Das Haus Albrechter-Leskoschek (Hilmteichstraße 24) in Graz: Dokumentation und Transformation von nicht erhaltbarem Kulturerbe

Villa Albrecher-Leskoschek 2012

Das Haus Albrecher-Leskoschek stellt ein durch österreichischen Architekten Herbert Eichholzer geschaffenes, modernes Gesamtkunstwerk in der Hilmteichstrasse 24 in Graz aus dem Jahr 1937 dar, der als einer der bedeutendsten Vertreter einer fortschrittgerichteten Moderne in Graz gilt. Da Herbert Eichholzer auch als Wiederstandkämpfer gegen den Nationalsozialismus tätig war, wird dem Haus nicht nur ein bedeutender Einfluss in der österreichischen Architekturgeschichte, sondern auch in der österreichischen Zeitgeschichte zugeschrieben. Die Beauftragung erfolgte durch den Erstbesitzer und Künstler Axl Albrecher-Leskoschek. Der kunsthistorische Aspekt findet sich im Wohnraum der Villa wieder, dort schuf Axl Albrecher-Leskoschek ein großformatiges Wandgemälde mit verschlüsselten Inhalten und Bezügen zur damaligen politischen Situation. Die Villa diente in den letzten Monaten des austrofaschistischen Ständestaates 1938 als kultureller Begegnungsort, wo sich Gegner des Nationalsozialismus trafen. Nach Umbauten und Renovierungen ist die ursprüngliche architektonische und künstlerische Gestalt des Hauses heute kaum mehr erkennbar. Das Bundesdenkmalamt erklärte das Gebäude als nicht unterschutzstellungswürdig, weshalb es ebenso wie die Nachbarbauten, der Erweiterung des Landeskrankenhaus Graz wird weichen müssen. [1]

Architektur

Lage und Umgebung

Der Architekt Herbert Eichholzer arbeitete im Frühjahr 1937, zusammen mit seinen Mitarbeitern ein Enwurfsmodell eines Wohnhauses aus, dass am Rand des Grazer Leechwaldes errichtet werden soll. Ganz nach dem Motto: Luft, Sonne und Freiraum für den modernen Großstadtmenschen platzierten sie auf der Terrasse einen winzigen Liegestuhl, der genau dieses Motto wiederspiegeln soll. Von außen zeigte sich eine weiße, scheinbar schwerelose wirkende Villa, die sich vor der dunklen Kulisse des Waldes erstreckte. Unter Eichholzers Projekten ist das Haus nicht nur das ausgereifteste, sondern auch das am besten dokumentierte, gleichzeitig aber auch eines der letzten, dass er in Österreich vor seinem Aufbruch ins Exil in Folge des Anschlusses 1938 realisieren kann. [2]

Konstruktion

Die Villa zeigt einen asymmetrischen, flachen, weißen Baukörper, der aus zwei übereinander gelegten, von den horizontalen Flächen der Terrasse und des Vordaches durchgedrungen Quadern besteht. Durch die Aufständerung des gesamten Eisenbetonbaus entsteht ein schwebender Eindruck, den der schweizstämmige Architekt Le Corbusier programmatisch in der Bezeichnung „Maison de l'Air“ eingefangen hatte. Ein stark wasserhaltiger Grund (stellenweise fast sumpfig) lies Eichholzer keine andere Wahl, als auf einem Betonpfeilerbau zu bauen. Der aus den beiden Quadern zusammengesetzte Kern wird von sehr zarten, mittelgrau gestrichenen Metallstützen, die im Süden und Westen das Dach der umlaufenden Terrasse tragen und einem Balkongeländer mit ebenfalls grau gestrichenem Maschendrahtgitter umhüllt.[3] Die dadurch entstehende diaphane Wirkung wird noch dadurch erhöht, dass das Vordach über einem Sitzplatz an der breiteren, nach Westen hin gerichteten Terrassenseite durch ein Raster aus quadratischen Öffnungen mit lichtdurchlässigen Milchglasscheiben aufgelöst wird. Dadurch entsteht ein fast immaterieller Eindruck.

Der Eingang des Hauses samt Garage für das später angeschaffte Auto befindet sich an der unspektakulären Nordseite des Hauses, die eher an die Hofseiten gründerzeitlicher Wohnbauten mit Klopfbalkonen erinnert als an die durch Stilfassaden inszenierten straßenseitigen Eingänge historischer Villen. Grund dafür ist, dass der nach Süden zur Sonne hin orientierten Gartenseite die Funktion einer Hauptfassade zugewiesen wird: Im Vordergrund stehen nun die inneren Funktionen des Hauses und der moderne, auf Erholung das eigene Wohlbefinden gerichtete Lebensstil.

Die Wohnräume des Erdgeschosses werden durch die breite Enteröffnungen belichtet, wobei aber die weiß gestrichenen Holzrahmen der Horizontalität des Fensterbandes eine auffallende vertikale Rhythmisierung entgegen gesetzt wird.

