Benutzer Diskussion:Methodios/Kirche/Jesuiten/Christian Herwartz
Arbeiterpriester
Bearbeiten1975 ging der Jesuit Christian Herwartz zu einer Probezeit in eine Gemeinschaft von Arbeiterpriestern nach Frankreich in Toulouse, Straßburg und Paris, 1977 kam Michael Walzer nach. 1978 gründeten die beiden Jesuiten mit ihrem ungarischen Mitbruder Peter Musto in Berlin eine neue Kommunität. Sie hatten sich entschieden, als normale Arbeiter zu leben und zu arbeiten. Um keine Sonderstellung im Betrieb einzunehmen, stellten sie nicht – ähnlich wie andere Arbeiterpriester auch – mit ihrer kirchlichen Stellung vor. Nach einem halben Jahr zogen die drei nach Berlin-Kreuzberg um. Die kleine Gemeinschaft wuchs schnell. Menschen aus der Nachbarschaft und von weither kamen, nach und nach aus über siebzig Ländern, mit vielen Interessen, Fragen und Verletzungen aus ihren herausfordernden Lebensläufen. Das führte auch zur Konfrontation mit neuen Fragen, die solidarische Lösungen erforderten. Da auch Strafentlassene, Drogenkranke, gesundheitlich Herausfordernde, politisch entschieden Fordernde und Menschen ohne Papiere aufgenommen wurden, gab es auch Polizeikontrollen. Aus dieser Situation heraus entstanden die Exerzitien auf der Straße, die sich seit der Entlassung von Christian Herwartz aus dem Betrieb in Deutschland und darüber hinaus ausbreiteten.
Arbeitergeschwister
Bearbeitenw:de:Benutzer:Chrissj/Arbeitergeschwister
Arbeitergeschwister, ist der spätere Name für den Kreis der w:de:Arbeiterpriester, also von katholische Priestern mit manueller, bezahlter Beschäftigung in der Industrie und an anderen Arbeitsorten. In den deutschsprachigen Ländern kamen Frauen und Männer aus verschiedenen Kirchen hinzu, die einen ähnlichen Weg gingen. 1988 war der Namenswechsel überfällig.
Halbjahrestreffen
BearbeitenRegelmäßige halbjährliche Treffen in Ilbenstadt mit TeilnehmerInnen aus der Schweiz, Österreich, Niederlanden und Gästen aus England, ...
Vorbereitung
BearbeitenAm Ende der Zusammenkunft wird nach dem Thema des nächsten Treffens gefragt und den Mitgliedern einer Region, die es entsprechend der aktuellen Lage zusammen mit dem Sprecher der Zusammenkünfte vorbereitet.
Ablauf
BearbeitenDas Herzstück des Treffens sind die Antworten jedes/r Teilnehmer/in zu der angeschnittenen Frage und dem Bericht von ihrer aktuellen Situation vor Ort am Samstag Vormittag. Im Blick auf diese Runde werden danach die Themen für die Gesprächskreis am Nachmittag festgelegt, wobei die Fragestellungen am Arbeitsplatz immer einen festen Ort haben. Nach dem Gottesdienst werden meist vor dem gemütlichen Teil am Abend noch längere Berichte von einzelnen Aktionsfeldern (auch von Gästen) angeschnitten. Am Sonntag Vormittag folgen die Berichte von den ausländische TeilnehmerInnen und die Suche nach dem Thema für das nächste Treffen.
Themen
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Regionaltreffen
BearbeitenAußerdem treffen sich die Arbeitergeschwister zu regionale Treffen in der Schweiz, in Berlin, Ruhrgebiet, Rhein/Main, Mannheim/Ludwigshafen und spontan in anderen Wohnort bedingten Regionen in Deutschland, in Holland und in Österreich.
Interessierte
BearbeitenDer Kontakt kann über den Sprecher oder jedes andere Mitglied des Kreises erfolgen. Auch die Webseite gibt eine aber selten genutzte Möglichkeit. Interessierte werden der Regel zuerst von einem Mitglied zu einem Treffen in den Regionen eingeladen.
Medien
BearbeitenGodehard Brüntrup
BearbeitenBenutzer:Chrissj
BearbeitenChristian Herwartz, Berlin
Webseite: https://christianherwartz.wordpress.com/
Geboren 1943 in Stralsund, Schulen in Hildesheim, Kassel, Brühl, Köln, Kiel, Neus besucht.
1969 Eintritt in den Orden der Jesuiten, Ausbildung in Münster, München, Frankfurt/M, Toulouse, Straßburg, Paris
1978 Arbeit als Dreher und Lagererbeiter in Berlin, Engagement als Vertrauensmann (IG Metall), Begleiter vom Sozialen Jahr, Flüchtlingen, Stadtteilarbeit, die Kommunität der Jesuiten in Berlin-Kreuzberg wurde eine internationale Wohngemeinschaft von suchenden Menschen
2000 Entlassung aus dem Betrieb wegen Schließung der Abteilung,
weiter Engagement für Flüchtlinge und anderen von Ausgrenzung betroffene Menschen,
Begleitung von Übenden bei Exerzitien auf der Straße,
Mitbegründer des monatlichen Friedensgebetes mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen
auf dem Gendarmenmarkt jeweils am 1. So um 15 Uhr.
Erreichbar über die Jesuitengemeinschaft am Canisiuskolleg Tiergartenstraße 30, 10785 Berlin.
--Methodios (Diskussion)
Jesuiten-Kommunität
Bearbeiten--Methodios (Diskussion) 06:51, 4. Apr. 2023 (CEST)
Hier finden Ausgegrenzte, Verfolgte, Flüchtlinge und Menschen in Not einen Ort der Geborgenheit: Die Berliner Wohngemeinschaft Naunynstraße wurde vor 40 Jahren von drei Jesuiten gegründet.
Mitten im dicht bebauten, turbulenten und multikulturellen Stadtteil Berlin-Kreuzberg, unweit des U-Bahnhofs Kottbuser Tor, liegt die Naunynstraße. Die Wohnquartiere sind nicht nur optisch gemischt, es gibt sanierte, schicke Altbauwohnungen, Lückenbauten neueren Datums und einfache Wohnungen in jahrzehntelang kaum renovierten Häusern. Hier befindet sich hinter einer bunt bemalten Eingangstür, auf deren Klingelschild „WG Herwartz“ steht, eine besondere Wohngemeinschaft (WG). Die Wohnungstür ist bereits angelehnt, niemand steht dort, doch von innen dringen Gesprächsund Lachfetzen. Gleich links in der Küche kochen zwei fleißige Frauen Eier und füllen Kaffee um. „Hallo, wir duzen uns hier alle!“, stellt sich Iris*, die Leiterin der WG, vor. Sie wechselt mit Marga und Selda ein paar Worte, teilt mit, wie viele Gäste inzwischen im Wohnzimmer am Tisch sitzen, damit Kaffee- oder Teenachschub geplant werden können.
Seit 40 Jahren gibt es das Angebot „Offenes Samstagsfrühstück“ in der Naunynstraße 60. Nie wissen die Bewohner und Helfer der WG, wie viele Mitbewohner, Freunde, Leute aus der Nachbarschaft, Menschen von der Straße, Bekannte und Unbekannte, diesmal am langen Tisch im Wohnzimmer essen und trinken, reden, lachen, singen oder weinen werden. Rechnet man mit zirka 2000 Treffen in den letzten Jahrzehnten, haben die „Naunyns“ inzwischen eine Kleinstadt in ihren bescheidenen Wänden empfangen. „Das Samstagsfrühstück ist eine feste Einrichtung und uns ganz wichtig“, erklärt Iris, die seit 2015 in der WG lebt und 2016 deren Leitung übernahm.
„Gottesdienst am Küchentisch“
Die Gründungsväter der Wohngemeinschaft waren Christian Herwartz († 2022), Franz Keller († 2014) und Michael Walzer († 1986). Die drei Jesuiten nahmen 1978 im damals noch geteilten Berlin Arbeit als Lagerarbeiter, Dreher oder Küchenhilfe auf und gründeten etwas später die WG. „Mitten in dem vom Abriss bedrohten Kreuzberg, zwischen Menschen, die vor allem aus der Türkei, aber auch aus vielen andern Ländern kamen, gründeten wir eine Kommunität, die im Laufe ihrer Geschichte viele Menschen angezogen hat. Regelmäßig tauschten sie sich über ihren Alltag, die Arbeit und die Kontakte im Stadtteil aus und feierten anschließend miteinander ‚Gottesdienst am Küchentisch‘. Später kamen Menschen aus dem Gefängnis oder auf der Flucht aus dem Ausland in die Kommunität. Sie brachten ihre Verzweiflung, ihre Krankheiten und Süchte mit…“, beschrieb Christian Herwartz die Situation.
Aus der Arbeit der drei Ordensmänner, ihren täglichen Begegnungen auf der Straße, den Erfahrungen eines weiteren jungen Jesuiten, der mit in die WG zog, erwuchsen neue Aktivitäten, manche temporär, manche bis heute praktiziert: beispielsweise die bis zur Pandemie gehaltenen Mahnwachen vor der Abschiebehaft, die „Exerzitien auf der Straße“ oder das „Offene Samstagsfrühstück“.
Wie vor 40 Jahren stehen in den Zimmern der inzwischen drei Wohnungen mehrere Betten. Die Bewohner wechseln, zehn und oder mehr Menschen leben hier. Die WG versteht sich als Schutzraum, Zuflucht für Menschen, die unterschiedliche Sorgen und Nöte haben, Bedrohung, Abschiebung und Verfolgung befürchten oder aus anderen Gründen einen sicheren Ort brauchen: einen warmen Raum, ein Bett und etwas zu essen.
Kurzzeitig stand das Weiterbestehen der Wohngemeinschaft, die der Jesuitenorden in Berlin von Anfang an unterstützte und finanzierte, auf der Kippe. „Ein Glück, dass sie weiterhin für unsere Miete aufkommen“, sagt Iris erleichtert. Die laufenden Kosten tragen Freunde, Spender und die Bewohner aus unterschiedlichen Quellen selbst, jeder wie er kann.
