Holomorphie

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Holomorphie (von gr. ὅλος holos, „ganz“ und μορφή morphe, „Form“) ist eine Eigenschaft von bestimmten komplexwertigen Funktionen, die in der Funktionentheorie als Teilgebiet der Mathematik behandelt werden. Eine Funktion   mit einer offenen Menge   heißt holomorph, falls sie in jedem Punkt von   komplex differenzierbar ist. Insbesondere in älterer Literatur werden solche Funktionen auch regulär genannt.

Reelle und komplexe Differenzierbarkeit

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Auch wenn die Definition analog zur reellen Differenzierbarkeit ist, zeigt sich in der Funktionentheorie, dass die Holomorphie eine sehr starke Eigenschaft ist. Sie produziert nämlich eine Vielzahl von Phänomenen, die im Reellen kein Pendant besitzen. Beispielsweise ist jede holomorphe Funktion beliebig oft (stetig) differenzierbar und lässt sich lokal in jedem Punkt in eine Potenzreihe entwickeln.

Definition: Komplexe Differenzierbarkeit

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Es sei   eine offene Teilmenge der komplexen Ebene und   ein Punkt dieser Teilmenge. Eine Funktion   heißt komplex differenzierbar im Punkt  , falls der Grenzwert

 

mit   existiert. Man bezeichnet ihn dann als  .

Definition: Holomorphie in einem Punkt

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Sei   eine offene Menge (Bereich) und   eine Funktion.   heißt holomorph im Punkt  , falls eine Umgebung von   existiert, in der   komplex differenzierbar ist.

Bemerkung - Holomorphie in einem Punkt

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Im Gegensatz zu der komplexen Differenzierbarkeit in einem Punkt   als Eigenschaft der Funktion in einem Punkt ist die Holomophie in einem Punkt eine Umgebungseigenschaft von dem Punkt, denn es muss für die Homomophie in   eine Umgebung existieren, in der die Funktion   komplex differenziebar ist. Homomorphie in einem Punkt unterscheidet sich daher von der Eigenschaft der komplexen Differenzierbarkeit in einem Punkt  .

Definition: Ganze Funktion

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Ist   auf ganz   komplex differnzierbar, so nennt man   eine ganze Funktion.

Erläuterungen

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Zusammenhang zwischen komplexer und reeller Differenzierbarkeit

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  ist in natürlicher Weise ein zweidimensionaler reeller Vektorraum mit der kanonischen Basis   und so kann man eine Funktion   auf einer offenen Menge   auch auf ihre totale Differenzierbarkeit im Sinne der mehrdimensionalen reellen Analysis untersuchen. Bekanntlich heißt   (total) differenzierbar in  , falls eine  -lineare Abbildung   existiert, sodass

 

gilt, wobei   eine Funktion mit

 

ist.

Darstellende Matrix

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Nun sieht man, dass die Funktion   genau dann in   komplex differenzierbar ist, wenn sie dort total differenzierbar ist und   sogar  -linear ist. Letzteres ist eine starke Bedingung. Sie bedeutet, dass die Darstellungsmatrix von   bezüglich der kanonischen Basis   die Form

  mit  

hat.

Jacobi-Matrix

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Zerlegt man nun eine Funktion   in ihren Real- und Imaginärteil mit reellen Funktionen  , so hat die totale Ableitung   als Darstellungsmatrix die Jacobi-Matrix

 

Cauchy-Riemannsche Differentialgleichungen

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Folglich ist die Funktion   genau dann komplex differenzierbar, wenn sie reell differenzierbar ist und für   die folgenden Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen erfüllt sind.

 
 

Äquivalente Eigenschaften holomorpher Funktionen einer Variablen

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In einer Umgebung einer komplexen Zahl sind folgende Eigenschaften komplexer Funktionen gleichwertig:

  • (H1) Die Funktion ist einmal komplex differenzierbar.
  • (H2) Die Funktion ist beliebig oft komplex differenzierbar.
  • (H3) Real- und Imaginärteil erfüllen die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen und sind zumindest einmal stetig reell-differenzierbar.
  • (H4) Die Funktion lässt sich in eine komplexe Potenzreihe entwickeln.
  • (H5) Die Funktion ist stetig und das Wegintegral der Funktion über einen beliebigen geschlossenen zusammenziehbaren Weg verschwindet.
  • (H6) Die Funktionswerte im Inneren einer Kreisscheibe lassen sich aus den Funktionswerten am Rand mit Hilfe der cauchyschen Integralformel ermitteln.
  • (H7)   ist reell differenzierbar und es gilt
     
    wobei   der Cauchy-Riemann-Operator ist, der durch   definiert ist.

