Goethes Faust. Eine heitere Tragödie. Auerbachs Keller in Leipzig.


In der Szene "Studierzimmer (II), die "Auerbachs Keller in Leipzig" vorangeht, bedauert Faust, den Selbstmord in der Nacht auf Ostern nicht ausgeführt zu haben. Sein Pessimismus hat nihilistische Ausmaße angenommen.

Mephistopheles
Hör’ auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt;
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen,
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist’s nicht gemeint,
Dich unter das Pack zu stoßen. (1635 - 40)

Doch, so ist es gemeint. Während des Prologs im Himmel hatte Mephistopheles dem Herrn angekündigt.

Mephistopheles
Staub soll er fressen, und mit Lust. (334)

In "Auerbachs Keller in Leipzig" versucht Mephistopheles, wenn auch erfolglos, Faust die Kumpanei des Wirtshauslebens schmackhaft zu machen. Sie treffen dort auf vier Studenten unterschiedlichen Alters. Die Zecher langweilen sich bis zur Erbitterung. Der Kitt, der das Quartett zusammenhält, ist der Trunk. Mephistopheles steuert mit einem Couplet etwas zur Unterhaltung bei. Anschließend riskiert er einen gefährlichen Jux. Wie ein Schaubudenhypnotiseur gaukelt er den schlichten Köpfen vor, Wein würde aus der Tischkante in ihre Gläser fließen. Tropfen, die dabei auf den Boden fallen, entzünden sich zu Flammen. Sie entlarven den "Hokuspokus" (2307), die "Zauberei" (2312). Die Gefoppten drohen mit dem Messer

[Zecher] Altmayer
Ich dächt', wir hießen ihn ganz sachte seitwärts gehn. (2305)
[Zecher] Siebel
Stoßt zu! der Kerl ist vogelfrei. (2315)

Mephistopheles behext sie erneut. Sie wähnen sich jetzt in einem Weinberg und wollen mit den Messern, die sie schon gezogen haben, Trauben abschneiden. Da beendet Mephistopheles den Spuk, und die Genarrten erkennen, dass sie dabei sind, sich gegenseitig die Nasen zu amputieren. Mephistopheles und Faust verschwinden und lassen die Verdutzten allein.

[Zecher] Siebel
Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spüre,
Er soll mir nicht lebendig gehn! ( 2327 - 28) [1]
[Zecher] Altmayer
Ich hab' ihn selbst hinaus zu Kellertüre -
Auf einem Fasse reiten sehn -- (2329 -30)

Der Ritt des Schwarzkünstlers Faust auf einem Fass wird in den Faustbüchern erstmals 1589 beschrieben.[2] Mit "Auerbachs Keller in Leipzig" hat Goethe ein Rüpelspiel [3] in die "Tragödie" eingefügt ganz im Sinne der im "Vorspiel auf dem Theater" vorgebrachten Forderung, ein Stück "in Stücken" (99) zu geben.


  1. War man zu dieser Zeit in allen Leipziger Wirtshäusern so schnell mit dem Messer bei der Hand? Oder galt das nur für Auerbachs Keller? Immerhin führt beim gemeinschaftlichen Trunk jeder der vier ein Messer mit sich.
    Mephistopheles zu Faust, bevor es zum Eklat kommt:
    Gib nur erst acht, die Bestialität
    Wird sich gar herrlich offenbaren. (2297 - 98)
    Geht man mit der Wahl eines Wirthshauses unter sein Niveau, provoziert man Komplikationen, in diesem Fall lebensgefährliche.
  2. Schöne, Albrecht: Johann Wolfgang Goethe Faust Kommentare. Frankfurt am Main: Klassiker Verlag 1994, S.280
  3. a.a. O. S.272


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