Bunte Mischung am Frühstückstisch
Für das Frühstück lässt mancher Geld da, andere bringen Naturalien mit. Letzteres ist gewollt, schließlich wird das Essen geteilt. Aber nicht nur der Tisch ist heute, wie immer, bunt gedeckt – auch die Teilnehmer sind eine bunte Mischung: Iris entschuldigt Roy. Ihn lernten die WG-Bewohner durch das interreligiöse Friedensgebet, dessen Mitinitiator er ist, kennen. Seitdem ist er Freund und Begleiter, geht in der Naunynstraße ein und aus, doch heute ist das hinduistische Neujahrsfest. Das feiert der über 80-Jährige mit anderen Hindus. Jens aus Leipzig wird angekündigt. Er schaut vierteljährlich vorbei und will unbedingt noch den Osterbrunnen sehen, den die WG gestaltet hat. Sarah lebt seit 35 Jahren in der Nachbarschaft und gehört seit 2005 zu den Frühstücksbesuchern. Die meisten kennen sie, die aus ihrem Werdegang keinen Hehl macht: „Ich kenne die Uni und die Straße, ich habe ganz oben und ganz unten gelebt.“ Stephanus diskutiert mit seiner Nachbarin. Der Berliner hat eine Familie und eine Wohnung, doch nun lebt er für zwei Wochen mit den Menschen in der WG. „Weil ich das schon immer wollte!“, erklärt der Architekt. Diese Art des Zusammenlebens sei für ihn gelebte Utopie, die er von Christian Herwartz kennt und schätzt. Er hat auch Faten mitgebracht, die spontan beim Aufhängen der Ostereier geholfen hat und sich in diesem Kreis gut fühlt.
Marga und Selda leben zurzeit in den Zimmern der WG. Diese sind einfach eingerichtet. Mancher kommt nur mit dem, was er am Leib trägt. Zum Glück gebe es Kontakte zu einer Kleiderkammer, wo man für diese Mitbewohner auch „ohne Schein einer Behörde“ etwas zum Anziehen bekommen könne. Wer warum oder wie lange bleibt? „Wir fragen hier nicht viel, nur das Notwendigste“, erklärt Iris. So könnten die Neuen in Ruhe und Freiheit selbst entscheiden, was sie von sich preisgeben wollen. Gastfreundschaft, Geschwisterlichkeit, sich gegenseitig zu begleiten, sei das Wichtigste.
Im Lauf der Jahre sah sich die Leiterin häufig handfesten Problemen gegenüber. Egal, ob es Sorgen mit den Bewohnern gebe, die Polizei vor der Tür stehe, jemand dringend ärztliche Hilfe brauche und nicht versichert sei oder eine alte Sucht erneut aufbreche. Sie musste entscheiden, was zu tun ist und das manchmal sofort. Diese Aufgabe nimmt sie bis heute ernst und füllt sie aus.
Vielfalt der WG wird im Internet dokumentiert
Jedem WG-Bewohner steht es frei, seine religiöse Praxis einzubringen. Feiern des Schabbats gibt es hier genauso wie Gottesdienste oder das muslimische Fastenbrechen. Iris ist immer wieder aufs Neue begeistert vom unglaublichen Reichtum an Kulturen, Sprachen, Erfahrungen und Spiritualität in der WG. Ständig begleitet sie deren Alltag mit einen umfangreichen Blog (Internet- Tagebuch), damit aktuelle Aktionen bekannt gemacht und um Unterstützer und Unterstützung geworben werden könne.
Dass es Menschen in dieser Zelle der Gastfreundschaft und Mitmenschlichkeit gut gehabt haben, beweisen manchmal Geschenke, die sie, oft später, machen. Ein Beispiel dafür ist ein Kunstwerk im Flur, auf dem die Weltreligionen friedlich in einem großen Haus nebeneinander dargestellt sind – ganz so wie in der Wohngemeinschaft Naunynstraße.
naunynblog Veröffentlicht am 15. Mai 2023 - "Schutzraum voller Herzlichkeit" … ist der Artikel von Andrea von Fournier überschrieben, den der „Tag des Herrn“ in seiner Ausgabe vom 14. Mai 2023 über unsere WG veröffentlicht hat:
--Methodios (Diskussion) 18:46, 16. Mai 2023 (CEST)
Den ersten „Osterbrunnen“ der Hauptstadt schenkte die Wohngemeinschaft Naunynstraße in Kreuzberg kürzlich den Berlinerinnen und Berlinern und ihren Gästen an der katholischen St. Marien-Liebfrauenkirche in der Wrangelstraße. Deren Fassade war restauriert worden und der Brunnen in der Mitte auf dem vom dreiflügligen Gebäude umschlossene Platz erschien Betrachtern nun völlig neu. „Er rief: „Ich möchte ein Osterbrunnen werden!“, schreibt Iris, Leiterin der interkulturellen und interreligiösen Wohngemeinschaft. Und sie trug die Idee zu ihren MitbewohnerInnen, Unterstützern
und Freunden.
Gemeinsam handelten sie ab Oktober in einer konzertierten Aktion, um den Brunnen am Karsamstag festlich schmücken zu können. Osterbrunnen sind in dieser Region eher unbekannt. Als Iris in der Woche nach Ostern den Brunnen aufsuchte um zu sehen, ob alles noch an Ort und Stelle hängt und in Ordnung ist, traf sie unter anderem eine begeisterte Fränkin, die ihr erzählte,dass Osterbrunnen in ihrer Heimatregion sehr verbreitet seien und sie sich freue, auch in Berlin auf einen solchen zu treffen.
Die etwa 450 bemalten Eier werden an dem großen Steinbrunnen durch eine grüne Buchsbaumgirlande zusammengehalten und hervorgehoben. Erst wer sich dicht an das Bauwerk begibt, kann die künstlerisch verzierten Eier genau bewundern: Sie sind Ergebnis eines christlich-muslimisch-jüdisch-buddhistischen Gemeinschafts-werks. Iris erklärt, dass unzählig viele Unterstützer für Farben, Eier und Bastelmaterial mitgesorgt haben. Die BewohnerInnen der WG selbst wären dazu nicht in der Lage gewesen.
Doch sie gaben ihre Zeit, Kreativität und Herzblut daran,die weißen und braunen Eier in 15 verschiedenen Dekorations- und Färbetechniken zu verzieren. So sieht man einfarbige gefärbte, marmorierte oder mit verschiedenen Motiven bemalte Eier, prunkvoll goldenes Dekor auf schwarzem Grund leuchten, in die Oberfläche gekratzte Motive, in Serviettentechnik verzierte und vielfältig beklebte Eierschalen. Letzteres hat beispielsweise Iris mit Krepppapier getan: „Zum Schluss mussten alle Eier mit ausreichend Fixierer eingesprüht werden und „ich war gespannt, ob der Krepp das Wetter überstehen würde“. Das haben alle Eier bisher, obgleich es in der Stadt gerade viel regnet.
Und noch eines erfreut die Erschaffer des Osterbrunnens: Dass bisher weder Diebstahl noch Vandalismus zu Verlusten führte. Als die Initiatoren ihre Idee verbreiteten, wurden sie mehrfach davor gewarnt. Denn der Kiez um die Wrangelstraße ist schon ein besonderer, in dem viele Menschen mit Drogenproblemen und Aggressionen leben. „Wir riskieren das!“, beschlossen die Eier-Malenden. Nach dem Sortieren und „festen Vertäuen“ an der Girlande kamen in Eier zum Brunnen. Man müsste schon ziemlich hoch steigen, um die Eier-Girlande von ihrem Sockel zu heben. Über die Aufhängung müssen die Naunyns und ihre Freunde jetzt noch lachen: Fatem stieg mutig nach oben und drapierte alles mit Leichtigkeit. Sie ist Tänzerin und hat bereits signalisiert, auch beim Abbau mitzuhelfen.
Wie Stephanus, der beim Aufbau nur kurz dabei sein wollte. Drei Stunden Arbeit waren es am Ende, er war zufrieden. „Im nächsten Jahr mindestens 1000 Eier?“, fragt beim Frühstück eine Frau, die jetzt 22 Eier gestaltet hat. Da halten sich die WG-Bewohne- rInnen noch zurück. Mal sehen, ob aus diesem Jahr etwas hinübergerettet werden kann, ob „Künstler“ aus der Kirchengemeinde mitmachen, wie die Unterstützung dafür aussieht. Aber in den Köpfen wabert es schon mal…
Info: Wer den Osterbrunnen sehen möchte, kann das zur Zeit noch in der Wrangelstraße 50 in 10997 Berlin. Die Eiergirlande soll den Brunnen so lange wie möglich schmücken, angepeilt ist das Pfingstfest.
Andrea Fournier
Auf der Terminseite steht, wie lange der Osterbrunnen besichtigt werden kann.
Die anderen Blogeinträge zum Osterbrunnen sind hier chronologisch gesammelt mit vielen Bildern zum Anschauen und Freuen.
