Benutzer:H.-P.Haack/Entwicklung der Psychiatrie/Ideler 1841 Tafel X.

Lithographie 22 x 15 cm von Carl Resener 1841

Ideler, K. W.: Biographien Geisteskranker in ihrer psychologischen Entwicklung. Tafel 10, recte 11.

Diagnose: Hysterie


Exzerpt aus Idelers Angaben:

„S., im Jahre 1809 geboren, die Tochter eines Schäfers auf einem adelichen [adligen] Gute in der Nähe von Weimar, verlebte ihre Kindheit im älterlichen [elterlichen] Hause bis zu Einsegnung. [… ] In Weimar, woselbst sie mehrer Jahre gedient hatte, lernte sie ihren Ehemann kennen, welcher als Schuhmachergeselle auf seiner Wanderung begriffen, dort längere Zeit verweilte.“ 1845 folgte sie ihm nach Berlin und heiratet ihn.

Bald sei es zu mannigfachen Zwistigkeiten gekommen, während denen die Patientin „Schimpfworte und andere Ausbrüche zornmüthiger Gesinnung gegen ihren Mann sich erlaubte, ja selbst Holzstücke und andere Dinge nach ihm warf.“ Der Ehemann wird von Ideler als roh und lieblos eingestuft.

In der fremden Stadt meinte sie, man belächle ihren Dialekt und verhöhne sie wegen ihrer Ortsunkenntnis. Ihren Ehemann beschuldigte sie verschiedentlich der Untreue.

Entbindungen und fiebrige Krankheiten (darunter Brustabszesse nach 4 Monaten Stillen und eine Pockenerkrankung), hätten sie geschwächt. In der Folge sei sie mürrisch und verschlossen geworden. Misstrauen und Argwohn hätten sich eingestellt, was Ideler auf ihre einsame Lage zurückführt.

Ihrem Arzt habe sie bald nicht mehr geantwortet und erklärt, er wolle sie vergiften. Wegen der allgemeinen Erschöpfung wurde die Patientin im Mai 1840 in die „Abtheilung für innere Kranke“ aufgenommen. Im Krankjournal dort wurde ihr Leiden als Hysterie bezeichnet. Wegen Leibbeschwerden und Verstopfung erfolgte eine Kur mit Abführmitteln, - mit so gutem Erfolg, dass die Kranke schon nach Monatsfrist geheilt entlassen werden konnte.

Bald jedoch bezichtigte sie ihren Ehemann erneut der Untreue und hörte Stimmen, die sie beschimpften. Ihr Mann legte mehrfach Hand an sie, um sie zu bändigen, was sie jedoch nur in der Überzeugung bestärkte, er wolle sie umbringen.

Am 1. Februar 1841 wurde sie in die Irrenabteilung der Charité eingewiesen. „Die Anwendung entsprechender Heilmaßregeln und insbesondere der Douche dämpfte bald die Regung ihrer Leidenschaft, so daß sie jetzt, nach sechswöchentlicher Behandlung schon größtentheils zur Besinnung zurückgekehrt zu sein scheint.“ Der weitere Verlauf sei abzuwarten. Die Prognose lässt Ideler offen.

Die Diagnose Hysterie hat Ideler aus dem Krankenjournal der „Abtheilung für innere Kranke“ übernommen, obwohl er die absurde Eifersucht der Patientin als Wahn bezeichnet. Eine andere Diagnose ist in Idelers biographischem Bericht jedenfalls nicht vermerkt. Vermutlich schlossen in der damaligen psychiatrischen Krankheitslehre Wahn und das Hören von Stimmen eine Hysterie nicht aus.


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