Kurs:Diskrete Mathematik (Osnabrück 2020)/Vorlesung 20
- Bipartite Graphen
Ein Graph heißt bipartit, wenn es eine disjunkte Zerlegung
derart gibt, dass es nur Kanten zwischen und gibt.
Die Zerlegung
nennt man dann auch eine bipartite Unterteilung. Bei einem bipartiten Graphen gibt es im Allgemeinen mehrere Möglichkeiten für eine solche Zerlegung, man denke etwa an eine disjunkte Vereinigung von einzelnen Kanten. Wenn aber der Graph zusammenhängend ist, so ist die bipartite Unterteilung eindeutig bestimmt, siehe Aufgabe 20.1.
Bei einem Fußballspiel möchte man wissen, wer gegen wen im Verlauf des Spieles einen Zweikampf geführt hat, und dies durch einen Graphen darstellen. Da man innerhalb seiner Mannschaft keinen Zweikampf führt, ergibt sich ein bipartiter Graph, es ergeben sich nur Kanten zwischen den Spielern der einen und der anderen Mannschaft.
In einer heteronormativen Welt besteht die erwachsene Menschheit aus Männern und Frauen und nur diese haben miteinander Sex. Deshalb ergibt die Frage, wer mit wem schon einmal Sex hatte, einen bipartiten Graphen.
In Vorbereitung auf einen Schulaustausch zwischen einer Klasse in Osnabrück und einer Klasse in Málaga werden Brieffreundschaften geschnürt, wobei man mehrere Brieffreunde haben kann, aber nur mit Leuten aus der anderen Stadt. Mit den beiden Klassen und ergibt sich ein bipartiter Graph auf , bei dem eine Person aus mit einer Person aus verbunden wird, wenn eine Brieffreundschaft zwischen ihnen besteht.
Es seien und disjunkte Mengen und sei eine Relation zwischen und . Dann erhält man auf
einen bipartiten Graphen, indem man als Kante erklärt, falls gilt. Dadurch entsteht auf eine symmetrische Relation allein dadurch, dass und feste Rollen in der Relation haben. Dies muss man sich klar machen, um vor Missverständnissen geschützt zu sein. Wenn beispielsweise eine Menge von Männern und eine Menge von Frauen ist und bedeutet, dass Person nett findet, so bedeutet die Kante genau dies, dass die Person nett findet, nicht, dass sie sich gegenseitig nett finden. Dies gilt auch, wenn man die Kante als schreibt.
Der Würfelgraph aus Beispiel 15.11 ist bipartit, eine Einteilung erhält man, indem man als die Menge der -Tupel mit einer geraden Anzahl an und als die Menge der -Tupel mit einer ungeraden Anzahl an ansetzt.
Der vollständige bipartite Graph ist derjenige Graph, dessen Knotenmenge aus der disjunkten Vereinigung einer -elementigen Menge und einer -elementigen Menge besteht und dessen Kantenmenge durch
gegeben ist.
Es sei eine bipartite Zerlegung eines bipartiten Graphen. In jedem Weg in einem bipartiten Graphen gehören die Knoten abwechselnd zu oder zu . Die Existenz eines Kreises mit ungerader Anzahl führt daher direkt zu einem Widerspruch.
Es sei nun umgekehrt die Kreisbedingung erfüllt. Wir können annehmen, dass zusammenhängend ist. Es sei ein fixierter Punkt. Wir definieren
und
Wegen der Zusammenhangseigenschaft ist
Nehmen wir an, dass und nicht disjunkt sind, sagen wir . Es gibt dann Wege
und
mit gerade und ungerade. Indem man die beiden Wege zusammensetzt, erhält man einen Zyklus mit ungerade vielen Knoten. Wenn es in ihm Wiederholungen gibt, so kann man daraus zwei kleinere Zyklen herausarbeiten, von denen einer ebenfalls eine ungerade Anzahl besitzt. Somit erhält man auch einen ungeraden Kreis im Widerspruch zur Voraussetzung. Die beiden Mengen sind also disjunkt. Wenn es eine Kante innerhalb von geben würde, so würden die daran beteiligten Punkte sofort auch zu gehören im Widerspruch zur gezeigten Disjunktheit.
Insbesondere ist jeder Baum und jeder Wald bipartit.
- Paarungen
Es steht nun in Anschluss an Beispiel 20.4 der Schüleraustausch zwischen der Klasse aus Osnabrück und der Klasse aus Málaga an. Dabei besuchen die Kinder aus Osnabrück zuerst Málaga und jedes Kind soll bei einem Kind unterkommen, mit dem es bereits durch eine Brieffreundschaft verbunden ist. Es soll also innerhalb des vorgegebenen Brieffreundschaftsgraphen eine Paarung vorgenommen werden. Naheliegende Fragen sind: Wann ist das möglich? Auf wie viele Arten ist es möglich? Wie findet man eine solche Paarung?
Eine Paarung in einem Graphen ist eine Kantenmenge , wobei die Kanten aus zueinander disjunkt sind.