Die gleiche Autorin hat in der Ausgabe vom 14. Mai 2023 einen Artikel über unsere WG veröffentlicht: Schutzraum voller Herzlichkeit
naunynblog Veröffentlicht am 24. April 2023
Artikel zu unserem Osterbrunnen: "Lebenssymbol mitten in Berlin" - Hier nun der im letzten Blog-Eintrag versprochene Text des Zeitungsartikels von Andrea Fournier im „Tag des Herrn“ vom 23. April 2023
--Methodios (Diskussion) 19:02, 16. Mai 2023 (CEST)
Rolf Kutschera (Zeichner)
Bearbeiten--Methodios (Diskussion) 20:41, 16. Mai 2023 (CEST)
https://naunynblog.wordpress.com/2021/02/17/ein-letzter-gruss/?fbclid=IwAR2jHM9cpubBBGxW3pNdxsU2wfa1XwC7c4HMkCs1YwZsvGkLgwO6k_VG0iI ein letzter Gruß] naunynblog 17.2.2021
Rockn Rollf Berlin - ROLL AWAY THE PAIN
https://www.facebook.com/rockn.rollf.5
Exerzitien
BearbeitenDer Jesuit Christian Herwartz bot zunächst in Berlin „Exerzitien auf der Straße“ an.[3] Inzwischen wird diese Form der Exerzitien auch in anderen Städten und Ländern[4] von ehrenamtlichen Exerzitienbegleitern verschiedener Konfessionen[5] angeboten. Die Teilnehmenden lassen sich ungeplant mit ihrer Sehnsucht von Orten der jeweiligen Stadt herausfordern, wie Mose, der mit seiner Herde über die Steppe hinaus in die Wüste zog und auf einen brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch traf. Dort spürte er, dass er sich auf heiligem Boden befand. Dort wollte Gott mit ihm sprechen (Ex 3 EU). Im respektvollen Sehen und Hören wollen die Übenden die für sie „heiligen Orte“ in der Stadt wahrnehmen, wo sie „ihre Schuhe ausziehen“ und hören sollen, um dann auch antworten zu können. Gott kann auf die Einzelnen mit seinem Ruf an ganz unterschiedlichen Orten warten – unter Drogenabhängigen, im Arbeitsamt oder in einer Moschee, an einem Denkmal, an einem Flussufer oder anderswo – um ihn neu weiter in ein befreites Leben zu rufen. Seit 2019 finden zusammen mit Buddhisten und Moslems Retreats auf der Straße statt.
--Methodios (Diskussion) 06:59, 4. Apr. 2023 (CEST)
[Christian Herwartz:]
WAS SIND EXERZITIEN AUF DER STRASSE
BearbeitenGott ist immer eine gute Überraschung
Exerzitien heißt üben. Üben, zu sehen und zu hören, nach außen und nach innen und die Konsequenzen für das eigene Leben wahr zu nehmen. Bei Exerzitien auf der Straße wird eine besondere Achtsamkeit dem Ort entgegengebracht, an dem der/die Einzelne innerlich bewegt wird.
http://djzealot.deviantart.com/art/Burning-Bush-187158686
Burning Bush by djzealot
Seine Sehnsucht hatte Mose von innen heraus über die Steppe – mit Futter und Wasser für die Tiere – hinaus in die Wüste geführt. Dort sah er einen Dornbusch, in dem er Gott im Feuer (der Liebe) begegnete, das brennt und nicht verbrennt. Diese Geschichte im 2. Buch Mose/Exodus Kapitel 3 wurde zum Leitbild dieser Exerzitien.
Auch die verdrängten, die als unangenehm oder schwach empfundenen Seiten in uns und in der Gesellschaft wollen wir nicht übersehen, wenn es dran ist. Hier liegt oft die Chance für eine größere Weite im Leben der/des Einzelnen und von Gemeinschaften. Gott kann auf den Einzelnen mit seinem Ruf an ganz unterschiedlichen Orten warten – unter Drogenabhängigen, im Arbeitsamt oder in einer Moschee, an einem Denkmal, an einem Flussufer oder anderswo – um uns neu weiter ins Leben zu rufen.
Vielleicht habe ich mit dem Wort Gott auch Mühe und Religion ist mir suspekt. Auch dann habe ich das Recht, nach der Wirklichkeit zu suchen, die mich aufatmen, in der Freude gründen und neu sehen lässt. Welchen Namen gebe ich dem, was mich und die Welt im Innersten zusammenhält?
Einfache Quartiere und viel unverplante Zeit erleichtern es, sich betend auf den Weg zu machen, Orte der persönlichen Gottesbegegnung zu finden, dort zu verbleiben oder wieder hin zu gehen. Abends kommen die Übenden zurück in die einfache „Pilger-Herberge“ und erzählen nach einem gemeinsamen, selbst zubereiteten Essen und Gottesdienst von ihren Wegen, ihrem Suchen, ihrem Stehenbleiben, ihrem langsamen Nähern an die Orte, die sie persönlich als wichtig, als aufwühlend, als ihnen heilig erfahren haben. Und auch von den entdeckten Schwierigkeiten, den Ängsten, den Dornbüschen in ihrem Leben erzählen sie. Dabei werden sie aufmerksam begleitet, um selbst deutlicher zu erkennen, wohin sie geführt werden.
Die Exerzitien sind keine Sozialpraktika; sondern ein Loslassen in die Zeit und die Anwesenheit Gottes hinein, die er uns schenken will. Zehn Tage dauern die Kurse, die in der Tradition der Exerzitien (exerzieren = üben) stehen, für die Ignatius von Loyola im 16. Jahrhundert einen wichtigen Impuls gab. Aber auch kürzere Formen (2 Stunden, einige Tage) sind möglich. Bei maximal 10 Teilnehmenden werden zur Begleitung zwei Kleingruppen gemacht, welche von jeweils einer Frau und einem Mann begleitet werden.
Einen tieferen Einblick in Exerzitien auf der Straße gibt ein Aufsatz von Maria Jans-Wenstrup und Klaus Kleffner: „Geistliche Erfahrung durch fremde Orte“.
Ein erster Einblick mag auch dieser Ausschnitt aus einem ZDF-Bericht über den Katholikentag in Regensburg bieten (6:15 Minuten):
https://strassenexerzitien.de/was/
--Methodios (Diskussion) 06:59, 4. Apr. 2023 (CEST)
Exercices spirituels dans la rue
Bearbeitenhttps://gebetswache.wordpress.com/page/5/
Nos villes, d’un cœur brûlant.
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Nos villes d'in coeur brülants (image)Un ouvrage du Père Christian Herwatz sj
Numéro des Éditions Vie Chrétienne paru en Juillet 2015
Les Exercices spirituels, initiés par saint Ignace de Loyola, sont généralement pratiqués lors d’une retraite, à l’écart du cadre de vie habituel.
Le jésuite allemand Christian Herwartz a eu l’intuition originale qu’ils pouvaient également se vivre au cœur du monde, et en particulier, dans les rues de nos villes, pour peu que l’on tienne son regard et son esprit disponibles pour recevoir les signes de la présence de Dieu. Il arrive alors que, tel Moïse au Buisson ardent, le retraitant découvre dans ces artères urbaines une Terre Sainte inattendue.
C’est cette expérience que retrace cet ouvrage polyphonique. Le Père Christian Herwartz sj et le frère Yves Stoesel sj y exposent les fondements, la méthode. Leur voix est rejointe par celles de pèlerins de la rue, en France, en Allemagne, au Brésil…, qui témoignent de la fécondité des Exercices spirituels dans la rue.
Nombre de pages : 144
Prix unitaire : 12.50 € TTC
Unsere Städte, mit brennendem Herzen.
Unsere Herzensstädte (Bild) Ein Buch von Pater Christian Herwatz sj
Ausgabe der Éditions Vie Chrétienne, erschienen im Juli 2015
Die vom Heiligen Ignatius von Loyola initiierten Exerzitien werden in der Regel während eines Retreats abseits des gewohnten Lebensumfeldes praktiziert.
Der deutsche Jesuit Christian Herwartz hatte die ursprüngliche Intuition, dass sie auch im Herzen der Welt und insbesondere in den Straßen unserer Städte gelebt werden könnten, solange wir unsere Augen und unseren Verstand offen halten, um die Zeichen Gottes zu empfangen Gegenwart.
Es passiert dann, dass der Exerzitienteilnehmer, wie Moses im brennenden Dornbusch, in diesen städtischen Arterien ein unerwartetes Heiliges Land entdeckt.
Es ist diese Erfahrung, der dieses polyphone Werk nachspürt. Vater Christian Herwartz sj und Bruder Yves Stoesel sj legen die Grundlagen, die Methode offen. Zu ihrer Stimme gesellen sich die Straßenpilger in Frankreich, Deutschland, Brasilien …, die die Fruchtbarkeit der Exerzitien auf der Straße bezeugen.
Seitenzahl: 144
Stückpreis: 12,50 € inkl. MwSt
https://gebetswache.wordpress.com/2015/12/11/nos-villes-dun-coeur-brulant/
https://www.viechretienne.fr/boutiqueproduit/nos-villes-d-un-coeur-brulant,579.php
--Methodios (Diskussion) 07:09, 4. Apr. 2023 (CEST)
Ignatianische Exerzitien
BearbeitenDiese Exerzitien bilden eine geistesgeschichtliche Wende in der christlichen Spiritualitätsgeschichte. Sie sollen die Übenden in einen unmittelbaren Dialog zwischen Gott und Mensch führen. Theologiegeschichtlich ist dies mit der „Wende zum Subjekt“ vergleichbar. Ignatius leitet die geistlichen Übungen an, um Menschen bei einer existenziellen Frage beizustehen. In Folge gewann er Freunde, die seine Gefährten wurden. Mit einigen dieser ersten Gefährten kam es zur Ordensgründung der Gesellschaft Jesu.
Die Exerzitien auf der Straße wurden erstmals 2000 in Berlin angeboten und dann in verschiedenen Städten Deutschlands, der Schweiz, Österreich, Frankreich. Eine Basisbewegung macht Angebote verschiedener Dauer mit einem gemeinschaftlichen Austausch.
Christian Herwartz u. a.: Im Alltag der Straße Gottes Spuren suchen – Persönliche Begegnungen bei Straßenexerzitien. 2. Auflage. neukirchen aussaat, Neukirchen-Vluyn 2019, ISBN 978-3-7615-6270-3, S. 176.
--Methodios (Diskussion) 07:28, 4. Apr. 2023 (CEST)
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Auf Grund der Corona-Pandemie haben wir seit April 2020 nicht zum interreligiösen Friedensgebet auf dem Gendarmenmarkt eingeladen. Vorerst laden wir auch nicht mehr zu den Gebetstreffen ein.
Neuester Stand: Wir arbeiten an einer Publikation unserer Texte und über das Interreligiöse Friedensgebet Berlin. Mehr hier…
Bleiben Sie gesund.
Liebe BesucherInnen, herzlichen Dank für Ihr Interesse!
