Projekt Diskussion:Aktion wasserdicht/Wohnungslosigkeit/New York
Das Experiment ist gescheitert: Die Stadt New York hatte 300 obdachlose Männer in einem Hotel in Manhattan untergebracht, unter anderem wegen der Corona-Epidemie. Die Nachbarn in dem wohlhabenden Bezirk waren entsetzt – und setzten sich durch. Liberale Heuchelei oder eine normale Reaktion von besorgten Nachbarn, einige von ihnen mit Familie und Kindern? Ein Wohnprojekt der New Yorker Stadtverwaltung sorgte von Beginn an in dem wohlhabenden Viertel Manhattans für Aufregung, nun wurde es vorzeitig beendet, wie unter anderem die „New York Times“ berichtete. Seit Juli lebten rund 300 obdachlose Männer in dem leer stehenden Hotel „Lucerne“ an der Upper West Side von Manhattan – in Zimmern, die sonst 200 Dollar pro Nacht kosten. Das Ziel der Aktion war es, die Verbreitung des Corona-Virus in den klassischen Obdachlosenunterkünften zu unterbinden, aber auch, den Männern eine bessere Lebensqualität zu bieten. Schätzungen zufolge leben in New York City (8,4 Millionen Einwohner) bis zu 70.000 Menschen ohne festen Wohnsitz. In ihrer Lebensqualität beeinträchtigt fühlten sich aber schon bald vor allem die Nachbarn. Das Projekt sei deshalb, so schreibt die „New York Times“, zu einem moralischen Lackmustest für ein weitgehend weißes Viertel geworden, das sich selbst gerne als liberale Enklave geriert. Schon bald häuften sich in den sozialen Medien, so etwa in einer privaten Facebook-Gruppe – „Upper West Siders für sicherere Straßen“ mit mittlerweile über 14.000 Mitglieder – die Beschwerden über das Verhalten der Gäste. Etliche der alkohol- und psychisch kranken Männer hätten Fußgänger bedroht, auf die Straße uriniert und gekotet, zudem Drogen verkauft und öffentlich konsumiert, zitiert auch eine deutsche „Tagesschau“-Korrespondentin aus der Gruppe. Juristische Konsequenzen angedroht Zeitnah gründete sich auch ein Verein, die „West Side Community Organization“. Dessen Mitglieder nahmen sich einen Anwalt, den ehemaligen stellvertretenden Bürgermeister New Yorks, Randy Mastro, der wiederum umgehend damit drohte, die Stadt zu verklagen. Ob es nun der Druck der Anwohner war, die sich auch in zahlreichen Interviews mit lokalen Zeitungen zu Wort gemeldet hatten, der die Stadt dazu bewegte, die Männer wieder aus dem Haus zu nehmen, ist unklar. Die „New York Times“ zitierte Isaac McGinn, den Sprecher des städtischen Ministeriums für soziale Dienste, mit den Worten, dass der Aufenthalt im Hotel immer nur vorübergehend sein sollte. Bereits in dieser Woche sollen die Männer das „Lucerne“ wieder verlassen. In anderen Teilen der Stadt führte die Entscheidung zu Empörung: Die Anwohner seien Heuchler, die ihre wirtschaftlichen Vorteile gegen sozial Schwächere ausspielen würden. Die Anwohner selbst verteidigten sich unter anderem in der „New York Post“. Ein Obdachloser schläft auf der Straße Manhattans Quelle: AFP Neben dem „Lucerne“ waren nämlich noch zwei weitere Hotels zeitweise für Obdachlose geöffnet worden, das „Belleclaire“ und das „Belnord“. Im „Belleclaire“ seien dabei auch mehrere verurteilte Sexualverbrecher untergebracht worden, unweit eines Spielplatzes, zum Entsetzen der Anwohner. „Es fühlt sich nicht mehr sicher an“, erklärte die 39-jährige alte Nanny Michele McDowall dem Blatt. Ihr sei erst kürzlich von zwei obdachlosen Männern Crack angeboten worden, als sie mit einem von ihr betreuten Kleinkind entlang des Riverside Parks unterwegs war. „Willst du Crack kaufen?“, hätten die Männer immer wieder geschrien, sodass das zwei Jahre alte Kind völlig verängstigt gewesen sei. „New Yorker Mütter fliehen aus der Upper West Side“ Die Situation in dem Bezirk führe zudem zu immer mehr Wegzügen von wohlhabenden Familien, wie die Zeitung in einem weiteren Artikel wissen will. „Inmitten von Verbrechen und Chaos – New Yorker Mütter fliehen aus der Upper West Side“ ist der Artikel überschrieben. Zu Wort kommt dort auch noch einmal ein städtischer Angestellter, ein Sprecher des New Yorker Departments of Homeless Services (DHS), der die Unterbringung verteidigt: „Wir bieten New Yorkern, die … obdachlos sind, Schutz. Dazu gehört, Menschen dabei zu helfen, ihr Leben wiederaufzubauen und durch eine zweite Chance zu wachsen, wenn sie wieder auf die Beine kommen. Obdachlose in New York sind unsere Nachbarn – und die Vorstellung, dass sie in einigen Stadtteilen aus irgendeinem Grund nicht willkommen sind, ist ein Affront gegen den grundlegenden Anstand.“ Dass die Zahl der Um- und Wegzüge aus New York sich im Zuge der Corona-Krise ohnehin dramatisch erhöht hat, meldet indes auch die „New York Times“. Mittlerweile seien die lokalen Umzugsunternehmen so überlastet, dass sie Kunden ablehnen müssten, heißt es in dem Artikel. Laut dem örtlichen Umzugsunternehmen FlatRate Moving stieg die Zahl der durchgeführten Umzüge zwischen dem 15. März und dem 15. August im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als 46 Prozent. Die Zahl derer, die aus New York City umziehen, sei um 50 Prozent gestiegen.
Nach Anwohner-Protesten – New York nimmt Obdachlose wieder aus dem Hotel Die Welt vom 9. September 2020
Um die Ausbreitung des Coronavirus in deren Unterkünften aufzuhalten, quartierte die Stadt New York 300 obdachlose Männer in einem Hotel ein. Das allerdings führte zu heftigem Widerstand der Nachbarn in dem wohlhabenden Viertel. Quelle: WELT/Marian Grunden