Der Cid. Geschichte des Don Ruy Diaz, Grafen von Bivar Nach spanischen Romanzen ist der Titel von Herders deutscher Nachgestaltung des spanischen Nationalepos von El Cid, die auf einer französischen Prosaübersetzung und einer Reihe zusätzlicher spanischer Romanzen fußt.

Zum Inhalt

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Traurend tief saß Don Diego,
Wohl war keiner je so traurig;
Gramvoll dacht er Tag' und Nächte
Nur an seines Hauses Schmach.

So beginnt Johann Gottfried Herders Übersetzung der Romanzen zum Cid.

Don Diego hofft, dass einer seiner Söhne seine Schande rächt und greift zum - naheliegenden? - Mittel, dass er sie alle fesselt. Der jüngste Sohn, Rodrogo, freilich lässt sich das nicht gefallen und erklärt seinem Vater, er könne von Glück sagen, dass er ihn wegen dieses Versuchs, ihn zu fesseln, nicht getötet habe. Daraufhin ist der Vater begeistert und erkennt ihn als seinen einzig wahren Sohn an. Rodrigo, der später Cid genannt wird, tötet den Feind des Vaters. Dessen Tochter fordert beim König Fernando eine Bestrafung Rodrigos, wird aber abgewiesen. Schließlich habe er schon in judendlichem Alter fünf Maurenkönige besiegt. Die Königstochter Uraka schwärmt von Rodrigo. Der freilich wirbt um die Tochter des Mannes, den er getötet hat, und deren Mutter aus Gram darüber gestorben ist.

Ximene nimmt seine Werbung an. Doch sie verbringen nur kurze Zeit miteinander. Ständig ist er auf Kriegszügen für - nacheinander - drei Könige unterwegs. Selbst in der Verbannung kämpft er noch für seinen König und die Christenheit.

Der historische Cid freilich kämpfte - wie ein Warlord - mal im Auftrag der spanischen Könige, mal im Auftrag muslimischer Fürsten, mal in eingener Sache zu Erwerb und Erhalt seiner Herrschaft Valencia.

Textbeispiele

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Werbeszene

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Rodrigo:
In der stillen Mitternacht,
Wo nur Schmerz und Liebe wacht,
Nah ich mich hier,
Weinende Ximene,
– Trockne deine Träne!
Zu dir.

Ximene:
In der dunkeln Mitternacht,
Wo mein tiefster Schmerz erwacht,
Wer nahet mir?

Rodrigo:
Vielleicht belauscht uns hier
Ein uns feindselig Ohr;
Eröffne mir –

Ximene
Dem Ungenannten,
Dem Unbekannten
Eröffnet sich zu Mitternacht
Kein Tor.
Enthülle dich!
Wer bist du? Sprich!

Rodrigo:
Verwaisete Ximene,
Du kennest mich.

Ximene:
Rodrigo, ja, ich kenne dich,
Du Stifter meiner Tränen,
Der meinem Stamm sein edles Haupt,
Der meinen Vater mir geraubt

Rodrigo:
Die Ehre tats, nicht ich. Die Liebe wills versöhnen.

Ximene:
Entferne dich! Unheilbar ist mein Schmerz.

Rodrigo:
So schenk, o schenke mir dein Herz!
Ich will es heilen.

Ximene:
Wie? Zwischen dir und meinem Vater, ihm,
Mein Herz zu teilen? –

Rodrigo:
Unendlich ist der Liebe Macht.

Ximene:
Rodrigo, gute Nacht.

(Der Cid, S.217/18)

Rodrigo, der Hochzeiter, wird vom König ausgestattet

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Als der König Don Fernando
Von Rodrigo und Ximenen
Beider Wort und Treu empfangen,
Zu vergessen allen Haß

Und deshalb sich vor dem guten
Frommen Bischof Luyn Calvo
Zu vermählen – denn die Liebe,
Sie allein verzeihet ganz –,

Gab er, um den Cid Ximenen
Gleichzumachen an Vermögen:
Valduerna und Saldaña,
Belforado und San Pedro
De Cardeña gab er ihm.