Was Sie hier vorfinden, wird immer uneinheitlich sein und Kanten haben. Sie werden hier keine Werbeblöcke finden, keine Billigangebote zum schnellen Glück, keine effizienten Botschaften oder endgültigen Wahrheiten. Denn unsere Gruppe vereinigt verschiedenartigste religiöse Traditionen und Menschen, die in ihren spirituellen Biographien, in ihrer Theologie, Philosophie und ihren politischen Grundauffassungen auf keinen einheitlichen Nenner zu bringen sind. Wir freuen uns an dieser Buntheit, die ein wenig den möglichen Reichtum des Lebens in unserer zusammenwachsenden Welt widerspiegelt. Unsere Gruppe besteht zwar nun schon seit über 15 Jahren, trotzdem bitten wir weiterhin um Nachsicht für die fortlaufende Improvisation auf dieser Internet-Seite und das Unvollständige unserer Botschaften.
Den Inhalt der alten Website übertragen wir momentan in das neue Design. Haben Sie bitte etwas Geduld mit uns und erfreuen Sie sich an den bereits zu findenden Einladungstexten und Texten zu unserer Geschichte als interreligiöses Friedensgebet Berlin.
Wir kooperieren bei der Teilnahme bei der Langen Nacht der Religionen Berlin mit dem Künstler Leo Lebendig/ Friedenslicht der Religionen.
Unser Selbstverständnis
- Im Jahr 2018 sind zwei unserer Gründungsmitglieder und langjährigen Unterstützer verstorben: Mohammed Herzog und Reinhard Schaenke.
Abschiedsbrief an Reinhard Schaenke (Februar 2018)
Im Jahr 2020 verstarb unser langjähriges Mitglied Volker Buisman.
Im Februar 2022 verstarb unser Gründungsmitglied Christian Herwarzt SJ.
http://friedensgebet-berlin.de/
Das erste Gebetstreffen unserer Gruppe war gleichzeitig eine Mahnwache.
Für die Friedenstifter und gegen die Anstifter zum Unfrieden beten und wachen wir seit dem 22. Mai 2002 monatlich einmal gemeinsam. Wir trafen uns 19 Jahre lang unter der Himmelskuppel auf dem sprichwörtlichen Berliner Pflaster. Der Terror gegen die Twin Towers am 11. September 2001 wirkt nach.
Noch immer und schon wieder treiben sich Gewalt und Gegengewalt an.
Es bleibt dabei: Wachet über die Friedenstifter – Betet unter den Menschen guten Willens. Der Kreis derer, die unsere Treffen thematisch vorbereitet haben, wird ab Monat März eine Auswahl unserer bisherigen Gebetsanliegen nachbereiten und in diesem Jahr des 20. Gedenkens als ein Buch der Erwartungen aufbereiten. Wenn es fertig ist, verschicken wir eine Einladung zur Buchpremiere. Mit diesem Ausblick beenden wir die monatlichen Einladungen zu unserem Gebetstreffen neben den Stufen der Neuen Kirche-Deutscher Dom. An diesem Ort und mit dem heutigen Datum vom 23. März geschah 1848 hier die Aufbahrung der getöteten Revolutionäre. Ihr Leben hat ein Dichter des Vormärz mit dem Anliegen von Einigkeit und Recht und Freiheit verbunden. Von diesen Stufen sahen uns die Besucher des Museums und konnten vernehmen, dass wir heute in ökumenischer Zeit uns verbinden mit Erwartungen in der Völkerwelt und Einkehr der Religionen in Gottes Schalom und seiner Macht durch Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. So wie wir bisher betend den Mut fanden zu sprechen, werden wir nicht mehr zusammenkommen. Wir werden uns aber sicherlich weiterhin untereinander sprechend und auch ermutigend beim Beten und Wachen finden lassen von Gott und den Menschen.
- Erwartungsvolle Grüße *
im Auftrag
- Friedensgebet Berlin*
http://friedensgebet-berlin.de/willkommen/2021-03
Zum Tod von Reinhard Schaenke
Lieber Reinhard,
Christian hat mir berichtet, dass Du von uns gegangen bist. Damit beginnt für mich beides: Rückblick und Ausblick.
Ich erinnere mich an unsere Begegnung in Berlin beim interreligiösen Gebet. Du hast von Anfang an dazugehört und hast es mit angestoßen. Du warst einer, der sich nicht als religionszugehörig verstand und trotzdem zu den Treuesten der Treuen gehörte, wenn wir uns einmal im Monat am Gendarmenmarkt getroffen haben. An diese Gebetsgemeinschaft werde ich mich immer erinnern.
Dadurch, dass Du Dich als nicht religionszugehörig beschrieben hast, warst Du für mich auch eine Herausforderung. Die Herausforderung hat mich zum Nachdenken gebracht und weitergeführt. Auf der einen Seite ist die Sehnsucht und der Wunsch nach Zugehörigkeit ein tiefer Wunsch, den wohl alle Menschen verspüren, ob es nun die Zugehörigkeit zur einer Familie, einer Gruppe, einer Gesinnungsgemeinschaft, einem Kollegium oder was auch immer ist. Aber gerade im Falle der Religion kann wie im Falle der Nation und bei anderen Zusammenschlüssen von Menschen die Zugehörigkeit eine ausgrenzende Rückseite bekommen und hat sie auch oft genug erhalten. Vielleicht ist das sogar unvermeidlich. Ich habe deswegen Deine Selbstbeschreibung als religiös nicht-zugehörig immer auch verstanden als Widerstand und Widerspruch gegen ausgrenzende Zugehörigkeit bzw. gegen die ausgrenzende Seite von Zugehörigkeit. Gerade dadurch hast Du eben dazugehört. Und so hast Du mir auch geholfen, meinerseits Grenzen der Zugehörigkeit zu überschreiten, gerade auch mit den Freunden und Freundinnen des interreligiösen Gebetes in Berlin.
Lieber Reinhard, sei herzlich bedankt für Dein Zeugnis, das Du mir und uns über viele Jahre hinweg gegeben hast. Ich freue mich auf das Wiedersehen!
Mit herzlichen Grüßen
Dein P. Klaus Mertes SJ
Kollegsdirektor St. Blasien
7. Februar 2018
http://friedensgebet-berlin.de/gebete-und-texte/reinhard
Zum Tod von Christian Herwartz SJ
P. Christian Herwartz SJ ist am Sonntag den 20. Februar 2022 in Berlin verstorben. Nach einer zunächst gut verlaufenen Darmoperation erlag er heute deren Folgen im Krankenhaus Havelhöhe in Berlin-Kladow.
Christian Herwartz wurde am 16. April 1943 in Stralsund geboren. Die Familie wechselte wegen der beruflichen Tätigkeit des Vaters – er war Kapitän der Bundesmarine – öfters den Wohnort. Sein Berufsleben – zunächst begann er mit einem Maschinenbaupraktikum auf einer Werft in Kiel. Dort wechselte er in die Bundeswehr und machte die Ausbildung zum Reserveoffizier. 1969 holte er das Abitur im Collegium Marianum in Neuss nach und trat in die Gesellschaft Jesu ein.
Nach dem Noviziat studierte Christian Herwartz Philosophie in Pullach und München, dann bis 1975 Theologie in Frankfurt Sankt Georgen. In dieser Zeit ließ er sich auch nachträglich als Wehrdienstverweigerer anerkennen. Es folgte eine Ausbildung in der Metallverarbeitung in Frankreich, mit Tätigkeiten in Toulouse, Straßburg und Paris. Dort lernte er die Ideen der Arbeiterpriesterbewegung kennen. Insbesondere das Mitgehen von Arbeiterpriestern in die deutsche Kriegsgefangenschaft beeindruckte ihn. 1976 wurde er zum Priester geweiht. 1978 begann er als Dreher und Lagerarbeiter in Berlin und schloss sich dem Kreis der „Arbeitergeschwister“ an. Zunächst wohnte er mit dem 1980 zu früh verstorbenen Michael Walzer SJ in einem Arbeiterwohnheim und einer Ausländerunterkunft, ab Mai 1979 in einer eigenen Wohnung in der Naunynstraße in Kreuzberg, zu der auch bald dauerhaft Franz Keller SJ hinzustieß. Menschen in unterschiedlichsten Notlagen waren in der Wohngemeinschaft willkommen. Christian schlief in einem Zimmer mit acht und mehr Betten. Oft wussten er und seine Mitbewohner morgens nicht, wer abends in dem Zimmer liegen würde. Seine Solidarität mit ausgegrenzten Menschen wurde immer existentieller. Er besuchte Gefangene, solidarisierte sich mit rassistisch diskriminierten Kollegen, nahm Menschen auf der Flucht und ohne Papiere auf und scheute sich dabei nicht, Grenzen des Legalen zu überschreiten. „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.“ (Mk 2,27) Seine Bereitschaft und Fähigkeit, Konflikte anzusprechen und zu provozieren – im Sinne des prophetischen „Herausrufens“ – machten ihn bekannt und in bürgerlichen Kreisen auch gelegentlich gefürchtet. Politisches Engagement und Frömmigkeit waren für Christian Herwartz untrennbar verbunden. Im Gast, der an seiner Wohnungstür klopfte, sah er nicht nur die hilfsbedürftige, schutzsuchende Person, sondern auch die potentielle Gastgeberin oder den potentiellen Gastgeber, der wie einst jener Wanderer auf dem Weg nach Emmaus seinen Gastgebern Kleopas und Maria in deren Haus das Brot brach (vgl. Lk 24,30).
Im Jahre 2000 wurde Christian Herwartz im Rahmen einer Maßnahme seiner Firma in den vorzeitigen Ruhestand entlassen. Zeitgleich meldeten sich Personen bei ihm, die in der Wohngemeinschaft Naunynstraße mit wohnen wollten, um sich von ihm bei Exerzitien begleiten zu lassen. Christian Herwartz ließ sich darauf ein. Er begann, Exerzitanten mit ihrer eigenen Sehnsucht im Herzen auf der Straße als dem Ort der Betrachtung zu begleiten, um sich dort von dem Ruf ansprechen zu lassen, der ergeht, so wie einst Mose auf dem Weg „über die Steppe hinaus“ (Ex 3,1) zufällig-plötzlich auf einen brennenden Dornbusch stieß und sich dort rufen ließ. Aus den ersten Erfahrungen von Begleitung entwickelten sich die „Exerzitien auf der Straße“. Sie wurden mit den Jahren immer mehr zu einer landes- und schließlich weltweiten Frömmigkeitsbewegung, die über die Grenzen der konfessionellen, aber auch der sozialen und bildungsmäßigen Unterschiede hinaus sehr vielen Menschen das Evangelium neu und lebensnah erschloss.
