Unakkusativität und ihre semantischen Grundlagen

Definition der "Unakkusativität" und weitere Terminologie

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Die Unakkusativ-Hypothese

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Die "'Unakkusativ-Hypothese'" (Perlmutter 1978) besagt, dass oberflächlich intransitive Verben noch einmal in zwei Klassen unterteilt werden können: unakkusativische und echt intransitive Verben (diese letztere Klasse wird seit Burzio in der Literatur zur generativen Syntax als "unergativ" bezeichnet). Die Hypothese besagt, dass die unakkusativischen Verben das Subjekt des Satzes wie ein Objekt behandeln - das Subjekt wird somit zu einem 'verkappten' Objekt. Die unakkusativischen Verben wie "ankommen", "sterben" oder "fallen" haben demnach nur ein patienshaftes Argument. Die unergativen Verben wie "lächeln", "reden" oder "gehen" haben ein grammatikalisches Subjekt aber kein Objekt, das heißt sie haben agenshafte Argumente.

Beispiel für ein unakkusativisches Verb: Die Priester ziehen in die Kathedrale ein. => Hier hat das Subjekt Eigenschaften des Objekts, das heißt es sieht aus wie ein Subjekt, ist aber ein Objekt. (Dies ist gleichzeitig auch ein inkrementelles Thema (siehe Abschnitt: "'Rolle des inkrementellen Themas'"))

Die Unterscheidung ist nicht immer eindeutig, es ist eine variable Grenzziehung möglich. Es gibt allerdings verschiedene grammatikalische Tests, die bei dieser Unterscheidung helfen.

Grammatische Tests, die Unakkusativität von Verben zeigen

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Bildung von adjektivischen Perfektpartizipien

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Beispiele:

a. das heruntergefallene Glas

b. der zerbrochene Krug

c. * der geschlafene Junge


Die ersten beiden Beispiele zeigen die mögliche Bildung des Perfekt-Partizip eines Verbs als (attributivisches) Adjektiv für das Substantiv. Es handelt sich demnach um unakkusativische Verben. Das einzige Argument des Verbs "verhält" sich wie ein Objekt (s.o. Patiens-Eigenschaften).

Beispiel c. zeigt hingegen, dass sich die einstelligen Verben unterschiedlich verhalten können, indem der Test hier nicht funktioniert. Es handelt sich hierbei um die "echt" intransitiven (=unergativen) Verben.

Resultative Adjektive

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Beispiele:

a. den Tisch trocken reiben

b. den Teller leer essen

c. die Tür auf stoßen

d. den Teller entzwei schlagen

e. die Serviette vom Tisch niesen

Jedes dieser Beispiele besteht aus einer Aktion und deren Resultat. So führt das Reiben in a. zu dem Resultat, dass der Tisch trocken ist, das Essen in b., dass der Teller leer ist, das Stoßen in c., dass die Tür auf ist, das Schlagen in d., dass der Teller entzwei ist und das Niesen in e., dass die Serviette sich vom Tisch bewegt. Das Resultat kann durch ein Adjektiv (leer, trocken), ein Partikel (auf, entzwei) oder eine Weg-PP (vom Tisch) ausgedrückt werden.

f. dass sie sich die Füße platt standen g. dass sie sich tot lachten h. Die Tür glitt auf.

Bei dem sich in g. handelt es sich um ein bedeutungsloses Reflexiv-Objekt, das an dieser Stelle eingeführt werden kann und muss. Das ist nur möglich, weil der Satz eine leere Objektstelle aufweist, die besetzt werden muss. Sie muss besetzt werden, da sich resultative Adjektive (hier: tot) immer nur auf "Objekte" beziehen, so wie sich platt in f. auf die Füße bezieht. Daraus folgt, dass die Argumente von stehen und lachen echte Subjekte sein müssen, sonst wäre keine Objektstelle mehr frei. Demnach handelt es sich bei stehen und lachen um echt intransitive Verben.

Gegenteiliges zeigt sich in h. Hier ist das Einsetzen eines Reflexiv-Objekts weder nötig noch möglich:

i. *Die Tür glitt sich auf.

Dieser Umstand zeigt an, dass die Objektstelle wohl schon besetzt sein muss und zwar durch ein zugrundeliegendes Objekt (hier: die Tür). Folglich haben wir es hier mit einem unakkusativen Verb zu tun, dessen einziges Subjekt sich wie ein Objekt verhält.

Unpersönliches Passiv

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Beispiele:

a. Es wurde viel geschlafen.

b. * Es wurde viel gefallen.


Das gebildete unpersönliche Passiv in a. zeigt, dass es sich hier um ein intransitives Verb handelt. Beispiel b. zeigt, dass bei unakkusativen Verben keine unpersönliche Passivbildung möglich ist.

Erklärung hierfür: Das Passiv ist ein Mechanismus zur Unterdrückung des Arguments, das sonst als Subjekt in die Syntax projiziert würde. Diese Unterdrückung funktioniert im Deutschen bei transitiven und bei intransitiven Verben (bei intransitiven bleibt dann kein Argument übrig, es entsteht eine unpersönliche Konstruktion wie in a. — Beachten: das "es" ist kein Subjekt!).

