassungswidrig erklären darf, hat es eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beschlossen. Das letzte Wort haben jetzt die obersten Richterinnen und Richter in Karlsruhe.
Widerspruch einlegen und Ansprüche sichern
Konkret zweifelt das BVerwG an, dass der Gesetzgeber im BAföG „ein taugliches Berechnungsverfahren“ für die Höhe der Bedarfssätze gewählt, die dafür relevanten Tatsachen „vollständig und zutreffend ermittelt“ und dies „mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk“ dargelegt hat. Im Ergebnis könnten die BAföG-Sätze als so niedrig angesehen werden, dass sie das über das Grundrecht der Berufswahlfreiheit -garantierte ausbildungsbezogene Existenzminium verletzen. Ihren studentischen Mitgliedern empfiehlt die GEW, Widerspruch gegen ihren letzten BAföG-Bewilligungsbescheid einzulegen.
So können Ansprüche auf BAföG-Nachzahlungen für den Fall gesichert werden, dass das BVerfG der Argumentation des BVerwG folgt und das Gesetz in seiner jetzigen Fassung kippt. GEW-Mitglieder können auf der GEW-Website ein Musterschreiben für einen Widerspruch an die zuständige BAföG-Behörde herunterladen: www.gew.de/bafoeg-widerspruch-pdf. Darüber hinaus können sie sich kostenlos von der Rechtsstelle ihres Landesverbands beraten lassen.
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Politik muss jetzt handeln
Die Entscheidung des BVerwG ist eine schallende Ohrfeige für die Hochschulpolitik der Bundesregierung, die jetzt schnell reagieren muss. Seit seinem Inkrafttreten vor 50 Jahren wurde die Ausbildungsförderung regelrecht heruntergewirtschaftet. Eine umfassende BAföG-Reform gehört daher in das 100-Tage-Programm der neuen Bundesregierung.
Eine vom Deutschen Studentenwerk in Auftrag gegebene Studie hatte den Grundbedarf nach dem BAföG bereits 2016 mit 500 bis 550 Euro beziffert. Heute liegt der Grundbedarfssatz mit 427 Euro immer noch deutlich darunter. Auch mit der Wohnpauschale in Höhe von 325 Euro kann selbst in preiswerten Hochschulstädten eine Wohnung oder ein WG-Zimmer kaum finanziert werden. Das BAföG muss daher in einem ersten Schritt um mindestens 150 Euro angehoben und künftig regelmäßig an Preissteigerungen angepasst werden. Analog zu den Regelungen fürs Wohngeld muss es höhere Wohnzuschüsse in Städten mit besonders hohen Immobilienpreisen geben.
„Langfristig muss das BAföG familienunabhängig und wieder als Vollzuschuss gestaltet werden. Es braucht ein BAföG, das zum Leben reicht.“ (Nathalie Schäfer)
Weitere Forderungen der GEW zielen auf eine kräftige Erhöhung der Elternfreibeträge, die Wiedereinführung der Regelförderung von Schülerinnen und Schülern, die Verlängerung der Förderungshöchstdauer um zwei Semester je Studiengang, die Abschaffung von Altersgrenzen und die Umwandlung des BAföG in einen Vollzuschuss, der nicht zurückbezahlt werden muss. Perspektivisch tritt die Bildungsgewerkschaft für ein elternunabhängiges Studienhonorar ein.
Der Bundesausschuss GEW-Studierende hat außerdem gemeinsam mit Jugend- und Studierendenorganisationen die Petition „50 Jahre BAföG – (k)ein Grund zu feiern!“ initiiert, die unter www.bafoeg50.de online unterzeichnet werden kann. „Langfristig muss das BAföG familienunabhängig und wieder als Vollzuschuss gestaltet werden. Es braucht ein BAföG, das zum Leben reicht“, erklärte Sprecherin Nathalie Schäfer.
https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/zweifel-an-verfassungsmaessigkeit
BAföG 50
BearbeitenPressemitteilungen
Versagen der Bundesregierung gerichtlich bestätigt
Laut Bundesverwaltungsgericht verstößt das BAföG gegen das verfassungsrechtliche Teilhaberecht auf chancengleichen Zugang, da es das ausbildungsbezogene Existenzminimum nicht abdeckt.
