Körper/Fokus auf R/Erste Eigenschaften/Einführung/Textabschnitt


Eine Menge heißt ein Körper, wenn es zwei Verknüpfungen (genannt Addition und Multiplikation)

und zwei verschiedene Elemente gibt, die die folgenden Eigenschaften erfüllen.

  1. Axiome der Addition
    1. Assoziativgesetz: Für alle gilt: .
    2. Kommutativgesetz: Für alle gilt .
    3. ist das neutrale Element der Addition, d.h. für alle ist .
    4. Existenz des Negativen: Zu jedem gibt es ein Element mit .
  2. Axiome der Multiplikation
    1. Assoziativgesetz: Für alle gilt: .
    2. Kommutativgesetz: Für alle gilt .
    3. ist das neutrale Element der Multiplikation, d.h. für alle ist .
    4. Existenz des Inversen: Zu jedem mit gibt es ein Element mit .
  3. Distributivgesetz: Für alle gilt .

Dass all diese Axiome für die reellen Zahlen (und die rationalen Zahlen) mit den natürlichen Verknüpfungen gelten, ist aus der Schule bekannt. Das heißt nicht, dass sie dort bewiesen wurden. Unter Verwendung des Gruppenbegriffs kann man auch sagen, dass ein Körper eine Menge mit zwei Verknüpfungen und und zwei fixierten Elementen ist, derart, dass und jeweils kommutative Gruppen[1] sind und dass das Distributivgesetz gilt. Daher gelten für die Addition und die Multiplikation häufig strukturell ähnliche Eigenschaften. Da wir in dieser Vorlesung die Gruppentheorie nicht systematisch entwickeln werden, ist das nur eine Nebenbemerkung.

In einem Körper gilt die Klammerkonvention, dass die Multiplikation stärker bindet als die Addition. Man kann daher statt schreiben. Zur weiteren Notationsvereinfachung wird das Produktzeichen häufig weggelassen. Die besonderen Elemente und in einem Körper werden als Nullelement und als Einselement bezeichnet. Nach der Definition müssen sie verschieden sein.

Die wichtigsten Beispiele für einen Körper sind für uns die rationalen Zahlen, die reellen Zahlen und die komplexen Zahlen, die wir später kennenlernen werden. Wir nennen die Elemente eines beliebigen Körper einfach Zahlen.



In einem Körper ist zu einem Element das Element mit eindeutig bestimmt. Bei ist auch das Element mit eindeutig bestimmt.

Es sei vorgegeben und seien und Elemente mit . Dann gilt

Insgesamt ist also . Für den zweiten Teil sei mit vorgegeben. Es seien und Elemente mit . Dann ist

Also ist .


Zu einem Element nennt man das nach diesem Lemma eindeutig bestimmte Element mit das Negative von und bezeichnet es mit . Es ist , da wegen das Element gleich dem eindeutig bestimmten Negativen von ist.

Statt schreibt man abkürzend und spricht von der Differenz. Die Differenz ist also keine grundlegende Verknüpfung, sondern wird auf die Addition mit dem Negativen zurückgeführt.

Das zu , , nach diesem Lemma eindeutig bestimmte Element mit nennt man das Inverse von und bezeichnet es mit .

Für , , schreibt man auch abkürzend

Die beiden linken Ausdrücke sind also eine Abkürzung für den rechten Ausdruck.

In einem jeden Körper findet sich eine jede natürliche Zahl wieder, und zwar wird die natürliche als die des Körpers interpretiert, die natürliche wird als die des Körpers interpretiert, die natürliche wird als interpretiert, u.s.w. Die natürliche Zahl wird also als -fache Summe der (also Summanden) des Körpers mit sich selbst interpretiert. Es gibt Körper, siehe etwa Beispiel weiter unten, bei denen diese Zuordnung nicht injektiv ist, bei denen also verschiedene natürliche Zahlen gleich interpretiert werden. Eine negative ganze Zahl (mit ) wird in einem Körper als die -fache Summe von mit sich selbst interpretiert. Zu einem Körperelement und wird als die -fache Summe von mit sich selbst interpretiert, dabei gilt (wobei diese Gleichung dann zeigt, dass der Index nicht nötig ist). Für negative Zahlen mit ist als die -fache Summe von mit sich selbst definiert.


Zu einem Körperelement und wird als das -fache Produkt von mit sich selbst (also Faktoren) definiert, und bei wird als interpretiert.

Ein „kurioser“ Körper wird im folgenden Beispiel beschrieben. Dieser Körper mit zwei Elementen ist in der Informatik und der Kodierungstheorie wichtig, wird für uns aber keine große Rolle spielen. Er zeigt, dass es nicht für jeden Körper sinnvoll ist, seine Elemente auf der Zahlengeraden zu verorten.


Wir suchen nach einer Körperstruktur auf der Menge . Wenn das neutrale Element einer Addition und das neutrale Element einer Multiplikation sein soll, so ist dadurch schon alles festgelegt, da sein muss, da ein inverses Element bezüglich der Addition besitzen muss, und da in jedem Körper nach Fakt  (1) gelten muss. Die Operationstafeln sehen also wie folgt aus.


und


Durch etwas aufwändiges Nachrechnen stellt man fest, dass es sich in der Tat um einen Körper handelt.


Die folgenden Eigenschaften sind für den Körper der reellen Zahlen vertraut, wir beweisen sie aber allein aus den Axiomen eines Körpers. Sie gelten daher für einen jeden Körper.


Es sei ein Körper und seien Elemente aus . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. (Annullationsregel).
  2. (Vorzeichenregel).

  3. Aus folgt oder (Nichtnullteilereigenschaft).
  4. (allgemeines Distributivgesetz).
  1. Es ist . Durch beidseitiges Abziehen (also Addition mit dem Negativen von ) von ergibt sich die Behauptung.
  2. nach Teil (1). Daher ist das

    (eindeutig bestimmte) Negative von . Die zweite Gleichheit folgt analog.

  3. Nach (2) ist und wegen folgt die Behauptung.
  4. Dies folgt auch aus dem bisher Bewiesenen.
  5.  Nehmen wir an, dass und beide von verschieden sind. Dann gibt es dazu inverse Elemente und und daher ist . Andererseits ist aber nach Voraussetzung und daher ist nach der Annullationsregel
     sodass sich der Widerspruch

    ergibt.

  6. Dies folgt aus einer Doppelinduktion, siehe Aufgabe.
  1. Das beinhaltet hier insbesondere, dass die Multiplikation sich zu einer Verknüpfung auf einschränken lässt. Aus den Körperaxiomen folgt dies, siehe Fakt  (6).