Im April 2016 verabschiedete sich Christian Herwartz aus Kreuzberg, da die fortschreitende Parkinsonerkrankung ihn an physische Grenzen führte. Er zog in das Canisius-Kolleg um, behielt aber Kontakt mit der Wohngemeinschaft und den Exerzitien auf der Straße. Ab März 2020 wechselte er aufgrund der Corona-Pandemie in das ordenseigene Seniorenheim nach Berlin-Kladow, um wegen des hohen Gefährdungsrisikos besser geschützt zu sein. Seine Kräfte ließen unter dem Druck der Parkinson-Erkrankung immer mehr nach. Bis zum letzten Tag blieb er mit vielen Freundinnen und Freunden in Verbindung. Sein plötzlicher Tod erschüttert nun viele Menschen. Sein Vermächtnis wird neben den Publikationen, die bereits schon vorliegen, noch weiter zu entdecken und zu würdigen sein.
Klaus Mertes SJ
http://friedensgebet-berlin.de/gebete-und-texte/christian-herwartz-sj
Tattoos
BearbeitenCHRISTIAN HERWARTZ IST PRIESTER, ORDENSMANN – UND TÄTOWIERT
Der Jesuit, der mit Tattoos von seinem Glauben erzählt
VERÖFFENTLICHT AM 10.01.2019
BERLIN ‐ Es fing mit einer kleinen Rose an. Doch inzwischen ist der Körper von Christian Herwartz großflächig tätowiert. Ungewöhnlich für einen über 70-Jährigen, noch ungewöhnlicher für einen Jesuitenpater. Wie es zu seinen Tattoos kam und was er damit ausdrücken möchte, erzählt Herwartz, der lange als Arbeiterpriester in Berlin gewirkt hat, im katholisch.de-Interview.
Christian Herwartz ist Jesuit und Arbeiterpriester. Obwohl er schon in Rente ist, organisiert er noch immer Mahnwachen, Straßenexerzitien und interreligiöse Gebete in Berlin. Herwartz trägt einen langen weißen Bart und auffallend viele Tattoos auf der Haut. Warum, erzählt er im Interview mit katholisch.de.
Frage: Pater Christian, wie viele Tattoos haben Sie eigentlich?
Herwartz: Oh, bei mir sind wohl alle Körperteile tätowiert. Mein erstes kleines Tattoo habe ich mir auf den Rücken stechen lassen. Das war eine kleine Rose. Meistens tätowiere ich mich aber selbst. Ich brauche dazu nur eine saubere Diabetikerspritze und farbige Tinte. Das tut auch gar nicht besonders weh.
Frage: Warum tätowieren Sie sich – als Priester?
Herwartz: Warum nicht? Ich habe als Arbeiterpriester in Toulouse gearbeitet. Als ich einmal zu Besuch bei einer Roma-Familie war, fiel mir beim Fußballspielen ein Junge auf, der seinen Rücken komplett tätowiert hatte. Er hat sich die Kreuzigungsszene Jesu mit Maria und Johannes stechen lassen. Das hat mich so tief beeindruckt, dass es mir die Sprache verschlagen hat. Damals habe ich mir überlegt, ob ich auch den Mut hätte, so zu meinem Glauben zu stehen. In den folgenden Jahren erinnerte ich mich immer wieder an diesen Jungen und habe viele Jahre später begonnen, mit Tinte in meiner Haut zu zeichnen. Zuerst waren es nur kleine Symbole, aber dann wurden die Tattoos immer größer und ausdrucksstärker.
Frage: Ist ein Kreuz auch dabei?
Herwartz: Ich muss mal nachschauen ... Ja, hier am Oberschenkel ist ein ganz winziges. Ich habe aber auch einen wirklich großen Anker auf dem Rücken, der ein Zeichen für die Taufe ist. In ihm wird auch ein Kreuz sichtbar. Doch ich habe kein Interesse kitschige Ornamente auf meiner Haut zu sehen. Ich erzähle lieber Geschichten.
Frage: Geschichten aus der Bibel?
Herwartz: Ja, die Geschichte von Mose und dem brennenden Dornbusch etwa. Die dornigen Zweige habe ich mir deshalb auf den linken Unterarm tätowiert. Der Dornbusch ist für mich ein Zeichen für eine intensive Gottesbegegnung. Nur die Liebe brennt und verbrennt nicht, genau wie der Dornbusch in dieser Erzählung. Mose wird darauf aufmerksam und geht hin, um sich das anzuschauen. Auf dem Weg dorthin ereignet sich dieser eine Moment für ihn, der zum Wendepunkt in seinem Leben wird, ein Berufungserlebnis. Für mich bedeutet das, dass Gott immer da zu finden ist, wo man ihn am wenigsten erwartet. Diese Geschichte könnte auch meine eigene sein. Wie die von Jona im Fischbauch. Der ist auch immer wieder weggelaufen. Auch dazu habe ich ein Tattoo.
2016 hat sich Pater Christian Herwartz aus der "Jesuiten-WG" in Berlin Kreuzberg verabschiedet. Er organisiert weiterhin Mahnwachen, interreligiöse Gebete und Exerzitien auf der Straße.
Frage: Wovor sind Sie davongelaufen?
Herwartz: Ich habe mich lange gegen meine Berufung als Priester gewehrt. Ich habe den Chef da oben einfach nicht verstanden, warum er gerade mich dafür haben will. Das musste er mir erstmal erklären. Als Jugendlicher war ich gar nicht fromm, eher ein Besserwisser. Oft stand ich auf der unverstandenen Seite. Irgendwann habe ich aber nachgegeben und bin Jesuit und dann Priester geworden. Ich habe mich aber immer als Missionar verstanden, als einer, der mit den Leuten unterwegs ist.
Frage: Was meinen Sie damit?
Herwartz: Nach meiner Zeit als Arbeiterpriester in Frankreich habe ich mit einem Mitbruder in Berlin eine offene Wohngemeinschaft gegründet. Jeder war eingeladen, mit uns mit zu leben. In meinem Schlafzimmer gab es sieben Betten und in der Wohnung auch noch ein paar mehr. So konnten wir jederzeit spontan Gäste aufnehmen. In unserer Jesuiten-WG lebten Obdachlose, politisch Verfolgte, Geflüchtete, illegal in Deutschland lebende Ausländer, aus der Haft Entlassene und auch Leute, die auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens waren. Ein Aufenthalt bei uns kostete nichts. Alle waren willkommen. Ich habe nie nach den Gründen gefragt, warum einer zu uns kam. Wenn ein Bett frei war, hat er es bekommen. Wenn keines frei war, habe ich auf dem Boden geschlafen.
Frage: Wie kam dieses WG-Projekt bei Ihren Mitbrüdern an?
Herwartz: Nicht so gut. Die Ordensoberen haben mich schon verstanden, aber die bürgerlichen Mitbrüder dachten, ich hätte einen Vogel. Manche verachteten mich sogar, weil für mich nicht nur die Jesuiten wie Brüder waren, sondern alle Menschen, die in Not waren. Ich habe alle als eine große Gemeinschaft gesehen. Dafür bin ich oft angegriffen worden.
Frage: Wie haben Sie auf die Angriffe reagiert?
Herwartz: Weiter machen! 'Jesus ist dem Dreck der Welt auch nicht aus dem Weg gegangen. Er hat sein Leben draußen mit den Menschen, die am Rande standen, verbracht. Nicht umsonst sagt er im Johannesevangelium: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6). Für mich ist "der Weg" die Straße, auf der die Menschen unterwegs sind. Ich wollte niemanden etwas vorpredigen. Das bringt auch gar nichts. Es geht mir darum, mit den Menschen solidarisch zu sein. Wenn ich wissen will, wie es ihnen geht, muss ich mit ihnen das Leben teilen. Daran können wir christliches Verhalten erkennen. Ich habe lange Zeit als Dreher, als Möbelpacker, als Lagerist und als LKW-Fahrer gearbeitet. Das war Akkordarbeit. Aber ich wollte die Kluft zwischen den bürgerlichen, akademisch gebildeten Priestern und den einfachen Menschen überbrücken. Jesus hat die Menschen auch nicht betreut wie die Caritas, sondern mit ihnen gelebt. Man muss mit den Menschen auf die Straße gehen und die Schuhe dabei ausziehen. Zum Beispiel die Schuhe der Fremdheit, der Distanz und der Überheblichkeit.
Frage: Zurück zu Ihren Tattoos. Darf man als Priester überhaupt tätowiert sein?
Herwartz: Warum nicht? Diese Frage habe ich mir nie gestellt. Ich möchte meine Tattoos nicht verstecken. Sie erzählen von meinem Glauben. Die Reaktionen darauf sind sehr unterschiedlich. Manche fühlen sich dadurch ermutigt, viele schütteln den Kopf. Die finden mein Verhalten absurd und meine Tattoos reinen Quatsch. Aber ich wollte nie als Priester mit einer Haushälterin in einem schicken Pfarrhaus enden. Ich wollte Missionar sein, der andere nicht bequatscht, sondern mit den Menschen mitgeht. Daher organisiere ich bis heute Straßenexerzitien, damit die Menschen verstehen, was es heißt, mit Gott auf dem Weg zu sein.
Ein Häftling steht vor einem kleinen Kerzenaltar mit Pietá im Gruppenraum eines Gefängnisses. Seine Arme sind tätowiert.
Frage: Haben Sie Gott auch auf Ihrer Haut verewigt?
Herwartz: Nein. Gott kann man nicht darstellen, man kann nur Spuren von ihm im Leben entdecken. Wenn einer zu mir käme und behaupten würde, so sieht Gott aus, dann kann ich nur lachen. In der Bibel steht, dass Gott all unseren Namen auf seine Hand eingeschrieben hat (Jes 49,16). Ich verstehe das so, dass er sich alles eintätowiert hat. Wenn Gottes Hände tätowiert sind, dann kann ich das auch mit meiner Haut machen und von meiner Sehnsucht nach ihm erzählen. Wahrscheinlich würde ich auch mein Herz tätowieren lassen, wenn ich es könnte. Es ist meine Leidenschaft, meine Berufung und mein Drang, Gott durch mich wirken zu lassen.