Am gestrigen Donnerstag, den 20.05.2021 wurde im Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine BAföG-Revisionsverhandlung geführt. Rechtsanwalt Joachim Schaller vertrat eine Studentin aus Osnabrück. Die Klage berief sich auf den Vorwurf, dass der Bedarfssatz des BAföG verfassungswidrig niedrig war. Die Verhandlung wurde von einer gemeinsamen Kundgebung der bundes- und sachsenweiten Studierendenvertretungen freier zusammenschlus von student*innenschaften (fzs) und Konferenz Sächsischer Studierndenschaften (KSS) sowie zweier ortsansässigen Studierendenschaften aus der Universität und der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig begleitet [1]. Das Bundesverwaltungsgericht ist überzeugt, dass die Feststellung des Bedarfssatzes nicht den verfassungsmäßigen Anforderungen entspricht und legt diese nun dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Der Gesetzgeber habe demnach kein taugliches Berechnungsverfahren gewählt, weshalb die vorgesehene Bedarfssatzermittlung nicht mit dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten vereinbar sei. [2].
Die Studentischen Vertreter*innen waren als Beobachter*innen und Unterstützer*innen im Gerichtssaal anwesend. „Der Rechtsanwalt der Klägerin legte anschaulich dar, dass einige Bedarfssätze des BAföGs sogar unter den Berechnungsgrundlagen von Sozialleistungen nach dem SGB II – wie dem Hartz IV – liegen. Es ist eine Zumutung, dass wir Studierenden weniger Leistungen erhalten als nach dem Grundgesetz geltenden Existenzminimum üblich. Folge ist, dass sich viele Studierende in einer finanziell prekären Lage befinden. Die Richter*innen bekundeten selbst, dass dies auch nicht mit dem Bezug von Kindergeld oder möglichen Nebenjobs bei parallelem Vollzeitstudium zumutbar wäre.“, erläutert Sabine Giese, Sprecherin der KSS und ergänzt: „In der Argumentation des Urteils kommt hinzu, dass im Gegensatz zu den Sozialleistungen das BAföG nicht dynamisiert ist und damit im Vergleich zum Hartz IV nicht gemäß der steigenden Inflation automatisch angepasst wird. Ein angemessenes Berechnungsverfahren wurde vom Gericht grundsätzlich angezweifelt – beispielsweise entstammt die Grundlage, anhand derer die Lebens- und Ausbildungskosten von Studierenden ermittelt wurden, die bis 2016 galten, einer Erhebung aus dem Jahr 2006. Damit wird klar: Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Sie stolpert über eine einfach umzusetzende und seit Jahren geforderte Maßnahme.“
„Der Beschluss des BVerwGs bestätigt unsere Einschätzung, dass diese sogenannte Ausbildungsförderung – verfassungswidrig – nicht einmal das absolute Existenzminimum deckt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat nicht nur jahrelang regelmäßige Berichte und Anpassungen versäumt, es ignoriert auch den grundlegenden Reformbedarf des BAföGs. Wir benötigen eine Studienfinanzierung, die mehr als nur das Existenzminimum abdeckt – und das so schnell wie möglich. Für Vorschläge und Gespräche stehen wir Studierendenvertretungen der Bundesbildungsministerin gern zur Verfügung.“, schließt Jonathan Dreusch, Vorstandsmitglied des fzs.
Über die endgültige Verfassungswidrigkeit des Gesetzes wird nun das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden. Das Verfahren in Leipzig ist bis zu dieser Entscheidung ausgesetzt. Die Studierendenvertretungen sammeln mit einer bundesweiten Kampagne und Petition zur Reformierung des BAföG [3] weiterhin Unterstützer*innen ihrer Vorschläge für ein bedarfsgerechtes Ausbildungsförderungsgesetz.
[1] https://www.fzs.de/2021/05/19/studierende-sind-auch-menschen-bafoeg-muss-die-existenz-sichern/
[2] https://www.bverwg.de/de/pm/2021/31
[3] www.bafoeg50.de
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Sprecher*innen der KSS Sabine Giese – 01522 1874904 und Vorstandsmitglied des fzs Jonathan Dreusch – 0157 72532231.
https://bafoeg50.de/2021/05/21/bundesverwaltungsgericht-haelt-bafoeg-fuer-verfassungswidrig/
Presse
BearbeitenVerlag Beck
BearbeitenDas Bundesverwaltungsgericht hält die BAföG-Regelung, nach der im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 ein monatlicher Bedarf für Studierende in Höhe von 373 Euro galt, für verfassungswidrig. Ob der zugrunde liegende § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG tatsächlich gegen Verfassungsrecht verstößt, soll nun das Bundesverfassungsgericht klären. Das BVerwG sieht einen Verstoß gegen das Recht auf chancengleichen Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten.