Beispiele

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Ganze Funktionen

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Ganze Funktionen sind auf ganz   holomorph. Beispiele dafür sind

  • jedes Polynom   mit Koeffizienten  ,
  • die Exponentialfunktion  ,
  • die trigonometrischen Funktionen   und  ,
  • die hyperbolischen Funktionen   und  .

Holomorphe, nichtganze Funktionen

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  • Gebrochen rationale Funktionen sind holomorph außer an den Nullstellen ihres Nennerpolynoms. Dort besitzen sie isolierte Polstellen und sind damit auch Beispiele für meromorphe Funktionen.
  • Die Logarithmusfunktion   lässt sich in allen Punkten aus   in eine Potenzreihe entwickeln und ist somit auf der Menge   holomorph.

Nirgends holomorphe Funktionen

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In keinem   komplex differenzierbar und damit auch nirgendwo holomorph sind beispielsweise

  • die Betragsfunktion  ,
  • die Projektionen auf den Realteil   beziehungsweise auf den Imaginärteil  ,
  • die komplexe Konjugation  .

Die Funktion   ist nur an der Stelle   komplex differenzierbar, aber dort nicht holomorph, da sie nicht auf einer ganzen Umgebung von   komplex differenzierbar ist.

Eigenschaften

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Sind   an einer Stelle   komplex differenzierbar, so auch  ,   und  . Das gilt auch für  , wenn   keine Nullstelle von   ist. Es gelten ferner Summen-, Produkt-, Quotienten- und Kettenregel.

Es folgt eine Auflistung fundamentaler Eigenschaften holomorpher Funktionen, die alle keine Entsprechung in der reellen Theorie besitzen. In der Folge sei   ein Gebiet und   holomorph.

Cauchyscher Integralsatz

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Ist   einfach zusammenhängend und   ein Zyklus in  , so gilt der cauchysche Integralsatz

 

Der Satz gilt also insbesondere dann, wenn   ein Sterngebiet und   ein geschlossener Weg ist.

Cauchysche Integralformel

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Sei   die offene Kreisscheibe mit Radius   um den Punkt  . Liegt der Abschluss von   noch ganz in  , so gilt für alle   und   die cauchysche Integralformel

 

Der Funktionswert eines Punktes in einem Gebiet hängt also nur von den Funktionswerten am Rand dieses Gebietes ab.

Holomorphie und Analytizität

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Eine Folgerung aus der cauchyschen Integralformel ist, dass in der komplexen Ebene der Begriff der Analytizität äquivalent zur Holomorphie ist: Jede in   holomorphe Funktion ist in   analytisch. Umgekehrt lässt sich jede in   analytische Funktion zu einer in   holomorphen Funktion fortsetzen.

Da Potenzreihen beliebig oft komplex differenzierbar sind (und zwar durch gliedweise Differentiation), erhält man insbesondere, dass holomorphe Funktionen beliebig oft differenzierbar und alle ihre Ableitungen wiederum holomorphe Funktionen sind. Hieran erkennt man schon deutliche Unterschiede zur reellen Differentialrechnung.

Identitätssatz

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Es zeigt sich, dass eine holomorphe Funktion schon durch sehr wenig Information eindeutig bestimmt ist. Der Identitätssatz besagt, dass zwei holomorphe Funktionen auf einem Gebiet   bereits dann auf ganz   identisch sind, wenn sie auf einer geeigneten echten Teilmenge   übereinstimmen. Dabei muss die Übereinstimmungsmenge   noch nicht einmal ein kontinuierlicher Weg sein: Es reicht aus, dass   einen Häufungspunkt in   besitzt. Diskrete Teilmengen reichen hierfür hingegen nicht aus.