- 14 Zion aber sprach: Der HERR hat mich verlassen, der Herr hat meiner vergessen. 15 Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. 16 Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir. 17 Deine Erbauer eilen herbei, aber die dich zerbrochen und zerstört haben, werden sich davonmachen.
Frage: Tattoos kann man allerdings nicht mehr abwaschen.
Herwartz: Das will ich auch nicht, denn das ist wie ein Gesamtwerk, das zu mir gehört und mit dem ich lebe. Gut, dass die Tattoos nicht abwaschbar sind, denn sonst müsste ich alle wieder neu draufschreiben.
Frage: Kommen noch neue in nächster Zeit hinzu?
Herwartz: Nein, ich glaube, das reicht nun. Es gibt auch keinen Platz mehr dafür.
Frage: Sie waren vor zwei Jahren im Rahmen der Armenwallfahrt bei Papst Franziskus. Haben Sie ihm Ihre Tätowierungen gezeigt?
Herwartz: Nein, bei der Audienz mit dem Papst habe ich einen Pullover getragen. Ich hatte bei der Visite andere Anliegen. So sollte ich ihm eine Doktorarbeit über die Exerzitien auf der Straße übergeben und das habe ich auch getan. Der Papst hat den Buchtitel gelesen und verstanden und dann schlicht und einfach gesagt: "Bete für mich". Das hat getroffen.
Von Madeleine Spendier
Zur Person
Christian Herwartz (75) kommt gebürtig aus Stralsund und absolvierte zuerst eine Offiziersausbildung bei der Bundeswehr. Danach studierte er Maschinenbau, trat bald darauf in den Jesuitenorden ein und wurde Arbeiterpriester. Viele Jahre arbeitete er als Dreher, Lagerist, LKW-Fahrer und Möbelpacker. Dabei setzte er sich für die Rechte von Angestellten und bessere Arbeitsbedingungen ein, oft ohne als Priester erkannt zu werden. 1984 gründete er in Berlin-Kreuzberg mit einem Mitbruder eine offene Wohngemeinschaft, die bis heute besteht. Finanziert wurde das Projekt zum Teil von den Jesuiten selbst. Vor zwei Jahren ist Herwartz ausgezogen und in Rente gegangen. Noch heute organisiert er Mahnwachen, interreligiöse Gebete und Straßenexerzitien. 2013 wurde Herwartz für sein Engagement gegen die Kriminalisierung von Flüchtlingen vom Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg mit einem Ökumene-Preis ausgezeichnet.
--Methodios (Diskussion) 19:54, 16. Mai 2023 (CEST)
Das Heilige auf der Straße (2016)
BearbeitenPraktizierte Nächstenliebe in Berlin: Das Heilige auf der Straße
taz 16.4.2016
Fast 40 Jahre lang stand seine Wohnungstür in Berlin-Kreuzberg jedem offen. Der Jesuit Christian Herwartz wird jetzt etwas Neues anfangen.
BERLIN taz | Ist das etwa der liebe Gott? Jedenfalls sieht der Obdachlose so aus – lange weiße Haare, Vollbart, wallendes Hemd und eine weite Hose. Etwas irritierend ist der zackige Spiegel, der an einer Schnur um seinen Hals baumelt, die nackten Füße stecken in Badeschlappen. Er drückt auf die Klingel der „WG Herwartz“ am Eingang des Hauses Naunynstraße 60, gleich neben der Kneipe Der Trinkteufel in Berlin-Kreuzberg.
Die Tür öffnet sich, ohne Nachfrage. Im dritten Stock steht die Wohnungstür auf, verschiedene, meist nicht mehr ganz junge Menschen, tragen Tassen und Teller in das WG-Wohnzimmer. Es ist Samstagmorgen, und wie immer samstags zwischen halb zehn und halb zwölf, ist jeder, der mag, zu einem offenen Frühstück eingeladen. An der langen Holztafel, an der etwa 15 Leute sitzen, ist noch ein Platz frei, neben Christian Herwartz. Der liebe Gott neben dem Heiligen von Kreuzberg.
Dass Herwartz ein Heiliger von heute sein könnte, das hat Pater Klaus Mertes mal angedeutet, ebenfalls ein mutiger Jesuit, der als Rektor des Canisius-Kollegs vor sechs Jahren den Missbrauchsskandal in seinem Gymnasium aufdeckte – und damit die katholische Kirche im Innersten erschütterte. Aber was ist schon heilig?
Charme einer Studi-WG
Beim Samstagsfrühstück thront Christian Herwartz jedenfalls ein wenig wie ein Buddha in der Mitte der Tischrunde – wer kann, bringt etwas zum Essen mit. Seit 1978 lebt der Priester in Kreuzberg.
Hier siedelte sich seine kleine Jesuiten-Wohngemeinschaft an, die noch heute den gemütlich-schmuddeligen Charme einer Studenten-WG besitzt und aus zwei übereinanderliegenden Dreizimmerwohnungen besteht. An den Wänden Poster, die ein Ende der Abschiebungen von Flüchtlingen fordern. In der Küche hängt über der Spüle eine Postkarte: „Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu bauen.“ Eine Spülmaschine gibt es nicht.
Christian Herwartz ist inzwischen der letzte Jesuit in der WG, sein Schweizer Mitbruder Franz Keller war Anfang 2014 nach Jahrzehnten in der WG gestorben.
Niemand in der WG wird gefragt, woher er kommt und warum er da ist. „Das ist eine Polizeifrage“, sagt Christian Herwartz mit unerwarteter Schärfe
Die WG ist über die Jahre eine Anlaufstelle für alle geworden, die eine Bleibe für eine oder auch mehrere Nächte brauchen. Wenn die Wohnung nicht voll belegt ist, darf jeder bleiben, so lange er will. Manche blieben Jahre. Menschen aus fast 70 Nationen haben auf diese Weise in der WG Herwartz eine zeitweilige Unterkunft gefunden.
In der Tradition der Arbeiterpriester
Niemand wird hier gefragt, woher er kommt und warum er da ist. „Das ist eine Polizeifrage“, sagt Herwartz mit unerwarteter Schärfe, die man anfangs seiner sanften Stimme gar nicht zugetraut hätte. Der Jesuit schläft in einem Siebenbettzimmer mit den Leuten, die sich gerade in der WG aufhalten. Seit Jahrzehnten macht er das so. Weltweit gesehen, sei das doch völlig normal, erklärt er – und wenn er mal Ruhe oder Privatsphäre braucht, geht er eben für ein Stündchen in den Park.
Christian Herwartz, 1943 in Stralsund geboren, ist ein massiger Mann mit Halbglatze und langem weißen Bart – die ideale Besetzung für eine Klosterbräuwerbung. Er trägt Pulli und Hose – nichts, was anzeigt, dass er Priester ist, nichts, was ihn von anderen unterscheidet.
Seit mehr als 40 Jahren ist er Jesuit, aber keiner der vergeistigten Sorte. Das sieht man an seinen Händen: Es sind große Arbeiterhände, und das ist kein Zufall, denn Jahrzehnte lang war Herwartz ein Arbeiter. Nach dem Abbruch der Schule ging er – sein Vater war im Krieg U-Boot-Kommandant – in Kiel auf eine Werft und lernte Dreher. Später holte er das Abitur nach und arbeitete ab 1975 für drei Jahre in Frankreich als Arbeiterpriester.
Das Tattoo
Arbeiterpriester gab und gibt es vor allem in Frankreich, denn während des Kriegs folgten katholische Priester den nach Deutschland verschleppten französischen Zwangsarbeitern, um ihnen beizustehen. Dass sie Priester waren, durfte niemand wissen – sonst drohte ihnen das KZ. Noch heute halten Arbeiterpriester ihre Weihe in der Regel verborgen, da ihnen Entlassung droht, wenn ihre priesterliche Funktion im Betrieb öffentlich wird. Sie gelten oft als Sozialisten und Interessenvertreter der Belegschaft.
Auch Herwartz hielt seine Identität als Arbeiterpriester bei Siemens in Berlin bis zum Jahr 2000 geheim – dann wurde er entlassen. Der Priester, der sich selbst als „68er“ bezeichnet und schon mit RAF-Leuten in Haft saß, sieht sich als Antikapitalist. Den Mauerfall etwa bezeichnet er als „feindliche Übernahme“ des Ostens: „Der Kapitalismus hat gesiegt.“ Das Äquivalent zum Auftrag Gottes an Mose, sein Volk aus Ägypten zu führen, wäre heute vielleicht: „Du sollst Deutschland aus dem Kapitalismus führen“, überlegt Herwartz. Mose ist eine wichtige Figur im Denken des Jesuiten: Den brennenden Dornbusch, in dem Mose Gott erkannte, hat Herwartz sich auf seinen linken Arm tätowieren lassen.
Das Nichtfragen nach dem Woher und Wohin seiner Gäste ist Prinzip in der Herwartz-WG. Denn für manche hätte sich die Polizei sicher interessiert. Herwartz deutet auf das Bild eines vielleicht zehnjährigen blonden Mädchens auf der gegenüberliegenden Wand: Das Mädchen kam hierher, nach vier Monaten auf der Straße, mit ihrem Vater – juristisch gesehen, war es eine Entführung. Die alkoholkranke Mutter der Kleinen sollte nicht wissen, wo sie waren. Dem Mädchen drohte, erzählt Herwartz, der Missbrauch durch ihren neuen Stiefvater. Der war wegen solcher Taten schon verurteilt worden. Missbrauch, Flüchtlinge, Obdachlosigkeit, Haft – in all den Jahren haben sich durch die Gäste in der Kreuzberger WG viele Konflikte in der Gesellschaft früh abgezeichnet, sagt Herwartz.