Wenn ein Verb unakkusativisch ist, hat es kein solches subjektwürdiges Argument, das das Passiv unterdrücken könnte. Da das Passiv leerlaufen würde, ist seine Anwendung hier ungrammatisch. Zu beachten ist bei diesem Test (wie auch sonst), dass es zusätzlich andere Faktoren geben kann, die bei bestimmten Beispielen eine Passivierung ausschließen, selbst wenn lt. Theorie ein zugrundeliegendes Subjekt anwesend wäre.

Perfekt-Hilfsverben als Erkennungszeichen?

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Semantische Grundlagen des Phänomens

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Anwendung von Dowty's Protorollentheorie auf einstellige Verben

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Verben mit Kausativ-Inchoativ-Alternation

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Emissionsverben und die Frage der Agentivität

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Verben der gerichteten Veränderung

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Sondergruppe Bewegungsverben: Welche Bewegungsverben bezeichnen gerichtete Veränderung ( = gerichtete Bewegung) und welche bezeichnen Art%Weise der Bewegung?


Zusammenfassung: Levin & Rappaports Linkingregeln in ihrem Zusammenspiel

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  • Wenn gerichtete Veränderung und Agentivität zusammentreffen


  • Die Linkingregeln

1. Immediate Cause Linking Rule

„The argument of a verb that denotes the immediate cause of the eventuality described by that verb is its external argument.“ Hierbei geht es um die interne unmittelbare Verursachung. Wenn diese Eigenschaft nicht vorliegt, kann dem jeweiligen Verb bis dato noch keine positive Eigenschaft zugeschrieben werden.

Bsp. 1: Dies liegt beispielsweise bei Bewegungsverben wie rollen vor. Hier gibt es keine Information über interne Verursachung. Der Ball rollte den Berg hinunter. (Wer sagt, dass sich der Ball selbst in Bewegung gesetzt hat/setzen konnte?)

Bsp. 2: Auch Verben wie zerbrechen lassen sich keiner internen, sondern einer externen Verursachung zuordnen. Zerbrechen geht immer von einem Ereignis aus, durch das der Gegenstand (x) zerbricht. Dies kann nicht intern verursacht werden.


2. Directed Change Linking Rule

„The argument of a verb that corresponds to the entity undergoing the directed change described by that verb is its direct internal argument.“ Levin und Rappaport gehen von der Existenz einer Skala aus, an der entlang eine Veränderung beschrieben werden kann. Dabei sorgt ein „schrittweises Immer-Weiter“ dafür, dass das Verb unakkusativisch wird, auch wenn das Prädikat nicht telisch ist.

Bsp. 1: Die Temperatur sinkt. ODER: Die Suppe kühlt ab.

Bsp. 2: Das Bewegungsverb klettern besitzt eine echte Agens-Rolle. Man erfährt jedoch nichts über die Richtung der Bewegung. Genau das Selbe ist auch bei dem Bewegungsverb rollen und rennen der Fall. Es handelt sich hierbei um ein Verb, welches eine Art und Weise-Eigenschaft der Bewegung bezeichnet, jedoch nicht eine gerichtete Bewegungsrichtung angibt.

Bsp. 3: Das Bewegungsverb steigen kann 1. im Sinne von klettern dem vorherigen Beispiel zugeordnet werden, jedoch kann man es 2. auch als steigen im Sinne von ansteigen (im Englischen beispielsweise die Verben decent oder rise) gesehen werden. Diese Verben bezeichnen eine Richtungseigenschaft, nämlich: hinauf, oder hinunter.


3. Default Linking Rule (für die nicht eindeutigen Fälle)

„An argument that does not fall under the scope of the other two linking rules is a direct internal argument.“ Levin und Rappaport haben die Default-Regel konstruiert, welche als eine „Regel bis auf weiteres“ gelten soll, wenn man gar keine Eigenschaften finden kann/ bzw. wenn nichts anderes gesagt wird, kommt sie zur Anwendung. Sie erfasst beispielsweise Verben wie rollen oder stehen, also Verben die nicht agentativ und intern verursacht sind.

Bsp. 1: Dem Verb rollen lässt sich durch die zwei vorherigen Tests im Bezug auf die Eigenschaften nichts Positives zuschreiben. Es ist nicht (unbedingt) agentiv, es scheint ein objektartiges Argument zu sein. Es findet keine interne Verursachung statt. Es zeigt auch keine gerichtete Bewegungseigenschaft.

Laut der Default-Regel ist das Verb als unakkusativisch einzuordnen, wenn keine Eigenschaften zutreffen. So also auch das Beispielverb rollen.

(zum Vergleich: Dowty bezeichnet diese Fälle als äußerst seltene und als instabile Konstruktionen.)


Eine Zusammenfassung des Systems der Linking-Regeln nach Levin und Rappaport zeigt:

1) Wenn ein einstelliges Prädikat ein gerichtete (skalare) Veränderung beschreibt, ist es unakkusativisch.

2) Sonst: Wenn das einzige Argument direkter interner Verursacher ist, ist das Prädikat (echt) intransitiv.

3) Sonst: Wenn sonst nichts vorliegt tritt die Default-Regel in Kraft. Das Prädikat ist dann unakkusativisch.