BVerwG: Recht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten verletzt
BearbeitenDie Klägerin erhielt für den Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 unter Anrechnung elterlichen Einkommens Ausbildungsförderung nach Maßgabe der Bestimmungen des BAföG. Die entsprechenden Förderungsbescheide griff die Klägerin mit der Begründung an, der für den fraglichen Zeitraum geltende Bedarfssatz für Studierende sei in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen. Ihre auf höhere BAföG-Leistungen gerichtete Klage blieb vor den Verwaltungsgerichten in erster und zweiter Instanz (vgl. OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2019, 600) erfolglos. Nach Überzeugung des BVerwG ist der angegriffene Bedarfssatz mit dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten (Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG) nicht vereinbar. Dieses Teilhaberecht verpflichte den Gesetzgeber, für die Wahrung gleicher Bildungschancen Sorge zu tragen und im Rahmen der staatlich geschaffenen Ausbildungskapazitäten allen entsprechend Qualifizierten eine Ausbildung in einer Weise zu ermöglichen, die den Zugang zur Ausbildung nicht von den Besitzverhältnissen der Eltern abhängig macht, sondern ihn so gestaltet, dass soziale Gegensätze hinreichend ausgeglichen werden und soziale Durchlässigkeit gewährleistet wird.
Tatsächliches Gebrauchmachen von Teilhaberecht darf nicht verhindert werden
BearbeitenObgleich dem Gesetzgeber dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe, sei eine den Mindestanforderungen gerecht werdende Förderung verfassungsrechtlich geboten, die verhindert, dass das tatsächliche Gebrauchmachen von dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht nicht an einer unzureichenden finanziellen Ausstattung von Ausbildungswilligen scheitert. Weil dies voraussetze, dass die materiellen Anforderungen für die Durchführung der Ausbildung gesichert sind, folge aus dem Teilhaberecht ein Anspruch auf staatliche Förderung für diejenigen, die ihr ausbildungsbezogenes Existenzminimum nicht aus eigenen oder von Seiten Dritter zur Verfügung gestellten Mitteln bestreiten können und deren Zugang zur Ausbildung, obgleich sie die subjektiven Zugangsvoraussetzungen erfüllen, ohne eine entsprechende staatliche Unterstützung aus tatsächlichen Gründen vereitelt oder unzumutbar erschwert würde.
Konkrete Festlegung des Bedarfssatzes wird verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerecht
BearbeitenDem sei der Gesetzgeber mit der Zielsetzung, Chancengleichheit zu ermöglichen, zwar in der Weise nachgekommen, dass er einen Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nach Maßgabe des Gesetzes einräumt, der den Lebensunterhalt und den Ausbildungsbedarf des Studierenden decken soll (§ 1, § 11 Abs. 1 BAföG). Allerdings ist er nach Überzeugung des BVerwG mit der konkreten Festlegung des hier im Streit stehenden Bedarfssatzes hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährleistung eines ausbildungsbezogenen Existenzminimums für den von ihm als förderungswürdig und -bedürftig ausgewiesenen Personenkreis zurückgeblieben. Die Ermittlung des Bedarfssatzes unterliege der Prüfung, ob der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat.
Studentischer Bedarf nicht ausreichend zeitnah ermittelt
BearbeitenDieser Prüfung halte der streitige Bedarfssatz nicht stand, meint das BVerwG. Eine den vorgenannten Anforderungen gerecht werdende Festsetzung könne unter anderem deshalb nicht nachvollzogen werden, weil das gewählte Berechnungsverfahren im Unklaren lasse, zu welchen Anteilen der Pauschalbetrag auf den Lebensunterhalt einerseits und die Ausbildungskosten andererseits entfällt und diese abdecken soll. Zudem fehle es an der im Hinblick auf die Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten gebotenen zeitnahen Ermittlung des entsprechenden studentischen Bedarfs. Hier habe der Festsetzung aus dem Jahr 2010, die bis 2016 galt, eine Erhebung aus dem Jahr 2006 zugrunde gelegen. Weil das BVerwG als Fachgericht nicht befugt ist, die Verfassungswidrigkeit eines Parlamentsgesetzes selbst festzustellen, hat es das Revisionsverfahren ausgesetzt und die Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.
