Kurs:Gewöhnliche Differentialgleichungen/Herleitung der Runge-Kutta Verfahren

Herleitung der Runge-Kutta-Verfahren Bearbeiten

Die Runge-Kutta Verfahren werden im Hinblick auf ihre Konsistenzordnung konstruriert, d.h. die Koeffizientenmatrix   und die Vektoren   werden so gesucht, dass der lokale Diskretisierungsfehler möglichst klein ist.

In Analogie zu Definition 3.2 des lokalen Fehlers des ESV im Kapitel 3, kann auch der lokale Abschneidefehler (Diskretisierungsfehler) und anschließend die Konsistenz der Runge-Kutta Verfahren definiert werden.


Definition 4.2. (Konsistenzordnung der RKV)

Sei   eine hinreichend oft stetig differenzierbare Funktion. Ein Runge-Kutta Verfahren hat die Konsistenzordnung  , wenn   

wobei hier   den Unterschied zwischen der exakten Lösung und der numerischen Lösung, ausgehend aus der exakten Lösung, an der Stelle   beschreibt.   bezeichnet die Euklid Norm auf  , bzw. den Betrag.


Um die Konsistenzordnung eines allgemeinen RKV zu untersuchen, werden wir im Folgenden den lokalen Diskretisierungsfehler   betrachten. Für eine vorher gegebene Konsistenzordnung   werden wir Taylorreihen von   und   bis zum Glied mit   in   einsetzen.

Im ersten Beispiel wird demonstriert, welche Konsistenzordnung generell ein zweistufiges explizites Runge-Kutta Verfahren maximal erreichen kann. Die Konvergenz und die Konvergenzordnung der RKV wird anhand der Definition 3.5 und des Kriteriums der Konvergenz für allgemeine Einschrittverfahren ( Satz 3.1, also im Wesetlichen durch den Nachweis der Lipschitz -Stetigkeit der Verfahrensfunktion  ) bestimmt.


Beispiel 4.2. Bestimmen Sie ein 2-stufiges explizites Runge-Kutta Verfahren für die Anfangswertaufgabe (1.6) mit  .
Da es sich um ein eRKV handelt, ist die Matrix   eine untere Dreiecksmatrix. Somit ist   und es sind lediglich vier Unbekannte   und   zu bestimmen:

 

Angenommen,   und damit  . Die Konsistenzordnung bestimmen wir mithilfe der Taylorreihen um  :

  • Taylorentwicklung von  : Ähnlich wie im Beispiel (3.5) erhalten wir
     
    Mit Anwendung von (3.14) und (3.15) erhalten wir somit für den ersten Teil des lokalen Fehlers

 
  • Taylorentwicklung in Verfahrensfunktion   anwenden:
     


Nach dem Einsetzen der Taylorreihen (des Differenzenquotienten von   und in  ) in den Ausdruck von  , und nach dem Einordnen der entsprechenden Potenzen von  , erhalten wir für den lokalen Fehler

 

Durch eine geeignete Wahl der Koeffizienten   und   können die Ausdrücke bei den Potenzen   und zum Teil bei   im Diskretisierungsfehler   verschwinden. Wir stellen Folgendes fest:

  • Ein konsistentes eRKV, d. h. mit   für   ergibt sich bei der Wahl von   mit  .
  • Für die letzten zwei Terme bei   gilt im Allgemeinen, dass  , daher ist die dritte Konsistenzordnung bei diesem Verfahren nicht möglich.

Wir haben gezeigt, dass bei einem expliziten RKV zweiter Stufe die maximale Konsistenzordnung zwei ist. Für die erste bzw. die zweite Konsistenzordnung müssen folgende Bedingungen an die Verfahrenskoeffizienten erfüllt werden:

 

Dieses System von drei Gleichungen enthält vier Unbekannte, es existieren also unzählige Möglichkeiten für die Verfahrenskoeffizienten eines 2-stufigen eRKV zweiter Konsistenzordnung. Wählt man   als Parameter, erhält man

 
  1. Die Wahl   führt zur expliziten Mittelpunktregel (sog. verbesserters Eulerverfahren).
  2. Im Fall   erhalten wir die explizite Trapezregel (sog. Verfahren von Heun 2. Ordnung).
  3. Bei der Wahl   stellt man schnell fest, dass für die ersten drei Terme bei   mit den Koeffizienten (da  )
     
    gilt. Damit ist der führende Fehlerkoeffizient im lokalen Diskretisierungsfehler dieses Verfahrens (hier der Koeffizient bei  ) enthalten und somit auch der Fehler minimal. Dies ist
     
    für ein  . Nach Voraussetzungen sind die Ableitungen von   gleichmäßig beschränkt auf   und wir erhalten hiermit ein - im Sinne des kleinesten lokalen Fehlers - optimales Verfahren zweiter Konsistenzordnung mit
     


Um die Konvergenzordnung 2 des zweistufigen eRKV zu garantieren, muss noch die
Lipschitz-Stetigkeit der Verfahrensfunktion bezüglich   erfüllt werden. In folgender Rechnung wird nachgewiesen, dass dies eine Folgerung aus der Lipschitz-Stetigkeit von   ist. Diese Aussage lässt sich verallgemeinern. Man kann die Lipschitz-Stetigkeit der Verfahrensfunktion   für alle expliziten wie auch impliziten Runge-Kutta Verfahren aus der  -Stetigkeit von   herleiten.

Angenommen,   und   sind zwei numerische Lösungen der AWA (1.6) in  .
Für den Unterschied der Verfahrensfunktion des untersuchten zweistufigen eRKV gilt:

 
wobei hier die Dreiecksungleichung für den Betrag mehrfach verwendet wurde.

In der obigen Rechnung haben wir gezeigt, dass die Verfahrensfunktion   des untersuchten eRKV Lipschitz-Stetig bezüglich   ist, wobei hier die Lipschitz-Konstante   abgeleitet von der  -Konstanten der Funktion   ist. Somit ist das explizite 2-stufige Runge-Kutta Verfahren konvergent mit der Konvergenzordnung 2 und es kann keine höhere Konvergenzordnung erreicht werden.   In vorherigen Beispiel haben wir gesehen, dass die zweite Konsistenz - und Konvergenzordnung bei einem 2-stufigen expliziten Runge-Kutta Verfahren erreichbar ist. Diese Analogie gilt allerdings im Allgemeinen nicht für alle eRKV. Es gilt nicht, dass mit   Stufen die Konsistenzordnung   erreichbar ist. Dies wird später mit einem Satz referenziert. Für implizite RKV ist die Situation anders, da Matrix   voll besetzt werden kann und somit gibt es mehrere Möglichkeiten für die Verfahrenskoeffizienten, um eine höhere Konsistenzordnung zu erreichen.


Bemerkung 4.2.

Für die Koeffizienten eines eRKV gilt Folgendes:

  1. Die Konsistenzordnung   ist allgemein mit   Stufen erreichbar.
  2. Für die feste Konsistenzordnung besteht die Möglichkeiten für die Wahl der Koeffizienten  . Somit existieren mehrere eRKV mit gleicher Konsistenzordnung oder gleicher Stufenanzahl.


Analog wie im Beispiel 4.2 lässt sich folgendes Gleichungssystem für die Koeffizienten eines eRKV mit   Stufen und   herleiten,