Wikiversity:Fellow-Programm Freies Wissen/Einreichungen/Tiermodelle und Biomarker in psychiatrischen Erkrankungen

Tiermodelle und Biomarker in psychiatrischen Erkrankungen Bearbeiten

Projektbeschreibung Bearbeiten

In meiner Doktorarbeit untersuche ich den Einfluss von Umwelt und Genen auf psychiatrische Erkrankungen. Umwelteinflüsse, wie z. B. frühkindlicher Stress, können zu Veränderungen unseres Genoms führen; spezielle Gene können dadurch aktiviert oder deaktiviert werden. Daraus resultierend kann es zu strukturellen Veränderungen im Gehirn kommen, die ihrerseits das Risiko erhöhen, eine psychiatrische Erkrankung zu entwickeln. Welche Gene so beeinflusst werden können und welche Veränderungen dadurch im Gehirn entstehen, ist jedoch noch nicht ausreichend geklärt. Gleichzeitig wäre es ein ebenso großer Durchbruch, wenn man bereits durch Blutuntersuchungen eine Veränderung dieser Gene nachweisen könnte. So könnte z. B. durch eine Blutentnahme festgestellt werden, ob ein Risiko eine psychiatrische Erkrankung zu entwickeln vorliegt, wie es bereits bei einigen Krankheiten der Fall ist. Ebenso könnte die Blutuntersuchung zur Früherkennung von psychiatrischen Erkrankungen genutzt werden. Um den Zusammenhang von umweltbedingten Genveränderungen, der sogenannten Epigenetik, und Auswirkungen auf das Gehirn zu untersuchen, arbeite ich in meiner Promotion mit Tiermodellen. Nur so kann die Umwelt gezielt und kontrolliert manipuliert werden. Außerdem bietet das Tiermodell die Möglichkeit, Gene im Blut und auch im Gehirn zu untersuchen, um so gezielte Korrelationen herstellen zu können. Um frühkindlichen Stress zu modellieren, trenne ich junge Ratten über den Zeitraum der frühen Kindheit (maternal separation) täglich für einige Stunden von ihrer Mutter und ihren Geschwistern. Nach dieser Zeit werden die meisten Tiere in Gruppen gehalten und erleben so eine stressfreie späte Kindheit. Einige der Tiere werden allerdings alleine gehalten, was einen weiteren Stressor darstellt. Danach erleben die Tiere eine unbeeinflusste Jugend in Gruppenhaltung. Im Erwachsenenalter werden dann Verhaltenstests durchgeführt, um offensichtliche Folgen des Stresses im Verhalten zu untersuchen. Darüber hinaus wird sowohl das Blut der Tiere als auch ihr Gehirn im Hinblick auf Veränderung der Gene untersucht. Die Gehirne werden außerdem auch auf strukturelle Veränderungen hin untersucht. So kann ein Zusammenhang zwischen Stress zu verschiedenen Zeitpunkten der Entwicklung, Genen in Blut und Gehirn und verändertes Verhalten hergestellt werden.

In einem weiteren Projekt untersuche ich Veränderung in Genen in Bezug auf die psychiatrische Erkrankung der Alkoholabhängigkeit im Tiermodell. Hierbei gebe ich den Tieren die Wahl zwischen Wasser und Alkohol und untersuche, ob es eine Korrelation zwischen den Genen, genauer gesagt, der Epigenetik und der Menge an getrunkenem Alkohol der Tiere gibt. Auch hierbei werden wieder Blut und Gehirn untersucht. Dieses Projekt soll längerfristig dazu dienen, dass Abhängigkeitserkrankungen besser und frühzeitig diagnostiziert werden können. Im Rahmen dieses Projekts werde ich aber auch eine Laborapparatur entwickeln, die ich Rahmen von Open Science veröffentlicht möchte. Der Test, dem Tier die Wahl zwischen Wasser und anderen Flüssigkeiten zu geben, wird in der psychiatrischen Tierforschung häufig eingesetzt. Dabei werden die Tiere häufig alleine im Käfig gehalten, um so die getrunkene Menge beider Flaschen zu bestimmen. Wie auch in meinem ersten Projekt beschrieben, stellt diese Einzelhaltung jedoch Stress für die Tiere da. Werden Tiere bei diesen Versuchen zu zweit in einem Käfig gehalten, so ist die Erfassung des individuellen Trinkverhaltens schwer oder nur durch sehr teure kommerzielle Systeme durchführbar. Daher möchte ich eigenständig ein Käfigsystem entwerfen und bauen, welches automatisiert individuelle Parameter wie z.B. Trinkvolumen und verbrachte Zeit an der Flasche für verschiedene Trinkflaschen misst. Der Bauplan dieses Systems soll anschließend frei zugänglich veröffentlich werden und kann so auch von anderen Wissenschaftlern genutzt werden. Neben dem Vorteil von Open Science Wissen unter Kollegen sehe ich speziell bei meiner Forschung auch eine Verpflichtung mit der allgemeinen Bevölkerung zu kommunizieren. Zu sehr sind psychiatrische Erkrankungen immer noch stigmatisiert, nicht als Erkrankung anerkannt oder es wird nach Schuldigen für den Auslöser der Erkrankung gesucht. Durch eine starke Kommunikation meiner Forschung in der Öffentlichkeit erhoffe ich verdeutlichen zu können, dass psychiatrische Erkrankungen durch Veränderungen im Gehirn hervorgerufen werden und zwar durch die Umwelt beeinflusst werden, aber weder alleine durch die Umwelt entstehen noch durch eine alleinige Veränderung der Umwelt geheilt werden können.

Ende des Jahres werden alle Verhaltensversuche sowie die Gewebegewinnung des ersten Projektes abgeschlossen sein. Bis Juni 2018 erhoffe ich mir, erste Verhaltens- sowie Daten der Gewebegewinnung nach frühkindlichem Stress publizieren zu können. Desweiteren ist geplant, dieses Jahr mit dem zweiten Projekt zu Beginnen und ggf. bereits Mitte nächsten Jahres einen Bauplan des beschriebenen Messsystems publizieren zu können. Alle Ergebnisse werden im Sinne von Open Science veröffentlicht, um aus den oben genannten Gründen allen Leuten einen Zugang zu gewährleisten.


  • Name: Annakarina Mundorf
  • Institution: Ruhr-Universität Bochum
  • Kontakt: Annakarina.Mundorf@ruhr-uni-bochum.de