Von Camara bis Woelki
Und vieles ist zum Weinen. Das Mädchen, das von seinem Vater entführt worden war und in der WG lebte, ist mittlerweile tot. Gestorben bei einem Brand in der Wohnung ihrer Mutter, zu der sie nach zwei Monaten in der WG doch zurückkehren musste. Es ist eine traurige Wand, an dem das Bild des Mädchens hängt. Hier befinden sich die Fotos der Toten der WG. „Sie sind alle noch da“, sagt Herwartz beim Frühstück.
Die Toten sind willkommen, die Lebenden auch – selbst wenn es kirchliche Würdenträger sind. In der Kreuzberger WG-Küche saßen schon der vorherige und der jetzige Erzbischof von Berlin, Woelki und Koch – oder etwa der linke Befreiungstheologe und Erzbischof Dom Helder Camara aus Brasilien. Er war der erste Oberhirte, der die WG besuchte, betont Herwartz. Das passt. Denn der Jesuit hält nicht viel von der verfassten katholischen Kirche in Deutschland: Sie sei praktisch die einzige katholische Kirche weltweit, bei der Geld und Glaube verheiratet seien, sagt er. Die Kirchensteuer habe eben „ihre Folgen“, ergänzt er trocken, „ohne sie wären wir viel freier“.
Exerzitien und Reisen
An diesem Samstagmorgen findet das vorerst letzte Frühstück mit Herwartz statt, am Ende dieser Woche will er nach fast 40 Jahren aus der WG ausziehen. Die Samstagsfrühstücke gehen weiter, nur eben ohne ihn. Als sein Mitbruder Franz vor zwei Jahren starb, wurde ihm klar, dass nun ein Generationswechsel nötig wird. Was er danach macht? „Eine Idee habe ich noch nicht“, sagt Herwartz. Er wolle eine kleine Lesereise für sein neuestes Buch machen, Exerzitien geben und sich bei Leuten bedanken, die ihn über so viele Jahre begleitet hätten. Eine davon ist eine Freundin, die in der WG wohnte und nun einen Bauernhof in Süddeutschland hat – der Hof mit ein paar Kühen findet sich als kleines gemaltes Bild an einer Wand des Wohnzimmers. Es sieht nach Heimat aus.
Beim Frühstück taucht plötzlich Alain auf, ein schmächtiger, klappriger Mann, der gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Er war todkrank. Alain bricht fast die Stimme, als er sagt, er hätte doch noch einmal vorbeikommen wollen. Herwartz führt ihn mit seinen riesigen Händen fast zärtlich zu einem freien Stuhl. Um ihn aufzuheitern, singt ein indischer Gast mit eindrucksvoller Stimme am Frühstückstisch ein bengalisches Liebeslied. Niemand versteht ein Wort, alle verstehen alles.
Mit einigen Mitbrüdern hat Herwartz die interreligiösen „Straßenexerzitien“ entwickelt, die mittlerweile weltweit praktiziert werden. Ein Thema, über das er sich gerne auslässt. Die Idee dahinter ist, sich für diese geistigen Übungen nicht ein paar Tage lang in ein ruhiges Kloster mit Vollpension in einer idyllischen Landschaft zurückzuziehen. Sondern genau das Gegenteil zu versuchen: eine Meditation, eine Reflexion, vielleicht sogar das Erlebnis einer Gottesnähe im Lärm, im Dreck und im Elend der Großstadt zu suchen – etwa vor dem Abschiebegefängnis in Grünau, wo Herwartz mit anderen seit vielen Jahren gegen die deutsche Flüchtlingspolitik demonstriert und betet.
Das Fremde zulassen
In einem Aufsatz zum jüngsten von Christian Herwartz herausgegebenen Buch hat das Pater Mertes einmal so beschrieben: „Auf der Straße gibt es Gut und Böse, Begegnung und Gewalt. Die Gewaltverhältnisse, die die Armen auf die Straße drücken, wiederholen sich auf der Straße. Doch mittendrin kann ein Dornbusch brennen, der nicht verbrennt, mittendrin auf der Straße, wo alles offen liegt.“
Es gehe dabei darum, sagt Herwartz, wie Mose vor dem brennenden Dornbusch die Schuhe auszuziehen, was bedeutet: sich ungeschützt einzulassen auf den Ort oder die Begegnung, die fremd ist, aber heilig sein könnte. Herwartz sucht das Heilige auf der Straße. Er findet es in jedem Menschen.
Biographisches
Bearbeitenw:de:U 843 Kommandant Herwartz
Oskar Herwartz (1915–2002) trat 1935 als Offiziersanwärter in die Reichsmarine ein und gehörte somit zur Crew 35. Nach dem Absolvieren der Grund- und Bordausbildung sowie der Fähnrichslehrgänge legte er die Offiziershauptprüfung ab. Anschließend wurde er zur Luftwaffe kommandiert – Seeaufklärergruppe.
1942 wechselte er zur U-Bootwaffe, absolvierte die Baubelehrung für U 843 und wurde Kommandant dieses Bootes.[3] Nach der Versenkung wurde Herwartz zusammen mit der Turmbesatzung gerettet und nach Kiel gebracht. Er überlebte den Krieg. Sein ältester Sohn war der Jesuitenpater w:de:Christian Herwartz.
Der erste Sohn Christian, Maria, Oskar wurde geboren am 16. April 1943. Herwartz konnte ihn nach einigen Fahrten als Kommandant des U-Bootes U 843 im Atlantik noch sehen bis er mit seiner sehr jungen Mannschaft nach Singapur aus lief. Dort wurde das Schiff weitgehend von der Mannschaft zum Transporter für Kriegswichtige Güter umgebaut und beladen. Da die Schwesterschiffe schon kurz nach Auslaufen in Hafennähe versenkt wurden, ging Herwartz gleich beim Probetauchen auf die Rückfahrt, Auftanken südlich von Afrika und konnte ohne zu funken westlich von Afrika und an Gibraltar vorbei unentdeckt den Hafen Bergen in Norwegen erreichen, um einen ? Kranken abzusetzen. Von dort wurde das Boot alleine ohne Bewaffnung nach Kiel geschickt und nördlich von Dänemark am ?? 1945 von einem Flugzeug aus abgeschossen. Herwartz wurde mit der Turmbesatzung von dem anschließend den selben Weg fahrenden Geleitzug gerettet und kam von Kiel aus in britische Gefangenschaft in ein Lager in der Nähe von Rendsburg am Nordostseekanals.
Der Bruder Wolfgang ging 1937 ebenfalls zur Kriegsmarine und wurde Kommandant von U 1302. Am Morgen der Rückkehr aus der Gefangenschaft in Hildesheim kam die Nachricht von seinem Tod und der ganzen Besatzung.
Bruder Wolfgang Herwartz (1917–1945) Crew 37a, Kommandant U-1302, versenkt am 07.03.1945.
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=U_843&diff=prev&oldid=187422703&diffmode=source
Nachruf
BearbeitenDirk Wetzel
Bearbeiten22. Februar 2022
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"Gott ist Straße" - Meine Erinnerungen an Christian Herwartz
Christian habe ich nicht gesucht. Er suchte mich. Das ist das Verblüffendste. Er war ein Mensch, für den Kreuzberg hätte erfunden werden müssen, ein katholischer Priester, der das diametrale Gegenteil von dem Bild eines katholischen Priesters war, das man gewöhnlich im Kopf hat. Auch als Außenstehender konnte man es erahnen, wenn seine Tatoos unter dem Messgewand sichtbar wurden. Eigentlich gar nicht meine Welt. Ich, der angepasste Einfamilienhausbesitzer, der nie besonders linksideologisch und rebellisch verankert war. “Ich kenn’ Deine Frau gut, jetzt möchte ich Dich kennenlernen!” - “Erzähl’ mal!”. Das ist die erste Begegnung, an die ich mich erinnern kann, kurz vor oder nach meiner Hochzeit. Er könnte mein Vater sein, aber er hatte diesen wachen Blick eines Mit-Dreißigers, den er bis zum Schluss behielt, obwohl die Kräfte seines Körpers schwanden. “Erzähl’ mal!” - er suchte Gott überall und er wollte zuhören. Er suchte Gott auch in meinem Leben - oder besser, er las Gott in meinem Leben. “Ach, das ist interessant!” - er hatte etwas in meinen Erzählungen entdeckt, was ihn gerade weiter brachte. Und dann erzählte er von sich. Dass ihn gerade die Emmaus-Geschichte neu bewegt und was er da entdeckt hat. Von einem neuen Buch, das er noch schreiben will.
Als meine Frau nach der Geburt unseres Sohnes an Krebs erkrankte, war er plötzlich da. Lange hatten wir nichts voneinander gehört, seit er Kreuzberg verlassen hatte. “Ich möchte Euch besuchen”, sagte er am Telefon. Er hatte immer eine sehr bestimmende Art zu sagen, was er wollte. Klar und präzise. Trotz seiner Parkinson-Erkrankung machte er sich auf den beschwerlichen Weg von seinem Altenheim in Kladow nach Kaulsdorf ans andere Ende der Stadt, wozu man fast zwei Stunden Fahrzeit einkalkulieren muss. Er blieb einen ganzen Tag. Er war einfach da. “Wie geht es Dir?”, fragte er meine Frau, “Erzähl mal”. Und dann erzählten wir unsere Geschichten. Meine Frau die ihre, ich die meine und Christian seine. Am Nachmittag sah er die DVD von Wim Wenders Film über Papst Franziskus in unserem Regal. “Der interessiert mich, können wir den mal gucken?” Also guckten wir den Film. Da sah ich ihn weinen.
Christian war radikal - zu sich selbst und zum Evangelium. Er hat seine Radikalität niemandem aufgedrängt. Er war ein Aktivist, aber nicht aktivistisch. Er blockierte keine Straßen, um Menschen von seiner Meinung zu überzeugen. Aber er hatte ein Gespür für Ungerechtigkeit, besonders die Grundlose, die aus der Hartherzigkeit und Prinzipienreiterei entstand. Er fragte, und wenn er keine zufriedenstellende Antwort bekam, ging er seine eigenen Wege. Er hatte eine Meinung und zu der stand er. Wenn er eine Strafe auferlegt bekam, die er ungerechtfertigt fand, ging er lieber in den Knast.