Im Südwesten erweitert sich die Terrasse zu dem größeren, von den Bewohnern oft genutzten Sitzplatz. Eine Rundöffnung in der Betonwand, die den Blick zum rückseitigen Eingangsbereich des Hauses ermöglicht, ist ein charakteristisches Architekturelement.[4]

Innenräume

Das Haus Albrecher-Leskoschek ist auf einer Grundfläche von ca. 150m2 errichtet und wird quasi von der Rückseite her erschlossen. Während die „dienenden“ Nebenräume (Garage, Eingangsbereich mit Garderobe, Anrichte, Küche und Speis) im Erdgeschoss nach Norden hin angeordnet sind, orientiert sich der rund 75m2 große, in drei funktionelle Bereiche gegliederte Wohnraum, der BewohnerInnen wie BesucherInnen ein modernes, freies Wohngefühl vermittelte, über die gesamte Breitseite nach Süden hin.

Die Planung der Küche wird keine spezielle Aufmerksamkeit zugewandt, sie ist mit damals üblichen einfachen Einzelmöbeln ausgestattet. Waschküche, Bügelraum und Heizraum mit Holz-Zentralheizung befinden sich im Keller.

Eine optisch zentrale Stellung nimmt eine auffallende, annährend quadratische Schiebetür aus furniertem Holz mit einer großen runden Glasöffnung ein, die den Angelpunkt zwischen Vorraum und Wohnbereich markiert. Über zwei abwärts führende Stufen erreicht man den aus drei, jeweils einer bestimmten Funktion zugeordneten Bereichen bestehenden, durchgehend mit Parkett ausgestatteten Wohn- und Essraum, den zwei Türen zur Terrasse bzw. über eine kurze Treppe zum Garten hin öffnen. Ein leichter, durch eine weitere Stufe geschaffener Niveauunterschied, eine frei stehende runde Stütze und unterschiedliche Möblierungsstile ermöglichen die Differenzierung und Separierung der drei Raumteile.

Zur Einrichtung der Wohndiele, die durch die Nähe zum Eingangs- und Küchenbereich, den direkten Zugang zum Garten und die Belichtung von Osten für das Wohnen tagsüber geeignet ist, setzt Eichholzer auf Stahlrohrmöbel.

Den mittleren Teil der Raumsuite bildet der Essbereich. Ihn dominiert das von Axl Leskoschek gestaltete, rund sieben Meter lange Wandbild in zarten Blau-, Rot- und Grüntönen, das den oberen Teil der nordseitigen Wand einnimmt und von einer Durchreiche zur dahinterliegenden Anrichte durchbrochen ist. Vor dem Bild steht ein furniertes, als „Buffet“ bezeichnetes Sideboard mit Stahlrohrfüßen. An dem kleinen, an der Fensterwand platzierten ausziehbaren Esstisch werden die Mahlzeiten eingenommen.

Als Raumteiler zwischen Ess- und hinterem Sitzbereich fungiert ein Musikschrank mit Radio und Schallplattenspieler, der die frei stehende runde Stütze integriert und mit Lautsprechern in Richtung Sitzbereich ausgestattet ist. Die Bücherwand befindet sich an der nördlichen Seite.

Im Obergeschoss, das man über ein durch Glasbausteine belichtetes Stiegenhaus erreicht, befinden sich zwei Schlafzimmer und ein kleiner Raum, der im Grundriss als Zimmer für das Dienstmädchen ausgewiesen ist, tatsächlich aber als Gäste- und später zweites Kinderzimmer genutzt werden sollte. Das größere Schlafzimmer im Westen, jenes der Hausherrin, ist mit einem hinter einem Vorhang verborgenen Tresor ausgestattet und hat eine Tür nach außen zum Dach. Auf den Plänen ist dieser Bereich des mit Bitumen und Kies gedeckten Betondaches als Terrasse ausgewiesen, allerdings ohne Geländer – heute eine baupolizeiliche Unmöglichkeit. Zwischen Bad und Schlafzimmer befindet sich nur mehr ein Ankleideraum.[5]

Wandgemälde „Allegorie der Freunde“

In der Villa Albrecher-Leskoschek schuf der Künstler Axl leskoschek um die Jahreswende 1937/38 das Wandgemälde „Allegorie der Freunde“ und verwies darin in einer vielschichtigen und verschlüsselten Bildsprache auf die gesellschaftlich und politisch angespannte Situation dieser Zeit. Im Wohn- und Esszimmer des Hauses eröffnete sich dem Künstler eine großflächige Wand, die ihm als Malgrund für seine Seccomalerei „Allegorie der Freunde“ diente. Der von Herbert Eichholzer entworfene moderne Bau wurde als Gesamtkunstwerk konzipiert und erfuhr mit der künstlerischen Komplettierung von Axl Leskoschekeine weitere Dimension der Gestaltung.