Mit disjunkt meint man hier natürlich knotendisjunkt, bei einer Paarung ist jeder Punkt höchstens zu einer Kante der Paarung inzident. In einer Skizze eines Graphen kann man eine Paarung dadurch kenntlich machen, dass man die beteiligten Kanten dicker (oder bunt) malt. Statt Paarung sagt man auch Matching oder man spricht von einer Menge von unabhängigen Kanten.
Eine perfekte Paarung ist somit eine Paarung für die gesamte Knotenmenge.
Im vollständigen bipartiten Graphen gibt es eine Vielzahl an perfekten Paarungen. Man muss einfach nur für jeden Knoten der einen Teilmenge der Partition nacheinander mit einem Knoten der anderen Teilmenge verbinden.
Eine perfekte Paarung gibt es im Allgemeinen nicht, deshalb betrachtet man auch die folgenden Konzepte.
Man beachte, dass hier der Sprachgebrauch nicht einheitlich ist. Wir verwenden maximal ordnungstheoretisch, wobei wir Kantenmengen und insbesondere Paarungen über die Inklusion miteinander vergleichen. Eine maximale Paarung liegt also genau dann vor, wenn jede Hinzunahme einer weiteren Kante die Disjunktheit der Kanten zerstört. Es kann aber durchaus „völlig“ andere Paarungen geben, die mehr Kanten als eine vorliegende maximale Paarung enthalten. Optimal bezieht sich hingegen auf die Anzahl der beteiligten Kanten.
Die Paarungszahl eines bipartiten Graphen ist die größtmögliche Anzahl von Kanten in einer Paarung von .
Es geht also um die Anzahl der Kanten in einer optimalen Paarung.
- Paarungen in bipartiten Graphen
Der folgenden Satz heißt Paarungssatz oder Heiratssatz. Wir formulieren ihn zuerst als eine numerische Bedingung für die Existenz einer injektiven Abbildung, später folgen graphentheoretische Interpretationen.
Es sei eine Menge, es sei eine endliche Indexmenge und zu jedem sei eine Teilmenge gegeben. Zu einer Teilmenge setzen wir
Dann gibt es eine injektive Abbildung
mit .
Wir führen Induktion über die Anzahl von , bei ist nach Voraussetzung und man kann ein beliebiges Element aus als Wert an der Stelle festlegen.
Es sei nun -elementig und sei die Aussage für jede kleinere Indexmenge (und jede Mengenfamilie, die die numerische Bedingung erfüllt) bewiesen. Wir betrachten zwei Fälle. Erster Fall. Für alle Teilmengen , , gelte sogar die stärkere Bedingung
Wir wählen ein Element und und betrachten , , . Da stets nur das Element herausgenommen wird, gilt die numerische Bedingung für diese neue Situation und wir können darauf die Induktionsvoraussetzung anwenden. Es gibt also eine injektive Abbildung
mit . Diese Abbildung können wir durch zu einer injektiven Abbildung von nach fortsetzen. Zweiter Fall. Es gibt nun eine echte Teilmenge mit
Für gilt die numerische Bedingung nach wie vor. Wir betrachten
und
und setzen
für . Für jede Teilmenge ist
Nach Voraussetzung hat diese Menge zumindest Elemente und hat genau Elemente. Deshalb besitzt zumindest Elemente. D.h. dass und die , , ebenfalls die numerische Bedingung erfüllen. Wir können die Induktionsvoraussetzung auf einerseits und auf andererseits (mit den zugehörigen Zielmengen) anwenden und erhalten injektive Abbildungen
mit und
mit . Da und disjunkt sind, setzen sich diese beiden Abbildungen zu einer injektiven Abbildung mit zusammen.
Es sei ein bipartiter Graph mit einer Bipartition und sei . Man sagt, dass die Paarungsbedingung erfüllt, wenn für jede Teilmenge die Beziehung gilt.
Statt Paarungsbedingung sagt man auch Heiratsbedingung. Man beachte, dass die Paarungsbedingung eine Ansammlung von rein numerischen Bedingungen ist. Besonders wichtig ist der Fall .
Es sei ein bipartiter Graph mit einer bipartiten Zerlegung . Dann sind die folgenden Eigenschaften äquivalent.
- enthält eine Paarung für .
- Die Paarungszahl von ist gleich .
- Es gilt die Paarungsbedingung für , d.h. zu jeder Teilmenge ist .
- Es gibt eine injektive Abbildung
mit für alle .
Von (1) nach (2). Da es eine Paarung für gibt, ist die Paarungszahl zumindest . Größer kann die Paarungszahl aber auch nicht sein, da ja jede Paarung Bezug auf die beiden Teile und nimmt. Von (2) nach (1) ist klar. Da man aus einer Paarung für eine injektive Abbildung von nach mit der beschriebenen Kantenbedingung und aus einer solchen Abbildung umgekehrt direkt eine Paarung machen kann, sind (1) und (4) äquivalent. Von (3) nach (4) folgt direkt aus Satz 20.18, wenn man berücksichtigt. Von (4) nach (3) ist trivial.
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