Während es bei vielen von uns zum guten Ton gehört, sich für Obdachlose und Flüchtlinge einzusetzen, indem man sich irgendwie solidarisch erklärt, wo aber keiner auf die Idee käme, nachts die Wohnungstür offen zu lassen mit einem Schild: “Gästebett ist noch frei”, da ist er diesen radikalen Schritt gegangen. Er teilte sein Schlafzimmer mit bis zu acht wildfremden Menschen. Er war Arbeiterpriester. Er ließ sich nicht vom Orden oder der Kirche bezahlen, er verdiente sein Geld selbst als Dreher. Mit dem Lohn, den er nach Hause brachte, hatte er nacheinander zwei Altbauwohnungen in der Naunynstraße angemietet, um dort nicht nur mit seinen Mitbrüdern in einer Kommunität zu leben, sondern diese Wohnungen mit anderen zu teilen. Bedingungslos, nur mit dem Gebot: niemand darf nach seiner Herkunft oder seinen Gründen befragt werden. Manche blieben für Stunden, manche für Jahre. Wenn Platz da war, konnte jeder kommen, und jeder konnte gehen, wann er wollte. Das Wunder geschah und dieses Wohnprojekt wird von den Berliner Behörden stillschweigend als Schutzraum respektiert.
Unermüdlich setzte sich Christian für Flüchtlinge ein, vor allem jene, die in Abschiebegefängnissen saßen. Es ging ihm um die Würde, die ihnen genommen wird, wenn sie, ohne ein Verbrechen begangen zu haben, eingesperrt werden. Und als sie ihm verboten, vor dem Gefängnis Mahnwachen abzuhalten, erstritt er sich das Recht vor dem Bundesgerichtshof. Jesus’ Worte, “ich bin der Weg”, interpretierte er um in “Gott ist Straße”. Daraus entwickelte er die Straßenexerzitien. Er wusste, dass seinem Beispiel niemand wirklich nachfolgen kann, dass für uns alle seine Schuhe viel zu groß sind. Aber er lud ein, es einmal für einen Tag zu versuchen. Einfach auf die Straße gehen, ohne Ziel, ohne Termin, Gott in den Menschen zu suchen und zu sagen: “Erzähl mal!”
https://www.facebook.com/christian.herwartz.12
--Methodios (Diskussion) 19:12, 16. Mai 2023 (CEST)
Tagesspiegel
BearbeitenNachruf auf Christian Herwartz: "Der tätowierte Missionar"
Ein Jesuit ist überall Jesuit, warum nicht auch an der Drehmaschine? Und manchmal stand die Polizei vor seiner Tür
13.04.2022, 15:34 Uhr
Als sich die 68er längst auf dem Weg durch die Institutionen befanden, stand Christian Herwartz hinter einer Werkbank und arbeitete im Akkord. In gewissem Sinne war auch er einer von ihnen, nur war sein Weg ein ziemlich anderer.
Sein Vater war U-Bootkapitän, später Offizier der Bundeswehr. Nach der Schule arbeitete Christian auf einer Werft in Kiel, absolvierte eine Offiziersausbildung bei der Bundeswehr und holte schließlich noch sein Abitur nach. Der Christenglaube war ihm vom Vater eingepflanzt worden, nun suchte er nach einer Gemeinschaft, in der er ihn leben und verbreiten konnte. Die Jesuiten entsprachen seinen Vorstellungen: Eine gebildete Gemeinschaft, die sich nicht hinter Klostermauern zurückzog, sondern mitreden wollte. Er trat dem Orden bei und studierte Theologie und Philosophie. Das war Ende der 60er, Anfang der 70er; die meisten Novizen verließen den Orden wieder. Zu revolutionär die Zeiten, um sie katholisch zu verbringen, da änderte auch das Zweite Vatikanische Konzil nicht viel, das die Kirche wie den Orden gründlich veränderte. Warum nicht das Revolutionäre mit dem Katholischen verbinden, dachte Christian Herwartz und wandte sich der „Theologie der Befreiung“ zu.
Er ging nach Frankreich, wo es die „Arbeiterpriester“ gab. Sie gingen in die Betriebe. Ein Jesuit ist überall Jesuit, warum nicht auch an der Drehmaschine? Der Orden war einverstanden; „Bruder Herwartz SJ“ leistete seinen Dienst unter Arbeitern in Toulouse. Er wurde Ausbilder an einer hochmodernen Maschine aus Deutschland – und Gewerkschafter, der mit den Kommunisten sympathisierte. Folglich wurde er gekündigt, ging noch nach Paris und schließlich zurück nach Deutschland, wo er 1976 zum Priester geweiht wurde.
Priester im Blaumann oder Kommunist unter der Soutane
Was keineswegs hieß, dass er Gemeindepfarrer wurde oder irgendeinen Job innerhalb der Kirche suchte. Er zog nach Berlin, um als Lagerarbeiter und Dreher zu arbeiten. Statt die komfortable Unterkunft der Jesuiten am Lietzensee, bezog er zunächst ein Wohnheim mit vielen ausländischen Arbeitern. Von seinem gewerkschaftlichen Engagement wussten viele, nur wenige wussten von seinem kirchlichen Amt. Linke Fundamentalisten misstrauten dem Priester im Blaumann. Manche Ordensbrüder hingegen sahen in ihm den Kommunisten unter der Soutane. Als es bei einer Protestaktion vorm Werkstor zur Sache ging, und Christian einen türkischen Kollegen gegen beleidigende Polizisten verteidigte, lautstark und heftig, gab es eine Anzeige. Die Geldstrafe bezahlte er nicht; es folgten zwei Wochen Gefängnis, und Christian, der sein Tun gern in größere Zusammenhänge stellte, fragte: „Warum sitzen so wenige Christen im Gefängnis, wo die Verfolgung für die ersten Christen doch eine Selbstverständlichkeit war?“
Ein Märtyrer war er bestimmt nicht, für ihn bot der Knast eher die Möglichkeit, eine fremde Welt kennen zu lernen. In den 80er Jahren suchte er die Nähe zu den Angehörigen der RAF-Gefangenen. Er kritisierte Haftbedingungen und Übergriffe auf vermeintliche Sympathisanten. Mit einem Jesuitenbruder, dessen Familie Morddrohungen der RAF bekam, lieferte er sich heftige Diskussionen.
Mit zwei anderen Jesuiten gründete er eine Wohngemeinschaft in der Naunynstraße, Kreuzberg, gleich überm „Trinkteufel“. Die Miete verdiente er mit seinem Fabrikjob. Im Orden funktioniert es grundsätzlich so, dass alle ihren Arbeitslohn in die Kasse geben, aus der jedem das Nötige bezahlt wird. Es gilt das Armutsgelübde. Jesuiten-WGs gab es viele, diese hier war einmalig. Es stand kein großer Plan dahinter, sondern die Auffassung, dass man, wenn jemand anklopft, Einlass gewährt. Hier wurde unten geklingelt, keine Gegensprechanlage, es surrte, oben öffnete sich die Wohnungstür. Nur herein! Tee oder Kaffee? Brauchst Du ein Bett? So glich die große Wohnung bald einem Wohnheim. Und Christian schlief mit sieben anderen in einem Zimmer.
Die Ankömmlinge durften erzählen, sie durften schweigen. Die meisten schwiegen erstmal, jedenfalls über sich. Ansonsten wurde viel geredet, laut gestritten, manchmal gesungen, geplant, verabredet. 70 Nationalitäten sind durch die WG gezogen, so hat Christian einmal überschlagen. Illegale, Halblegale, Abgedrehte, Suchende.
Die Polizei vor der Tür
Hin und wieder stand die Polizei vor der Tür und suchte nach Verdächtigen aus der Besetzerszene, später nach Leuten, die sich der Abschiebung entzogen. Man wusste ja, wie es hier zuging. Besucherinnen, Gäste schwärmen von der Offenheit und Freiheit, die in den abgewohnten Räumen herrschte. Es durfte nichts Wertvolles in der Wohnung sein, sonst hätte man ja aufpassen, kontrollieren müssen. Was geklaut wurde, war zu wertvoll oder einfach zu viel.
Christian verstand sich als Missionar, das ganz bestimmt, aber allergisch reagierte er, wenn man ihn für einen Sozialpastor hielt. Schon mit der Zuschreibung als Helfer erhebe man sich über den anderen. Er wollte Mitmensch sein, und durch das Zusammenleben und gemeinsame Aktionen zu Einsichten verhelfen. Er erfand die „Exerzitien auf der Straße“, entlieh Regieanweisungen aus der Bibel, ohne Schuhe, ohne Geld in die Stadt hinaus und abends besprechen, was geschehen war.
Als am jesuitischen Canisiuskolleg die Missbrauchsfälle aufgeklärt wurden, hätte er sich abwenden können. Er war ja in Kreuzberg gewesen. Aber die Täter aus dem Orden hat auch er gekannt. Jetzt stand er den Aufklärern zur Seite und befragte auch sich selbst: Was hätte ich tun können? Wie steht es um die Machtfrage in der Wohngemeinschaft? Wenn es um Gewalt ging, habe ich richtig reagiert?
Vor Jahren schon erhielt er die Diagnose Parkinson, eine schleichende Krankheit, mit den Einschränkungen konnte er lange Zeit relativ gut leben. Und er lernte, Hilflosigkeit zuzulassen, die schwerste geistliche Übung. Die WG übernahm eine Nachfolgerin, Christian zog sich in die Betreuung des Ordens zurück, zu denen, die ihn einst misstrauisch beobachteten und denen er oft mit gehöriger Arroganz begegnet war. Schwer fiel es ihm, plötzlich allein in einem Zimmer zu schlafen, diese Stille! Wäre er auf der Straße und ohne Papiere gestorben, man hätte ihn womöglich für einen Obdachlosen gehalten: langer weißer Bart, tätowiert am ganzen Körper. Über die Tattoos wäre man ihm vielleicht auf die Spur gekommen, lauter religiöse Motive. Offenbar ein frommer Mann.
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Jörg Machel
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