Algebraische Kurven/Einführung/Gallerie/Erläuterung/Textabschnitt

Die beiden ersten Bilder sind Graphen zu einer polynomialen Funktion in einer Variablen, sie werden beschrieben durch

wobei im ersten Bild ist (es liegt also ein lineares Polynom vor) und im zweiten Bild etwas wie

mit gewissen Koeffizienten aus einem Körper vorliegt. In der algebraischen Geometrie fixiert man einen Grundkörper . Wichtige Körper sind für uns die reellen Zahlen (insbesondere sind die Bilder so zu verstehen!) oder die komplexen Zahlen . Ein solcher Graph ist insofern ein einfaches Gebilde, dass es zu jedem Wert für genau einen Wert für (den Funktionswert) gibt, und den man auch noch einfach ausrechnen kann, wenn man im gegebenen Körper rechnen kann. Der Graph ist in gewissem Sinne eine „gebogene“ Kopie der Grundlinie, der -Achse.

Betrachten wir das dritte Bild. Das ist der Graph einer rationalen Funktion, d.h. man hat zwei Polynome in einer Variablen und schaut sich den Quotienten an. Dieser Ausdruck ergibt nur dort Sinn, wo der Nenner nicht ist. An den Nullstellen des Nennerpolynoms ist die rationale Funktion nicht definiert (wenn Nenner und Zähler an der gleichen Stelle sind, so kann man durch kürzen manchmal erreichen, dass der Quotient auch an dieser Stelle einen Sinn bekommt). Wenn der Nenner ist, der Zähler aber nicht, so ist die Undefiniertheitsstelle ein „Pol“ - der reelle Graph strebt nach bzw. - Es ist verlockend zu sagen, dass der Wert der rationalen Funktion an diesen undefinierten Stellen „unendlich“ ist, und im Kontext der projektiven Geometrie macht das durchaus Sinn, wie wir später sehen werden. Die „Graphengleichung“ ist jedenfalls wegen den Undefinierbarkeitsstellen keine optimale Beschreibung für die Kurve. Wenn man sie hingegen mit dem Nenner multipliziert, so erhält man die Bedingung (oder Gleichung)

in der links und rechts wohldefinierte Polynome stehen. Die Erfüllungsmenge (oder Lösungsmenge) ist eindeutig definiert, wobei bei für ein bestimmtes die linke Seite null ist, und es dann dort bei keine Lösung gibt (wie im Bild) und bei jeder -Wert erlaubt ist. In letzterem Fall gehört also eine zur -Achse senkrechte Gerade durch zu dem Gebilde.


Beispiel  

Ein typisches und wichtiges Beispiel für eine rationale Funktion ist . Den zugehörigen Graphen nennt man Hyperbel . Nennerfrei geschrieben ergibt sich die Gleichung

Diese rationale Funktion ist auf eine echte Funktion (mit als Graphen) und stiftet eine „natürliche“ Bijektion

und sind also in einem später zu präzisierenden Sinn „äquivalent“ oder „isomorph“.

Beide Beschreibungen haben etwas für sich. Die Beschreibung als spielt sich auf einer Geraden ab (wenn man an denkt), dafür gehört der Punkt , der ein Häufungspunkt von ist, nicht zu . D.h., ist nicht abgeschlossen. Dagegen ist die Hyperbel in abgeschlossen, für die abgeschlossene Realisierung muss man also in eine höhere Dimension gehen. Die Frage, was eine gute Beschreibung für ein Objekt der algebraischen Geometrie ist, wird immer wieder auftauchen.

Im reellen Fall, also bei , besteht (und entsprechend ) aus zwei disjunkten „Zweigen“, ist also nicht zusammenhängend. Im komplexen Fall, also bei , ist (und entsprechend ) eine punktierte reelle Ebene, also zusammenhängend. Dies ist ein typisches Phänomen der algebraischen Geometrie, dass wichtige Eigenschaften vom Grundkörper abhängen. Besonders wichtig sind dann aber Eigenschaften, die nur von den beschreibenden Gleichungen abhängen und für die Lösungsmengen zu allen Körpern gelten.


Das vierte Bild ist ein Kreis, seine Gleichung ist , wobei den Radius des Kreises bezeichnet. Schon das Bild zeigt, dass dieses Gebilde nicht der Graph einer Funktion (Abbildung) sein kann, da bei einem Graphen zu einem -Wert stets genau ein -Wert gehört. Man kann aber keine Funktion finden mit und .

Die Frage, ob man ein algebraisches Lösungsgebilde als einen Graphen realisieren kann, ist äquivalent dazu, ob man die definierende Gleichung nach „auflösen“ kann. Im Beispiel kann man und damit schreiben. Ist es also doch ein Graph? Hier gibt es zwei Interpretationen:

    • Wenn man sich auf reelle Zahlen und auf positive Wurzeln beschränkt, so hat man im letzten Schritt keine Äquivalenzumformung durchgeführt, und Information „hinzugefügt“, die in der ursprünglichen Gleichung nicht vorhanden war. Die positive Wurzel zu nehmen bedeutet, sich auf den oberen Halbkreis zu beschränken (Information, also Bedingungen hinzufügen, bewirkt, dass die Lösungsmenge verkleinert wird).
    • Wenn man stattdessen unter alle Lösungen berücksichtigt

    (d.h. im Reellen die positive und die negative Quadratwurzel, was man häufig als schreibt), so hat man keine Information dazugetan, aber auch nicht nach einer Funktion aufgelöst (sondern nur, wie man manchmal sagt, nach einer „mehrwertigen Funktion“)

    Beide Standpunkte haben etwas für sich. Dass man für einen Teil des geometrischen Objektes (dem oberen Halbbogen) versucht, eine einfache Beschreibung als Graph zu finden, kehrt im Satz über implizite Funktionen, im Potenzreihenansatz, in Parametrisierungen und in der lokalen Theorie wieder.