Wikiversity:Fellow-Programm Freies Wissen/Einreichungen/Offenes Wissen zu parasitischen Lebensweisen

Offenes Wissen zu parasitischen Lebensweisen

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Projektbeschreibung

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Parasitismus bezeichnet eine Form der zwischenartlichen Interaktion bei der eine Art (der Parasit) einseitig Nutzen aus der andern (dem Wirt) zieht. Dabei ist der Parasit bedeutend kleiner als sein Wirt, lebt in oder auf diesem, fügt ihm Schaden zu, tötet ihn aber nicht sofort. Nach Schätzungen sind über 50% aller Lebewesen Parasiten.

Trotzdem sind Informationen zum Status einer Art als Parasit nicht einfach zugänglich und es fällt schwer eine Art, die z.B. nur anhand ihrer DNA in einem bestimmten Lebensraum nachgewiesen wurde, als Parasit zu kategorisieren. Einen Ansatzpunk um diese Situation zu verbessern bietet die Datenbank „Global Biotic Interactions“ (GloBi) [3], sie listet in einer Ontologie standardisierte Interaktionen von Arten. Parasitismus ist eine dieser Interaktionsformen. Notwendigerweise beschränken sich die Datenbankeinträge auf einen kleinen Teil der Lebewesen, für die schon direkte Nachweise (zu parasitischer Lebensweise oder z.B. alternativen Ernährungsformen) aus der wissenschaftlichen Literatur vorliegen. Der hier vorgeschlagene Ansatz macht sich nun zu Nutze, dass Arten in ihrer Stammesgeschichte (Phylogenie) in begrenztem Maße zu einer parasitischen Lebensweise übergehen oder diese wieder verlieren. Wir beziehen eine Phylogenie aller bisher beschriebenen Lebewesen aus einer weitere Datenbank namens „open tree of life“ [4]. Dann werden wir diesen Phylogenetischen Baum mit Nachweisen zu Parasitismus anhand der Interaktionen aus GloBi überlagern. Anhand dieses kombinierten Datensatzes werden wir nun evolutionsbiologische Methoden anwenden, um vorherzusagen welchen Status (Parasit / Nicht-Parasit) Arten haben, für die keine direkten Beobachtungen vorliegen. Genauer werden wir sowohl „Parsimony“ als auch „Maximum-Likelihood“ Methoden zur Rekonstruktion des Status von gemeinsamen Vorfahren anwenden. Diesen Status der gemeinsamen Vorfahren (mitsamt einer Abschätzung seiner Unsicherheit) wird in einem weiteren Analyseschritt auf Blätter (Arten) des Phylogenetischen Baumes übertragen, für die bislang keine Daten vorliegen. Die entsprechenden Analysemethoden werden wir als „open source“ Bibliotheken in den Programmiersprachen C++, Python und R entwickeln. Diese Entwicklung wird in öffentlich einsehbaren „repositories“ erfolgen. So werden nicht nur Ergebnisse, sondern auch Methoden begutachtbar und noch vor der Publikation in begutachteten Journalen nutzbar.

Eine komplette Offenheit soll es – auch anderen Forschern – ermöglichen Ergebnisse für eine geänderte Datenlage oder geänderte Parameterwerte zu erhalten (erhöhte Reproduzierbarkeit). Besonders Analysen in spezialisierten Forschungsbereichen (z.B. zu zoonotischen Parasiten, d.h. Parasiten, die von Tieren auf Menschen übergehen) sollen durch diese Arbeitsweise ermöglicht werden. Eine solche Arbeitsweise erfordert einen erhöhten Zeitaufwand. Da Zeit in meiner Position als junger Arbeitsgruppenleiter eine sehr knappe Ressource ist, werde ich einen Teil der Förderung nutzen, um eine sehr talentierte Master-Studentin der Bioinformatik für einige Monate als studentische Hilfskraft anzustellen. Als Nebeneffekt kann ich so das innerhalb der Förderinitiative erworbene Wissen auch direkt in meine Arbeitsgruppe weitergeben.

Ich bin überzeugt, dass das Projekt den Wert von freiem Wissen zeigen kann: Speziell durch die Kombination von zwei verschiedenen, scheinbar getrennten, offenen Wissensquellen, werden wir neues, erweitertes Wissen erarbeiten. Auch dieses abgeleitete Wissen wollen wir selbstverständlich völlig offen zugängliche machen: Ein Teil der Förderung wird daher in die Publikationen des Projekts in „open access“ Journalen fließen, bereits während des Begutachtungsprozesses werden wir Manuskripte auf „Pre-Print“ Servern zugänglich machen. Für die Bereitstellung sowohl unserer „Input-“ als auch „Output-“ Daten arbeiten wir mit dem Initiator der GloBi Datenbank (Jorrit Poelen) zusammen. Wir werden ein Daten-Schema entwickeln in dem wir abgeleitete Interaktionen, die auf unsere Analyse anstatt auf direkten Beobachtungen basieren, in eine von GloBi abgeleitete Tochter-Datenbank einbringen können.

Schließlich möchte ich das Projekt auch als Informationsquelle für breiterer angelegte Projekte am IZW nutzen. In diesen Projekten gewinnen wir Daten anhand von Nukleinsäure-Sequenzierung in Kotproben verschiedener Säugetiere. Wir werden die Ergebnisse des hier beantragten Projektes direkt nutzen, um im Darm er betreffenden potentiellen Wirtsart vorkommenden Organismen als Parasiten – oder alternativ z.B. als Nahrung – zu klassifizieren. Das generierte „offenes Wissen“ wird also direkt genutzt. Da diese Projekte in enger Zusammenarbeit mit anderen Gruppen am IZW erfolgen werde ich die Wichtigkeit von „offenem Wissen“ mit einem praktischen Nutzen mehrfach veranschaulichen können. Dies wird mir dabei helfen „offener Wissenschaft“ auch institutionell besser zu verankern.

[3] http://www.globalbioticinteractions.org/

[4] https://tree.opentreeoflife.org/

Emanuel Heitlinger

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  • Name: Emanuel Heitlinger
  • Institution: Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung
  • Kontakt: emanuelheitlinger@gmail.com