Projekt Diskussion:Dissidenten im Ostblock/Chronologie/1975

Gespräch mit Wladimir Igorewitsch Arnold

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Wladimir Igorewitsch Arnold war damals Doktorvater von u. a. Sabir Medschidowitsch Gussein-Sade (Сабир Меджидович Гусейн-Заде), scherzhaft "de Sade" genannt, der am 29. Juli 1950 in Moskau geboren wurde und dort auch an der Lomonossow-Universität studierte, an der er 1971 mit knapp 21 Jahren sein Diplom erwarb und 1975 bei Sergei Petrowitsch Nowikow und Wladimir Arnold promovierte (den russischen Doktor machte). Ich hatte von 1972 bis 1975 mit dem leutseligen Doktoranden dessen Geburtstage gefeiert und war schon 1972 Wladimir Igorewitsch Arnold vorgestellt wurden, der große Stücke auf mich hielt und mir eine großartige mathematische Karriere voraussagte, sich 1975 sogar als erster anbot, mein Doktorvater zu werden. Ich hatte allerdings andere Pläne, und konnte Wladimir Igorewitsch Arnold überzeugen:

Ein Axiomensystem ist ein System von grundlegenden Aussagen, den Axiomen. Eine mathematische Theorie besteht aus einem Axiomensystem und all seinen daraus abgeleiteten Theoremen. Allerdings werden die Axiomen, aus denen alle Theoreme oder Sätze des Systems logisch abgeleitet werden, ohne jeden Beweis lediglich angenommen, müssen also nicht wahr sein. Hierdurch wird ein einziges Kartenhaus errichtet. Die Unwahrheit eines einzigen Axioms muß zwangsläufig zur Unwahrheit des gesamten Axiomensystems führen. Das war nichts Handfestes für mich.

Dies war auch Wladimir Igorewitsch Arnold überaus bewußt. Seine Ansichten waren denen der französischen Mathematiker-Gruppe "Nicolas Bourbaki" besonders entgegengesetzt. Schon damals war es antizipiert, daß er einmal nach Frankreich, nach Paris, gehen würde.

Methodios (Diskussion) 09:12, 23. Nov. 2022 (CET)Beantworten


"De Sade" hatte bei der Internationalen Mathematikolympiade im Juli[1] 1966 in Sofia eine Goldmedaille gewonnen und wurde daraufhin problemlos mit 16 Jahren in die Mechanisch-Mathematische Fakultät (Механико-математический факультет МГУ) der Lomonossow-Universität aufgenommen werden. Mir gelang fünf Jahre später ein ähnlicher Frühstart, was uns zusammenführte. Er verband das Schreiben an seiner Doktorarbeit noch mit einem Aufbaustudium, das er 1974 abschloß. Wir begegneten uns desöfteren in Vorlesungen, dieweil ich grundsätzlich die höchsten Angebote an der Uni nutzte. 1975 verteidigte er seine Doktorarbeit, betreut von Sergej Nowikow und Wladimir Arnold, zum Thema „Intersection Matrices of Singularities of Functions of Two Variables“. Später wurde er Professor der Abteilung für Höhere Geometrie und Topologie an der Lomonossow, blieb also bis auf Gastprofessuren in Frankreich und Spanien in Moskau. Nach der politischen Wende im Ostblock war er auch Gastwissenschaftler, u. a. an der Leibniz-Universität Hannover, wo er mit Wolfgang Ebeling zusammenarbeitete. Seine Eintrittskarte hierfür war u. a. seine Publikation (mit Vladimir Arnold und Alexander Varchenko) "Singularities of Differentiable Maps", 2 Bände, Birkhäuser 1985, 1988.

--Methodios (Diskussion) 10:30, 23. Nov. 2022 (CET)Beantworten

Anmerkungen

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  1. Freitag 1.– Donnerstag 14. Juli 1966.
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