Das Wandgemälde „Allegorie der Freunde“ befindet sich im Erdgeschoss des Hauses in der Hilmteichstraße 24 im Wohn- und Essraum und somit im zentralen Bereich des Gebäudes. An der 6,35 Meter breiten Nordwand, welche den offen gestalteten Wohn- und Essraum von der Küche trennt, wurde die Seccomalerei nahezu über die gesamte Fläche angebracht. Eine Durchreihe zur dahinterliegenden Küche wurde im Zuge der Umbau- und Renovierungsarbeiten in den 1960er-Jahren geschlossen und ist im heutigen Zustand somit nicht mehr als solche vorzufinden. Das Gemälde ist heute nicht mehr sichtbar. Es befindet sich hinter Farb- und Tapetenschichten, die im Zuge der Umbauarbeiten angebracht wurden.[6]

Die Geschichte der Villa im Nationalsozialismus

Das Haus in der Hilmteichstrasse 24 diente in den letzten Monaten des austrofaschistischen Anschlusses 1938 als kultureller Begegnungsort, wo sich ein Kreis von Künstlern und Intellektuellen, die in Opposition zum Nationalsozialismus waren, trafen. Während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft fungierte es auch als „Deckadresse“ des kommunistischen Widerstandes um Herbert Eichholzer. In einer unmenschlichen Zeit brachten mustige Menschen im Umkreis dieses außergewöhnlichen Hauses für ihre Überzeugung ihr Leben in Gefahr. [7]

Dokumentation und Transformation

Die Villa Albrecher-Leskoschek wurde in den Jahren 1937/1938 nach den Plänen von Herbert Eichholzer als Wohnhaus erbaut und in weitere Folge auch als Ort des Widerstands gegen das NS-Regime genutzt. Der ursprüngliche Charakter des Hauses wurde in den 1960er Jahren dahingehend physisch verändert, dass das Obergeschoss ausgebaut und weitere Gebäudeteile verändert wurden. Das großformatige Wandbild „Allegorie der Freunde“ ist durch einen aggressiven Farbanstrich der 1960er-Jahre nicht mehr rekonstruierbar. Von außen wird die Villa nur in Erinnerungen, in Erzählungen, auf Bildern, in Filmen oder in Texten existieren. Das Haus wurde vom Bundesdenkmalamt in seiner heutigen Form als nicht unterschutzstellungswürdig beurteilt und als Wohnhaus durch die tief greifende städtebauliche Veränderung der Umgebung längst entwertet. Die Villa wird demnächst der Erweiterung des Grazer Landeskrankenhausareals durch einen Radiologie-Neubau weichen, weil keine für eine Unterschutzstellung ausreichende geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung im Sinne des Denkmalschutzgesetzes vorliegt. [8]

Literatur

  • Heiko Halbrainen, Eva Klein, Antje Senarclens de Grancy: Hilmteichstrasse 24 - Haus Albrecher-Leskoschek von Herbert Eichholzer. Clio Graz, Graz 2016, ISBN 987-3-902542-25-0

Einzelnachweise

  1. Heiko Halbrainen, Eva Klein, Antje Senarclens de Grancy: Hilmteichstrasse 24 - Haus Albrecher-Leskoschek von Herbert Eichholzer. Clio Graz, Graz 2016, ISBN 987-3-902542-25-0
  2. Heiko Halbrainen, Eva Klein, Antje Senarclens de Grancy: Hilmteichstrasse 24 - Haus Albrecher-Leskoschek von Herbert Eichholzer. Clio Graz, Graz 2016, ISBN 987-3-902542-25-0
  3. (Brief von Herbert Eichholzer an Franz Schacherl (im Zusammenhang mit der Herausgabe der Zeitschrift PLAN), 23.10. 1937, zit. N. Ecker 1984, 195.)
  4. Heiko Halbrainen, Eva Klein, Antje Senarclens de Grancy: Hilmteichstrasse 24 - Haus Albrecher-Leskoschek von Herbert Eichholzer. Clio Graz, Graz 2016, ISBN 987-3-902542-25-0
  5. Heiko Halbrainen, Eva Klein, Antje Senarclens de Grancy: Hilmteichstrasse 24 - Haus Albrecher-Leskoschek von Herbert Eichholzer. Clio Graz, Graz 2016, ISBN 987-3-902542-25-0
  6. Heiko Halbrainen, Eva Klein, Antje Senarclens de Grancy: Hilmteichstrasse 24 - Haus Albrecher-Leskoschek von Herbert Eichholzer. Clio Graz, Graz 2016, ISBN 987-3-902542-25-0
  7. Heiko Halbrainen, Eva Klein, Antje Senarclens de Grancy: Hilmteichstrasse 24 - Haus Albrecher-Leskoschek von Herbert Eichholzer. Clio Graz, Graz 2016, ISBN 987-3-902542-25-0
  8. [1] aufgerufen am 12. Dezember 2017