Topologie/Stetige Abbildungen/Peano-Kurve/Beispiel
Als Peano-Kurve bezeichnet man stetige surjektive Abbildungen eines bestimmten Typs. Die erste Konstruktion stammt von Giuseppe Peano, und sie wurde damals als etwas Beunruhigendes empfunden. Zunächst sei angemerkt, dass eine stetige surjektive Abbildung wiederum stetige und surjektive Abbildungen liefert, und durch Verkettung erhält man eine stetige Surjektion für jedes . Des weiteren erlaubt eine stetige surjektive Abbildung die Definition einer stetigen surjektiven Abbildung , indem man auf geeignete Weise durch abzählbar viele Würfel überdeckt.
Zur Konstruktion einer Peano-Kurve gebe ich einige Bilder an, die andeuten, wie der Grenzwert einer geeigneten Folge stetiger (sogar stückweise linearer) Abbildungen eine stetige surjektive Abbildung liefert. Man beginnt mit der Unterteilung eines Quadrats in neun gleich große Quadrate, die in einer S-Kurve durchlaufen werden. Im nächsten Schritt wird jedes dieser Quadrate wieder unterteilt und die entstehenden Quadrate in S-Kurven durchlaufen, die als neue Kurve zusammengehängt werden:
Skaliert man die Kurven auf dieselbe Größe, erhält man folgendes Bild:
Nun werde ich eine präzise Definition einer surjektiven stetigen Abbildung
mit Hilfe der Cantor-Menge geben. Die informelle Beschreibung der Cantor-Menge
lautet so:
Man beginnt mit dem abgeschlossenen Intervall der reellen Zahlen von 0 bis 1. Aus diesem Intervall wird das offene mittlere Drittel entfernt, also alle Zahlen, die strikt zwischen 1/3 und 2/3 liegen. Übrig bleiben die beiden Intervalle und . Aus diesen beiden Intervallen wird wiederum jeweils das offene mittlere Drittel entfernt und man erhält nun vier Intervalle: , , und . Von diesen Intervallen werden wiederum die offenen mittleren Drittel entfernt. Dieser Schritt wird unendlich oft wiederholt. Die Cantor-Menge besteht nun aus allen Punkten, die jedes Entfernen überlebt haben. Das Bildchen dazu sieht so aus:
Man kann die Cantor-Menge auch als die Menge aller reellen Zahlen beschreiben, die eine Darstellung als Kommazahl zur Basis 3 besitzen, in der nur die Ziffern 0 und 2 vorkommen. Insbesondere enthält die Cantor-Menge mehr als nur die Randpunkte der entfernten Intervalle; diese Randpunkte sind genau die Zahlen in , welche sich mit einer 0-Periode oder mit einer 2-Periode schreiben lassen, zum Beispiel
Auch 1/4 liegt in der Cantor-Menge, denn
Tatsächlich ist die triadische Darstellung einer Zahl in der Cantor-Menge eindeutig, wenn man fordert, dass die 1 nicht als Ziffer auftaucht.
Bezeichne nun die Cantor-Menge, dann gibt es eine surjektive stetige Abbildung . Sie ist definiert als
In Worten: halbiert die Ziffern einer triadischen Darstellung und nimmt sie als Ziffern einer duadischen oder binären Darstellung. Da jede reelle Zahl eine duadische Darstellung besitzt, ist surjektiv. Es sei nun und mit , dann ist f\"ur zwei Punkte mit schon
Denn die triadischen Darstellungen von unterscheiden sich nicht vor der -ten Stelle. Also ist stetig.
Des weiteren gibt es eine surjektive Abbildung , die durch
definiert ist -- also ein mathematisches Modell des Reißverschlusses. Die Stetigkeit von sieht man leicht ein. Somit gibt es eine stetige surjektive Abbildung . Diese läßt sich erweitern zu einer stetigen (und erst recht surjektiven) Abbildung , etwa indem in den entfernten Intervallen linear fortgesetzt wird.