Weiteres

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  • Der Satz von Liouville besagt, dass jede beschränkte ganze Funktion konstant ist. Eine einfache Folgerung hieraus ist der Fundamentalsatz der Algebra.
  • Satz von der Gebietstreue: Ist   ein Gebiet und   nicht konstant, dann ist   wieder ein Gebiet.
  • Eine Folgerung der Gebietstreue ist das Maximumprinzip.
  • Satz von Weierstraß: Konvergiert eine Folge   holomorpher Funktionen kompakt auf   gegen die Grenzfunktion  , so ist   wieder holomorph und man kann Limesbildung und Differentiation vertauschen, das heißt, die Folge   konvergiert kompakt gegen  .
  • Satz von Montel: Ist die Folge   holomorpher Funktionen auf   lokal beschränkt, so existiert eine kompakt konvergente Teilfolge.
  • Jede auf einem einfach zusammenhängenden Gebiet   zweimal stetig differenzierbare harmonische Funktion   ist Realteil einer komplex differenzierbaren Funktion  . Die reelle Funktion   erfüllt ebenfalls  . Sie wird als konjugiert harmonisch zu   bezeichnet und   als komplexes Potential.

Biholomorphe Funktionen

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Eine Funktion, die holomorph, bijektiv und deren Umkehrfunktion holomorph ist, nennt man biholomorph. Im Fall einer komplexen Veränderlichen ist das äquivalent dazu, dass die Abbildung bijektiv und konform ist. Aus dem Satz über implizite Funktionen folgt für holomorphe Funktionen einer Veränderlicher schon, dass eine bijektive, holomorphe Funktion stets eine holomorphe Umkehrabbildung besitzt. Im nächsten Abschnitt werden holomorphe Funktionen mehrerer Veränderlicher eingeführt. In diesem Fall garantiert der Satz von Osgood diese Eigenschaft. Somit kann man sagen, dass bijektive, holomorphe Abbildung biholomorph sind.

Aus Sicht der Kategorientheorie ist eine biholomorphe Abbildung ein Isomorphismus.

Holomorphie mehrerer Veränderlicher

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Im n-dimensionalen komplexen Raum

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Sei   eine komplexe offene Teilmenge. Eine Abbildung   heißt holomorph, falls   in jeder Teilfunktion und jeder Variablen holomorph ist. Mit dem Wirtinger-Kalkül   und   steht ein Kalkül zur Verfügung, mit dem man die partiellen Ableitungen einer komplexen Funktion einfacher verwalten kann. Jedoch haben holomorphe Funktionen mehrerer Veränderlicher nicht mehr so viele schöne Eigenschaften.

So gilt für Funktionen   der cauchysche Integralsatz nicht und der Identitätssatz ist nur noch in einer abgeschwächten Version gültig. Für diese Funktionen kann allerdings die Integralformel von Cauchy durch Induktion auf   Dimensionen verallgemeinert werden. Salomon Bochner konnte 1944 sogar noch eine Verallgemeinerung der  -dimensionalen cauchyschen Integralformel beweisen. Diese trägt den Namen Bochner-Martinelli-Formel.

In der komplexen Geometrie

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Auch in der komplexen Geometrie werden holomorphe Abbildungen betrachtet. So kann man holomorphe Abbildungen zwischen riemannschen Flächen beziehungsweise zwischen komplexen Mannigfaltigkeiten analog zu differenzierbaren Funktionen zwischen glatten Mannigfaltigkeiten definieren. Außerdem gibt es ein für die Integrationstheorie wichtiges Pendant zu den glatten Differentialformen, die holomorphe Differentialformen heißen.

Literatur

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Einführungen

  • Klaus Jänich: (Die ersten beiden Auflagen unterscheiden sich deutlich von den folgenden. Unter anderem fehlen ab der dritten Auflage die vier „Stern“-Kapitel zu Wirtinger-Kalkül, riemannschen Flächen, riemannschen Flächen eines holomorphen Keimes und algebraischen Funktionen.)
  • Einführung in die Funktionentheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 1980, ISBN 3-540-10032-6.
  • Funktionentheorie – Eine Einführung. 6. Auflage. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2004, ISBN 3-540-20392-3.
  • Wolfgang Fischer, Ingo Lieb: Funktionentheorie – Komplexe Analysis in einer Veränderlichen. 8. Auflage. Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden 2003, ISBN 3-528-77247-6.

Ausführliche Darstellungen der Funktionentheorie

  • Eberhard Freitag: Funktionentheorie 2. Riemann’sche Flächen; Mehrere komplexe Variable; Abel’sche Funktionen; Höhere Modulformen. Springer, 2009, ISBN 978-3-540-87899-5.
  • Reinhold Remmert, Georg Schumacher: Funktionentheorie 2. 3. Auflage. Springer, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-40432-3.

Siehe auch

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Seiten-Information

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