GEW fordert BAföG-Reform
BearbeitenDie Bildungsgewerkschaft GEW fordert unterdessen eine grundlegende BAföG-Reform. Die Fördersätze und Freibeträge bei der Ausbildungsfinanzierung müssten kräftig angehoben und automatisch angepasst werden, damit wieder mehr Studierende unterstützt werden könnten, teilte die GEW am Freitag mit. Laut GEW bezogen 1971 noch 45% der Studentinnen und Studenten in Deutschland BAföG - und zwar als Zuschuss, der nicht zurückgezahlt werden musste. Inzwischen bekämen nur noch 11% der Studierenden die Ausbildungsförderung, wobei sie zur Hälfte als Darlehen gewährt werde. "50 Jahre nach dem Start ist das BAföG auf einem historischen Tiefpunkt angekommen", erklärte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller.
zu BVerwG, Beschluss vom 20.05.2021 - 5 C 11.18
Redaktion beck-aktuell, 21. Mai 2021 (ergänzt durch Material der dpa).
Leipzigs Unabhängige Studentenzeitung
BearbeitenBafög-Bedarfssatz muss vor Bundesverfassungsgericht: Geburtstag vor Gericht
Ein Beitrag von: Sarah El Sheimy
Studierende haben vor dem Bundesverwaltungsgericht für eine Reform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Bafög) demonstriert. Anlass war eine Klage über zu niedrige Bedarfssätze.
Im Rahmen der bundesweiten Kampagne „50 Jahre Bafög – (k)ein Grund zu feiern“ haben der Freie Zusammenschluss von Studierendenschaften (FZS), die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften und die Studierendenräte (Sturä) der Universität sowie der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig zu einer Kundgebung aufgerufen. Etwa 20 Teilnehmer*innen versammelten sich vor dem Bundesverwaltungsgericht – eine Stunde bevor dort eine Revisionsverhandlung über die Frage begann, ob die Bafög-Bedarfssätze zu niedrig und damit verfassungswidrig sind.
Das Bundesverwaltungsgericht entschied am Nachmittag, den Bafög-Bedarfssatz von Oktober 2014 bis Februar 2015 dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Für diesen Zeitraum hatte die Klägerin geklagt. „Nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Festlegung des Bedarfssatzes im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 mit dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten nicht vereinbar“, schreiben die Richter*innen in einer Pressemittelung. Das Bundesverwaltungsgericht kann selbst keine Verfassungswidrigkeit feststellen.
Der Anwalt Joachim Schaller, der die Klägerin vertritt, sprach auf der Kundgebung von „Armutsbedarfssätzen“ und argumentierte unter anderem, dass bei der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks eine systematische Untererfassung der Ausgaben Studierender erfolge. Er forderte eine Generalreform des Bafög und empfahl der klagenden Studentin im Falle einer Ablehnung durch das Bundesverwaltungsgericht, eine Verfassungsbeschwerde einzureichen.
„Ich war überrascht, dass es ein Existenzminimum unter dem Existenzminimum gibt“, schloss sich die Sprecherin des HTWK-Stura und der KSS Sabine Giese an. Da die Studierendenvertreter*innen eine größere Versammlung wegen der Pandemie vermeiden wollten, seien sie in Vertretung aller anwesend, die unter den Förderbedingungen litten und etwa ihre Eltern, wenn diese es sich gar nicht leisten könnten, zur Zahlung von Unterhalt verklagen müssten.
Auch Gieses Co-Sprecher Jonas Lück sieht die Existenz der Studierenden durch den Bafög-Halbkredit nicht gesichert, der die „Anhäufung eines Schuldenbergs“ nach sich ziehe. Zusätzlich treffe die Annahme nicht zu, dass Studierende im Gegenzug Aussichten auf gut bezahlte Jobs hätten. Dennoch werde erwartet, dass sie sich neben der 40-Stunden-Woche des Studiums „auch noch mit Billigjobs ihre Freizeit versauen“.
In Pandemiezeiten sei ein weiteres Problem, dass viele Studierende keinen Anspruch auf die ausgezahlten Überbrückungshilfen gehabt hätten. Das sei damit begründet worden, dass ihre Notlage nicht pandemiebedingt gewesen sei, sondern bereits zuvor existiert habe, kritisierte FZS-Vorstandsmitglied Carlotta Kühnemann: „Was ist das denn für eine Argumentation?“
Steuernetz.de Mai 2021
BearbeitenDie BAföG-Regelung, nach der im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 ein monatlicher Bedarf für Studierende in Höhe von 373 Euro galt, verstößt nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) gegen den aus dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf chancengleichen Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten folgenden Anspruch auf Gewährleistung des ausbildungsbezogenen Existenzminimums. Das BVerwG hat deshalb beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage der Vereinbarkeit des Bedarfssatzes mit dem Grundgesetz (GG) zur Entscheidung vorzulegen.