(Cid, S.218/19)

Bei der Geburt des ersten Kindes steht der Cid im Feld

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Sehnlich wartete Ximene
In den Sälen ihres Palasts,
Sehnlich harrt' sie auf Rodrigo;
Denn die Stunde der Entbindung
Naht, die grausamsüße Stunde,
Ihres Lebens, wie sie hoffet,
Freudenreichster Augenblick.

Eines Morgens, es war Sonntag,
Meldeten sich ihr die Schmerzen,
Und es badet sich in Tränen
Ihr bescheidnes Angesicht.
Seufzend nimmt sie ihre Feder,
Manche, manche zarte Klage,
Mehr als tausend liebevolle
Bitten schreibt sie dem Gemahl,
Den sie wohl erweichen könnten,
Wenn die Ehre nicht in Felsen
Wandelte der Helden Herz.

Nochmals nimmt sie jetzt die Feder,
Und mit neuer Klag und Seufzen
Schreibt sie auch an ihren König,
An den edelsten der Welt:
[...]
Guter König, also schreibet
Mir in Eures Herzens Sprache:
Wollt Ihr den Gemahl mir senden?
Oder wollt Ihr, daß die Gattin
Eures ehrenvollsten Feldherrn
Ihm den Erstgebornen bringe,
Einen Waisen, vaterlos?

(Der Cid, S.227-230)

Der König braucht den Cid als Feldherr, bei der Taufe will ersatzweise er kommen

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König Fernando antwortet:

[...]
Also glaub ich auch der Furcht nicht,
Daß Ihr einen vaterlosen
Säugling in dem Schoße tragt.

Drängt ihn nicht, zurückzukommen,
Euren Ehgemahl! Er hörte,
Auch an Eurer Seite hört' er
Mit Unlust die Kriegsschalmei.
Und wenn er nicht Feldherr wäre;
Saget mir, was wärt Ihr beide?
Edelmann und Edelfrau.

Hatt er Könige der Mauren
Fünf als Jüngling zu Vasallen,
Wollte Gott, er hätte deren
Fünfmal fünf! Denn um so minder
Hätte Feinde jetzt mein Reich.

Kann er also nicht, Ximene,
Bei Euch sein im Augenblicke,
Wo Ihr ihn so sehnlich wünscht,
So erlaubt mir, edle Mutter,
Daß ich seinen Platz vertrete!
Denn ich glaub es, nur der König
Ist für ihn des Platzes wert.

(Der Cid, S.231/32)

Der Cid siegt auch nach dem Tode noch

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Mitternacht wars, und man setzte
Auf sein gutes Pferd Babieca
Grad und fest den toten Herrn;
Schwarz und weiße Niederkleider,
Ähnlich dem gewohnten Harnisch,
Den Cid an den Beinen trug;
Durchgenäht mit goldnen Kreuzen
War die Kleidung; ihm am Halse,
Eingefaßt mit der Devise,
Wellenförmig hing sein Schild.
Von gemaltem Pergamente
Stand ein Helm ihm auf dem Haupte;
Ganz in Eisen eingekleidet
Schien er da auf seinem Roß,
In der Rechte die Tizona. [sein Schwert]
[...]

Furchterblasset stand Bukar. [der Anführer der Muslime]
Wohl sechshunderttausend Ritter
Dünkt ihnen das Heer der Christen,
Alle weiß und hell wie Schnee.
Und der Schrecklichste vor allen,
Reitend vor auf weißem Rosse,

Größer als die andern alle,
In der Hand eine weiße Fahne,
Auf der Brust ein farbicht Kreuz,
Sein Schwert glänzete wie Feuer,
Als er anlangt bei den Mauren,
Breitet ringsum er den Tod.
Alle fliehen nach den Schiffen,
Viele stürzen sich ins Meer;
Wohl zehntausend waren ihrer,
Die die Schiffe nicht erreichten,
Die des Meeres Flut verschlang.
Von den Mohrenköngen blieben
Zwanzig; nur Bukar entrann.

Also siegt' auch nach dem Tode,
Weil San Jago ihm voranging,
Cid; gewonnen ward an Beute
Großer Reichtum, alle Zelte
Voll von Golde, voll von Silber;
Auch der Ärmste wurde reich.

(Der Cid, S.331-33)

Linkliste

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