Benutzer:H.-P.Haack/Entwicklung der Psychiatrie/Ideler 1841 Tafel III.

Lithographie 22 x 15 cm von Carl Resener 1841

Ideler, K. W.: Biographien Geisteskranker in ihrer psychologischen Entwicklung, Tafel 3.

Heutige Diagnose: Paranoid-halluzinatorische Schizophrenie.


Exzerpt aus Idelers Angaben:

Der 1816 geborene Patient R., Sohn eines Landgeistlichen, ist Student der Theologie. Als Gymnasiast sei er schüchtern und verschlossen gewesen. Im Unterricht habe er bei gutem Merkvermögen einen Mangel an Urteilskraft gezeigt. Während des Studiums sei er in sich gekehrt gewesen. In seinem Studentenzimmer hätte er häufig lesend oder träumend am Ofen gestanden. Einladungen habe er abgelehnt.

Im März 1827 warf er seiner Wirtin vor, ihn beim Kammergericht verklagt zu haben, ohne jedoch den Betreff der Klage zu nennen. Bald darauf empfand er Feindschaft allen Menschen gegenüber, denen er insgeheim sittliche Verderbnis vorwarf. Ideler vermutet, er wollte sich damit Genugtuung für erlittene Spöttereien verschaffen, die seine Eigenliebe verletzt hätten. Von da sei es nur ein kleiner Schritt zu dem Wahn gewesen, dass die allgemeine Gottlosigkeit absichtsvoll auf sein Verderben ziele.(S.32) Aus seiner Menschenscheu sei Menschenhass geworden.(S.43)

Seine Frömmigkeit, die ihn vor allen Anderen auszeichne, wolle die Welt nicht anerkennen, ihn vielmehr zum Abfall von Gott verleiten. Nach einem diesbezüglichen Gespräch mit seinem Professor urteilte dieser, dass R. „ganz wahnsinnig sei.“ Den Rat, sich einem Arzte anzuvertrauen, lehnte der Patient beleidigt ab.

In den Vorlesungen störte er durch eigensinniges Aufstampfen oder Scharren. In seinem Studentenzimmer habe ihm eine „innere Stimme“ die Gottlosigkeit seiner Wirtsleute mitgeteilt. Am 4. Juli 1837 stach er mit einem Jagdmesser mehrmals auf die zu Besuch weilende Mutter seiner Zimmerwirtin ein. Dabei soll er gerufen haben: „Sie müssen sterben. Sie habe ihren Glauben verleugnet, Ihre Zeit und Stunde ist um.“ Die Frau überlebte, „da sie über dem Hemde zwei flanellene Röcke und ein Kamisol [ein korsettartiges Oberteil] trug.“

Am 7. Juli 1837 wurde der Patient in die Irrenabteilung der Charité verbracht. Ideler hielt „nach dem jetzigen Standpunkte der Psychiatrie“ einen Wahn für unkorrigierbar.(S.41) Am 24. April 1838 erfolgte die Entlassung. Über das weitere Schicksal des Patienten ist nichts vermerkt.


Idelers pathogenetische Stellungnahme:

In dem beschriebenen Fall habe der Wahn des fanatischen „Schwärmers“ die Funktion einer Rechtfertigung vor dem eigenen Gewissen gehabt und hätte schon aus diesem Grunde vom Patienten nicht aufgegeben werden können. (S. 45)


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