Die Klägerin studierte im Wintersemester 2014/2015 an einer staatlichen Hochschule in Deutschland. Sie erhielt für den Zeitraum Oktober 2014 bis Februar 2015 unter Anrechnung elterlichen Einkommens Ausbildungsförderung nach Maßgabe der Bestimmungen des BAföG. Die entsprechenden Förderungsbescheide griff die Klägerin mit der Begründung an, der für den fraglichen Zeitraum geltende Bedarfssatz für Studierende sei in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen. Ihre auf höhere BAföG-Leistungen gerichtete Klage blieb vor den Verwaltungsgerichten in erster und zweiter Instanz erfolglos.
Nach Überzeugung des BVerwG ist die Festlegung des Bedarfssatzes im Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015 mit dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten nicht vereinbar. Dieses verpflichte den Gesetzgeber, für die Wahrung gleicher Bildungschancen zu sorgen und im Rahmen der staatlich geschaffenen Ausbildungskapazitäten allen entsprechend Qualifizierten eine (Hochschul-) Ausbildung in einer Weise zu ermöglichen, die den Zugang zur Ausbildung nicht von den Besitzverhältnissen der Eltern abhängig macht, sondern ihn so gestaltet, dass soziale Gegensätze hinreichend ausgeglichen werden und soziale Durchlässigkeit gewährleistet wird.
Obgleich dem Gesetzgeber dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe, sei eine den Mindestanforderungen gerecht werdende Förderung verfassungsrechtlich geboten, die verhindert, dass das tatsächliche Gebrauchmachen von dem verfassungsrechtlichen Teilhaberecht nicht an einer unzureichenden finanziellen Ausstattung von Ausbildungswilligen scheitert. Weil dies voraussetze, dass die materiellen Anforderungen für die Durchführung der Ausbildung gesichert sind, folge aus dem Teilhaberecht ein Anspruch auf staatliche Förderung für diejenigen, die ihr ausbildungsbezogenes Existenzminimum nicht aus eigenen oder von Seiten Dritter zur Verfügung gestellten Mitteln bestreiten können und deren Zugang zur Ausbildung, obgleich sie die subjektiven Zugangsvoraussetzungen erfüllen, ohne eine entsprechende staatliche Unterstützung aus tatsächlichen Gründen vereitelt oder unzumutbar erschwert würde.
Dem sei der Gesetzgeber mit der Zielsetzung, Chancengleichheit zu ermöglichen, zwar in der Weise nachgekommen, dass er einen Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung nach Maßgabe des Gesetzes einräumt, der den Lebensunterhalt und den Ausbildungsbedarf des Studierenden decken soll (§§ 1, 11 Absatz 1 BAföG).
Allerdings ist er nach Überzeugung des BVerwG mit der konkreten Festlegung des hier im Streit stehenden Bedarfssatzes hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährleistung eines ausbildungsbezogenen Existenzminimums für den von ihm als förderungswürdig und -bedürftig ausgewiesenen Personenkreis zurückgeblieben. Die Ermittlung des Bedarfssatzes unterliege der Prüfung, ob der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat.
Dieser Prüfung halte der streitige Bedarfssatz nicht stand, so das BVerwG. Eine den vorgenannten Anforderungen gerecht werdende Festsetzung könne unter anderem deshalb nicht nachvollzogen werden, weil das gewählte Berechnungsverfahren im Unklaren lasse, zu welchen Anteilen der Pauschalbetrag auf den Lebensunterhalt einerseits und die Ausbildungskosten andererseits entfällt und diese abdecken soll. Zudem fehle es an der im Hinblick auf die Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten gebotenen zeitnahen Ermittlung des entsprechenden studentischen Bedarfs. Hier habe der Festsetzung aus dem Jahr 2010, die bis 2016 galt, eine Erhebung aus dem Jahr 2006 zugrunde gelegen.
Weil das BVerwG als Fachgericht nicht befugt ist, die Verfassungswidrigkeit eines Parlamentsgesetzes selbst festzustellen, hat es das Revisionsverfahren ausgesetzt und die Frage dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.05.2021, BVerwG 5 C 11.18
ND 29. Juni 2023
BearbeitenPolitik
Studieren in Deutschland
Bafög auf dem Prüfstand
Das Bundesverfassungsgericht befasst sich mit der Ausbildungsförderung
ND Stefan Otto 29.06.2023
Die Hörsäle der Universitäten sind zwar voll, aber viele Studierende müssen noch jobben, um über die Runden zu kommen.
»Studieren ist ein Vollzeitjob«, das steht für Rahel Schüssler vom Freien Zusammenschluss der Student*innenschaften (FZS) außer Frage. Und doch müssen Studierende aus der Not heraus oft neben dem Studium arbeiten. Nicht nur im Einzelfall, worauf Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der Erziehungsgewerkschaft GEW, hinweist, sondern für etwa zwei Drittel der Studierenden ist das Realität. »Im Durchschnitt beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 15 Stunden«, weiß Keller.
Die Folgen sind gravierend: Immer mehr Studierende fühlen sich emotional erschöpft, wie eine repräsentative Forsa-Umfrage für die Techniker Krankenkasse ergeben hat. Vor fünf Jahren noch sprach knapp ein Viertel der Studierenden von einer solchen Erschöpfung, jetzt sind es bereits mehr als ein Drittel.
»Viele Studierende fühlen sich im Stich gelassen«, erklärt Schüssler am Donnerstag auf einer Pressekonferenz der GEW zur Situation der Ausbildungsförderung. »Eigentlich ist es ein Skandal, dass trotz Bafög-Erhöhung im vorigen Jahr der Bedarfssatz noch unterhalb des Existenzminimums liegt.« Das Bafög wurde zum Wintersemester 2022/23 gerade mal um 5,75 Prozent erhöht. Damit werde die Ausbildung zu einem Armutsfaktor, was für Schüssler angesichts des enormen Fachkräftemangels nicht erklärbar ist.
Bewegung in diese sich durch die Inflation noch einmal zuspitzende Situation könnte allerdings schon bald kommen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat angekündigt, sich noch in diesem Jahr zum Bafög zu äußern. Von dieser bundesweiten Ausbildungsförderung, die 1971 eingeführt wurde, um auch jenen ein Studium zu ermöglichen, die nicht aus gut situierten Familien stammen, profitieren derzeit nämlich gerade einmal 13 Prozent der Studierenden.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Bafög hatte im Mai 2021 das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geäußert. Die dortigen Richter kamen zu der Auffassung, dass die Festlegung des Bafög-Bedarfssatzes nicht mit dem »verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten« vereinbar sei. Da das Gericht selbst Gesetze aber nicht für verfassungswidrig erklären darf, hat es eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht beschlossen. Das letzte Wort haben jetzt die obersten Richter in Karlsruhe.
Der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Schaller hat die Klage einer Studentin gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht geführt und so die Überprüfung des Bafög durch das Bundesverfassungsgericht initiiert. Er erläutert, dass für eine abschließende Beurteilung der aktuelle Bedarfssatz herangezogen werde. Der beträgt nach der Bafög-Erhöhung zum vorigen Wintersemester 452 Euro. Für Studierende, die nicht mehr bei ihren Eltern leben, kommen Kosten für die Unterkunft in Höhe von 360 Euro hinzu. Der Bafög-Höchstsatz beträgt also 812 Euro. Das liegt deutlich unter dem Betrag von 930 Euro, den die Düsseldorfer Tabelle als angemessenen Unterhalt für ein studierendes Kind aufführt, das nicht mehr bei den Eltern wohnt.
Für Schaller ist die Sache klar: Durch die niedrigen Bafög-Sätze seien viele Studierende gezwungen, unterhalb der Armutsgrenze zu leben. Denn Zugang zu anderen Sozialleistungen haben sie laut Sozialgesetzgebung nicht. Er hofft darauf, dass das Bundesverfassungsgericht seiner Auffassung folgt. Schließlich werde durch den niedrig gehaltenen Bafög-Satz auch die freie Berufswahl erheblich eingeschränkt, so seine Argumentation. Tatsächlich scheint in Deutschland maßgeblich die Herkunft über die Studienbedingungen zu entscheiden.
Die GEW fordert eine umfassende Reform des Bafög. Der Höchstsatz sollte künftig bei 1200 Euro im Monat liegen. Wichtig sei dabei, so Keller, dass die Förderung auch für ausländische Studierende gilt, die Altersgrenze abgeschafft wird und auch Schüler der Sekundarstufe II wieder in die Förderung aufgenommen werden. Sollten auch die Richter in Karlsruhe den Bafög-Satz beanstanden, dürfte diese Gewerkschaftsforderung Rückenwind bekommen und die Ampel-Regierung erheblich unter Druck stehen, endlich eine grundlegende Bafög-Strukturreform einzuleiten.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174377.studieren-in-deutschland-bafoeg-auf-dem-pruefstand.html
--Methodios (Diskussion) 08:58, 6. Jul. 2023 (CEST)
JW vom 6. Juli 2023
BearbeitenRÜSTUNG UND HAUSHALT Unterm Minimum gekürzt
Haushaltsentwurf 2024 streicht auch die Unterstützung für Schüler und Studenten zusammen. GEW kritisiert »Aushungern« von BAföG-Leistungen
Von Gudrun Giese
Bedarfssätze von Studierenden werden weder an Inflationsentwicklung noch an Preisexplosion auf dem Wohnungsmarkt angepasst
Beim Haushaltsentwurf des Bundesfinanzministeriums für 2024 soll es auch noch der Ausbildungsförderung für Schüler und Studenten an den Kragen gehen. Am Dienstag wurde bekannt, dass Finanzminister Christian Lindner (FDP) beim Etatposten für Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für Studenten die Mittel um 440 Millionen auf 1,37 Milliarden Euro kürzen will, wie es am Mittwoch auf Studis Online hieß.
Auch das Schüler-BAföG soll durch Streichung von 212 Millionen auf dann 551 Millionen Euro reduziert werden. Es verwundere nicht, dass die Bundesregierung angesichts enormer Ausgaben für Militär, Waffenlieferungen an die Ukraine, den Bau von LNG-Terminals und ähnlichem an anderer Stelle spare, zumal Lindner sich weigere, die Steuern zu erhöhen, so Studis Online. Dass es nun Bildung und Forschung treffe, sei jedoch absurd. »Von beiden Bereichen heißt es ja immer wieder, sie wären der wichtigste Rohstoff, über den Deutschland verfüge.«
Der Haushaltsentwurf belege, dass diese »schöne Erzählung ausgedient« habe. Obwohl derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht über die Höhe der BAföG-Bedarfssätze verhandelt werde, streiche Minister Lindner bereits die Leistung zusammen, kritisierte Rahel Schüssler, Vorstandsfrau im Freien Zusammenschluss von Student*innenschaften (FZS) am Dienstag. Das sei grotesk und zeige, dass »Chancengerechtigkeit in Deutschland keinen hohen Stellenwert« genieße. Schon jetzt erhielten Studierende weniger als das gesetzliche Existenzminimum.
Scharfe Kritik kam auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): »Ausgerechnet die Ausbildungsförderung, die einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des Landes leisten soll, will der Finanzminister in sein Streichkonzert einbeziehen«, sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende und Hochschulexperte der Gewerkschaft, Andreas Keller. Auch wenn damit keine nominellen Leistungskürzungen für die Studierenden verbunden seien, werde das BAföG durch die Kürzungen ausgehungert, zumal die Bedarfssätze nicht an die galoppierende Inflation und die Preisexplosion auf dem Wohnungsmarkt angepasst würden.
Damit verschärfe sich die prekäre soziale Lage vieler Studierender und in der Folge der Fachkräftemangel. »Die BAföG-Bedarfssätze liegen schon heute deutlich unter dem Existenzminimum«, so Keller. Genau deshalb überprüfe das Bundesverfassungsgericht auf Antrag des Bundesverwaltungsgerichts diese derzeit auf ihre Verfassungsmäßigkeit. Unterdessen solle Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) endlich aufwachen, die Mittel für das BAföG verteidigen und umgehend einen Entwurf für die überfällige Reform der Ausbildungsförderung vorlegen.
GEW und FZS haben die Bundesregierung bereits dringend gemahnt, diese Reform noch 2023 auf den Weg zu bringen. In seiner aktuellen Form sei das BAföG nicht verfassungskonform, schlussfolgern beide Organisationen aus der Stellungnahme des Hamburger Rechtsanwaltes Joachim Schaller. Das Bundesverwaltungsgericht habe Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bereits im Mai 2021 geäußert, da die Fördersätze nicht adäquat zu den diversen Preissteigerungen angehoben worden seien. Die Bundesregierung sollte der absehbaren Niederlage vor dem Verfassungsgericht zuvorkommen und die Weichen für die BAföG-Reform stellen, hatten FZS-Vorständin Rahel Schüssler und GEW-Vize Andreas Keller kürzlich bei einer gemeinsamen Pressekonferenz gefordert.
https://www.jungewelt.de/artikel/454173.r%C3%BCstung-und-haushalt-unterm-minimum-gek%C3%BCrzt.html
--Methodios (Diskussion) 08:58, 6. Jul. 2023 (CEST)
Historisches
BearbeitenBundesverfassungsgericht hebelt Recht auf Bildung aus
BearbeitenAus: Ausgabe vom 31.10.2024, Seite 5 / Inland
Hochschulpolitik
Freibrief für BAföG-Kürzer
Bundesverfassungsgericht negiert Anspruch auf ausbildungsbezogenes Existenzminimum
Von Ralf Wurzbacher
Prekäre ökonomische Lage in den Hörsälen der Republik (Münster, 11.10.2021)
Die Höhe der Bedarfssätze nach dem Bundesausbil dungsförderungsgesetz (BAföG) im Wintersemester 2014/15 ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Geklagt hatte eine Studentin, die die seinerzeit geltenden Leistungen als »verfassungswidrig zu niedrig bemessen« erachtete und mit ihrem Anwalt Joachim Schaller durch alle Instanzen ging. Zuletzt hatte ihr vor über drei Jahren das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig recht gegeben und den Fall zur abschließenden Klärung nach Karlsruhe verwiesen.
Dort setzte es jetzt eine heftige Abfuhr. Der Erste Gerichtssenat urteilte nicht nur rückwirkend über die beanstandete Regelsatzhöhe, die damals 373 Euro betrug. Vielmehr negiert er grundsätzlich einen Anspruch von Hochschulzugangsberechtigten auf existenzsichernde Leistungen. »Aus dem objektiv-rechtlichen sozialstaatlichen Auftrag zur Förderung gleicher Bildungs- und Ausbildungschancen folgt derzeit keine spezifisch auf die Hochschulausbildung bezogene Handlungspflicht des Staates«, heißt es in einer begleitenden Pressemitteilung. Die Argumentationslinie folgt dabei der Frage, ob Studierende überhaupt sozial bedürftig sind, was praktisch verneint wird. Solange diese materielle Not durch Aufnahme einer Erwerbsarbeit abwenden könnten, bestehe auch kein Anspruch auf eine, die Aufwendungen für eine Ausbildung umfassende, staatliche Unterstützung.
Andreas Keller, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), äußerte sich am Mittwoch empört ob dieser Rechtsauffassung. »Karlsruhe nimmt letztlich hin, dass Studierende ihr Studium abbrechen müssen, wenn sie dafür keine ausreichende Finanzierung haben«, sagte er junge Welt. »Es ist für die GEW enttäuschend, dass das Gericht die Grundrechte auf eine menschenwürdige Existenz und Berufswahlfreiheit in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip derart restriktiv ausgelegt hat.« Tatsächlich hatten Studierendenvertreter dem Urteil mit reichlich Zuversicht entgegengesehen. Zumal im Juni auch das Berliner Verwaltungsgericht (VG) in einer ähnlich gearteten Streitsache einen doppelten Rechtsbruch sowohl hinsichtlich der Bedarfssätze als auch der völlig unzureichenden BAföG-Wohnpauschale (380 Euro) festgestellt hatte. Das BAföG müsse mit dem Bürgergeld gleichgestellt werden, empfahl das VG.
Anders als die Vorinstanzen verneint das höchste deutsche Gericht ein »ausbildungsbezogenes Existenzminimum«, das sich aus den Grundgesetzartikeln 12 (freie Wahl der Ausbildungsstätte), 3 (Gleichheitsgrundsatz) und 20 (Sozialstaatsprinzip) ergebe. Der Staat habe lediglich Chancengerechtigkeit bei der Verteilung von Studienplätzen zu gewährleisten. Das schließe aber nicht das »Recht auf staatliche Leistungen zur Beseitigung von den gesellschaftlichen Verhältnissen geschuldeten Hindernissen für den Zugang zum Studium« ein, führten die Richter aus. Geschockt äußerte sich Emmi Kraft vom studentischen Dachverband FZS: Das ist eine »fatale Entscheidung«, befand sie im jW-Gespräch. Die Lage der Studierenden war schon vor drei Jahren angespannt, mittlerweile ist sie mehr als prekär.
--Methodios (Diskussion) 13:42, 31. Okt. 2024 (CET)